Verhandlungstheoretische Ansätze haben sich in den letzten Jahren in der Familienforschung als weniger abstrakte Alternative zu haushaltsökonomischen Modellen durchgesetzt. Obwohl es inzwischen eine breite Palette an Fragestellungen gibt, auf die Bargaining-Modelle angewendet werden, lassen sich aufgrund der schlechten Datenlage immer noch wenig direkte Überprüfungen dieser Theorie finden. Vorliegender Beitrag sucht diesem Desiderat mit dem quasi-experimentellen Erhebungsdesign eines faktoriellen Survey zu begegnen: Experimentell variierte Anreize zu einem Haushaltsumzug dienen dazu, Veränderungen struktureller Rahmenbedingungen — wie beispielsweise der individuellen Verdienst-und Karrierechancen — und damit Machtkonstellationen in der Partnerschaft zu simulieren. Die beobachteten Reaktionen stützen die aus der Verhandlungstheorie ableitbaren Hypothesen: Die Akteure antizipieren sowohl eigene Verschlechterungen der Verhandlungsmacht als auch die der Partner und reagieren mit einer geringeren Umzugsneigung sowie einem erhöhten wahrgenommenen Konfliktpotenzial für die Beziehung. Aufgrund des innovativen, experimentellen Charakters bedürfen diese Befunde weiterer Validierungen, für die Anregungen gegeben werden.
Die Arbeitszeitpolitik ist auf die tarifpolitische Agenda zurückgekehrt. Auf der einen Seite streben Arbeitnehmer mehr Zeitsouveränität an, auf der anderen Seite müssen Unternehmen immer flexibler auf Kundenanforderungen reagieren. Dabei können Konflikte entstehen, deren Entschärfung in erster Linie Aufgabe der Betriebsparteien ist. Die Tarifpartner können die Betriebsparteien durch tarifliche Rahmenregelungen unterstützen, die den Spielraum der Betriebe nicht einengen. Erste Schritte waren Arbeitszeitregelungen im Rahmen sogenannter Demografietarifverträge. Gegenwärtig folgen Optionsmodelle, bei denen zwischen höherem Entgelt und mehr Freizeit gewählt werden kann. Ein weiterer Schritt wäre, in Tarifverträgen lediglich einen Arbeitszeitrahmen vorzugeben, in dessen Bandbreite die Betriebe ihre Arbeitszeiten mit ihren Beschäftigten individuell und frei ausgestalten können. Je unbürokratischer dies umgesetzt werden kann, umso größer dürfte auch die Akzeptanz tariflicher Regeln bei den Unternehmen sein. ; Working time issues are back on the collective bargaining agenda. On the one hand, employees are striving for more working time sovereignty, on the other, companies are having to be increasingly flexible in their response to their customers' demands. This can lead to conflicts which it is primarily the responsibility of the bargaining parties at the establishment level to solve. Unions and employers' associations can facilitate this by establishing framework agreements which do not restrict establishments' room to negotiate. The first steps in this direction have already been taken in the form of working time arrangements within the framework of so-called demographic collective agreements. These are now being followed by option models that offer a choice between higher pay and more leisure time. A further step would be to merely specify a working time framework in collective agreements, leaving companies to organize their working hours with their employees individually and freely. The less bureaucratically this can be implemented, the greater companies' acceptance of collective bargaining rules should be.
