For over 40 years the Institute for Comparative Literature at the University of Innsbruck has focused in its teaching and research work on taking stock of the concept of intermediality and the complex relations that exist between literature and other art forms such as painting, architecture, dance, music, photography, film, performance art and digital art. Students of comparative literature studying in Innsbruck have gained insights into this field through the diverse and innovative lectures held by Klaus Zerinschek, to whom this anthology is dedicated. All of the articles were written by scholars of comparative literature or philologists active in the field of comparative literature. They address theoretical concepts of intermediality, use such concepts to carry out practical analyses of concrete artistic phenomena, or incorporate concepts of intermediality into their own artistic work. This broad range of approaches to intermediality from the perspective of comparative literature studies is also reflected in the individual contributions to this anthology. In some, literary works or the individual literary components of an intermedial hybrid form create the foundation for analysis, while other articles focus on the narrative qualities of audiovisual and/or iconic media such as dance, performance art and film. A number of contributions looking at the development of new models of intermedial theory combine approaches from the fields of culture, literature and media theory and apply them to intermedial phenomena. As a whole, the articles brought together in this anthology are impressive evidence of the kaleidoscopic diversity of research into comparative literature and intermediality. - Intermedialität und das komplexe Relationsgeflecht zwischen Literatur und anderen Kunstformen, wie Malerei, Architektur, Tanz, Musik, Fotografie, Film, Performance-Art und digitaler Kunst, zählen seit nunmehr 40 Jahren zu den zentralen Lehr- und Forschungsschwerpunkten der Vergleichenden Literaturwissenschaft in Innsbruck. Den Innsbrucker Studierenden wurde dieser Schwerpunkt vor allem in den innovativen und breit gefächerten Lehrveranstaltungen von Klaus Zerinschek vermittelt, dem dieser Band gewidmet ist. Alle Beiträge in diesem Band stammen von Komparatist_innen oder komparatistisch arbeitenden Philolog_innen, die sich mit theoretischen Intermedialitätskonzepten beschäftigen, sie zur praktischen Analyse konkreter künstlerischer Phänomene nutzen oder sie in die eigene künstlerische Arbeit einfließen lassen. Diese unterschiedliche und vielfältige Auseinandersetzung mit medialen Verschränkungen aus komparatistischer Perspektive spiegelt sich auch in den Beiträgen dieses Bandes wider: So bilden in einigen Beiträgen literarische Werke oder die literarischen Teilkomponenten einer intermedialen Hybridform die Basis für die wissenschaftliche Analyse, während wiederum in anderen Fällen die narrativen Qualitäten audio-visueller und/oder ikonischer Medien wie Tanz, Performance-Art und Film in den Blick genommen werden. In manchen, auf die Entwicklung neuer, intermedialitätstheoretischer Modelle ausgerichteten Beiträgen werden hingegen kultur-, literatur- und medientheoretische Ansätze auf komparatistische Weise verknüpft und auf intermediale Phänomene angewendet. In ihrer Gesamtheit zeugen die in diesem Band versammelten Beiträge somit eindrücklich von der kaleidoskopischen Vielfalt des komparatistisch-intermedialen Forschungsfeldes.
"Der vorliegende Band vereint Forschungsbeiträge der 8. Konferenz der Internationalen Feuchtwanger-Gesellschaft, die im Herbst 2017 im Heinrich Heine Haus in Paris zum Thema Frankreich als Gastland der deutschsprachigen, insbesondere der deutsch-jüdischen und österreichisch-jüdischen Emigration zwischen 1933 und 1940: Formen und Medien öffentlicher Erinnerungskultur stattfand. Durch sein schriftstellerisches Werk und seine publizistische Tätigkeit während des "ersten" Exils trug Lion Feuchtwanger entscheidend dazu bei, das Bild, das sich bis heute von der deutschsprachigen Emigration in Frankreich und deren Beziehung zum Gastland halten konnte, zu prägen. Umgekehrt wird durch Gedenkstätten (z.B. im ehemaligen Internierungslager Les Milles) und Initiativen, wie die der Gemeinde Sanary-sur-mer die Erinnerung an Lion Feuchtwanger und die Emigranten aus Nazideutschland in Frankreich aufrechterhalten. Die Erinnerung an vergangene Epochen sowie das Bild, das sich die Nachwelt von einer bestimmten Zeitspanne macht, wird jedoch nicht nur durch Gedenkstätten geprägt. Texte, ob juristischer, journalistischer oder literarischer Natur, politische Kampfschriften und Reden, Briefe, Tagebücher, Ausstellungen, Filme und Fotographien bewahren Zeitgeschehen für die Mit- und Nachwelt auf. Welche Erinnerungen konkret vermittelt werden und in das kollektive Gedächtnis eines Landes eingehen, scheint dabei auch vom Nutzen abzuhängen, den das Bewahrte für die Gemeinschaft der Bewahrer mit sich bringt. Ausgehend von diesen Feststellungen widmete sich die Konferenz der Frage, welche Erinnerungen an die deutschsprachige, spezifisch auch deutsch-jüdische und österreichisch-jüdische Emigration zwischen 1933 und 1940 in Frankreich noch heute präsent sind, inwieweit sie materialisiert, eventuell auch institutionalisiert wurden und welche Ereignisse der damaligen Zeit sich im kollektiven Gedächtnis hingegen nicht verankern konnten oder zumindest heute nicht mehr erinnert werden"--
Dieses Lehrbuch stellt medienübergreifend unterschiedliche Analysezugriffe vor, so dass der Leser befähigt wird, mediale Kontexte unterschiedlich zu analysieren. Dargestellt am konkreten Beispiel der Fernsehserie Buffy the Vampire Slayer bezieht sich das Lehrbuch ebenso auf die Bereiche Fotografie, Film, Comic oder Computerspiel.
Zugriffsoptionen:
Die folgenden Links führen aus den jeweiligen lokalen Bibliotheken zum Volltext:
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 4611-4617
"Mit dem Denken in Systemen und Modellen ist das Ziel verbunden ein verbessertes Verständnis von Zusammenhängen beliebiger Art zu erreichen. Insofern sind u.a. jede wissenschaftliche Erkenntnis, jeder Lernvorgang, jede Beschreibung eines Zusammenhanges, eines Objektes, jede Dokumentation, jedes Gemälde, jedes Musikstück, jede Fotographie das Ergebnis einer Abgrenzung eines Handlungs- oder/ und Denkvorgangs, bei dem bestimmt wurde, was dazu gehört und was nicht. Dem Vorgang der Abgrenzung folgt die Form, wie die Zusammenhänge per Kommunikation in den Denkvorgang des Verständnisses übermittelt werden. Dabei sind lebende Systeme von toten Systemen insofern unterscheidbar als lebende Systeme in ihrem Handlungsziel auf Existenzerhalt ausgerichtet und ihre Fähigkeiten von der Summe der Erinnerungen, einschließlich genetischer Präpositionen, abhängig sind, die über das Kognitive hinaus bis in das Emotionale hinein reichen. Tote Systeme - Systeme der künstlichen Intelligenz gehören dazu - basieren dagegen allein auf kognitiv beschreibbaren Erinnerungen. Falls sie Lernfähigkeit besitzen, beschränkt sich diese auf kognitiv beschreibbare Zusammenhänge. Mit ihren Erinnerungen konstruieren sich lebende Systeme Modelle ihrer Umwelt, ordnen neue Wahrnehmungen in diese Zusammenhänge ein und sind damit in der Lage zu reagieren, zu handeln und zukommunizieren. Diese charakteristische Struktur lebender Systeme ist erweitert, wenn sie in der Lage sind ihr Handeln und Denken zu beobachten, in die Vergangenheit und Zukunft gerichtete Fragen 'Warum?' und 'Was passiert dann?' zu stellen und nach Antworten zu suchen. Sie können dabei ihr eigenes Handeln und das Handeln an der erlebender und toter Systeme in ihr Denken einbeziehen. In dieses Schema können verschiedene Theorieneingeordnet werden. Sie basieren auf dem Zusammenhang von Ursachen und Wirkungen und können dann leicht abgrenzbar und geschlossen gelten wie die Abstraktion einer mathematischen Gleichung. Oder sie berücksichtigen die Folge von Wirkungen als weitere Ursachen und führen zu einer kybernetischen Sichtweise eines Kreislaufes von Handlung und Reaktion. Eine weiterführende Ergänzung der kybernetischen Sichtweise ist durch Einführung der Institution des 'Beobachters' eingetreten. Mit dem Beobachter wird die Subjektivität jeder Erkenntnis lebender Systeme deutlich. Erkenntnis wird damit von der Sichtweise des Beobachters abhängig. Dies kann zu besonderen Differenzen führen, wenn bei den erkennenden Subjekten deutlich unterschiedliche Sozialisationserfahrungen bestehen, Beobachter und Handelnde nicht in ein lebendes System eingebunden sind, wenn die Institution des Beobachters durch eine organisierte Instanz als Beobachter und Berichter realisiert ist und Eigeninteressen bestehen. Die Folgen aus dieser Erkenntnis für die soziologische Forschung sind noch nicht absehbar." (Autorenreferat)
Erzählen ist ursächlich mit Stellungnahme und Wertung verknüpft. Das Spektrum dieser axiologischen Implikationen reicht von der möglichst sachlichen bis hin zu einer stark attribuierenden oder urteilenden Darstellung, die (un-)merklich in die Manipulation abgleiten kann. Das (Be-)Werten und (Be-)Urteilen hat trotz der enormen Tragweite für Gesellschaft und (Geistes-)Wissenschaft bisher jedoch kaum theoretische Reflexion erfahren. Die Beiträger*innen des interdisziplinären Bandes setzen genau hier an, wobei die Mechanismen der Urteilsimplikationen in Kunst, Literatur, Fotografie, Videogames, Karikaturen, aber auch in Journalismus und Soziologie im Blickfeld stehen. Angesichts von political correctness, der me too-Bewegung und der Diskussion um fake news ist diese theoretische Reflexion des Wertens und Urteilens unerlässlich und hochaktuell.
