In: Geschichte für heute: Zeitschrift für historisch-politische Bildung : Zeitschrift des Verbandes der Geschichtslehrerinnen und -lehrer Deutschlands, Band 17, Heft 2, S. 69-82
In: L' homme: European review of feminist history : revue europénne d'histoire féministe : europäische Zeitschrift für feministische Geschichtswissenschaft, Band 29, Heft 2, S. 91-108
Der Beitrag diskutiert zunächst die für eine historisch-soziologische Analyse von Parametern der Religiosität und Kirchlichkeit vorhandenen quantitativen Daten. Dazu gehört auch eine kritische Betrachtung der Kontextbedingungen, in denen diese Daten als Ausweis kirchenorganisatorischen Erfolgs entstanden sind, und damit zugleich eine Kritik ihrer Verlässlichkeit und Aussagekraft. In einem zweiten Schritt werden die für Deutschland vorliegenden Daten zu zentralen Parametern für den Zeitraum von 1900 bis 1960 vorgestellt und in ihrer Signifikanz analysiert. Neben Unterschieden zwischen Katholiken und Protestanten wird vor allem in zeitlicher Hinsicht die innere Aushöhlung konfessioneller Milieus bereits vor 1945 betont, also schon vor den weithin als Zeit beschleunigten religiösen Wandels angesehenen 1960er Jahren. In einem dritten Schritt werden diese empirischen Befunde dann auf Fragen der historischen und soziologischen Forschungsdiskussion bezogen, die um Konfessionalisierung und Säkularisierung als zentrale Kategorien kreist. Daraus leitet sich ein Plädoyer für eine modifizierte und differenzierte Form des Säkularisierungskonzepts ab, eine These die auch im vergleichenden Blick auf Entwicklungen in anderen Ländern Westeuropas erörtert wird.
Im Jahr 1963 veröffentlichte der Religionssoziologe Thomas Luckmann ein nur 83 Druckseiten langes Buch mit dem eher unscheinbaren Titel "Das Problem der Religion in der modernen Gesellschaft". Das schmale Bändchen war zunächst einmal ein Eingriff in eine aktuelle und kontrovers beurteilte Praxis: die Nutzung religions- und kirchensoziologischer Erhebungen und Daten als "Hilfswissenschaft", deren "Probleme", so Luckmann, "von den institutionellen Interessen religiöser Organisationen bestimmt" würden. Damit spielte Luckmann, der selbst empirische Erhebungen zur religiösen Praxis in protestantischen Gemeinden durchgeführt hatte, auf den engen "positivistischen" methodischen Rahmen vieler pastoralsoziologischer Untersuchungen an, die von katholischen wie protestantischen Bistümern seit Anfang der 1950er-Jahre durchgeführt worden waren. Solche Studien erhoben zum Beispiel Sozialdaten von Kirchenbesuchern oder Imagewerte verschiedener pastoraler Dienstleistungen, um den Bistumsleitungen Anhaltspunkte für die Neuordnung seelsorglicher Angebote zu liefern. Doch für Luckmann verfielen diese empirischen Erhebungen nicht nur wegen der kurzschlüssigen kirchlichen Verwertungsinteressen und ihrer Fokussierung auf klar operationalisierbare, durch Teilnahme am Ritual definierte Formen des Religiösen der Kritik. Problematisch erschien ihm mehr noch die damit verbundene Einschreibung in ein Säkularisierungsparadigma, das ganz eindimensional an der "zurückgehenden Reichweite der Kirchen" orientiert war.
Ziel der Tagung war es, die internationale Forschung über Friedensbewegungen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges neu zu vernetzen und für vergleichende Analysen miteinander ins Gespräch zu bringen, sowie neue Aspekte, Fragestellungen und methodische Ansätze zu diskutieren. Vor dem Hintergrund der jüngsten Massenbewegungen gegen den Irak-Krieg im Jahr 2003 war es ein weiteres Ziel, die politische und moralische Dimension von Friedensbewegungen zugleich zu akzentuieren und zu historisieren. Die Tagung versammelte Teilnehmer aus nicht weniger als acht europäischen Ländern sowie aus Japan und den USA. Zu den Referenten bzw. Kommentatoren zählten nicht nur sowohl etablierte als auch jüngere Historikerinnen und Historiker, sondern auch Politologen, Soziologen und eine Kunsthistorikerin. Für den Autor wurde auch rückblickend eine "heilige Kuh geschlachtet": Die bisherige Forschung zur Geschichte von Friedensbewegungen war zu stark den Zielen und vor allem den moralischen Codes dieser Bewegungen verpflichtet, als dass sie zur Dekonstruktion dieser Codes und damit zu einer historischen Analyse substanzielles hätte beitragen können. (ICA2)
Der Beitrag behandelt einen wichtigen Aspekt der Verwissenschaftlichung des Sozialen, nämlich die Frage, wie die Sozialwissenschaften in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren eingesetzt wurden, um die soziale Wirklichkeit von Gegenwartsgesellschaften zu beschreiben und Probleme in der Bundesrepublik Deutschland zu lösen. Als Beispiel dient die katholische Kirche. Im Mittelpunkt steht die Institutionalisierung wissenschaftlicher Expertise durch die Gründung besonderer Forschungseinrichtungen auf dem Gebiet der Kirchensoziologie. Durchgeführt wurden "soziographische" Analysen, die die soziale Schichtung der Kirchgänger mit Hilfe quantitativer Methoden beschreiben sollten. Hier arbeiteten Sozialwissenschafter, Kirchenoffizielle und Missionare zusammen. Sie bildeten keine Reformkoalition mit dem Ziel fundamentalen Wandels, sondern verstanden Kirchensoziographie als Instrument technokratischer Anpassung der Gemeindestrukturen. (ICEÜbers)
Für den vierten Band der "Gesellschaftsgeschichte" von Hans-Ulrich Wehler möchte ich drei Lesarten vorschlagen. Die erste sieht den Band einfach als eine Gesamtdarstellung der deutschen Geschichte unter vielen. Bei dieser Lesart stechen die Vorzüge des gesellschaftsgeschichtlichen Ansatzes hervor. Wehler belässt es nicht bei kursorischen Bemerkungen zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, sondern er behandelt die konjunkturelle Dynamik der Wirtschaft und das soziale Profil der verschiedenen Erwerbs- und Besitzklassen in eigenem Recht und mit großer Präzision. Andererseits zeigt gerade der Abschnitt zum Kaiserreich im Ersten Weltkrieg, dass der Erfolg des Paradigmas der Gesellschaftsgeschichte den Autor Hans-Ulrich Wehler eingeholt hat. Denn eine vergleichbar gegliederte Darstellung der sozialhistorischen Ursachen für die zur Revolution von 1918 führende Legitimationskrise des wilhelminischen Systems hat unlängst Roger Chickering vorgelegt.