"Der Beitrag diskutiert den Wandel deutscher Arbeitsbeziehungen in der Exportindustrie durch die doppelte Herausforderung von betrieblichen sowie wohlfahrtsstaatlichen Strukturveränderungen einerseits und europäischer Integration andererseits. Die These des Beitrages ist, dass sich die deutschen Arbeitsbeziehungen zu einem mehrstufigen Verhandlungsmodell verändern, innerhalb dessen die dezentralen Vereinbarungen an Relevanz gewinnen. Allerdings bleibt der Flächentarifvertrag die zentrale Referenzgröße für die Mehrheit der dezentralen Vereinbarungen. Ein prominentes Beispiel fair diese Entwicklung ist das Volkswagen-Projekt '5.000 x 5.000'. Gleichzeitig gibt es gegenläufige Entwicklungen, die zu einer Ausweitung tarifpolitischer Kompetenzen auf der Ebene des Flächentarifvertrages führen: beispielsweise die tarifliche Regelung einer privaten, kapitalgedeckten Zusatzrente. Auf europäischer Regulierungsebene wurde in den 90er Jahren ein wettbewerbspolitisches Paradigma in die europäische Lohnpolitik implementiert. Während institutionalisierte Formen der Koordinierung von Geld- und Lohnpolitik unrealistisch sind, suchen die Gewerkschaften die Basis für eine eigene transnationale Koordinierungspolitik zu legen. Der erste Streik unter dem Euro im Frühjahr 2002 in der deutschen Metallindustrie zeigt, dass weiterhin Handlungsspielräume für nationale Tarifpolitik bestehen." (Autorenreferat)
The paper initially explains some fundamentals of interactive decision-making ("game theory") and then applies different approaches of game theory to different aspects of Brexit. The first analysis perceives the 2016 referendum as a "simple voting game" and challenges the view that the observed outcome of about 52% percent in favor of Brexit have to be interpreted that the "vox populi" (and, thus, also the "vox dei") is in favor of a "no-deal" Brexit. Rather, there seem to have existed three camps among the voters, of whom 25% have actually opted for a no-deal Brexit, whereas 27% seem to have approved Brexit in the expectation of a sensible deal. Hence, the 48% who favored "remain" have been by far the largest homogeneous group, although they fall short of an absolute majority. Social choice theory shows that, in a situation without an option supported by a clear majority, no aggregation procedure – such as majority voting or pairwise binary voting – exists that guarantees collective rationality (Arrow theorem) or satisfies some desirable properties (Gibbard-Satterthwaite theorem). The next analysis scrutinizes the hypothesis that the observed outcome of the referendum was due to the "remainers'" failure to participate. The economic theory of voter participation explains intermediate participation rates as a mixed strategy equilibrium. For the two or three groups mentioned above, the incentives to participate were different. The third model section takes a closer look at the negotiations between the UK and the EU, focusing on the transition from Theresa May to Boris Johnson. A simple Nash bargaining model demonstrates that the bargaining outcome may depend on the preferences of the delegate who negotiates on behalf of the represented party. Switching from one delegate to another, hence, may lead to a more favorable outcome. A final section discusses existing literature on game theoretic analysis of Brexit, which essentially deals with various non-cooperative bargaining models.
This paper examines the effects of industrial action and the impact of strike costs on the industrial action activity. Germany is characterised by having little industrial action. Within the framework of a wage bargaining model, it is argued that higher industrial action costs for the union lead to lower wages and more employment. However, international competition weakens this correlation. Finally, in the context of a strike model based on asymmetrical information, the paper shows that one-sided changes in the costs of industrial action do not have any clear effects on the extent of the industrial action. In the author's view the impact of a change in the legislation regarding industrial action on Germany's labour market situation is therefore to be assessed as small.
Im Stinnes-Legien-Abkommen vom November 1918 erkannten die Arbeitgeber die Gewerkschaften erstmals offiziell als berufene Vertreter der Arbeitnehmer an. Grundlage dieses historischen Schulterschlusses war, dass die Sozialpartner gemeinsam danach strebten, eine freiheitliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu schaffen. Dieser erste Versuch, eine Sozialpartnerschaft zu begründen, scheiterte zwar. Aber die Absicht des Abkommens, die Arbeitsbedingungen autonom zu regeln, setzte sich durch. Die Tarifautonomie konnte sich nach dem Zweiten Weltkrieg als Säule der Sozialen Marktwirtschaft etablieren, weil die Tarifparteien lernten, ihren Interessenausgleich ohne Rückgriff auf den Staat als Schiedsrichter herzustellen. Die sinkende Tarifbindung zeigt aber, dass die Tarifparteien heute vor dem Problem stehen, Tarifaußenseiter vom Ergebnis ihres Interessenausgleichs zu überzeugen. Bei der Diskussion darüber, wie dieses Manko zu beheben ist, wird auch eine aktivere Rolle des Staates erwogen. Eine Rückbesinnung auf das Stinnes-Legien-Abkommen würde aber erst einmal die Tarifparteien in die Pflicht nehmen. Das setzt allerdings voraus, dass beide Seiten ihr Heil nicht in wechselseitigen Bündnissen mit staatlichen Akteuren sehen.
