In diesem Beitrag werden die grundlagentheoretischen und methodologischen Annahmen biographischer Forschung diskutiert. Es wird der Gewinn der Einbettung psychischer und sozialer Phänomene in den Gesamtzusammenhang der Lebensgeschichte einerseits und der Lebenserzählung andererseits erläutert, d.h. aufgezeigt, inwiefern sich diese Phänomene durch die Rekonstruktion ihrer Entstehungsgeschichte erklären lassen. Dabei fordert die Autorin, der Differenz und Interdependenz zwischen erlebter und erzählter Wirklichkeit zentrale Aufmerksamkeit zu widmen. Sie schlägt vor, dieser Differenz bei der biographischen Fallrekonstruktion der in narrativen Interviews erhobenen Lebensgeschichten in zwei zunächst getrennten Schritten der Analyse gezielt nachzugehen.
Der Beitrag setzt sich aus verschiedenen Teilen zusammen. Anfangs skizziert die Verfasserin den historischen Hintergrund in Form eines schematischen und vereinfachten Überblicks. Dabei hält sie es für wichtig, wenigstens einen allgemeinen historischen Umriss zu zeichnen und das polnische Erbe der biografischen Methode, welches immer noch in den aktuellen Arbeiten polnischer Soziologen zu erkennen ist, aufzuzeigen. Im Anschluss daran wird der Stand des in den letzten Jahrzehnten gesammelten biografischen Materials kommentiert (dieses steht in direktem Zusammenhang mit der Methode), um im Anschluss die aktuelle Forschung zu beschreiben. Dabei konzentriert sie sich hauptsächlich auf die Arbeit von Soziologen an der Universität Lodz. Abgesehen davon werden Studien zum Holocaust hervorgehoben, einige andere Arbeiten kommentiert und gesondert die Methode der Oral History beschreiben. (ICF2)
In diesem Beitrag befasse ich mich mit ethischen Herausforderungen der Biografieforschung am Beispiel eigener Erfahrungen im Rahmen einer Studie im Feld der politischen Partizipation. Im ersten Teil diskutiere ich grundsätzliche ethische Fragen der Biografieforschung, die mit der Erhebung und Auswertung von biografisch-narrativen Interviews einhergehen. Im zweiten Teil des Beitrages werden exemplarisch forschungsethische Aspekte und Probleme skizziert, die im Verlauf der Feldforschung aufgetreten sind und die Prämissen einer rekonstruktiv vorgehenden Biografieforschung herausfordern. Dazu gehören die informierte Einwilligung als dialogischer Prozess sowie die Anonymisierung und Rückmeldung von biografischen Daten in einem hochsensiblen Feld. Abschließend gehe ich der Frage nach, welche Möglichkeiten und Grenzen das Format der Forschungswerkstatt für die Reflexion von ethischen Fragen in der Biografieforschung bietet. ; In this article, I am dealing with ethical challenges in biographical research drawing on my research experiences in the context of a study in the field of political participation. In the first part, I discuss general ethical questions in biographical research related to the collection and the analysis of biographical narrative interviews. In the second part, I sketch specific ethical aspects and problems that arose from the research process and that challenge the premises of reconstructive biographical analysis. Among these are informed consent as a dialogical process, the anonymization of biographical data, and the reporting back of biographical data in a highly sensible field. I conclude by discussing the possibilities and limits of the research workshop setting for the reflection of ethical questions in biographical research.
In FQS 4(3) – "Doing Biographical Research" – beschäftigen sich Wissenschaftler(innen) aus unterschiedlichen disziplinären und nationalen Blickwinkeln mit dem Interview mit einer in Deutschland lebenden türkischen Arbeitsmigrantin. Neben diesen unmittelbar dem Themenschwerpunkt zugehörigen Aufsätzen enthält FQS 4(3) acht Einzelbeiträge, neun Literaturbesprechungen und zwei Tagungsberichte von Sozialwissenschaftler(inne)n aus insgesamt acht Ländern und sieben Disziplinen. Damit wurden seit Erscheinen der ersten Schwerpunktausgabe im Januar 2000 in FQS beinahe 450 Artikel veröffentlicht. In dem Beitrag werden die neue Schwerpunktausgabe und FQS als Beispiel einer dem Open Access verpflichteten sozialwissenschaftlichen Online-Zeitschrift kurz skizziert. FQS wird in das Ensemble deutscher Projekte eingeordnet, die Teil der internationalen Bemühungen um die weltweit freie Zugänglichkeit wissenschaftlicher Fachinformationen sind.
