'Mit cybersex ist ein neues Terrain für sexuelle Praxen entstanden, das sich weder als völlig neu noch nur als Wiederkehr des Gleichen auszeichnet. Vielmehr vermischen sich alte Praxen wie beispielsweise Telefonsex mit neuen technologischen Möglichkeiten. Das Begehren bleibt jedoch das 'alte'. Das heißt, die Frage gilt dem 'Wesen' von Erotik, Fantasie und Begehren insgesamt. Dann zeigt sich, daß Sexualität und Begehren Momente von Repräsentation und Bewegung sind, punktuelle Fixierungen, deren Bedeutungen 'kommen und gehen'.' (Autorenreferat)
Im Mittelpunkt des Beitrags steht ein Sharing von Gerard X Reyes, das vom Theorem der Sexarbeit inspiriert wird. Das Sharing des Choreografen, Tänzers, Lehrers, zertifizierten Sexological Bodyworkers, Intimacy Coordinators und Montreal Kiki Ballroom Scene Pioniers Reyes wird im Sinne einer tanzwissenschaftlichen Aufführungsanalyse diskursiv verhandelt. Dabei basiert der Prozess der Bedeutungszuschreibung auf der Grundlage einer Foucault'schen Diskursanalyse. Das generierte Anschauungsmodell erfolgt zwar entlang der Aufführung, ist aber stets nur eine Analyse der Aufführung, die ihren eigenen Diskurs erzeugt. Es wird davon ausgegangen, dass Darstellungen und Verweise zu Sexarbeit am Körper und seinen Materialisierungsprozessen befragbar sind und in Verkörperungsprozessen sowie Darstellungsweisen zum Ausdruck kommen. Im Fokus der Analyse steht eine Bedeutungsgenerierung, in welcher Reyes' Performance als ästhetische und ethische Situation im Theaterraum im Kontext der Konzepte Erotik, Leidenschaft, Begehren sowie der Kategorien sex, gender und desire betrachtet wird. Dies führt dazu, dass die Performance als Ausdruck eines queeren Begehrens begrifflich bestimmt wird.
In: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie: ARSP = Archives for philosophy of law and social philosophy = Archives de philosophie du droit et de philosophie sociale = Archivo de filosofía jurídica y social, Band 95, Heft 4, S. 449-473
'Die Teletechnologien ermöglichen eine erotische oder vielleicht auch irgendwann sexuelle Begegnung aus der Ferne. Kulturkritiker sehen in solchen über die Technologie vermittelten Beziehungen in aller Regel nur eine Entfremdung. In der Tat bilden sich in den Computernetzen neue Formen der erotischen Beziehungen heraus, die unter der Bedingung der Anonymität und der Möglichkeit stattfinden, sich eine andere Identität zuzulegen. Wie immer gehen neuen technologischen Möglichkeiten Wünsche und Praktiken vorher, die sie gewissermaßen vorbereiten. Erotik und sexuelles Begehren waren nie einzig an die körperliche Anwesenheit eines anderen Menschen gebunden. Doch der Cyberspace, der Telebeziehungen erlaubt, könnte die paradoxale Erfüllung einer Intimität unter der Bedingung äußerster Fremdheit ermöglichen, eine sexuelle Verschmelzung von einsamen Menschen, die buchstäblich ihren Abstand wahren und ihre individuellen Wünsche einlösen, ohne sich preisgeben zu müssen.' (Autorenreferat)
