'Nach dem Ende der übersichtlichen Bipolarität des Kalten Krieges ist Südkorea mit drei großen nationalen Sorgen konfrontiert: Erstens bleibt Nordkorea ein schwer kalkulierbares Sicherheitsrisiko. Es ist nicht auszuschließen, dass am Ende des Weges nicht die erhoffte friedliche Wiedervereinigung Koreas, sondern eine humanitäre und wirtschaftliche Katastrophe steht. Zweitens ist der Aufstieg Chinas mit zahlreichen Unwägbarkeiten verbunden, nicht nur aufgrund der geographischen Nähe, sondern auch wegen Chinas Einfluss auf Nordkorea. Eine Wiedervereinigung Koreas wird nur sehr schwer gegen den Widerstand Pekings durchzusetzen sein. Drittens wirkt Amerikas konfrontative Außen- und Sicherheitspolitik gegenüber dem 'Schurkenstaat' Nordkorea den eigenen Entspannungsbemühungen entgegen. Die Militärallianz mit den USA bleibt der maßgebliche Garant für Südkoreas äußere Sicherheit und seinen Einfluss in Nordostasien. Jedoch stimmen die Bedrohungsperzeptionen und strategischen Prioritäten der USA und Südkoreas nicht mehr überein. Es besteht eine Divergenz zwischen der global ausgerichteten, robusten Antiproliferationspolitik der USA und der nationalen Aussöhnungspolitik Südkoreas. Eine strategische Anlehnung Südkoreas an Peking ist aufgrund der Unverzichtbarkeit der amerikanischen Bündnisgarantie und der Ungewissheiten im Hinblick auf Chinas außenpolitische Absichten und künftige Entwicklung indes keine realistische Option. Allerdings wirken mehrere Faktoren zugunsten einer Annäherung an den Nachbarn. Solange der Zielkonflikt zwischen Bündnistreue und nationaler Verständigung nicht auflösbar ist, muss es das Interesse Südkoreas sein, eine ambivalente Außen- und Sicherheitspolitik zu verfolgen. Es ist allerdings eine offene Frage, wie lange Seoul diese Gratwanderung durchhalten kann.' (Autorenreferat)
"Russlands Außenpolitik ist im Wandel. Fünfzehn Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion hat das Land im System der internationalen Beziehungen immer noch keinen festen Platz gefunden. Nach 1992 erwarteten die russischen außen- und sicherheitspolitischen Eliten, dass auch das neue Russland mit seinem von der UdSSR ererbten nuklearstrategischen Potential und dem Sitz im UN-Sicherheitsrat eine führende Rolle in der Welt spielen würde. Doch die ökonomische, technologische und militärische Schwäche Russlands ließ es kaum als glaubhaften und handlungsfähigen Partner erscheinen. Weder die Annäherung an den Westen unter dem ersten Außenminister Andrej Kozyrev noch die noch die Idee eines eigenständigen russischen Weges, die später herausgestellt wurde, verschafften Russland außenpolitisch nennenswertes Gewicht. Erst der wirtschaftliche Aufschwung - im Gefolge steigender Energiepreise - und die Konsolidierung staatlicher Macht in der Amtszeit von Präsident Wladimir Putin schufen nach 1999 für Russland bessere Voraussetzungen, international selbstbewusst aufzutreten. Doch auch in den Putin-Jahren vollzog die Außenpolitik mehrmals Schwenkungen: ging sie nach den Terroranschlägen des 9. September auf den Westen zu, so versuchte sie im Kontext des Irakkriegs europäische Irritationen über das Verhalten der Bush-Administration in eine festere Verbindung zwischen Frankreich, Deutschland und Russland umzumünzen, um 2004-2005 in Reaktion auf die 'farbigen Revolutionen' in Georgien und der Ukraine auf Distanz