Der Beitrag thematisiert den gegenwärtigen Forschungsstand der Sozialgeschichtsschreibung als eine "unreflektierte Abhängigkeit von den Selbstbeschreibungen der Gesellschaft". Paradigmatisch dafür ist das Bemühen, unter dem Signum der "Postmoderne" für eine neue thematische und theoretische Vielfalt und Heterogenität von Zugangsweisen zur Geschichte zu plädieren und sich von den "Meisterdenkern" und den "großen Erzählungen" zu verabschieden. Vor diesem Hintergrund versuchen die vorliegenden Überlegungen, das "alte" Produktionsparadigma als Grundlage sozialgeschichtlicher Forschung zu umreißen und Perspektiven für die konzeptionelle Öffnung des Sozialen zu diskutieren. Am Beginn steht eine Auseinandersetzung mit der in letzter Zeit äußerst intensiven Forschung über Vorgeschichte und Traditionen der heutigen Sozialgeschichtsschreibung vornehmlich in Deutschland. Die an Stratifikation oder Desintegration orientierten Ansätze der Sozialgeschichtsschreibung müssen sich fragen lassen, ob sie nicht zu einer Verharmlosung von sozialer Ungleichheit als einer andauernden Folge funktionaler Differenzierung tendieren. Deswegen hat ein Umbau der Kategorien und der Semantik stattgefunden, mit der Formen sozialer Ungleichheit beschrieben werden. Dies beinhaltet den Verzicht darauf, soziale Gruppen und Schichten in ein "Netz von Definitionen" einzufangen und "schachtelartig" vertikal übereinander zu stapeln, wie es dem Muster hierarchischer Stratifizierung entspricht. (ICA2)
"Im Gegensatz zu manchen populären Vorstellungen war die Intensität des religiösen Aufbruchs im westdeutschen Katholizismus nach dem Zusammenbruch der NS-Diktatur 1945 nur eng begrenzt, wie quantitative Daten zur Kirchenbindung belegen. Die Erosion der katholischen Sozialmilieus setzte sich während der gesamten fünfziger Jahre mit steigender Geschwindigkeit fort. Von wesentlicher Bedeutung für die Milieuerosion war das Ende der traditionell prekären Milieukoalition verschiedener sozialer Bewegungen im deutschen Katholizismus in der Nachkriegszeit." (Autorenreferat)
"Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1990/ 91 hat sich fast ohne Widerspruch eine Meistererzählung zur bundesdeutschen Friedensbewegung der frühen 1980er Jahre etabliert, welche diese Protestbewegung durch die Brille des Kalten Krieges sieht und sie als kommunistisch 'unterwandert' interpretiert. Im Gegensatz dazu wird das Engagement kommunistischer Gruppen innerhalb der breiteren Proteste gegen den NATO-Doppelbeschluss hier sozial- und kulturgeschichtlich als Teil der disparaten sozialen Bewegungen der siebziger Jahre gesehen. Damit fällt zugleich neues Licht auf die Krise des westlichen Bündnisses seit der Mitte dieser Dekade und die darauf folgenden Kontroversen um das Verständnis von 'Sicherheit' in Bundesrepublik und DDR." (Autorenreferat)
Das Forschungsprojekt 'Meinungsumfragen in der Konkurrenzdemokratie. Der Aufstieg der Umfrageforschung und seine Auswirkungen auf die Parteien und den politischen Massenmarkt 1945/49-1990' versucht, Fragen der politischen Geschichte unter strukturellen Bedingungen aufzuwerfen, um die Einrichtung und die Durchführung von Umfragen bei den politischen Parteien in der Bundesrepublik zu beschreiben. Die drei Dimensionen von 'politics', 'polity' und 'policy' werden herangezogen, um den Einfluss der Instrumente der Umfrageforschung auf das praktische Denken und den diskursiven Wortlaut der Politik am Beispiel der beiden Volksparteien SPD und CDU zu analysieren. (ICIÜbers)