In this article, I am dealing with ethical challenges in biographical research drawing on my research experiences in the context of a study in the field of political participation. In the first part, I discuss general ethical questions in biographical research related to the collection and the analysis of biographical narrative interviews. In the second part, I sketch specific ethical aspects and problems that arose from the research process and that challenge the premises of reconstructive biographical analysis. Among these are informed consent as a dialogical process, the anonymization of biographical data, and the reporting back of biographical data in a highly sensible field. I conclude by discussing the possibilities and limits of the research workshop setting for the reflection of ethical questions in biographical research. ; In diesem Beitrag befasse ich mich mit ethischen Herausforderungen der Biografieforschung am Beispiel eigener Erfahrungen im Rahmen einer Studie im Feld der politischen Partizipation. Im ersten Teil diskutiere ich grundsätzliche ethische Fragen der Biografieforschung, die mit der Erhebung und Auswertung von biografisch-narrativen Interviews einhergehen. Im zweiten Teil des Beitrages werden exemplarisch forschungsethische Aspekte und Probleme skizziert, die im Verlauf der Feldforschung aufgetreten sind und die Prämissen einer rekonstruktiv vorgehenden Biografieforschung herausfordern. Dazu gehören die informierte Einwilligung als dialogischer Prozess sowie die Anonymisierung und Rückmeldung von biografischen Daten in einem hochsensiblen Feld. Abschließend gehe ich der Frage nach, welche Möglichkeiten und Grenzen das Format der Forschungswerkstatt für die Reflexion von ethischen Fragen in der Biografieforschung bietet.
In der sozialwissenschaftlichen Biographieforschung herrscht ein Interesse am Lebenszyklus von Altersgruppen einer Gesellschaft (=Kohorten) und von Personengruppen (= sozialen Aggregaten) mit bestimmten gemeinsamen sozialen Merkmalen (z. B. Frauen der Unterschicht) vor. Es ist klar, dass mit diesem Konzept nicht das erfasst wird, was der individuelle Biographieträger als sein persönliches Lebensschicksal erfährt. Nun kann man aber nicht davon ausgehen, dass für die soziologische Theoriebildung all das irrelevant ist, was mit individuellem Lebensschicksal zu tun hat. Negative Ereignisverkettungen wie Arbeitslos-Werden, Alkoholiker-Werden, Psychiatrischer-Patient-Werden sind nicht jenseits des Umstandes begreifbar, dass sie die Identität des Biographieträgers zentral angreifen und gerade unter dem Aspekt des persönlichen Schicksals wirksam sind. Vieles, manchmal alles, hängt davon ab, wie der Biographieträger die negative Ereignisverkettung erfährt und wie er sie theoretisch verarbeitet. Der Autor vertritt in dem vorliegenden Beitrag die These, dass es sinnvoll sei, die Frage nach Prozessstrukturen des individuellen Lebenslaufs zu stellen und davon auszugehen, dass es elementare Formen dieser Prozessstrukturen gibt, die im Prinzip in allen Lebensabläufen anzutreffen sind. Darüber hinaus nimmt er an, dass es systematische Kombinationen derartiger elementarer Prozessstrukturen gibt, die als Typen von Lebensschicksalen gesellschaftliche Relevanz besitzen. Zunächst geht es um die Technik des autobiographisch-narrativen Interviews und Schritte der Auswertung autobiographischer Stegreiferzählungen. Im Anschluss daran skizziert der Autor eine Einzelfallanalyse, die eine der elementaren Prozessstrukturen des Lebensablaufs und die entsprechende biographietheoretische Kategorie der Verlaufskurve illustrieren soll. Zugleich wird mit dieser Skizze plausibiliert, dass die sozialwissenschaftliche Auswertung narrativer Interviews drei unterschiedliche Stoßrichtungen haben kann. Erstens kann es um die Herausarbeitung elementarer Prozessstrukturen des Lebensablaufs gehen. Zweitens kann ein spezieller sozialer Prozess in seiner Auswirkung auf den Lebensablauf im Zentrum des sozialwissenschaftlichen Analyseinteresses stehen. Drittens kann schließlich auf der Grundlage der Erhebung, Transkription und Analyse einer autobiographischen Stegreiferzählung eine biographische Beratung mit dem Betroffenen stattfinden. (ICD)
