Menschenrechte können hinsichtlich ihres Anspruchs auf Allgemeingültigkeit, kulturell geprägter Formulierungen oder ihres Gebrauchs als Machtinstrument kritisiert werden. Wenn sie jedoch diskursiv als Ergebnis deliberativer Prozesse konzipiert werden, kann diese Kritik entkräftet beziehungsweise konstruktiv verarbeitet werden. Zum einen gewinnt eine diskursive Konzeption der Menschenrechte dadurch universale Legitimität, dass sie von allen Betroffenen zumindest hypothetisch angenommen werden kann, zum anderen sind sie offen genug, um nicht kulturrelativ eingegrenzt oder als strategisches Instrument missbraucht zu werden. So können Menschenrechte über die Diskurstheorie als legitime Normen politischen Handelns rekonstruiert werden.
Im vorliegenden Beitrag befaßt sich der Autor mit dem Phänomen der Macht. Macht zunächst als Machtverhältnisse der Über- und Unterordnung beschreibend, befaßt er sich anschließend mit alternativen Vorstellungen (Sozialökologie; Feminismus) zu der 'Macht über'. In bezug auf Nietzsches 'schaffenden, schöpferischen, künstlerischen Willen' appelliert er für ein neues Verständnis von Macht. Die Dekonstruktion der die Gesellschaft kennzeichnenden Macht über andere in Richtung einer kreativen produktiven Macht ist seine Alternative: In interaktiven Prozessen der modernen Gesellschaften eignen sich die gegenseitig akzeptierten Unterschiede zwischen Menschen gerade zur Erschließung neuer Denk- und Handlungsweisen; ihre Negation beinhaltet die repressive Unterordnung unter fremdgesetzte Wert- und Handlungsstrukturen. Dabei geht die schöpferische Vielfalt verloren. (psz)
"Dekonstruktion und Herrschaft: Politische Implikationen antiessentialistischer Theorie Was kann die Dekonstruktion des Prozesses der Konstituierung von Individuen als Subjekte für die Analyse von Produktion und Reproduktion gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse leisten? Die Konstituierung von Individuen als Subjekte als performative Praxis zu dekonstruieren, bedeutet Identität in Handlungen und Praxis aufzulösen. Der Begriff der performative acts zeigt die Notwendigkeit der ständigen Aktualisierung und Inszenierung von Identität und betont damit die Prozeßhaftigkeit und potentielle Veränderbarkeit gesellschaftlicher Verhältnisse. Was vom Alltagsverständnis für eine Reflexion der Gegebenheiten gehalten wird, wird als eine performative Konstruktion analysiert." (Autorenreferat)
In: Differenz und Integration: die Zukunft moderner Gesellschaften ; Verhandlungen des 28. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Dresden 1996, S. 497-513
"In der jüngeren feministischen Theoriediskussion wird - unter dem Stichwort 'Dekonstruktion' - ein 'Paradigmenwechsel' proklamiert. Der Frauenforschung wird vorgehalten, bislang die Geschlechterdifferenz reifiziert oder substantialisiert zu haben, anstatt die konstruktiven Grundlagen des Systems der Zweigeschlechtlichkeit offenzulegen. In der Geschlechterforschung kultur- und geisteswissenschaftlicher Provenienz wird unter diesem Etikett vor allem auf Derrida's 'Philosophie der Differenz' und auf Varianten einer sprachtheoretisch revidierten Psychoanalyse rekurriert (Lacan, Kristeva). Dekonstruktion bezeichnet hier eine kritische Aktivität der Destabilisierung vermeintlich fixer Bedeutungen von Geschlecht, deren Fundamente durch ästhetische Praktiken des Denkens und Schreibens und der Politik subversiv unterspielt werden sollen. In den Sozialwissenschaften sammeln sich unter dem Anspruch der 'Dekonstruktion' vor allem Konzepte aus dem Umfeld des 'sozialen Konstruktivismus', insbesondere der Ethnomethodologie. Ihr antifundamentalistischer Impetus, der sich gegen die biologische Fundierung der binären Geschlechterklassifikation wendet ('Sex' ist immer schon 'Gender'), steht in einem gewissen Widerspruch zur tatsächlichen empirisch-theoretischen Praxis. 'Dekonstruktion' erschöpft sich im Nachvollzug der interaktiven Praxis von Konstruktionsprozessen. Dabei setzt sich unter der Hand sogar eine Variante von 'Reifizierung' der Geschlechterdifferenz durch - nun als Prozeßkategorie - wenn unter der Prämisse einer 'Omnirelevanz von Geschlecht' das fortlaufende 'doing gender' als kontinuierliche Hervorbringung von Differenz und Hierarchie nachgezeichnet wird. In einem Vergleich mit Positionen der Frauen- und Geschlechterforschung, die sich auf die Kritische Theorie beziehen, sollen Möglichkeiten und Grenzen des 'Gendering-Ansatzes' in Bezug auf die beanspruchte Subversion der Geschlechterdifferenz ausgelotet werden. Im Mittelpunkt werden dabei zwei für die jeweiligen Ansätze zentrale Begriffe stehen, die gegeneinander diskutiert werden sollen: das Konzept der Vermittlung und der Konstruktionsbegriff." (Autorenreferat)