Es war ein langgehegtes Projekt von Annette Michelson, das durch seine zahlreichen Abbildungen, oder genauer gesagt, durch die mit ihnen verbundenen Bildrechte in die Länge gezogen wurde. Der Sammelband On the Eve of the Future. Selected Writings on Film bringt ausgewählte Texte und Essays aus dreißig Jahren zusammen, die die Cinema Studies Pionierin hauptsächlich über den US-amerikanischen Avantgardefilm verfasst hat. Mit seinem Erscheinungsdatum 2017 ist das Buch so etwas wie ein Vermächtnis geworden: Im September 2018 starb Annette Michelson 95-jährig in ihrer Heimatstadt New York. Michelsons Forschen und Denken war stets gegenläufig zu einem Mainstream: Mitten im Kalten Krieg begann sie sich in den USA intensiv mit dem post-revolutionären sowjetischen Kino von Sergej Eisenstein und Dziga Vertov auseinanderzusetzen (und das zu einer Zeit, als man in Amerika – inspiriert durch die Cahiers du Cinéma – gerade dabei war, sein eigenes klassisches Kino wieder zu entdecken). Sie brachte französische Philosophie und Kritik, die sie in ihrer Zeit an der Sorbonne kennengelernt hatte, in den ästhetischen Diskurs ein – ein Umstand, der ihr ihrerseits auch Kritik einbrachte. Sie erkannte sehr früh die Qualität des US-amerikanischen Avantgardefilms, und ihre Beschäftigung mit visueller Kunst berücksichtigte auch damals marginalisierte Kunstformen wie Performance und Tanz. So widmete sie zum Beispiel Yvonne Rainer gleich zwei aufeinanderfolgende Ausgaben von Artforum. Sie schrieb über zeitgenössisches Filmschaffen, allerdings nicht in seinen populären Ausformungen. Die einzige Ausnahme bildet der Aufsatz "Bodies in Space. Film as Carnal Knowledge" über Stanley Kubricks 2001 – A Space Odyssey (UK/US 1968). Annette Michelson war seit seiner Gründung in Jahr 1976 Mitglied des Cinema Studies Department an der New York University und kämpfte für die Eigenständigkeit des Faches, das aus dieser Position heraus interdisziplinäre Allianzen eingehen konnte: mit Philosophie, Literatur oder bildender Kunst. Der Titel des Sammelbandes betont diese fachlichen Verstrickungen: Er verweist auf den ersten Beitrag des Buches, "The Reasonable Facsimile and the Philosophical Toy", geschrieben 1984 als eine Art Hommage an Villiers de I'Isle-Adam, einem Schüler Baudelaires. In seiner symbolistischen Science-Fiction Erzählung L'Eve Future aus dem späten 19. Jahrhundert wird der makellose Körper einer künstlich erschaffenen Frau beschrieben, der seinen 'Hersteller' zu begeistern vermag – ihr Intellekt allerdings lässt zu wünschen übrig. In der Erzählung wird Thomas Edison, der 'Vater der Photographie', aufgesucht, um ein Verfahren zu entwickeln, die Engstirnigkeit und Angepasstheit dieses Androiden zu ändern. Was Michelson an dieser Geschichte so faszinierte, ist die Obsession mit dem weiblichen Körper (gepaart mit der Verachtung ihres Verstandes), sowie der Blick von Männern auf Frauen, der später als personifizierter Kamerablick vor allem in der feministischen Filmtheorie so zentral werden sollte. Den Blick auf Frauen, die Vermessung von Frauenkörpern, weibliche Selbstoptimierung bis hin zur Selbstauslöschung verhandelt Michelson weiter in dem Beitrag "Solving the Puzzle: Martha Rosler" von 1999, der seinen Anfang mit einem dokumentarische Beitrag Roslers über das letzte und größte Wohnbauprojekt Le Corbusiers nimmt: How Do We Know What Home Looks Like? The Unité d'Habitation of Le Corbusier at Firminy, France (1993) konfrontiert eine Utopie in der Theorie mit der Lebenspraxis ihrer Bewohner und speziell ihrer Bewohnerinnen. Wie Martha Rosler in den 'kleinen' privaten Lebenswelten die Kritik am 'großen' kapitalistischen Gesellschaftsentwurf ansetzt, zeichnet Michelson mit Rückgriff auf Roslers frühere Performances und Videos nach. Der Titel: On the Eve of the Future beschreibt aber auch das zentrale Forschungsfeld des Buches: Das zukunftsweisende avantgardistische Filmschaffen von Michael Snow, Stan Brakhage, Hollis Frampton, Ken Jacobs oder Maya Deren. 30 Jahre umspannen die Beiträge dieses Bandes, vom ersten Text "Toward Snow" von 1971 bis zu "About Anagram"von 2001, – und diese Zeitspanne ist nicht nur als Chronologie zu lesen, sondert bildet auch einen (akademischen) Weg nach. Der erste Text wurde für die Zeitschrift Artforum geschrieben, die Michelson lange Zeit mit Texten belieferte und redaktionell betreute, und die sie nach einem Richtungswechsel in der Führungsetage verließ, um gemeinsam mit Rosalind Krauss 1976 ihr eigenes Magazin October zu gründen, das bis dato zu einer der einflussreichsten wissenschaftlichen Zeitschriften zählt. Der jüngste Text "Poetics and Savage Thought: About Anagram"stammt aus dem Sammelband Maya Deren and the American Avant-garde (hrsg. v. Bill Nicols, Berkely: University of California Press 2001) und aus einer Zeit, in der sowohl der US-amerikanische Avantgarde Film, als auch eine der wenigen seiner weiblichen Vertreterinnen, Maya Deren, fixe Bestandteile des akademischen Diskurses sind – und Michelson selbst schon kurz vor ihrer Emeritierung als Professorin an der NYU steht. Einige der hier versammelten Texte finden sich in Literaturlisten für Filmstudierende, wie zum Beispiel "The Art of Moving Shadows", der sich entlang der Bazin'schen Frage "Was ist Kino?" – von der frühen Fotographie über die Brüder Lumière bis zu Godard – dem Wesen des Films als Kunstform widmet. Annette Michelsons Denken und Schreiben macht viele Türen auf, und so ist On the Eve of the Future viel mehr als eine Nachlese zum Avantgardefilm, sondern gibt zahlreiche Denk- und Lese-Anstöße, zum Beispiel zur Objektbeziehungstheorie von Melanie Klein, Bruno Bettelheims Empty Fortress oder den Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken von Daniel Paul Schreber.
