Die Last der Vergangenheit: zur politischen Bedeutung der Kriegsschuld- und Dolchstoßdiskussion
In: Die Weimarer Republik 1918-1933: Politik - Wirtschaft - Gesellschaft, S. 371-386
In dem Beitrag wird gefragt, ob die Weimarer Republik angesichts der These vom "Dolchstoß der sozialistischen Novemberverbrecher in den Rücken des kämpfenden Heeres" von vornherein auf verlorenem Posten stand. Um die politische Befindlichkeit Weimarer Demokraten, ihre Verständigungsbereitschaft gegenüber den ehemaligen Kriegsgegnern und die Stärke ihres Willens, sich aus der wilhelminischen Vergangenheit zu lösen, zu analysieren, wird herausgearbeitet, wie die demokratischen Eliten die Kriegsschuldfrage und die Dolchstoßlegende behandelten. Die Strategie des Auswärtigen Amtes um die Friedensverhandlungen wird erörtert. Einrichtung, Organisation und Aufgaben der "Zentralstelle für Erforschung der Kriegsursachen" und des "Arbeitsausschusses Deutscher Verbände" werden beschrieben. Die Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch diese Organisationen wird untersucht. Die Einstellungen der verschiedenen Parteien zur Kriegsschuldfrage und zur Dolchstoßlegende werden skizziert. Es wird deutlich, daß die von den bürgerlichen Parteien mitgetragene Unschuldskampagne sich für den Weimarer Staat außen- wie innenpolitisch als schädlich auswirkte. Die Folge dieser Entwicklung wird dargestellt: Der Arbeitsausschuß wurde immer mehr von den Nationalsozialisten instrumentalisiert. Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, daß die Weimarer Republik kampflos vor der Last der Vergangenheit kapitulierte, statt daran zu gehen, sie selbstbewußt und selbstkritisch abzutragen. (RW)