In debates on methodology, reflexivity describes an analytical practice whereby researchers take the context of the research situation into account, including the influence researchers have on the study and its results. Following constructivist epistemological principles, reflexivity is a required component of qualitative methodologies. There are various approaches as to what aspects of the researcher and the situation to consider – and how to go about them. In this paper, I propose that researcher reflexivity not only serves analytical, but also ethical purposes. Using an example from a qualitative organizational study, I show that field experiences can be both an insightful datum for analysis as well as grounds for "ethics in practice." Ethical reflexivity involves considering the social and political implications of research, avoiding harm, and ensuring participants' rights while striving for accountability in pursuing scientific goals. These multiple tasks create tension and contradictory demands on researchers, which are not easily resolved. Yet the way forward lies in addressing the challenges and seeking solutions not only with scientific peers, but also in dialogue with actors in the field.
Die Situation von Geflüchteten ist durch rechtliche, ökonomische und soziale Vulnerabilitäten charakterisiert, die besondere forschungsethische Herausforderungen mit sich bringen. Aufgrund der eingeschränkten Rechte von Geflüchteten, der prekären Lebenslagen und ausgeprägten Abhängigkeitsverhältnisse sind zentrale forschungsethische Grundsätze wie die Gewährleistung der Freiwilligkeit der Teilnahme an Forschung infrage gestellt oder zumindest deutlich erschwert. Gleichzeitig haben sich feldspezifische ethische Debatten entwickelt. So wird in der internationalen Diskussion die Forderung nach einem "dualen Imperativ" der Fluchtforschung formuliert, der besagt, dass Forschung in Kontexten ausgeprägter Not und existenzieller Bedrohung nicht nur wissenschaftliche Ziele verfolgen, sondern auch danach streben sollte, die Situation von Geflüchteten zu verbessern. In diesem Beitrag diskutiere ich forschungsethische Fragen der Fluchtforschung am Beispiel eines qualitativen Lehrforschungsprojekts mit jungen Geflüchteten zum Thema Bildung und Arbeit in München. Die Rahmung durch politische und rechtliche Diskurse prägte die Forschungssituation in vielfältiger Weise. Die forschungsethische Reflexivität geht allerdings über die Interaktionen im Feld hinaus und bezieht sich auch auf allgemeinere Aspekte des Studiendesigns, Fragen der Repräsentation sowie der Dissemination und Nutzung von Studienergebnissen. Es wird vorgeschlagen, die Potenziale und Grenzen der partizipativen Forschung für Fluchtforschung in Erwägung zu ziehen. ; The situation of refugees is characterized by legal, economic and social vulnerabilities that generate particular challenges with regard to research ethics. The limited rights, precarious living conditions and high level of dependency in social interactions call into question some of the key principles of research ethics, such as voluntary participation, and hamper their realization in practice. A lively debate of ethical conduct in research with refugees has evolved internationally. Some scholars call ...
Die Kernfragen dieses Beitrags lauten: Wie wurden Migrant*innen Teil von Aidshilfe-Organisationen, welche Inklusions- und Exklusionsprozesse können in diesem Kontext identifiziert werden und wie vollzog sich dabei die spezifische Organisationsgeschichte und -identität? Die Deutsche Aidshilfe e.V. vereint seit ihrer Gründung 1983 verschiedene, von HIV und Aids besonders betroffene Gruppen: zunächst hauptsächlich schwule und bisexuelle Männer, bald auch Drogengebrauchende und Sexarbeiter*innen. Dieses Bündnis wurde in der Organisation selbstironisch und selbstbewusst auch als "Allianz der Schmuddelkinder" bezeichnet - im Sinne einer Aneignungsstrategie und politischen Solidarisierung unterschiedlich mehrfach-stigmatisierter Gruppen. Anhand dieser Selbstbezeichnung wird die Frage aufgeworfen, inwiefern Migrant*innen Teil dieses Bündnisses waren bzw. wurden. Im Rahmen des BMBF-geförderten Projekts "Zivilgesellschaftliche Organisationen und die Herausforderungen von Migration und Diversität: Agents of change" (ZOMiDi; 2018-2021) wurde im Teilprojekt Gesundheit/HIV eine Organisationsstudie in der Deutschen Aidshilfe e.V. (DAH) mithilfe qualitativer Datenerhebungsverfahren durchgeführt. Die Analyse zeigt eine dynamische Geschichte der Ein- und Ausschlüsse von Migrant*innen. Insbesondere in den 1980er und 1990er Jahren, in denen der Begriff der "Allianz der Schmuddelkinder" geprägt wurde, lassen sich gegenläufige und teils widersprüchliche Entwicklungen feststellen. Seit den 2000er Jahren fand eine umkämpfte, aber kontinuierliche Entwicklung hin zu mehr Inklusion statt. Hieran anschließend wird diskutiert, welche Bedingungen die Veränderungen und Öffnungsprozesse ermöglicht haben.
