Eugen Ehrlich und die Bukowina: die Entstehung der Rechtssoziologie aus der kulturellen Vielfalt menschlicher Verbände
In: Zusammenbruch des Sowjetsystems: Herausforderung für die Soziologie, S. 279-294
In der aktuellen rechtstheoretischen und rechtssoziologischen Debatte nimmt Eugen Ehrlichs Werk "Grundlegung der Soziologie des Rechts" eher eine randständige Position ein. Die Beschäftigung mit seinem Werk steht für den Autor im Kontext eines Interesses nach Beiträgen ostmitteleuropäischer Forscher zur Entstehung und Ausdifferenzierung der Soziologie sowie der Frage nach kulturellen Besonderheiten, in denen diese Beiträge entstanden. Er geht von der These aus, daß auch wissenschaftliche Theorien den im Vorrat kultureller Symbole gegenwärtigen Kontext ihrer Genese "widerspiegeln". Er analysiert Ehrlichs Konstituierung der Rechtswissenschaft als Soziologie und beschreibt in essayistischer Form zunächst Form, Leben und Werk von Eugen Ehrlich, der in der bis 1918 zur Österreichisch-ungarischen Monarchie gehörenden Bukowina lebte. In einem zweiten, systematischen Schritt werden dann Thesen zur Relevanz von Ehrlichs Methode der Rechtstatsachenforschung für die aktuelle Erforschung der Transformationsprozesse in Ost- und Ostmitteleuropa diskutiert. Der Vorteil einer entsprechenden Methode wäre darin zu sehen, daß sie den soziokulturellen und politischen Bedingungen, auf die sie angewandt würde, angemessen wäre, weil der mit diesem Verfahren mögliche Institutionsbegriff die unter- und außerhalb des kodifizierten Rechts wirksamen Regulierungen alltäglichen Handelns adäquat erfassen könnte. (rk)