Fake News und Verschwörungstheorien haben Hochkonjunktur: Lügen werden als Informationen getarnt und fadenscheinige Theorien ziehen bisher anerkannte Wahrheiten in Zweifel. Und spätestens wenn mit dem Begriff »alternative Fakten« Wahlmöglichkeiten auf dem Feld der Tatsachen suggeriert werden, kommt die Frage nach der willkürlichen Manipulation der Wirklichkeit auf.Doch was sind Fake News eigentlich? Wie funktionieren Verschwörungstheorien? Und warum sind wir dafür offensichtlich so anfällig? Katrin Götz-Votteler und Simone Hespers gehen den Gründen für den gegenwärtigen Erfolg dieser Phänomene nach und zeigen, wie kommunikative Mechanismen und Prozesse unbewusst auf unsere Meinungsbildung wirken. Der Sprache als wesentliches Kommunikationsmittel kommt hier eine ebenso große Bedeutung zu wie visuellen Codes und Bildern, die vor allem in Form von Fotografien ein »Fenster zur Welt« auch außerhalb der eigenen Erfahrungsmöglichkeiten öffnen.
Zugriffsoptionen:
Die folgenden Links führen aus den jeweiligen lokalen Bibliotheken zum Volltext:
In diesem Lehrbuch werden Positionen der politischen Ikonografie mit medientheoretischen Ansätzen verknüpft. Ziel ist es, die Rolle der Medien für Wahrnehmbarkeit und Organisation politischer Bilder zu illustrieren. Mit zahlreichen Beispielen und Abbildungen, u.a. von Che Guevara, Willy Brandt, Barack Obama, Donald Trump und Angela Merkel sowie dem Tank Man und der Black-Lives-Matter-Bewegung. Ein spannendes Lehrbuch für Studierende der Kultur-, Medien- und Kommunikationswissenschaft. Auch für Forschende ist das Buch ein aufschlussreiches Nachschlagewerk.
Zugriffsoptionen:
Die folgenden Links führen aus den jeweiligen lokalen Bibliotheken zum Volltext:
Der Schwerpunkt der vorliegenden Dissertation liegt auf einer empirisch-qualitativen Untersuchung der historischen Veränderungen in der Mensch-Umwelt-Interaktion in einem ökologisch sensiblen Regenwaldrandgebiet Indonesiens. Hierzu wird anhand der vier Themenblöcke Bevölkerung, Siedlungsstrukturen, Landbesitz/-nutzung und politische Einflüsse der Kulturlandschaftswandel in der Lore-Lindu-Region seit Beginn des 20. Jahrhunderts analysiert. Die gewonnenen Ergebnisse ermöglichen ein besseres Verständnis der aktuellen sozioökonomischen und ökologischen Problemfelder in dieser Region.Die Arbeit erweitert die klassische geographische Kulturlandschaftsforschung um die im Zuge des Cultural Turn in der Humangeographie diskutierte soziokulturelle Konstruktion von Kulturlandschaft als prägendem Faktor menschlichen Handelns. Das empirische Datenmaterial für diese Studie resultiert aus einer Feldforschung in Zentralsulawesi im Zeitraum von Februar 2001 bis September 2003. Während dieser Zeit wurden in neun ausgewählten Dörfern der Untersuchungsregion qualitativ-biographische Tiefeninterviews mit Haushalten, Dorfrepräsentanten und Schlüsselinformanten geführt sowie teilnehmende Beobachtungen vorgenommen. Ferner wurden sekundäre Informationsquellen (Archivdokumente, Statistiken, Karten, Fotographien, Literatur) ausgewertet.Die Analyseergebnisse bestätigen die in der Arbeitshypothese formulierte Annahme, dass der Kulturlandschaftswandel in der Lore-Lindu-Region einer raum-zeitlichen Heterogenität unterliegt, welche aus einem multidimensionalen Netz von Veränderungsprozessen resultiert. Entscheidende Grundsteine für die aktuelle Ausformung der Kulturlandschaft im Untersuchungsgebiet (z.B. Übergang von der Subsistenz- zur Weltmarktproduktion, Errichtung permanenter Siedlungsstrukturen, landwirtschaftliche Intensivierung) basieren bereits auf den Einflüssen der niederländischen Kolonialherrschaft (1904-1942). Ab den 1950er Jahren förderten vielschichtige Migrationsprozesse eine zunehmende Differenzierung der regionalen und lokalen Bevölkerungs-, Siedlungs- und Landwirtschaftsstrukturen. Die Studie zeigt auf, dass sich aktuelle Probleme in der Untersuchungsregion nur anhand des Wissens über die differenzierten historischen Regional- und Dorfentwicklungen erklären lassen. Dabei spielt die soziokulturelle Konstruktion von Kulturlandschaft im Bewusstsein der unterschiedlichen lokalen und zugewanderten Bevölkerungsgruppen eine herausragende Rolle für die Entstehung von räumlich zu differenzierenden Veränderungsprozessen in der Region.Mit dieser Arbeit wird der Kulturlandschaftswandel in der Lore-Lindu-Bergregenwaldregion erstmals für das gesamte 20. Jahrhundert erfasst. Neben der Bereitstellung dieses Grundlagenwissens über die historische Entwicklung der Kulturlandschaft untermauert die Arbeit die große Bedeutung qualitativer Forschungsmethoden zur Ermittlung der Erklärungszusammenhänge von Veränderungsprozessen.Diese Dissertation entstand im Rahmen des interdisziplinären DFG-Sonderforschungsbereichs 552 STORMA Stabilität tropischer Regenwaldrandzonen in Indonesien als Teil der Forschungsaktivitäten des Teilprojekts A1 Regionalanalyse der Kulturlandschaft und ihrer Veränderungsprozesse unter der Leitung von Prof. Dr. Werner Kreisel und PD Dr. Heiko Faust. ; The focus of this dissertation is on an empirical qualitative analysis of the historical changes in the (wo)man-environment interaction in an ecologically sensitive rainforest margin area of Indonesia. Along the four thematic scopes population, settlement structures, land property / land use, and political impacts the change of the cultural landscape in the Lore Lindu region is investigated for the twentieth century. The results support a better understanding of recent socio-economic and ecological issues in that region.The study extends the classical geographical research on cultural landscape by the socio-cultural constructs of cultural landscape that are discussed in the course of the Cultural Turn in human geography. The empirical data results from a field research in Central Sulawesi between February 2001 and September 2003. During this time period qualitative-biographical in-depth interviews were conducted with households, representatives, and key informants of nine selected villages. Furthermore, besides participant observation, secondary information sources (archival documents, statistics, maps, photographs, literature) were evaluated.The results confirm the working hypothesis, which assumes that the change of the cultural landscape in the research area is subject to a time spatial heterogeneity resulting from a multi-dimensional network of processes of change. Crucial foundations for the recent status of the cultural landscape in the Lore Lindu region are already based on the impacts of the Dutch colonial rule (1904 1942). This can be observed, among others, in the transformation from subsistence to world market production, the establishment of permanent settlement structures, or the agricultural intensification. Since the 1950s, multi-layered migration processes boosted an increasing differentiation of regional and local population, settlement, and land use patterns. The findings reveal that recent problems in the study area cannot be explained without the knowledge about the differentiated historical regional and village developments. Furthermore, the study demonstrates that the socio-cultural constructs of cultural landscape, which are created and developed in the perceptions of the respective local and migrant groups, play a prominent role for the formation of spatially different processes of change in this region.This dissertation records the changes of the cultural landscape in the Lore Lindu region for the first time for the whole twentieth century. Besides making available this knowledge base on the historical development the study emphasizes the great importance of qualitative research methods for revealing explanations of processes of change.