In diesem Beitrag soll zunächst begründet werden, warum das ökonomische Entscheidungsmodell ganz hervorragend dazu geeignet ist, die Verhaltensfolgen von Gesetzen zu prognostizieren. Deshalb kann die ÖAR einen wesentlichen Beitrag zur Gesetzesfolgenanalyse leisten. Dann wird erläutert, welchen spezifischen Beitrag die ÖAR zur Erforschung der Kriminalität leisten kann. Dieser Beitrag ist nicht auf eine ?naive? Abschreckungs- Theorie begrenzt; diese ist vielmehr lediglich ein Ausgangspunkt, der sich im Lichte differenzierter Erkenntnisse erweitern läßt. Darüber hinaus kann die ökonomische Theorie Einsichten in zwei Problemkreise vermitteln, die für Kriminalpolitik relevant sind: Dies ist zum einen die Frage, wie viele Ressourcen die Gesellschaft für die Produktion der inneren Sicherheit aufwenden soll; zum anderen läßt sich mit produktionstheoretischen Methoden argumentieren, in welchem Ausmaß diese Ressourcen für staatliche oder für private sowie für präventive oder für Verfolgungs-Maßnahmen verwandt werden sollten. Am Beispiel konsensualer Konfliktlösungsmechanismen (TOA, ?deal? im Strafprozeß) wird demonstriert, welche Einsichten sich aus der Anwendung dieses ökonomischen Instrumentariums ziehen lassen. Diese Einsichten mögen für den juristischen Kriminalpolitiker ungewöhnlich sein; dies allein mindert sicher nicht ihren Wert. ; The paper explains the economic approach to law, in particualar to the criminal law. The incentive effects of vicitm-offender-mediation are analyzed within the framework of a simple bargaining model.
In: Discussion Papers / Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Forschungsschwerpunkt Gesellschaft und wirtschaftliche Dynamik, Forschungsgruppe Wissen, Produktionssysteme und Arbeit, Band 2007-301
"Umbrüche der Arbeitsteilung zwischen West- und Mittelosteuropa und die Verlagerung von Produktion haben Unsicherheit und soziale Konflikte hervorgerufen. Die niedrigen Löhne und das (vorgeblich) geringe institutionelle Regulierungsniveau in Mittelosteuropa werden dabei als eine Bedrohung für Löhne und Arbeitsbedingungen in Westeuropa angesehen. Die Entwicklung der Arbeitsmodelle in mittelosteuropäischen Ländern gewinnt somit durch die Regimekonkurrenz in Europa eine Bedeutung über diese Länder hinaus. Eine zentrale Frage dieses Papers ist, ob die nationalen Institutionen der Arbeitsregulierung und die Gestaltungsspielräume, die sich den transnationalen Konzernen in Mittelosteuropa bieten, von diesen zu einer 'Modellflucht' aus den westeuropäischen 'high road'-Ökonomien genutzt werden. Die Frage der Modellflucht wird am Beispiel Polens untersucht - des größten Landes Mittelosteuropas, das oft als ein 'trojanisches Pferd' eines Gesellschaftsmodells bezeichnet wird, welches durch die Schwäche der Tarifparteien und die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit der Arbeitsstandards charakterisiert sei. Es werden die empirischen Ergebnisse von Fallstudien der Entwicklung von Arbeitsmodellen in der Automobilindustrie in Polen vorgestellt. Dabei kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass die 'Flucht' aus westeuropäischen 'high road' Modellen nicht der wichtigste Entwicklungstrend in der Automobilindustrie ist. Die Aufwertung der Kompetenzen der mittelosteuropäischen Standorte und die Übertragung von Qualitätsmaßstäben aus West- nach Osteuropa resultieren in einem Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften und in geringen Spielräumen für 'low road'-Strategien. Allerdings stehen Polen und Mittelosteuropa angesichts zunehmender Emigration nach Westen, die sich in Arbeitskräfteknappheiten und einem 'brain drain' ausdrückt, vor der Frage, ob die bisher erfolgreiche Entwicklung der Industrie und die Aufwertung der Arbeitsmodelle fortgesetzt werden können." (Autorenreferat)
This paper examines critically the system of industry-level wage bargaining in Germany. More specifically, it shows that the importance of industry-level wage bargaining declines in Germany and that one major reason for this development is the highly restrictive institutional framework. However, fully decentralized wage bargaining at the firm level also exhibits some disadvantages. We compare the employment effects of industry-level and firm-level wage bargaining in a theoretical model integrating insider-outsider aspects and an exit clause in the wage contract. The exit clause effectively allows workers and firms to renegotiate the wage level in the case of a negative goods demand shock. The model yields ambiguous results with respect to the employment consequences of different wage bargaining regimes. As a consequence, we argue that industry-level wage bargaining should not be abandoned but be made more flexible instead.