"Im Rahmen einer internationalen Vergleichstudie wurde der Diskussionsprozess von heteround homosexuellen Paaren in Bezug auf deren Kinderwunsch untersucht. Ziel war es Einblick in die Interaktion und den Entscheidungsprozeß des Paares für oder gegen ein Kind zu bekommen. Dabei wurden sowohl die individuellen Gründe, als auch die Gründe des Paares für oder gegen ein Kind analysiert. Das Abfragen individueller Gründe für oder gegen ein Kind vermittelt nur einen unzureichenden Einblick in die komplexe Entscheidungsfindung von Paaren bei Entscheidungen in der Partnerschaft. Um eine umfassende sozialwissenschaftliche Analyse durchführen zu können, orientierte sich das Studiendesign an der Methode des Interaktionsinterviews. Dabei wurden die Partner einerseits getrennt mit Hilfe eines Fragebogens und eines Interviewleitfadens befragt und andererseits als Paar mit den Aussagen des jeweils anderen Partners konfrontiert. Das vorliegende Workingpaper stellt die Ergebnisse der Auswertung der in Österreich durchgeführten Interviews mit hetero- und homosexuellen Paaren vor."[Autorenreferat]
"Seit dem starken Fertilitätsrückgang Ende der 1960er Jahre zählt Deutschland zu den Ländern mit der niedrigsten Geburtenziffer in Europa. Die niedrigen Geburtenraten stehen scheinbar im Widerspruch zu dem hohen Stellenwert, den die Familie bei jungen Menschen immer noch genießt und auch zu der gewünschten Kinderzahl, wie sie in verschiedenen Studien ermittelt wurde. Mittels Daten einer Längsschnittstudie vergleicht dieser Beitrag anhand einer Eheschließungskohorte von 1988/89 aus den alten Bundesländern den ursprünglichen Kinderwunsch zu Ehebeginn und die erreichte Kinderzahl nach 15 Jahren Ehe." (Autorenreferat)
'Der Zusammenhang von veränderter Produktionsweise und den Lebensweisen der Menschen in den damit sich verändernden gesellschaftlichen Strukturen steht im Mittelpunkt des Artikels. Der Bezug auf Antonio Gramsci ist notwendig, weil der italienische marxistische Theoretiker undogmatisch und klar diesen Zusammenhang für die Zeit des Fordismus theoretisierte. Die Autorin stellt neben den Überlegungen zur postfordistischen, mikroelektronischen Produktionsweise vor allem die dafür funktionalen Zurichtungen der Subjekte, i.e. im Rahmen von Körper- und Sexualpolitiken des Staates und seiner Institutionen, heraus. Beispielhaft wird für diesen Zusammenhang der Film 'Die Enthüllung' als Teil einer Kampagne für veränderte Sexualhaltungen diskutiert.' (Autorenreferat)
Im Unterschied zu der im Alltagsverständnis üblichen Gegenüberstellung von Realität und Fantasie wird in philosophischen und psychoanalytischen Konzeptionen die Verschränkung dieser beiden Begriffe betont und Fantasie als eine das menschliche Leben bestimmende Kraft angesehen. Unter den gegenwärtigen Bedingungen, in denen Medien eine zentrale Rolle zukommt, stellt sich die Frage nach dem Stellenwert der in den Medien angebotenen Fantasien. Aus einer psychoanalytischen Perspektive wird argumentiert, dass aktuelle Film- und Fernsehinhalte in Analogie zu Bruno Bettelheims Ausführungen zu Märchen grundlegende Fragen und Probleme menschlicher Existenz thematisieren und dass die Faszination der Zuschauerinnen und Zuschauer und für bestimmte Medieninhalte auf einer Übereinstimmung mit der "psychischen Realität" der medialen Darstellungen beruht. Darüber hinaus fungieren mediale Fantasien als Inszenierungen des Begehrens, die lehren, wie und was begehrt wird, und die Positionen des Begehrens anbieten, die in der Medienrezeption angenommen werden können.