In Markus Rautzenbergs neuester Monographie Bild und Spiel. Medien der Ungewissheit werden die audiovisuellen, medialen, kulturellen und technologischen Konfigurationen Bild und Spiel mit der Erfahrung von radikaler Ungewissheit, dem Umgang mit Unsicherheit und dem Erkunden von Unbestimmtheit in Bezug gesetzt. Kontingenz wird in diesem Kontext sowohl als eine grundlegende Bedingung menschlichen Lebens verstanden, als auch als "wesentliches Merkmal heutiger hochtechnisierter und globalisierter Kulturen" (S. 3) – verwiesen wird dabei unter anderem auf ihre Rolle innerhalb poststrukturalistischer Theorien oder als Grundlage für mathematisch berechnete Spekulationen im Kapitalismus. Medien erlauben nicht nur die Erfahrung von Kontingenz, sondern ermöglichen auch, dass mit ihr und durch sie gehandelt wird. Kontingenz kann beispielsweise domestiziert werden – die Beherrschung der Ungewissheit als die Zweckrationalität des Krieges – oder sie kann in Alltagspraktiken aufgehen – die Illusion der Unsterblichkeit im Computerspiel und die Wiederholbarkeit von Praktiken in digitalen Medien. Zentral für den Umgang mit Kontingenz ist dabei das framing, denn als "framed uncertainty" (S. 10) wird Ungewissheit im zweifachen Sinne analysierbar: einerseits wird sie durch eine Differenz gerahmt; anderseits steht framed hier auch für hereingelegt, in eine Falle gelockt werden. Computerspiele stellen diese paradoxe Dopplung von framing aus, wenn sie die Lust am Zufall auf den narrativen und mechanischen Ebenen verhandeln, gleichzeitig dies aber nur auf Basis von mathematischer Berechenbarkeit geschieht, welche es wiederum nicht erlaubt "realen Zufall und Entropie zu generieren" (S. 10). Ausgehend von dem Konzept der gerahmten und gebannten Kontingenz beschäftigt sich Rautzenberg im ersten Teil seiner Monographie mit Bildlichkeit, im Zweiten mit Ludik. Beide Auseinandersetzungen umfassen dabei sechs Kapitel. Die beiden Teile sollten jedoch nicht als getrennte Auseinandersetzungen gelesen werden, sondern als sich gegenseitig kommentierende Bereiche, denn es geht darum aufzuzeigen, "dass Bildlichkeit über Ludizität und das Computerspiel über die ihm eigene Ikonizität analysiert werden können" (S. 202). So werden ludische Epistemologien von Bildern und digitale Bildlichkeiten von Spielen ebenso untersucht, wie die Grenzen und Transgressionen zwischen verschiedenen medialen Konfigurationen und Wahrnehmungsformen. Die Wechselwirkungen von ikonischen und ludischen Medien verhandelt Rautzenberg im Verhältnis zu unterschiedlichen kulturwissenschaftlichen, medientheoretischen, anthropologischen und medienphilosophischen Perspektiven. Dabei führt er verschiedene Stränge zusammen, die er zuvor in Artikeln und Vorträgen ausgeführt hatte. Trotz des Fokus' auf technologische und audiovisuelle Mediensysteme – insbesondere Fotografie, Spielfilm und Computerspiel – bezieht er historische Kontexte mit ein, insbesondere im Zusammenhang mit der europäischen Ideen-, Literatur- und Kunstgeschichte. Herausgestellt werden unter anderem die Bezüge zwischen Bild und Spiel als Medien der Ungewissheit und den Schriften von Roland Barthes, Gregory Bateson, Walter Benjamin, Martin Heidegger und Karl Marx. Im ersten Teil des Bands wird Bildlichkeit als mediale Konfiguration analysiert, wobei der Schwerpunkt auf der Relevanz von nicht visuellen Elementen liegt. Das Ziel ist aufzuzeigen, wie diese Bildlichkeit als Wahrnehmungskategorie herausgefordert wird. Eine solche nicht visuelle Dimension von Bildlichkeit ist beispielsweise die Zuschreibung von Lebendigkeit an Photographien oder Computeranimationen. Die Ambivalenz der Untoten, die paradoxe Gleichzeitigkeit von Leben und Tod, wird anhand des Motivs des Zombies erläutert – wobei nicht nur auf die wandelnden Leichen der Popkultur eingegangen wird, sondern auch auf den unheimlichen Uncanny Valley-Effekt von computeranimierten Figuren, sowie auf die geisterhafte An- und Abwesenheit in Hitchcocks Vertigo (1958). Aufgezeigt wird dabei, dass optische "Eigensinnigkeit" oder "Eigendynamik" (S. 37) Irritation hervorrufen, welche die Ungewissheit als elementaren Teil der Wahrnehmung von Bildlichkeit festsetzen. Weitergehend wird mit dem Begriff der Evokation das Wechselspiel von auditiven und visuellen Medien beschrieben. Evokation – mit den verschiedenen anklingenden Bedeutungsebenen als Beschwörung, Ritual und Rhetorik – verweist auf das Wechselspiel von Sehen und Hören, vom Entzug und der Einsetzung von Stimmlichkeit als Wahrnehmungskategorie des Bildhaften. Ausgehend von Andrei Tarkowskijs filmischen Werk und Roland Barthes Texten über Fotographie, beschäftigt sich Rautzenberg mit dem Verhältnis von Sprache, Bild und dem Einfluss der traditionellen japanischen Gedichtform Haiku. Diese Form dient für Tarkowskij und Barthes als ein "Schlüssel zum Verständnis von Bildlichkeit, weil das Haiku die vermeintlich festen Grenzen von Bild und Sprache zur Disposition stellt" (S. 70). Ausgehend davon lassen sich nicht nur die inter-, sondern auch transmedialen Eigenschaften von Bildlichkeit in den Blick nehmen. Verhandelt werden daran anknüpfende Aspekte, wie Zeitlichkeit im Bild als verschiedene Formen von Intensivierung und Verdichtung und die Nicht-Darstellbarkeit des framings. Computerspiele als "drangvolle Zeichenwelten, in denen alles Sinn machen muss" (S. 162) bilden den Knotenpunkt für den zweiten Teil des Buchs. Ausgangspunkt ist dabei die Spannung zwischen visuell generiertem Realismus, welcher dazu dient Involvierung und Immersion zu erzeugen, gegenüber der Selbstreferenz von Spielen, als bewusster Akt der Optimierung. Diese Opposition erzeugt einen Bruch zwischen der als unvermittelt erscheinenden Natürlichkeit der Spielwelt und der Künstlichkeit der erstellten Simulation. Als Medium ermöglichen Computerspiele die "simultane Koexistenz herkömmlicherweise inkompatibler Ebenen" (S. 14), wenn Partizipation (am Spielen) mit der Beobachtung (des Spielens) verschränkt wird. In diesem Zusammenhang geht Rautzenberg auf Kontingenz und ästhetische Erfahrung, das Wechselspiel von Intensität und Rhythmus, sowie den Einfluss von Evokation, experimentellen Anordnungen und der Epistemologisierung des Ästhetischen ein. Unter anderem werden in Bezug auf Räume und Typographien paradoxe Formen der Gleichzeitigkeit im Computerspiel untersucht. Anhand von Analysen von Diablo 3 (2012) und Bloodborne (2015) wird veranschaulicht, wie diese mit der Differenz zwischen mathematischer, logischer Berechnung und der Lust an Kontingenz, als Erfahrung von Zufall in Spielmechanik und Narrativen, umgehen. Die Spielmechanik des sich stetig wiederholenden Ansammelns von zufälligen Gegenständen, die grundlegende Handlungsschleife in Diablo 3, sowie die Etablierung eines Aktionshauses, werden in Relation zum Warenfetisch nach Marx gesetzt, um aufzuzeigen, wie durch diese Praktiken virtuelle Gegenstände zu Statussymbolen und Spielen zu einer Form der Arbeit werden. In Bloodborne wiederum wird Ungewissheit auf der narrativen Ebene inszeniert, in der Verlassenheit als Grundstimmung des Spiels, welche im Kontrast zu den komplexen Mechaniken steht. Rautzenberg schlussfolgert: "Computerspiele entlasten und entwöhnen von Kontingenzerfahrung" (S. 118), indem sie gleichzeitig die Lust am Zufall als spielerische Auseinandersetzung mit Kontrolle und Probehandlung