In: Soziale Ungleichheit, kulturelle Unterschiede: Verhandlungen des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München. Teilbd. 1 und 2, S. 1601-1610
"Der Beitrag fusst auf den Befunden eines im Februar an der LMU-München bei Prof.Dr. Heiner Keupp abgeschlossenen Dissertationsprojekts. Narrativ-biografische Interviews mit als körperbehindert geltenden Frauen werden als empirische Basis herangezogen, um die soziale Konstruktion von Körper und Behinderung in ihrer Dynamik und Prozesshaftigkeit nachzuzeichnen. Körper sind unweigerlich vergeschlechtlicht, sozial klassifiziert, ethnisch und kulturell entworfen sowie Normalitäts- und Ästhetikdiskursen unterworfen. So werden unterschiedliche und unterschiedene Körper laufend hervorgebracht und verändert, was sich in gesellschaftlichen Macht- und Dominanzverhältnissen niederschlägt. Welchen sozialen Produktionsbedingungen unterliegt dabei der als 'behindert' ausgerufene (verrufene)Körper? Unser Bild vom Körper ist stark verbunden mit Vorstellungen von Wachstum und Entwicklung, von Werden und Vergehen, von Veränderung und Bewegung. Weiter dominiert die Vorstellung, dass dem Körper Subjekte gegenüberstehen, die ihn zu ihrem Beobachtungsobjekt machen könnten: Körper sind den (eigenen und fremden) Blicken ausgesetzt, sie stehen im Rampenlicht, sie werden wahrgenommen. Fern erkennen wir die gesellschaftlichen Ein- und Angriffe auf den Körper: Körper verändern sich nicht nur von selbst (quasi von Innen heraus, durch ihre 'natürliche' Alterung), sie werden verändert, sie entstehen nicht nur, sie werden geschaffen und sie vergehennicht nur, sie werden vernichtet. Welche Texte schreiben also den Körper, welcheBilder entwerfen ihn, wie sehen die Sozialisationsprozesse und Selbstverständnisse bezüglich des Körpers aus? Biografische Forschungsmethoden bieten die Möglichkeit, Ambivalenzen in Identifikationsprozessen sichtbar werden zu lassen, den Neu-Territorialisierungen und Verschiebungen des Schnittfeldes von class, gender,race und body über die Erzählungen der Interviewten nachzuspüren. Biografische Erzählungen informieren, wie und wodurch sich Körper(selbst)bilder, Behinderung(en) und Geschlechterverhältnisse herstellen, reproduzieren und verändern." (Autorenreferat)
Die vorliegende Studie zum Thema "geschlechternormen–inkonforme Körperinszenierungen" ist die theoretisch fundierte, empirische Überprüfung der These von Judith Butler, daß eine mögliche Verbindung zwischen queer Praxen und der Subversion der herrschenden Geschlechterordnung bestehe. Die Arbeit untersucht die Beziehung zwischen Körperpraxen und anderen Praxen, insbesondere Arbeit und politischer Praxis. Der Begriff "geschlechternormen-inkonforme Körperinszenierungen" bezieht sich auf drei Praktiken bzw. drei Arten des Verhaltens von Personen in Bezug auf deren eigenen Körper: Er bezieht sich erstens auf Transsexuelle, die ihren Körper mit medizinischen Mitteln haben verändern lassen; zweitens auf transgender Personen, die zeitweise oder permanent cross dressing praktizieren ohne physische Veränderungen an ihrem Körper vorgenommen zu haben; und drittens auf drag kings und drag queens, die auf der Bühne ein anderes Geschlecht als im Alltag darstellen. Alle Personen inszenieren eine geschlechternormen-inkonforme Geschlechtlichkeit, d.h. eine Geschlechtlichkeit, die nach hegemonialen Kriterien nicht mit dem 'wahren' oder 'ursprünglichen' Geschlecht dieser Person übereinstimmt. Die Methode des empirischen Teils der Studie besteht aus der Datengewinnung durch das "Problemzentrierte Interview" nach Witzel und der Datenanalyse durch die "Qualitative Inhaltsanalyse" nach Mayring. Die Studie geht davon, daß die Überwindung der Herrschaft das Verschwinden der sozialen Gruppen (hier: Männer und Frauen), zwischen denen eine Herrschaftsbeziehung besteht, einschließt, denn diese Gruppen sind die Produkte der Praktizierung von Herrschaft. Die Studie zeigt, daß im interviewten sample – statt einer Subversion von Herrschaft – eine kontinuierliche Reproduktion von Geschlechtern und Geschlechterhierarchien stattfindet. Die .pdf-Datei mit der vollständigen Arbeit enthält Zusammenfassungen in englischer, französischer, kastilischer und deutscher Sprache, die länger als das vorliegende abstract sind.