'Der Beitrag untersucht die soziale Erwünschtheit von vier häufig in Umfragen durch Selbstbeschreibungsfragen erfassten Merkmalen. Bei diesen handelt es sich um die Intensität des Fernseh- und Alkoholkonsums, die Häufigkeit von Blutspenden in der Vergangenheit und das Ausmaß des Lebensglücks der Befragten. Es wird die Gültigkeit von drei unterschiedlich differenzierten und daher verschieden aufwendigen Operationalisierungen für die Stärke und Richtung der von den Befragten wahrgenommenen Anreize zu sozial erwünschtem Antwortverhalten verglichen. Das Standardverfahren erfasst nur die gesellschaftliche Erwünschtheit einer starken Ausprägung des betreffenden Merkmals, die zweite Operationalisierung Erwünschtheitsdifferenzen einer starken und schwachen Merkmalsausprägung und das dritte Verfahren berücksichtigt zusätzlich die Bewertung einer Merkmalsausprägung mittlerer Stärke. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung mit einer lokalen Zufallsstichprobe zeigen erstens, dass ein substantieller Teil der Befragten bei den Themen 'Alkohol-' und 'Fernsehkonsum' umgekehrt u-förmige Erwünschtheitsverläufe über das Merkmalskontinuum wahrnimmt. Bei diesen Themen ist ausschließlich der dritte, differenzierteste Indikator eine gültige Operationalisierung des Verzerrungspotentials durch soziale Erwünschtheit. Das zweite Ergebnis ist, dass bei den Themen 'Blutspende' und 'Lebensglück' mit ausschließlich monotonen Erwünschtheitsverläufen vor allem der mit globalen Differenzwerten verbundene Mehraufwand zu einer starken Verbesserung der Validität der prognostizierten Anreizstärke führt. Das in der derzeitigen Forschung annähernd ausschließlich verwendete Standardverfahren hat sich dagegen bei keinem der untersuchten Befragungsthemen als angemessener Indikator der Stärke und Richtung des Verzerrungspotentials durch soziale Erwünschtheit erwiesen.' (Autorenreferat)
This review analyses the aesthetic engagement with Nazi atrocities during WWII and belonging in post-war Germany as presented in Nora Krug's graphic novel Heimat: A German Family Album. The authors employ Marianne Hirsch's concept of 'postmemory' as an analytical tool that helps them locate the complex historical and emotional contexts from which this graphic novel receives its impulses. The concrete scenes from the novel are presented and subsequently related to the field of memory and postmemory scholarship. Wider critical debates on how aesthetic articulations of past atrocities influence the next generations of 'victims' and 'perpetrators' are examined, to ask: What does it mean to inhabit memories of ghostly narratives about perpetrators and how does it form a feeling of post-home?
'Der vorliegende Beitrag beschreibt zunächst die Entwicklung der geschlechtsspezifischen Bildungsbeteiligung (Anteile von Mädchen und Burschen) in der oberen Sekundarstufe (Schwerpunkt Berufsbildung) in Wien in Relation zur Entwicklung im gesamten Bundesgebiet, wobei Feinanalysen für unterschiedliche Fachrichtungen der einzelnen Bildungswege für den Zeitraum 1970/71 bis 2000/01 dargestellt werden. Weiters wird anhand einer Erhebung zu Ausbildungswünschen und Berufsorientierung Wiener Jugendlicher das Meinungsbild der Betroffenen präsentiert. Der Artikel versucht, die berufliche Orientierung, das Nachfrageverhalten der Jugendlichen hinsichtlich bestimmter Ausbildungen und Berufe sowie die geschlechtsspezifische Bildungsbeteiligung zueinander in Beziehung zu setzen.' (Autorenreferat)
Wenngleich Bilder von Kindern einen wichtigen Zugang der Kindheitsforschung darstellen, steht eine Untersuchung von Bildern, die in der Phase einer ungewollten Kinderlosigkeit bedeutsam werden, bislang aus. Im Rahmen der Einzelfallanalyse eines Kinderwunschratgebers werden fünf Bilder von gewünschten Kindern - das imaginierte, das ungewisse, das gezeugte, das temporäre und das geborene Kind - herausgearbeitet und auf ihren Stellenwert für die Adressierungen von Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch hin befragt. Dabei zeigt sich, dass diese einen zentralen Baustein in der ambivalenten Argumentation und im Vermittlungsanliegen einer umfassenden Selbstsorge spielen.