In der biographischen Forschung lassen sich drei Zielsetzungen unterscheiden: (1) die Deskription von einzelnen Lebensläufen oder biographischen Themen und Problembereichen, (2) die Bildung, Anregung oder Präzisierung gegenstandsgebundener Hypothesen, Modelle und Theorien sowie (3) die Bildung, Anregung oder Präzisierung formaler Theorien. Ergebnisse der Biographieforschung, die für die Klinische Psychologie interessant sein können, betreffen die folgenden Themen: (1) Entstehung und Aufrechterhaltung von psychischen und psychosomatischen Störungen sowie deren psychische und soziale Kontexte; (2) Herausbildung subjektiver Vorstellungen über psychische und psychosomatische Störungen und Krankheiten; (3) den Bereich der Normalpathologie und korrespondierende Bereiche der Sozialisationsforschung; (4) Lebenslauf und Lebenswelt; (5) psychische und soziale Ressourcen zur Bewältigung von Krankheit, Leid und Konflikt. Fortschritte erwartet die Klinische Psychologie von der Biographieforschung hinsichtlich der konstruktgeleiteten Erfassung von Biographien, der Analyse der biographischen Entwicklung von einzelnen Sinnstrukturen und Deutungsmustern sowie der Analyse der Biographie als individuelle Konstruktionsleistung. (ICE2)
Probleme der Anwendung und Anwendungsbereiche der biographischen Methode in der Sozialpsychologie werden diskutiert. Die Frauen- und Familienforschung, die Arbeit und Arbeitslosigkeit sowie abweichendes Verhalten und Krankheitskarrieren werden als sozialpsychologische Bereiche einer Betrachtung unterzogen. Die Unverzichtbarkeit der Anwendung der biographischen Methode in der Sozialpsychologie wird belegt. Nach Ansicht des Autors kann die Biographieforschung helfen, Mängel in bestimmten theoretischen Globalkonzeptionen zu überwinden bzw. Aussagen dieser Konzeption zu präzisieren und einer genaueren Überprüfbarkeit zuzuführen. Als ein Hauptstrang der biographischen Forschung in der BRD erweist sich die Analyse von Arbeiterbiographien. (KG)
"Im Beitrag wird das Verfahren der theorieorientierten Fallrekonstruktion als eine modifizierte Form der Fallrekonstruktion nach Rosenthal vorgestellt. Dieses Verfahren basiert zum einen auf einer Interpretation biografischer Daten, die weniger an (impliziten) psychoanalytischen Interpretationen orientiert ist. Zum anderen wird während des gesamten Auswertungsprozesses - und nicht erst nach abgeschlossener Fallrekonstruktion - auch formale Theorie herangezogen. Das Verfahren eignet sich von daher besonders für Forschungsfragen, die daran interessiert sind, mit ex ante Theorien zu arbeiten ohne die fallrekonstruktive Grundlogik aufzugeben." (Autorenreferat)
In diesem Beitrag befasse ich mich mit ethischen Herausforderungen der Biografieforschung am Beispiel eigener Erfahrungen im Rahmen einer Studie im Feld der politischen Partizipation. Im ersten Teil diskutiere ich grundsätzliche ethische Fragen der Biografieforschung, die mit der Erhebung und Auswertung von biografisch-narrativen Interviews einhergehen. Im zweiten Teil des Beitrages werden exemplarisch forschungsethische Aspekte und Probleme skizziert, die im Verlauf der Feldforschung aufgetreten sind und die Prämissen einer rekonstruktiv vorgehenden Biografieforschung herausfordern. Dazu gehören die informierte Einwilligung als dialogischer Prozess sowie die Anonymisierung und Rückmeldung von biografischen Daten in einem hochsensiblen Feld. Abschließend gehe ich der Frage nach, welche Möglichkeiten und Grenzen das Format der Forschungswerkstatt für die Reflexion von ethischen Fragen in der Biografieforschung bietet.