ausstellen, als auch das Paradox der Kontingenz auf Basis von Berechnungen vermitteln. Virtuelle Topographien wiederum bilden in Computerspielen einen ludischen Möglichkeitsraum, welcher es Spieler_innen ermöglicht Kontingenz räumlich zu erkunden. Die Relation von Karte und Territorium nach Bateson wird in diesem spielerischem Umgang transformiert: "In der Exploration werden hier Karten zu Territorien, Orte zu Räumen und umgekehrt. Dabei wird die Differenz nicht verwischt, sondern sie zeigt sich in ihrer Interdependenz vor dem Hintergrund ihrer Differenz" (S. 134). Diese Umkehr lässt sich anhand des Einflusses der Höhlenforschung auf Computerspiele nachvollziehen – beispielsweise im Modus der Exploration, von Textadventures bis hin zu Tomb Raider (1996). In Bild und Spiel. Medien der Ungewissheit verhandelt Rautzenberg den Umgang mit Kontingenz als "den geistigen, existenziellen, politischen und sozialen Problemhorizont der Gegenwart" (S. 202). Dabei nehmen die medialen Konfigurationen Bildlichkeit und Ludik als paradoxe Handlungs- und Erfahrungsräume in Bezug auf Wahrnehmung und Wissensgenerierung eine besondere Rolle ein. Im Umgang mit diesen Mediensystemen werden Ungewissheit, Unsicherheit und Unbestimmtheit nicht getilgt, jedoch ermöglichen die medialen Praktiken eine Auseinandersetzung Kontingenz und teilweise temporale Bewältigung dieser. Rautzenberg gelingt es, einerseits durch die Analyse von verschiedenen Computerspielen und Spielfilmen, anderseits in der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Diskursen – beispielsweise mit Fokus auf nicht visuelle Dimensionen von Bildlichkeit, Evokation und Topografie – aufzuzeigen, wie Ungewissheit ge-framed wird, im Sinne von lustvoller Auseinandersetzung und der "Domestizierung von" (S. 205). Insbesondere Wissenschaftler_innen, die sich für die Überschneidung von medientheoretischen und philosophischen Perspektiven interessieren, können daher in dem Buch viele interessante Überlegungen und Anknüpfungspunkte finden. Gerade durch die Zusammenführung von Erkenntnistheorie und Wahrnehmung, sowie Bildwissenschaft und Computerspielforschung, wird in der Monographie aufgezeigt, wie diese oftmals getrennt betrachteten Bereiche von dieser wechselseitigen Durchkreuzung profitieren.
Was haben eine Ken-Puppe in Frauenkleidern, ein Schulfoto von Tafelklassler_innen und der Hurrikan Katrina gemeinsam? Sie alle sind nicht nur Themen, die in Sehen – Macht – Wissen behandelt werden, sondern spiegeln auch das thematische Spannungsfeld des Buches wider. Durch sie werden hegemoniale Machtstrukturen sichtbar und damit wissenschaftlich analysierbar – seien es nun transphobe, antisemitische oder rassistische Tendenzen. Der Sammelband Sehen – Macht – Wissen ist die Publikation zum Symposium "ReSaVoir. Bilder im Spannungsfeld von Kultur, Politik und Erinnerung", das im Januar 2009 anlässlich von Silke Wenks 60.Geburtstag in Oldenburg stattgefunden hat. Der Neologismus 'ReSaVoir' steht dabei programmatisch für den Buchinhalt: Ein erneutes Betrachten (französisch: re – zurück, erneut, neu; voir – sehen) führt zu einer Bewusstseinsbildung (savoir – wissen). Es ist kein Zufall, dass die Wortschöpfung an Reservoir erinnert, wird doch bei den Analysebeispielen auf ein breites Reservoir etablierter Bilder und Denkweisen zurückgegriffen. Diese werden "mit der Option eines Neu-Sehens oder Anders-Sehens verbunden" (S.16), einem machtkritischen Blick auf Repräsentationen und deren Stellenwert im sozialen Umfeld. Es handelt sich daher um einen analytischen "Eingriff […], der die Gesamtformation verändert" (S.16). So versucht Sabine Hark in ihrem Artikel die weltkonstruierende Eigenschaft von Bildern darzustellen und stellt die Frage: "Wie können wir […] dominante Formen der Repräsentation […] stören […]. Wie, mit anderen Worten, können wir 'anders' imaginieren?" (S.57). Der Band Sehen – Macht – Wissen trägt zur Beantwortung dieser Frage bei, indem analytische Grundlagen geschaffen werden. Visualisierungen des Alltags, der Kunstwissenschaft und der Medien werden aus dem theoretischen Blickwinkel der Visual Culture beleuchtet und im Sinne einer Machtkritik untersucht. Dabei ist die Bandbreite der betrachteten Themen groß: Fotographien, Kunstvermittlung, Comics und der Ozean werden als Analysegegenstände herangezogen. Auf den ersten Blick wirkt das 200 Seiten starke Buch mit seinem grün-grauen Einband eher unscheinbar. Aber auch dieser ist durchdacht und spiegelt den kritischen Bildanalyse-Ansatz des Buches wider: Gezeigt wird ein unscharfes Foto des Schiffs Cap Arcona, das im Mai 1945 mit mehreren tausenden KZ-Häftlingen an Bord sank. Dieses Bild – auch Teil einer Gedenkinstallation in Neustadt/Holstein – rekurriert auf das kollektive Gedächtnis. Es gibt "kein reines Sehen", die visuelle Wahrnehmung ist "immer von Wissensformationen mitbestimmt und von Machtstrukturen durchzogen" (S.12). Genau diese Machtstrukturen versuchen die Beiträge vor dem theoretischen Hintergrund der Visual Culture aufzudecken und durch Analysen zu destabilisieren. Der erste Teil des Buches befasst sich mit Bildern und Biopolitiken und besteht aus vier Artikeln, verfasst von Nicholas Mirzoeff, Linda Hentschel, Sabine Hark und Irene Nierhaus, wobei Hentschel und Hark unmittelbaren Bezug auf Mirzoeffs Text nehmen. Dieser Beitrag setzt sich mit der medialen Repräsentation des Hurrikans Katrina auseinander. Er nimmt mehrfach Bezug auf die Schiffe des Sklav_innen-Handels und die vielen ertrunkenen Sklav_innen und hinterfragt die bildliche Darstellung des Meeres als natürliche Grenzlinie am Horizont, z.B. in der Malerei. Anhand der Analyse von Spike Lees Film When the Levees Broke: A Requiem for New Orleans zeigt er auf, dass "sich in der Geografie von New Orleans die Kategorien Klasse und Rasse anhand der relativen Höhe zum Meeresspiegel ablesen lassen" (S.41). Mirzoeff setzt sich dabei auseinander "mit Relationen zwischen globalisierten Regierungstechniken und kulturellen Machtverhältnissen, Biopolitik und Entmenschlichung, dem Mythos ozeanischer Grenzenlosigkeit und maritimer Territorialherrschaft, dem Überdauern und Untergehen auf dem Feld des Visuellen" (S.47). Der zweite Teil ist mit "Bilder und Erinnerung" überschrieben und enthält drei Texte (Kathrin Hoffmann-Curtius, Marianne Hirsch/Leo Spitzer, Nicole Mehring). Sowohl Mehring als auch Hirsch/Spitzer hinterfragen in ihren Beiträgen ritualisierte Darstellungsformen in Schulfotos. Je nachdem, wie traditionell Abbildungskonventionen verfolgt wurden, rangieren die Klassenfotos zwischen dem "Aufbrechen von Abbildungstraditionen" (S.118) und "Anti-Porträts" (S.102). In letzteren werden die Schüler_innen nicht mehr als Individuen, sondern Pars pro Toto für den Klassenverband oder eine andere Gruppe wahrgenommen. Diesem Aspekt und dem ihnen innenwohnenden "emotionelle[n] Leben" (S.103) folgend, analysieren Hirsch/Spitzer den Einsatz solcher Bilder in den künstlerischen Arbeiten von Christian Boltanski und Marcelo Brodsky. Boltanskis Arbeiten bezeichnen sie als "Archive des Verlusts" (S.104), in denen es "keinen [visuellen] Unterschied zwischen den verschwommenen Gesichtern der Kinder aus Dijon in den 1970er Jahren und denen der jüdischen Schüler aus Wien oder Berlin in den 1930er Jahren" (S.105) gibt. Als "Archiv der Verbindung" (S.108) kann im Gegensatz dazu Buena