zum 'Westen' zu gehen. Das vorliegende Arbeitspapier befasst sich mit der Entwicklung russischer Außenpolitik seit 2003. Im ersten Teil versuchen mehrere Autoren aus ihrer spezifischen Sicht die Entwicklung außen- und sicherheitspolitischer Konzepte in Russland wiederzugeben. Der zweite Block widmet sich dann einzelnen Aspekten russischer Außenpolitik, den Beziehungen zu den USA, zur EU und zum Nahen Osten. Der letzte Abschnitt schließlich thematisiert den Wertediskurs, der seit 2004 im europäisch-russischen Dialog zunehmend an Bedeutung gewinnt." (Textauszug). Inhaltsverzeichnis: Hans-Henning Schröder: Russland als Partner? Ressourcen und Optionen russischer Außenpolitik (8-10); Sabine Fischer: Russische Außenpolitik: neue Akzente, bleibende Ambivalenzen. Blick aus dem Jahr 2003 (11-15); Dmitri Trenin: Der Westen und Russland: das verlorene Paradigma (16-20); Hans-Henning Schröder: Russische Außenpolitik 2005-2006. Chronik (21-30); Dale Herspring: Putin auf dem Weg zur Militärreform (31-38); Jens Siegert: Der Freund des Kanzlers - zur deutschen Russlandpolitik (39-41); ... ohne Osteuropa. Zu Joschka Fischers außenpolitischem Design (42); Iris Kempe: Rekonstruktion des Westens als gesamteuropäische Aufgabe (42-43); Sabine Fischer: "Kleineuropäische Vorstellungen greifen nicht mehr?" (43); Heinz Timmermann: Strategische Neuakzentuierungen gegenüber Russland (44); Olaf Hillenbrand: Eine handlungsfähige Europäische Union ist ohne Alternative. Rekonstruktion des Westens statt Gravitationsraum Europa? (45-46); Andrei Zagorski: Ist eine Rekonstruktion des Westens ohne Russland unmöglich? (47-48); Umfrage: Das heutige Deutschland und die Vergangenheit aus russischer Sicht (49-54); Russland und die Welt im Spiegel der russischen öffentlichen Meinung. Umfrage: Russland und die G8 (55-57); Daniela Mussnig: Russland und die OSZE: gespannte Beziehungen (58-60); Heinz Timmermann: Der Moskauer EU-Russland-Gipfel 2005 - Hintergründe, Ergebnisse, Perspektiven (61-69); Roland Götz: Russland und die Energieversorgung Europas (70-74); Heiko Pleines: Russland auf dem Weg in die WTO (75); Heiko Pleines: Russische Unternehmen und die neuen EU-Mitgliedsländer (76-83); Heinrich Vogel: Gipfeltreffen Bush-Putin 2005 (84-85); Sabine Fischer: Russland und die Wahlen in der Ukraine, Belarus und den USA (86-95); Christoph Saurenbach: Russische Einflussnahme bei den ukrainischen Präsidentenwahlen (96-97); Margarita M. Balmaceda: Russische Unternehmer und die neue Ukraine (98-101); Jeronim Perovic: Zwischen Markt und Macht. Russlands Wirtschaftsexpansion in den Südkaukasus und nach Zentralasien (102-116); Erik R. Scott: Die russisch-georgischen Beziehungen bleiben schwierig (117-121); Margarete Wiest: Russland im Nahen Osten (122-129); Umfrage: Russland und das Iran-Problem. Die Wahrnehmung der russischen Öffentlichkeit (130-133); Diana Schmidt: Eine Wertelücke zwischen Russland und dem Westen? Vorläufige Anmerkungen zu einem schwierigen Diskurs (134-147); Offener Brief an die Staatsoberhäupter und Regierungschefs der Europäischen Union und der NATO vom 28. September 2004 (148-149); Heinrich Vogel: Anmerkungen zum "Offenen Brief an die Staatsoberhäupter und Regierungschefs der Europäischen Union und der NATO" vom 28. September 2004 (150-151); Andreas Langenohl: Putins Sicherheitspolitik und Russlands Intellektuelle (152-155).