In: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie: ARSP = Archives for philosophy of law and social philosophy = Archives de philosophie du droit et de philosophie sociale = Archivo de filosofía jurídica y social, Band 108, Heft 1, S. 62-81
ZusammenfassungAls Folge der Digitalisierung erscheint die trennscharfe Unterscheidung von Werbung und PR zunehmend erschwert. Obwohl entsprechende Schwierigkeiten differenztheoretisch als Indikator für den prekären Konstruktionscharakter einer Unterscheidung gelten dürfen, hat die deutschsprachige Kommunikationswissenschaft sie bislang in Lehrbüchern als zentralen Medien der disziplinären Selbstverständigung noch keiner grundlegenden, kritischen Prüfung unterzogen. Ziel des vorliegenden Beitrags ist daher die Dekonstruktion der kommunikationswissenschaftlichen Unterscheidung von Werbung und PR. Von der poststrukturalistischen Sozialtheorie ausgehend wird die fortdauernde normativ-hierarchische Form der Unterscheidung deutlich und als Antagonismus interpretiert. Eingebettet in ein fachgeschichtliches Portrait der Kommunikationswissenschaft zeigt sich, dass der Antagonismus sich auf das dominierende Denkmuster der 'normativen Publizistikwissenschaft' zurückführen lässt und Selbstlegitimationsanliegen der PR(‑Forschung) unterstützt. Deshalb plädiert der Beitrag für grundlegende Perspektivwechsel der künftigen Forschung zum Verhältnis von PR und Werbung und stellt Empfehlungen für eine normative Kommunikationswissenschaft im Allgemeinen bereit.
"Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Darstellung von Korruption in Rumänien im zeitlichen Umfeld des EU-Beitritts (01.01.2006 bis 31.12.2007) in neun ausgewählten Publikationen aus Frankreich, Deutschland, Großbritannien und der Schweiz. Die Untersuchung verbindet qualitative mit quantitativen Untersuchungsmethoden, um unterschiedliche Diskurse aufdecken zu können. Gibt es einen westeuropäischen Diskurs über Korruption in Rumänien? Die Untersuchungsergebnisse belegen, dass der Beitritt zur EU die kommunikative Struktur innerhalb des westeuropäischen Diskurses und die Wahrnehmung Rumäniens im Korruptionsdiskurs verändert haben. Durch die mangelhafte Darstellung der Tatbestände in Rumänien einerseits und das Verschweigen der Entwicklungen nach dem EU-Beitritt andererseits ist der Diskurs über Korruption seinem entwicklungstheoretischen Anspruch nicht gerecht geworden. Die Medien erweisen sich in diesem Fall als Abbild der politischen Situation und nicht als neutrale Kontrollinstanz." (Autorenreferat)
"Der Aufsatz zeigt, dass die Generation der 68er sich rund um einen Initiationsmythos definiert, der sich auf die Ermordung Benno Ohnesorgs und dem an die Pathosformel der Pièta erinnernden Bildzeugnis dieses Ereignisses fokussiert sowie auf die Ikone Rudi Dutschke (und seinen Ringelpullover) und auf das Attentat auf den Studentenführerführer, das beide zu Märtyrern machte. Die (Selbst-)Mythisierungen und die Mechanismen, in denen sich die kollektive Identität dieser Generation ausprägt, die Rolle von Kultbüchern, etwa Camus' L'Étranger, Glaubens- und Glücksansprüche sowie die Etablierung eines ideologisch definierten neuen Vokabulars und neuer Mytheme bzw. der Adaptation alter Mytheme zeigen sich in der Analyse der Romane Uwe Timms und seiner essayistischen Erzählung Der Freund und der Fremde sowie einer Reihe anderer autobiographisch inspirierter Werke, Interviews und Zeitzeugnisse von Birgit Vanderbeke, Karin Struck, Bernward Vesper, Fritz Zorn und anderen. Neben der totalitären Gegenwelt, die Stephan Wackwitz desillusioniert in Neue Menschen vorstellt, rechnet auch Sophie Dannenberg in der satirischen Dekonstruktion Das kalte Herz der Revolution mit der Elterngeneration der 68 ab." (Autorenreferat)