Memoria, ein Werk des argentinischen Künstlers Marcelo Brodsky, verstanden werden. Auf Basis seines eigenen Klassenfotos setzt sich Brodsky mit der Geschichte auseinander, indem er die Abbildungen seiner Mitschüler_innen mit Kommentaren zu ihrem Leben versieht und einzelne Gesichter durchstreicht. Dadurch entsteht eine individualisierte Darstellung aller Schüler_innen und ihrer Biographien, in der jene weiterleben, selbst nachdem sie in der argentinischen Militärdiktatur 'verschwunden' sind. Mit Bildern, Kunstwissenschaft und feministischen Lektüren setzen sich die beiden Texte im dritten Teil des Buches auseinander. Wer hier mit einem feministischen Blick auf massenmediale Produkte (wie Blockbuster, Serien oder Werbung) vor dem Hintergrund der Visual Culture gerechnet hat, der wartet vergebens. Im Zentrum der beiden Texte steht die sogenannte Hochkultur mit dem Affektbegriff in den Theorien Aby Warburgs (Sigrid Schade) und Berninis Skulptur Daphne und Apollon (Griselda Pollock), worin Pollock die Repräsentation und Subjektivität Daphnes anhand ihres geöffneten Mundes in der Skulptur untersucht. Der letzte Teil des Buches zu "Handlungs/Un/Möglichkeiten" stellt gesellschaftspolitische Fragen ins Zentrum. In diesem Abschnitt findet die/der Leser_in zwei thematisch sehr unterschiedliche Texte: Stephan Fürstenberg und Jennifer John setzen sich zunächst mit der Rolle von Kunstvermittler_innen im Wahrnehmungsakt von Kunst – in dem sie als Zeigende agieren – und im Kunstbetrieb auseinander. In weiterer Folge definieren sie Kunstvermittlung als visuelles Objekt, dessen "Marginalisierung und Abhängigkeiten […] sich nachhaltig in die Repräsentationspraxis von Kunstvermittlung ein[schreiben]" (S.182). Barbara Paul befasst sich mit dem Aufbrechen des zweigeschlechtlichen Systems aus kunstwissenschaftlicher Sicht. Dabei plädiert sie für den Begriff/das Konzept des 'Durchqueerens' "als Kunst bzw. im allgemeinen Wortsinn auch als Kunstfertigkeit" (S.190). Hierunter versteht sie, "Argumentationen in Kunst- und Theorieproduktionen zu 'durchqueren' und […] 'im Gebrauch' entsprechend 'queerer' […] Positionalitäten zu modellieren" (S.190). Diesen Zugang führt die Autorin zuerst an theoretischen und später an praktischen Beispielen aus und zeigt Brüche im vorherrschenden Geschlechtersystem auf, wie z.B. in einer Arbeit Cindy Shermans aus den 1970ern, in der anhand von 25 Fotos eine "Geschlechtstransformation von einer männlichen hin zu einer weiblichen Person" (S.197) abgebildet wird. Offen bleibt dabei, "bei welchem Foto genau das Geschlecht zu wechseln scheint" (S.197). Aber nicht nur im Kunstbetrieb zeigt Paul Brüche auf, sondern verweist z.B. auch auf eine transvestistische Ken-Puppe, die bei ihrer scheinbaren Markteinführung große mediale Aufmerksamkeit erhielt. Wie sich später herausstellte, stand eine interventionistische Einzelaktion eines Verkäufers dahinter, die aufgezeigt hat, dass "der transvestische Aspekt von Performativität für Mattel 1990 und auch noch heute kein Thema der Produktgestaltung" (S.201) ist. Sehen – Macht – Wissen eignet sich gut, um sich einen thematischen Überblick über mögliche Forschungsfelder der Visual Culture zu verschaffen. Die "Vielzahl an Forschungsansätzen" (S.14) der visuellen Kultur nimmt – aufgrund des Symposiums, das diesem Buch zugrunde liegt – bei fast allen Beiträgen ihren Ausgangspunkt in der Kunstwissenschaft. Auch wenn der Band einen thematisch guten Überblick bietet, darf er nicht als Einführung in das Thema der Visual Culture missverstanden werden, weil er für Personen, die sich noch nicht mit Michel Foucault, Kaja Silverman, Aby Warburg oder Silke Wenk auseinandergesetzt haben, schwer zu fassen sein dürfte. Für thematisch kompetente Leser_innen besticht das Buch mit einem stark komprimierten Theorieteil und vielen machtkritischen Analysebeispielen.
Im Rahmen des Bundesgedenkstättenkonzeptes konnten im letzten Jahrzehnt 20 Dauerausstellungen in Gedenkstätten für Opfer des NS-Regimes neu gestaltet werden. Diese werden in der vorliegenden Dissertation unter pädagogischen und museologischen Fragestellungen untersucht. Experteninterviews mit den Kuratoren der Ausstellungen dienen als empirische Grundlage. Aktionsforschung, im deutschsprachigen Raum als Handlungsforschung entwickelt, ist die wissenschaftliche Methode der Untersuchung des Forschungsgegenstandes, in dem der Autor seit vielen Jahren beruflich tätig ist. Die Arbeit analysiert die Tätigkeitsmerkmale von Museen, Gedenkstätten und Lernorten sowie das Spannungsverhältnis zwischen Gedenken und Lernen in der Bildungsarbeit der Gedenkstätten für NS-Opfer und deren praktische Auswirkungen. Die spezifische Stigmatisierung von Opfergruppen während der NS-Zeit nach politischen, rassistisch-biologischen und sozialen Merkmalen sowie der Umfang des Massenmordes begründen die in Deutschland besonders intensive Form der Gedenkstättenarbeit. Sowohl das Gedenken an die "anderen" Opfer als auch die Verantwortung der "eigenen" Täter in der Gesellschaft markieren dessen gesellschaftspolitische Brisanz. Die theoretische Begriffbestimmung wird mit der empirischen Erforschung der neuen Dauerausstellungen überprüft. Zu den zentralen Ergebnissen der Untersuchung gehört, dass die neuen Ausstellungen auf eine deutlich umfangreichere historische Materialbasis (historisches Wissen, Erkenntnisse über die Baugeschichte und Archäologie der Tatorte sowie schriftliche, audiovisuelle und Objekt-Zeugnisse von Überlebenden) zurückgreifen. Durch die Professionalisierung der "Gedenkstättenkunde" entwickelt sich ein intensiv reflektierter und sensibler Einsatz von Dokumenten, Abbildungen und Objekten in den musealen Präsentationen. Hervorzuheben sind der Ortsbezug der Objekte, deren Quellennachweis, die Würdigung ihrer Provenienz sowie die kritische Reflexion ihrer Aussage. Dies betrifft besonders Fotographien. Die Bedeutung der Objekte für eine prägnante Ausstellungsgestaltung wird in der Dissertation herausgearbeitet. Trotz der Annäherung an Darstellungsweisen zeithistorischer Museen werden die fortwährenden, sachlich bedingten Unterschiede zu Gedenkstätten dargelegt. Die Fokussierung der Darstellung auf den Tatort ermöglicht eine zugleich detaillierte, vielschichtige und das historische Thema komplex darstellende Auseinandersetzung mit einem Ausschnitt der deutschen Geschichte. Die multiperspektivische Darstellung der Geschichte bietet Besuchern die Möglichkeit, einen eigenen Zugang zu ergreifen und dabei möglichst selbsttätig Handlungsperspektiven sowie Werte- und Moralvorstellungen zu überprüfen oder neu zu entwickeln. Damit sind die Gedenkstätten trotz aller noch vorhandenen Forschungslücken erstmals in der Lage, die Geschichte der NS-Verfolgten in ihrer Komplexität umfassend aus deren Perspektive und mit den von ihnen geschaffenen Zeugnissen und Objekten darzustellen. Die auf den Ausstellungen beruhenden Bildungskonzepte werden in den aktuellen Entwicklungen, die dem zeitlichen Abstand zur NS-Zeit und einem zunehmend heterogeneren Publikum geschuldet sind, reflektiert. Die verschiedenen Erwartungshaltungen von Einzelbesuchern und Besuchergruppen werden dabei betont. Insgesamt bieten die Forschungsergebnisse Anschlussmöglichkeiten besonders hinsichtlich pädagogischer Fragestellungen und der Besucherevaluation. ; Over the last decade, as part of the