Das zu besprechende Buch ist der Versuch einer Integration von Kindheits- und Biographieforschung. Es bietet einen umfangreichen, fast alle Autoren in diesen Bereichen versammelnde Übersicht über die beiden Forschungsgebiete. Ein Teil dieser Beiträge wird unter der Frage betrachtet, welchen Beitrag die Biographieforschung für die neue Kindheitsforschung zu leisten vermag. Unter "neue Kindheitsforschung" wird dabei jene Kindheitsforschung verstanden, die nach der "Perspektive von Kindern" fragt. Das Ergebnis besteht in Bezug auf das Buch darin, dass hier eine Vielzahl von neuen Verbindungen zwischen beiden Forschungsbereichen eröffnet wird. Eine der wesentlichen Verbindungen wird darin gesehen, dass die Biographieforschung Hinweise zu einem anderen Verständnis qualitativer Forschung im Kontext von Kindheitsforschung zu geben vermag.
Der Prozess der Initiierung ist für die Initianten selber ein sehr persönlicher biografischer Prozess - auch wenn es in ihm um die Einsozialisation in Forschungsverfahren geht, die eine überindividuelle objektive Regelhaftigkeit und Gültigkeit aufweisen. Dabei handelt es sich um einen biografischen Prozess, der einerseits von innen erfahren und andererseits von außen beobachtet werden kann. Deshalb ist es durchaus sinnvoll, die aus der persönlichen Erinnerung geschöpften eigenen Erfahrungsdaten als studentische Forscherin (und eventuell auch Teilnehmerin einer Forschungswerkstatt) mit den Erfahrungsdaten von Informanten, die ebenfalls studentische Mitglieder von Forschungswerkstätten sind, analytisch in Beziehung zu setzen. Es ist zudem bekannt, dass die Forschungslehre auch für die Lehrenden als Meister der Forschung ein sehr persönlicher biografischer Prozess ist, der die Überbrückung der Unterschiede sehr unterschiedlicher Generationserfahrungen erforderlich macht und das emergente, offene Mitlernen an und in den Forschungsprozessen der zu betreuenden Studierenden erheischt. Deshalb ist es sinnvoll, auch die persönlichen Erfahrungen der Forschungslehrenden als Forschungsmeisterinnen sowohl bezüglich der Forschung als auch bezüglich der pädagogischen Forschungsvermittlung und Forschungsbetreuung zum Zuge kommen zu lassen und mit thematisch ähnlichen oder doch zumindest vergleichbaren Forschungs- und Forschungsinitiierungserfahrungen der Studierenden triangulierend in Beziehung zu setzen. (ICF2)
Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Frage nach dem Stellenwert biographischer Forschung im Rahmen feministischer Sozialwissenschaft. Die Verfasserin zeichnet Entstehungslinien der Biographieforschung nach, arbeitet Schwerpunkte dieses Forschungsparadigmas heraus und formuliert Ansatzpunkte einer feministischen Biographieforschung. Als leitendes methodologisches Hintergrundkonzept wird die abduktive Grundidee der "Grounded Theory" gesehen, die sich für komplexe, auf Subjektivität und Handlungszusammenhänge bezogene Forschungsprobleme anbietet. Subjektivität als Anknüpfungspunkt der Biographieforschung macht die Affinität dieser Forschungslogik mit dem Forschungsinteresse der Frauenforschung deutlich. Verengte Identitäts- und Sozialisationskonzepte in der feministischen Theorie können durch eine feministische Biographieforschung überwunden werden. Biographie als theoretisches Konzept thematisiert die subjektive Aneignung und Konstruktion von Gesellschaft ebenso wie die gesellschaftliche Konstitution von Subjektivität. (ICE2)