'Indien zählt zusammen mit China zu den Wachstumslokomotiven der Weltwirtschaft. Die Fortsetzung des rasanten wirtschaftlichen Modernisierungsprozesses ist aber davon abhängig, ob Indien langfristig seine Energieversorgung sichern kann. Angesichts des steigenden Energiebedarfs bei gleichzeitiger Verknappung der heimischen Energiequellen wird die Abhängigkeit Indiens von Energieeinfuhren in den nächsten Jahren deutlich zunehmen. 2030 wird Indien circa 90 Prozent seines Rohölbedarfs einführen müssen, den Großteil davon aus politisch instabilen Regionen wie dem Nahen und Mittleren Osten. Da die Sicherung der Energieversorgung mit einer Reihe außen- und sicherheitspolitischer Probleme verbunden ist, stellt sich die Frage nach den Folgen der wachsenden Energieabhängigkeit auf die indische Außenpolitik. Da die Indische Union im Unterschied zu China weder den politischen Willen noch die Kapazitäten hat, eigene Einflusszonen zur Sicherung der Energieversorgung aufzubauen, ist davon auszugehen, dass das Land zukünftig eher eine kooperative denn eine unilaterale Außenpolitik verfolgen wird. Zugleich ist im Zuge der Energiesicherung eine stärkere Konzentration der indischen Außenpolitik auf die energiereichen Staaten in Afrika und Lateinamerika zu erwarten. Damit ergeben sich neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit den Industriestaaten z.B. bei der Sicherung der Transportwege. Reibungspunkte könnten sich beim Umgang mit autoritären Regimen ergeben. Denn obwohl Indien als größte Demokratie gilt, gibt es bislang keine Anzeichen dafür, dass es seine energiepolitischen Interessen hinter Fragen von Demokratie und Menschenrechten zurückstellen würde.' (Autorenreferat)
'Wie sieht die außenpolitische Strategie der USA aus, die im Laufe der letzten Jahre Gestalt gewonnen hat, wenn man die deklaratorische und die operative Politik der USA vergleicht? Inwiefern und wie stark hat der 11. September 2001 die Außenpolitik der Bush-Administration geprägt? Inwieweit ist es berechtigt, von einer 'Bush-Revolution' zu sprechen? Die vorliegende Studie beleuchtet die bleibenden, zentralen Elemente der weltpolitischen Grundorientierung der Bush-Administration und die damit verbundenen Probleme vor dem Hintergrund der innenpolitischen Konstellation in den USA. Die traumatische Erfahrung der Verwundbarkeit durch asymmetrische Angriffe am 11. September 2001 veränderte den Kontext außenpolitischer Entscheidungen: Sie führte zum erneuten Primat einer an 'worst case'-Annahmen ausgerichteten Sicherheitspolitik - und zu einer klaren außenpolitischen Dominanz des Präsidenten und einer selbstbeschränkten, ja zeitweilig bis zur institutionellen Selbstaufgabe gehenden Rücknahme der Rolle des Kongresses in der Außenpolitik. Der 'Globale Krieg gegen den Terror' - und zwar in seiner staatszentrierten, das heißt: gegen mit Massenvernichtungswaffen ausgestatten 'Terrorstaaten' gerichteten Form - wurde zur Legitimation für die Durchsetzung eines neuen strategischen Paradigmas. Dieses beruht auf vier Prinzipien: Bewahrung einer überlegenen Machtposition der USA, strategische Unabhängigkeit und instrumenteller Multilateralismus, offensive präventive Selbstverteidigung und schließlich Förderung von Freiheit und Demokratie. Da jedoch keines dieser Prinzipien für sich genommen wirklich neu in der amerikanischen Außenpolitik ist, wäre es übertrieben, von einer 'Bush-Revolution' zu sprechen.' (Autorenreferat)
Im Gefolge der Zypernkrise etablierte sich 1974/75 in den USA die sogenannte Greek Lobby, die lange als zweitstärkste ethnische Lobbygruppe nach den Jüdisch-Amerikanern galt. Doch welche Rolle spielen ethnische Interessengruppen im amerikanischen außenpolitischen System, und wie erklärt sich ihr Einsatz für die Heimatländer ihrer Eltern oder Großeltern? Maria Alexopoulou analysiert das Phänomen Ethnic Foreign Policy am Beispiel der Griechisch-Amerikaner aus verschiedenen Perspektiven: diplomatisch, politisch, gesellschaftlich, kulturwissenschaftlich. Sie zeigt, dass die eigentlichen Lobbyisten die höchsten amerikanischen Entscheidungsträger waren und dass das Engagement für Griechenland und Zypern die Griechisch-Amerikaner letztlich noch stärker in die amerikanische Gesellschaft integrierte.