Forschungsethik wird in den deutschsprachigen Sozial- und Kulturwissenschaften zunehmend zum Thema. Zum einen reflektieren empirisch Forschende vermehrt ethische Fragen, die sich in ihrer Forschungspraxis stellen. Zum anderen wird auf wissenschaftspolitischer Ebene diskutiert, Ethics Reviews, d.h. Begutachtungen von Forschungsvorhaben durch Ethikkommissionen, nun auch in der sozial- und kulturwissenschaftlichen Forschung in Deutschland verstärkt einzuführen. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass Forschende, die in englischsprachigen Journals publizieren oder internationale Fördermittel einwerben möchten, zunehmend aufgefordert sind, eine ethische Unbedenklichkeitsbescheinigung bezüglich ihrer empirischen Forschung vorzulegen. Ethics Reviews sind international insbesondere im angloamerikanischen Sprachraum üblich, werden dort jedoch durch qualitativ Forschende teilweise scharf kritisiert. Im Mittelpunkt der Kritik stehen neben dem hohen bürokratischen Aufwand vor allem die mangelnde Passfähigkeit der Prinzipien und Prüfverfahren für die qualitative Forschung und die negativen Folgen der institutionalisierten Prüfverfahren für die Freiheit, Qualität und methodologische Vielfalt sozial- und kulturwissenschaftlicher Forschung. Wie lassen sich vor diesem Hintergrund die aktuellen Entwicklungen in Deutschland einschätzen? Anlässlich eines interdisziplinären Symposiums zum Thema "Forschungsethik und ethnografische Feldforschung" kommentieren wir die Entwicklungen in Deutschland aus ethnologischer und soziologischer Perspektive. Wir sprechen uns für eine institutionelle Verankerung des Themas aus und unterstützen die Entwicklung von Strukturen der forschungsethischen Begutachtung, sofern diese freiwillig bleiben und die methodische Vielfalt der Sozial- und Kulturwissenschaften sowie die Besonderheiten ethnografischer und explorativer Studien angemessen berücksichtigen. Aus der Perspektive qualitativ Forschender kommt der Förderung methodologischer und forschungsethischer Reflexivität in Forschung und Lehre jedoch grundsätzlich weit höhere Relevanz zu als der Einrichtung von institutionalisierten Begutachtungsverfahren.
Forschungsethik wird in den deutschsprachigen Sozial- und Kulturwissenschaften zunehmend zum Thema. Zum einen reflektieren empirisch Forschende vermehrt ethische Fragen, die sich in ihrer Forschungspraxis stellen. Zum anderen wird auf wissenschaftspolitischer Ebene diskutiert, Ethics Reviews, d.h. Begutachtungen von Forschungsvorhaben durch Ethikkommissionen, nun auch in der sozial- und kulturwissenschaftlichen Forschung in Deutschland verstärkt einzuführen. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass Forschende, die in englischsprachigen Journals publizieren oder internationale Fördermittel einwerben möchten, zunehmend aufgefordert sind, eine ethische Unbedenklichkeitsbescheinigung bezüglich ihrer empirischen Forschung vorzulegen. Ethics Reviews sind international insbesondere im angloamerikanischen Sprachraum üblich, werden dort jedoch durch qualitativ Forschende teilweise scharf kritisiert. Im Mittelpunkt der Kritik stehen neben dem hohen bürokratischen Aufwand vor allem die mangelnde Passfähigkeit der Prinzipien und Prüfverfahren für die qualitative Forschung und die negativen Folgen der institutionalisierten Prüfverfahren für die Freiheit, Qualität und methodologische Vielfalt sozial- und kulturwissenschaftlicher Forschung. Wie lassen sich vor diesem Hintergrund die aktuellen Entwicklungen in Deutschland einschätzen? Anlässlich eines interdisziplinären Symposiums zum Thema "Forschungsethik und ethnografische Feldforschung" kommentieren wir die Entwicklungen in Deutschland aus ethnologischer und soziologischer Perspektive. Wir sprechen uns für eine institutionelle Verankerung des Themas aus und unterstützen die Entwicklung von Strukturen der forschungsethischen Begutachtung, sofern diese freiwillig bleiben und die methodische Vielfalt der Sozial- und Kulturwissenschaften sowie die Besonderheiten ethnografischer und explorativer Studien angemessen berücksichtigen. Aus der Perspektive qualitativ Forschender kommt der Förderung methodologischer und forschungsethischer Reflexivität in Forschung und Lehre ...
