Deutschland zwischen Ost und West: Karl Moor und die deutsch-russischen Beziehungen in der ersten Hälfte des Jahres 1919
In: Archiv für Sozialgeschichte, Band 3, S. 223-263
ISSN: 0066-6505
Der Aufsatz versteht sich als Beitrag zur Erhellung der deutschen Außenpolitik gegenüber der Russischen Sozialistischen Förderativen Sowjetrepublik in den ersten sechs Monaten des Jahres 1919. Damit sollten die Anfänge der nach Osten ausgerichteten außenpolitischen Konzeption der Weimarer Republik dargestellt werden. Die deutsche Regierung vermied zur Zeit der Versailler Verhandlungen zwar jeden offiziellen Kontakt mit der Führung der Russischen Sozialistischen Förderativen Sowjetrepublik, wollte sich andererseits jedoch eine Annäherung für den Fall vorbehalten, daß die Friedensbedingungen der Alliierten unannehmbar wären. Sie hoffte, auf diese Weise ein Druckmittel gegen den Westen in der Hand zu haben. Eine wichtige Vermittlerrolle zwischen den Deutschen und Russen hatte der Schweizer Marxist Karl Moor (1852-1932); er war während des 1. Weltkrieges als einer der wenigen Befürworter Deutschlands innerhalb der internationalen Arbeiterbewegung aufgetreten. Moor progagierte nach der Oktoberrevolution ein deutsch-russisches Zusammengehen gegen den Westen und versuchte im Reichsaußenministerium dahingehenden Einfluß auszuüben. Nach der Regierungsumbildung in Deutschland wurde am 23.6.1919 der Versailler Vertrag von Deutschland akzeptiert, und die russischen Bemühungen um einen deutsch-russischen Ausgleich waren zunächst hinfällig geworden. Der Beitrag enthält eine ausführliche Biographie Karl Moors; ihm sind außerdem fünf Dokumente aus dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes beigefügt, die Moors Aktivitäten für eine deutsch-russische Verständigung illustrieren. (LZ)