federal concept for memorial sites, twenty new permanent exhibitions were created at memorial sites for victims of the Nazi regime. This dissertation undertakes to examine these exhibitions from an educational and museological viewpoint. Expert interviews with exhibition curators serve as the basis for the empirical study. The author has worked for many years in the field of memorial museums education. He applied "action research", developed in German-speaking countries under the term "Handlungsforschung", as the method of scholarship in his dissertation. The study analyzes the specific characteristics of the work conducted in museums, memorial sites and educational centres and also addresses the strained connection between commemoration and learning in the educational work of the memorial museums for the Nazi victims. The study also evaluates the practical impact of these aims. The very intense form of commemorative work that is conducted in Germany is justified by the nature of its subject matter: the stigmatization of specific victim groups during the Nazi era according to a system of political, racist-biological and social characteristics and the vast dimensions of the genocide. The socially and politically explosive nature of this task is manifested by the commemoration of the "other" victims as well as by the responsibility that Germany bears for addressing its "own" perpetrators in society. The study examines the theoretical terminology with the empirical research conducted on the new permanent exhibitions. The central findings of the study show that the new exhibitions embrace a much more comprehensive foundation of historical material (historical knowledge, building history and archeological significance of the crime sites, written and audio-visual survival testimony and artifacts) as was previously the case. The professionalization of the "field of memorial museums" has led to a more intensively reflected and sensitive approach to handling documents, illustrations and objects on display in a museum. In particular, the significance of the relationship between the artifacts and their location, their sources, an appreciation for their origins and a critical reflection of what it is they convey is achieved. This also applies to photography. The dissertation considers what role these objects play in achieving a concise, coherent exhibition design. Although contemporary museums tend to employ similar methods of presentation, the study attempts to identify the sustained differences that are inevitable given the memorial museums' different subject matters. The focus on the crime site facilitates a detailed, multifaceted and complex confrontation with the presentation of one chapter of Germany history. The presentation of history from multiple perspectives allows visitors to find their own way through the subject matter and to develop their own independent methods for judging the actions, values and morals presented to them. Although research gaps still exist, the memorial museums are nonetheless able for the first time to present the history of Nazi persecution in its complexity from the victim perspective using their own testimony and objects that they created. The study considers the educational concepts that are currently developed from the exhibitions, derived from the distance to the historical events and the need to accommodate an audience that is increasingly heterogeneous. A special emphasis is placed on the divergent expectations of individual and group visitors. The research results should be useful to future work, especially in regard to the pedagogical questions raised and the visitor evaluations.
Inhaltsangabe: Einleitung: Die vorliegende Arbeit wurde als theoretische Diplomarbeit im Fachbereich Modedesign an der Kunsthochschule Berlin Weißensee verfasst. Betreuende Professoren waren Gabriele Jaenecke und Rolf Rautenberg. Entscheidend für die Wahl des Themas waren ein persönliches Interesse an Frauengeschichte und der Mode der 1920er Jahre, die Lektüre des Romans 'Das kunstseidene Mädchen' von Irmgard Keun und nicht zuletzt der zufällige Fund eines kleinen Stilratgebers mit dem Titel 'Die perfekte Dame', der 1928 von der Autorin Paula von Reznicek verfasst wurde. Die Autorin stammte offenbar aus so genannten 'besseren Kreisen', dies erschließt sich zum einen aus ihrem Adelstitel, zum anderen aus ihren Texten, in denen zum Beispiel kostspielige Freizeitaktivitäten wie Opern- und Theaterbesuche, Fernreisen und Autofahren als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Auch wenn Rezniceks Ratschläge nur für eine verschwindend kleine, vermögende Schicht von Frauen umsetzbar gewesen sein mögen, spiegeln sie doch die erfrischend ironische Sicht einer Augenzeugin auf die Zeitumstände wieder. Ich habe sie daher mehrfach zitiert. Ziel der Arbeit sollte es sein, nicht nur ein Stück Berliner Stadtgeschichte zu dokumentieren, sondern auch die 'neuen' Formen der Damenmode der Zwanziger Jahre im Zusammenhang mit der speziellen Berliner Situation zu betrachten. Zentrale Fragen waren dabei: Welche Wurzeln hat die Berliner Konfektionsbranche und wie war ihre Produktionsweise? Inwiefern kann man von einem speziell Berliner Modestil sprechen? Welche Schnittstellen bestanden zu anderen wirtschaftlichen und kulturellen Bereichen? Welche Zusammenhänge bestanden zwischen modischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, speziell in Bezug auf das Alltags- und Arbeitsleben von Frauen? Was bedeutet der Begriff 'Neue Frau' und in wie fern trifft dieses vielfach überlieferte Klischee auf die reelle Situation von Frauen zu? Die Recherche gestaltete sich nicht immer einfach. Zum einen, weil sich bis heute wenige originale Kleidungsstücke aus Berliner Konfektionsbetrieben erhalten haben, zum anderen weil im Zuge der politischen Entwicklungen seit 1933 offenbar nur sehr wenig Interesse an einer Aufarbeitung des Themas bestand. Was nicht durch Arisierung und Krieg verloren ging, verschwand im geteilten Berlin auf andere Weise. Qualifizierte Literatur zu dem Thema liegt eher begrenzt vor, ebenso verhält es sich mit Abbildungen, die eindeutig Berliner Mode zeigen. Bei der Wahl der Abbildungen habe ich vorausgesetzt, dass Schönheitsideal und Modestil der zwanziger Jahre dem Leser im Allgemeinen bekannt sind. Es war mir wichtig, möglichst nur Stücke aus der Berliner Konfektionsbranche zu zeigen. Ich habe zu einem großen Teil auf Abbildungen aus dem Bestandskatalog der Kostümsammlung des Berlin Museums zurückgegriffen, da diese Abbildungen wohl am besten einen Eindruck von der hohen Qualität der Berliner Bekleidungsherstellung vermitteln. Ergänzend wurden Illustrationen verwendet, die von Künstlerinnen stammen, die in den Zwanziger Jahren in Berlin lebten und arbeiteten. Über die Berliner Konfektionsbranche kann man nicht sprechen, ohne die verheerenden Folgen der Arisierung und Vertreibung jüdischer Konfektionäre durch die Nationalsozialisten zu thematisieren. Dieser Themenbereich wird in meiner Arbeit zwar angeschnitten, ich habe meine Schwerpunkte aber anders gesetzt und erwähne ihn nur am Rande. Diesen Teil der Berliner Geschichte aufzuarbeiten ist für professionelle Autoren und Historiker ein mühevolles Stück Arbeit, das nicht immer mit Wohlwollen betrachtet wird. Die Brisanz der Thematik war mir bis zur Lektüre von Uwe Westphals Buch ' Berliner Konfektion und Mode' nicht bewusst.