This paper reflects on the classification and social categorization of ethnically diverse populations as a discursive practice in the production of knowledge by state institutions in the field of public health. It begins by providing an overview of the terms migrant and ethnicity in public health reporting and by comparing examples of ethnicity and migration-related categories used in tuberculosis (TB) and HIV/AIDS health reporting classification systems in the United Kingdom and Germany. It reviews sociology of knowledge studies focusing on classification and the social construction of medical knowledge to highlight why a sociological perspective on the categories used in public health classifications is a productive line of enquiry. In this regard, an aim of the paper is to discuss the theoretical underpinnings of the DFG-funded project Changing Categories: Migrants in epidemiological, preventive and legal discourses on HIV and tuberculosis - A discourse analysis comparing Germany and the UK. The paper creates a context for understanding the socio-historical processes implicit in the construction of public health classification systems and their constituent categories by dis-cussing, from a Foucauldian perspective, how the classification and social categorization of migrants are implicated in the governmentality of immigration. More specifically, it will consider the biopolitical function of public health and the exclusionary/inclusionary paradox in public health discourses on migrants and communicable diseases. The paper then discusses classification, identification and categorization as social processes to draw attention to the complexity of classification work and the constructedness of categories as knowledge practices. The final section of the paper draws on the Sociology of Knowledge Approach to Discourse Analysis (Keller 2013) to show how this research programme offers useful methodological tools to reconstruct processes and practices associated with meaning and knowledge production in an institutional field such as public health. By referring to the UK and German health reporting examples, it further reflects on how classification produces knowledge claims that are grounded in prevailing socio-historical conditions but which are potentially unstable and open to contestation by other actors. ; [Die Klassifikation von 'Migrant/innen' als diskursive Praxis in Public-Health-Diskursen: Eine wissenssoziologische Betrachtung] Das vorliegende Diskussionspapier befasst sich mit Klassifikation und sozialer Kategorisierung als diskursiven Praktiken der Wissensproduktion von staatlichen Institutionen. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie Migrantinnen und Migranten im Public-Health-Bereich als eine besondere Gruppe konstruiert und erfasst werden, die sich vom Rest der Bevölkerung unterscheidet. Zunächst wird ein Überblick zur Verwendung der Begriffe Migrant/in und Ethnizität in der Gesundheitsberichterstattung gegeben. Es werden Beispiele für ethnizitäts- bzw. migrationsbezogene Kategorien in der Berichterstattung zu Tuberkulose und HIV/Aids aus Deutschland und dem Vereinigten Königreich angeführt. Daraufhin wird gezeigt, wie sich eine wissenssoziologische Perspektive auf diese Kategorien darstellt und welche Anknüpfungspunkte bestehende soziologische Arbeiten zu Klassifikation und sozialer Konstruktion medizinischen Wissens bereithalten. Ziel dieses Beitrags ist es, einige theoretische Vorannahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekts Kategorien im Wandel: Migrant/innen in epidemiologischen, präventiven und rechtlichen Diskursen zu HIV und Tuberkulose. Ein Ländervergleich (D/GB). zur Diskussion zu stellen. Dieser Beitrag möchte den Blick für die sozio-historischen Prozesse schärfen, die der Konstruktion von Public-Health-Klassifikationssystemen zu Grunde liegen. Dabei werden Klassifikation und soziale Kategorisierung von Migrant/innen mit Michel Foucault als gouvernementale Praktiken im Umgang mit Migration begriffen. Insbesondere werden die bio-politische Funktion von Public-Health und das Exklusion/Inklusion-Paradox in Public-Health-Diskursen zu Migration und übertragbaren Infektionskrankheiten diskutiert. Die theoretische Rahmung von Klassifikation, Identifikation und Kategorisierung als sozialen Prozessen lässt die Komplexität von Kategorisierungsarbeit nachvollziehbar werden und erlaubt es die soziale Konstruktion von Kategorien als diskursive Praktik der Wissensproduktion zu begreifen. Im letzten Abschnitt wird ein durch die Wissenssoziologische Diskursanalyse (Keller 2013) informierter Zugang vorgestellt, wobei gezeigt wird, wie sich die methodologische Herangehensweise dieses Forschungsprogramms zur Rekonstruktion von Praktiken der Bedeutungs- und Wissensproduktion im Public-Health-Bereich als hilfreich erweist. Unter Bezugnahme auf die Gesundheitsberichterstattung in Deutschland und dem Vereinigten Königreich wird schließlich davon ausgegangen, dass Klassifikation Wissen erzeugt, das in spezifischen sozio-historischen Voraussetzungen begründet ist, gleichzeitig jedoch stets nur vorläufig und um-stritten ist, d.h. von verschiedenen Akteuren in Frage gestellt wird.