'Demokratieförderung zählt seit vielen Jahren zu den Hauptanliegen westlicher Außen- und Entwicklungspolitik. Indien gilt als größte Demokratie und wird von deutscher, europäischer und amerikanischer Seite zunehmend als wichtiger internationaler Akteur wahrgenommen. Angesichts der gemeinsamen demokratischen Werte stellt sich die Frage, ob Indien ein Partner des Westens bei der Förderung demokratischer Regime sein kann. In der indischen Außenpolitik spielt Demokratieförderung nur eine untergeordnete Rolle. Indiens nationale Interessen werden von sicherheitspolitischen Erwägungen gegenüber China und Pakistan, handels- und wirtschaftspolitischen Motiven sowie der Sicherung der Energie- und Rohstoffversorgung bestimmt. Indien hat nur ein geringes Interesse daran, Demokratieförderung im westlichen Sinne als außenpolitisches Instrument zur Transformation autoritärer Regime einzusetzen. Im Zuge der verbesserten Beziehungen zu den USA haben sich jedoch seit Ende der neunziger Jahre erste Ansätze zur Demokratieförderung entwickelt. Diese wird entweder in einen sehr breiten multilateralen Kontext propagiert oder aber in einer sehr engen bilateralen Form, als entwicklungspolitische Zusammenarbeit. Indien bleibt somit bei der Frage der Demokratieförderung ein schwieriger Partner für deutsche und europäische Politik. Dennoch sollte der Dialog mit Indien über diese Frage intensiviert werden, denn das administrative Know-How der indischen Demokratie kann für den Aufbau von neuen Demokratien genutzt werden.' (Autorenreferat)
'Die deutsch-indischen Beziehungen konzentrieren sich auf die Bereiche Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Indien zählt neben China zu den Wachstumslokomotiven der Weltwirtschaft. Die indische Mittelschicht umfasst bereits heute ca. 150 Millionen Menschen und macht das Land zu einem attraktiven Partner für Exportnationen wie Deutschland. Deutschland und Indien teilen eine Reihe gemeinsamer Interessen, von der Demokratie über Menschenrechte bis hin zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus und der Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen. Beide Staaten haben ähnliche Vorstellungen von der Ordnung des internationalen Systems, die sie für eine strategische Partnerschaft prädestinieren. Mit ihrer gemeinsamen Initiative im Rahmen der G 4 für einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen haben Deutschland und Indien ihr Interesse bekundet, international eine größere Rolle einzunehmen. Allerdings gibt es Unterschiede im außenpolitischen Grundverständnis beider Staaten. Deutsche und europäische Vorstellungen von internationalem Einfluss orientieren sich an den Vorstellungen von Zivilmacht und Soft Power. Demgegenüber besitzt Indien ein eher klassisch geprägtes Verständnis von Großmacht, das militärische Kapazitäten und die Möglichkeiten nuklearer Abschreckung als unverzichtbare Bestandteile internationalen Einflusses ansieht. Die daraus resultierende unterschiedliche Haltung Deutschlands und Indiens zum Atomwaffensperrvertrag klammert damit zentrale sicherheitspolitische Fragen aus und setzt der anvisierten strategischen Partnerschaft Grenzen. Dieser Dissens wird jedoch den zukünftigen Ausbau der wirtschaftlichen und wissenschaftlich-technologischen Beziehungen nicht beeinträchtigen.' (Autorenreferat)
Die Bundesregierung wie auch der Bundestag stehen in der kommenden Legislaturperiode vor der Notwendigkeit, die Reichweite deutscher Verantwortung in der Weltpolitik neu zu bestimmen. Ohne eine Bestandsaufnahme, wie sich die internationale Arena verändert hat und welcher Wandel darüber hinaus geboten ist, können die Handlungspotentiale deutscher Außenpolitik nicht sachgerecht beurteilt werden. Internationale Machtverschiebungen, Positionsverluste des Westens, wachsender Autoritarismus, Schwächung multilateraler Institutionen und drängende globale Probleme wie der Klimawandel - all diese Herausforderungen erfordern eine Neuaufstellung deutscher Außenpolitik. Dabei gilt es die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit, aber auch die gegebenen Handlungsspielräume richtig einzuschätzen. Ziele wie Prioritäten sollten sich daran orientieren. Deutsche Außenpolitik steht in einem sich verschärfenden Wettbewerb um internationalen Einfluss und die Deutungshoheit über Normen und Werte. In den einzelnen Feldern auswärtigen Handelns ist dieser Wettbewerb unterschiedlich ausgeprägt. Daher kann deutsche Präsenz in der internationalen Politik nur wirkungsmächtig sein, wenn die Ressourcen der involvierten Ressorts zusammengeführt werden. Im außenpolitischen Entscheidungsprozess müssen Freiräume für vorausschauende und mittelfristige Ansätze geschaffen werden. Auf diese Weise kann es gelingen, die Neigung zu Ad-hoc-Entscheidungen auszugleichen und ein vorwiegend reaktives Verhaltensmuster zu vermeiden. Deutschlands Außenbeziehungen müssen an belastbaren Partnerschaften und neuen Formen der Verantwortungsteilung in den verschiedenen Politikfeldern ausgerichtet sein. Wie dabei auftretende Zielkonflikte zu regeln sind, kann nur in einer offenen und transparenten Diskussion ausgehandelt werden. (Autorenreferat)