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: 1.Einleitung3 2.Historische Ausgangspunkte4 2.1Preußische Uniformproduktion4 2.2Jüdische Textilhandelstradition5 2.3Anfänge der Serienproduktion von Bekleidung3 2.4Die ersten Berliner Konfektionshäuser im 19. Jahrhundert7 2.3.1Herrmann Gerson8 2.3.2Nathan Israel10 2.3.3Gebrüder Manheimer11 2.3.4Rudolph Hertzog11 3.Die Berliner Modebranche in den Zwanziger Jahren13 3.1Industrie ohne Fabriken: Berliner Konfektionsfirmen in den zwanziger Jahren13 3.2Der Verband der deutschen Modenindustrie17 3.3Berlin - Paris20 3.4Die Berliner Durchreise20 3.5Mode, Bühne und Film21 3.6Berliner Modepresse23 3.7Warenhauskultur25 3.7.1Hermann Tietz (Hertie)27 3.7.2Wertheim28 3.7.3Das Kaufhaus des Westens30 4.Die 'Neue Frau'32 4.1Weibliche Angestellte: Verkäuferinnen und Sekretärinnen34 4.2Arbeiterinnen37 4.3Frauenberufe in der Berliner Konfektions- und Modebranche38 5.Die Berliner Damenmode der 1920er Jahre42 5.1Schönheitsideale46 5.2Wäsche49 5.3Tagesmode52 5.4Sportmode55 5.5Abendmode57 5.7Mäntel59 5.8Accessoires61 5.9Schmuck66 6.Abschließende Bemerkungen67 Literaturverzeichnis und Abbildungsnachweis70Textprobe:Textprobe: Kapitel 3.5, Konfektion, Bühne und Film: 'Der Reiz des Bühnenbildes wird durch schöne und schön gekleidete Frauen gesteigert. Es ist daher selbstverständlich, dass die Darstellerinnen bemüht sind, in geeigneten Rollen Toiletten zu zeigen, die in jeder Beziehung allen Anforderungen gerecht werden'. Stärker als männliche Schauspieler wurden Schauspielerinnen und Sängerinnen traditionell nach ihrer körperlichen Attraktivität und - damit untrennbar verbunden – ihrer Garderobe bewertet. Anfang des 20. Jahrhunderts erweiterten sich die Inhalte der Theaterstücke und Frauenrollen vor dem Hintergrund der Frauenbewegung, Themen wie ungewollte Schwangerschaft, Scheidung, und weibliche Emanzipation wurden sowohl im Unterhaltungstheater als auch in intellektuellen Bühnenstücken aufgegriffen. Die Frauenrollen wurden differenzierter und ebneten Darstellerinnen den Weg, die nicht den zeitgenössischen Vorstellungen von weiblicher Schönheit entsprachen. Parallel zu den weiblichen Theaterrollen entwickelten sich auch die Bühnenkostüme zu einer neuen Vielfalt. Für die unzähligen Operetten, Revuen und Unterhaltungsstücke sowie für die Kinofilme im Unterhaltungsgenre blieben aber auch weiterhin prunkvolle Kostüme gefragt. Da Schauspielerinnen bis zur Einführung des Reichstheatergesetzes die Kosten für die Kostüme selbst zu tragen hatten, standen modisch aktuelle Kostüme nach Pariser Vorbild bei ihnen höher im Kurs als solche, die kostümgeschichtlich korrekt gewesen wären. Die Kostüme wurden häufig von Berliner Salons für Maß- oder Modellkleider entworfen und hergestellt. Diese Zusammenarbeit von Konfektion und Bühne erwies sich für beide Seiten als fruchtbar. Bereits die Gründergeneration der Konfektionäre förderte das kulturelle Leben in Berlin auf ihre Weise. Das Konfektionshaus Levin unterstützte beispielsweise den Komponisten Paul Lincke, in dem man ihn zu verschiedensten Gelegenheiten als Musiker engagierte; Rudolph Hertzog lud seine gesamte Belegschaft regelmäßig zu Theater- und Opernbesuchen ein. Einige Konfektionäre gaben Stücke in Auftrag, andere wurden selbst als Autoren oder Komponisten tätig. Schon um 1904 wurde von den Häusern Gerson, Prager und Hausdorff ein Theaterstück mit dem Titel 'Die Dame mit den Tausend Toiletten' initiiert, das im Grunde eine, in einen Handlungsverlauf eingebettete, Modenschau war. 1911 wurde der Admiralspalast an der Friedrichstraße mit dem Stück 'Gerson von Pinne (Pinne = Berliner Dialekt für 'Kneipe', 'Schlemmer') und Hulda von Hausvogtei' eröffnet. Der Strumpfwarenhersteller Harry Hauptmann von der Firma Gottgetreu und Hauptmann komponierte die komische Oper 'Der süße Fratz' mit Fritzi Massary in der Hauptrolle und Otto Haas Heye, Inhaber des Modehauses 'Alfred-Marie' schrieb im Auftrag mehrerer Konfektionsfirmen ein Stück mit dem Titel 'Die östliche Göttin'. Der Konfektionär Christoph Baron von Drecoll übernahm 1916/17 in dem Film 'Aus Liebe gefehlt' unter der Regie von Carl Heinz Wolff sogar die männliche Hauptrolle und die Kosten für die Kostüme im Wert von 60.000 Mark. Die Hüte für diesen Film sponserte das renommierte Berliner Atelier Regina Friedländer. Neben den 'normalen' Konfektionsfirmen gab es in Berlin auch Firmen für Theaterkostümkonfektion, die bekannteste war die Firma Hugo Baruch, die Theater- und Filmproduktionen in ganz Europa ausstattete. Da Schauspielerinnen damals wie heute wichtige modische Vorbilder waren eigneten sich die Revuen, Operetten und Theaterstücke hervorragend um modische Neuheiten zu lancieren und für die jeweiligen Salons zu werben. Die Aussicht, die neuesten Trends in Augenschein nehmen zu können war für einen großen Teil des Publikums ein wichtiger Anziehungspunkt. Es wurde üblich zur Pausenunterhaltung kleine Modenschauen durchzuführen. Auch die Modepresse veröffentlichte mit Vorliebe Modefotos, bei denen die Kleider von Bühnen- und Filmstars vorgeführt wurden. Bühnenautoren und Komponisten nahmen ihrerseits in ihren Stücken Bezug auf die Konfektionsbranche. Gefördert durch die Massenmedien Film und Fotographie entwickelte sich ein Starkult, der sich eigentlich von dem heutigen wenig unterschied. Das Image der Schauspielerinnen und anderer darstellender Künstlerinnen entwickelte sich zu eigenständigen Marken, die von der Werbeindustrie ausgiebig genutzt werden konnten. Stars wurden zu Identifikationsfiguren, ihnen ähnlich zu sein hob die Aussicht auf ein besseres, glamouröses, entbehrungsfreies Leben. Nicht nur die Garderobe, auch der Lebensstil der Stars wurde von unzähligen jungen Frauen nachgeahmt – soweit es eben ging – zumal er doch Abwechslung vom Alltag versprach und die Hoffnung barg, irgendwann könne man ja vielleicht doch noch entdeckt werden. Nicht nur die Konsumgüterindustrie profitierte vom Starkult sondern auch zahlreiche mehr oder weniger seriöse Schauspiel- und Tanzschulen, nicht zu vergessen die unzähligen 'Unterhaltungsetablissements', in denen ambitionierte junge Frauen anheuerten. Die kommerzielle Verwertung der Sehnsucht nach Glamour gipfelte in solch profanen Ereignissen wie der 'Wahl zur schönsten Warenhausverkäuferin' die als Werbeevents inszeniert wurden und bei den 'Auserwählten' den Rausch kurzfristiger Berühmtheit hervorriefen - wer fühlt sich da nicht an aktuelle Castingshows erinnert, die versprechen, jeder könne ein Star werden. Als 'bestangezogene Frau Berlins', galt die Schauspielerin und Sopranistin Fritzi Massary. Sie trug privat wie auf der Bühne vorzugsweise Kreationen des Maßsalons Clara Schulz. Die lesbische Sängerin Claire Waldoff verkörperte eine freche Variante der Garconne. Ihr Kostüm bestand aus einem dunklen, schmalen, kniekurzen Rock, strenger weißer Bluse und Herrenjacke. Komplettiert wurde dieser maskuline Aufzug durch eine Krawatte. Weitere modische Vorbilder waren die Schauspielerinnen Henny Porten und Louise Brooks, die dänische Schauspielerin Asta Nielsen, die als eine der ersten Frauen einen Bubikopf getragen haben soll und die exzentrische Tänzerin Anita Berber, die etwas von einem ungezügelten, todgeweihten Mädchen hatte und immer wieder in Skandale verwickelt wurde.