Die deutschsprachige Debatte um den Ansatz der Aktionsforschung unterscheidet sich wesentlich von der angloamerikanischen Debatte. Dort wurde der action research Ansatz in den 1940er Jahren von dem Sozialpsychologen Kurt Lewin entwickelt und erfreut sich als Forschungsstrategie auch heute noch relativ großer Beliebtheit in verschiedenen Disziplinen. In Deutschland wurde die Aktionsforschung in den 1970er Jahren im Zuge einer grundsätzlichen, gesellschafts-, wissenschafts- und methodenkritischen Debatte intensiv diskutiert, verschwand aber nach einer vergleichsweise kurzen Zeit wieder fast vollständig aus dem sozialwissenschaftlichen Diskurs. Dieses Discussion Paper beleuchtet die Geschichte der Aktionsforschung im deutschsprachigen Raum und zeigt auf, dass einige zentrale Begriffe und Anliegen der Aktionsforschung seit den 1970er Jahren weiter entwickelt wurden, unter anderem in der qualitativen Sozialforschung, der Praxisforschung und dem Ansatz der Selbstevaluation. Als Forschungsstrategie sieht die Aktionsforschung eine enge Zusammenarbeit von Wissenschaftler/innen und Praktiker/innen unter der Zielsetzung der gemeinsamen Erforschung und Beeinflussung eines bestimmten sozialen Handlungsfeldes und der darin verorteten, professionellen Praxis vor. Die Autor/inn/en argumentieren, dass ein solches Vorgehen im Kontext der aktuellen gesundheitswissenschaftlichen Debatte um Evidenzbasierung sehr relevant ist. In Anlehnung an die Aktionsforschung und andere Quellen haben sie den Ansatz der Partizipativen Qualitätsentwicklung für Public Health entwickelt, der sich insbesondere für Maßnahmen der lebensweltorientierten Primärprävention und Gesundheitsförderung mit sozial benachteiligten Gruppen eignet. Dieser Ansatz wirft jedoch auch methodische und methodologische Fragen auf, die zum Teil in der Tradition der Aktionsforschung stehen, und für deren Diskussion die Konfliktlinien, Erfahrungen und Einsichten der kritischen deutschsprachigen Debatte der Aktionsforschung seit den 1970er Jahren aufschlussreich sind. Das Discussion Paper bespricht ausgewählte Aspekte dieser Geschichte, um die aktuelle Methoden-Debatte in Public Health zu bereichern. ; The German-speaking discourse on action research differs profoundly from the Anglo- American discourse where action research was first developed by social psychologist Kurt Lewin and where it is still a widely used research strategy across disciplines. In the Germanspeaking discourse, on the other hand, action research was only introduced in the early 1970s when it became vastly popular in the context of a larger critical debate in the social sciences, before it disappeared again from the scientific discourse a decade later. This discussion paper traces the history of action research in the German-speaking discourse highlighting its developments and continuities. As a research strategy, action research involves the close collaboration of researchers and practitioners with the aim of investigating and influencing the professional practice in a chosen field. This approach is currently highly relevant in the context of the public health debate on evidence based practice. Inspired by the original ideas of action research and other sources, the authors developed participatory quality development as a new approach for community-based health promotion and primary prevention, in particular those tailored to socially disadvantaged groups. The approach has clear strengths, but also raises methodological questions some of which are rooted in the tradition of action research. These challenges can be addressed with reference to the experiences and insights gained in the critical, German-speaking debate of action research. This discussion paper discusses selected aspects of this historical debate in order to enrich the current methodological debate in public health.
In der Migrationsforschung spielt die Frage nach den Veränderungsprozessen in der Aufnahmegesellschaft in Folge von Migration und gesellschaftlicher Diversifizierung eine zunehmend wichtige Rolle. Die Beiträge des Bandes widmen sich den Wandlungsprozessen in vier zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich als Interessenvertreter*innen von potenziell benachteiligten Bevölkerungsgruppen verstehen. Dabei zeigen sie auf, inwiefern und wie sie sich für Migrant*innen und migrationsbezogene Themen öffnen.
Othering ist nicht nur ein gesellschaftliches Phänomen, sondern muss auch in seiner Relevanz für die wissenschaftliche Analyse reflektiert werden. Anhand von Beispielen aus der Forschungspraxis diskutieren die Beiträger*innen, wie das theoretische Konzept des Othering in der qualitativen Forschung fruchtbar gemacht werden kann. Dabei loten sie dessen kritisches und produktives Potenzial sowohl in theoretischer als auch in epistemologischer, methodologischer und forschungspraktischer Hinsicht aus. Sie analysieren Othering in der postmigrantischen Gesellschaft empirisch, machen es auf diese Weise sichtbar und fragen nach den Möglichkeiten und Grenzen von Reflexivität für eine kritische Wissensproduktion.