Anhand der Analyse von Mechanismen, die zur Konstitution und Konsolidierung von Plausibilitätsstrukturen führen, kann der Arbeitsbegriff, wie er in funktional differenzierten Gesellschaften verwendet wird, rekonstruiert werden. Untersucht werden hierzu historische Bewertungen von Arbeit sowie aktuelle Aussagen und Praktiken im institutionellen Kontext. Von besonderer Bedeutung ist dabei die aktuelle Grenzziehung in den gesellschaftlichen Funktionsbereichen Politik und Wirtschaft. Die Leitdifferenzen, die durch Produktion und Verknüpfungen bzw. Formationsbildungen von Aussagen weitere Differenzierungen erzeugen, konstruieren damit die Akteure des Handelns. Die Dekonstruktion des gesellschaftlich vorherrschenden Arbeitsbegriffes, die durch die radikale Gegenüberstellung zweier alternativer Sichtweisen eingelöst wird, führt zu Neubewertungen aktueller Tendenzen im Umgang mit dem gesellschaftlichen Phänomen "Arbeit". ; Utilizing an analysis of mechanisms that lead to the constitution and consolidation of structures of plausibility, it is possible to reconstruct the notion of labour as it is used in functional differentiated societies. For this purpose historical evaluations of labour as well as statements and practices in the institutional context are examined. Herewith the actual drawing of borders between politics and economy as functional areas of society is of special significance. The 'Leitdifferenzen' (leading differences), which by the production and connection (rsp. formations) of statements give rise to further differences, are constructing thereby the performers of actions. The deconstruction of the prevalent social notion of labour, which gets redeemed by a radical confrontation of two different points of view, leads to a new evaluation of actual tendencies in the handling of the social phenomenon of labour.
"Der Artikel 'Oh boy, it's a girl!' geht der Frage nach, ob Dekonstruktion/Kritik der Kategorie Geschlecht fruchtbar sein kann für feministische Sozialarbeit mit mißbrauchten/mißhandelten Mädchen. Dazu werden Teile der Sozialarbeitstheorie Staub-Bernasconis und dekonstruktive Ansätze (Judith Butler) synthetisiert. Die Autorin kommt zu dem Schluß, daß die vorgelegte Synthese sinnvoll und geeignet ist, feministische Sozialarbeit anders zu begründen, und daß sich durch diese Synthese zahlreiche methodische Konsequenzen für den genannten Arbeitsbereich ergeben, insbesondere im Hinblick auf die Mitwirkung der Mädchen und der in diesem Bereich arbeitenden Frauen am Herstellungsprozeß der hierarchisch konstruierten Zweigeschlechtlichkeit." (Autorenreferat)
'Mit Bezug auf Michel Foucaults Analysen einer 'Bio-Politik der Bevölkerung' untersucht diese Fallstudie 'Übervölkerungs'konstruktionen in den deutschen Geschichtswissenschaften. Anhand von Arbeiten von Werner Conze und Wolfgang Köllmann wird für die Zeit nach 1945 die Durchsetzung eines Modells einer angeblichen 'Übervölkerung' im 19. Jht. beschrieben, das bereits in den Geschichts- und Sozialwissenschaften im Nationalsozialismus präsent war. In dem Zusammenhang wird aufgezeigt, dass der Begriff 'Biopolitik' bereits vor 1933 und während dem Nationalsozialismus in unmittelbarem Zusammenhang mit bevölkerungspolitischen Konzeptionen von Friedrich Burgdörfer angewandt wurde. Diesen 'Übervölkerungs'konstruktionen werden kritische Bemerkungen des deutschen Nationalökonomen Paul Mombert gegenüber gestellt, der 1933 auf 'die geringe Zuverlässigkeit älterer Volkszählungen' hingewiesen hatte. Mombert, der im Nationalsozialismus als Jude verfolgt und als Professor in Gießen entlassen worden war, stellte zeitgenössische Annahmen über das 'Volkswachstum älterer Zeiten' in Frage.' (Autorenreferat)