Es wird gefragt, ob die Betonung der konventionellen Rüstung in der neuesten militärstrategischen Diskussion zu einer neuen Legitimation der Sicherheitspolitik führen kann und soll. Es wird darauf hingewiesen, daß mit dieser Konventionalisierung zahlreiche neue Gefahren und Probleme verbunden sind und daß sie keineswegs zur Ablösung der nuklearen Abschreckung beiträgt. Nach Ansicht der Verfasser bewirkt die Diskussion lediglich eine Herabsetzung der Hemmschwelle für den Einsatz konventioneller Waffen; ein konventioneller Krieg müßte aber stets mit der Berechnung einer Eskalation zum Atomkrieg einhergehen, solange Kernwaffen existieren. Die Konventionalisierungsdiskussion wird auch als ein Mittel gesehen, das der Friedensbewegung und ihrer Anti-Atom-Politik den Wind aus den Segeln nehmen soll und somit die Legitimität der Rüstung erhöhen könnte. Insgesamt wird die Konventionalisierung als eine trügerische Hoffnung beurteilt. (HA)
In: Konsens und Konflikt: 35 Jahre Grundgesetz ; Vorträge und Diskussionen einer Veranstaltung der Freien Universität Berlin vom 6. bis 8. Dezember 1984, S. 495-508
Der Vortrag geht der Frage nach, welche soziale und politische Konstellation einen parlamentarisch-demokratischen Ausweg aus der ökonomischen, ökologischen und Friedenskrise der Gesellschaft der Bundesrepublik bieten könnte. Aus dem Zusammenhang einer kurzen Skizze einzelner Momente der sozialökologischen Krise wird die Notwendigkeit einer rot-grünen Reformpolitik abgeleitet. Darauf aufbauend werden die Konturen eines programmatischen Modells von sozialökologischen Essentials und grün-alternativer Konsensbildung entwickelt. Dieses beinhaltet unter dem Stichwort realpolitischer Fundamentalismus zentrale Momente eines ökosozialistischen sozialen und politischen Projekts, das die reformpolitischen Positionen von SPD und Grünen zu vermitteln sucht. Die wichtigsten Zielsetzungen einer sozialökologischen Reformpolitik werden abschließend unter dem Gesichtspunkt aufgenommen, inwieweit sie auch in ihren konkreten Konsequenzen und in ihrem Verhältnis zum politischen System der Bundesrepublik konsensfähig werden könnten. (MB)
Seit Beendigung des Zweiten Weltkriegs fanden weltweit 160 Kriege statt, von denen mehr als 30 im Friedensjahr 1986 noch immer andauern. Die Mehrzahl dieser Kriege fand und findet in Ländern der Dritten Welt statt. Dabei sind vier Kriegstypen zu unterscheiden: Antiregime-Kriege, sonstige innerstaatliche Kriege, zwischenstaatliche oder Grenzkriege und Entkolonisierungskriege. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs fanden keine Kriege auf Territorien der entwickelten Industrienationen statt, aber in 44 Fällen (28 Prozent) haben Industriestaaten in der Dritten Welt Krieg geführt - als Kolonialmacht, als Intervenient oder als direkter Gegner in einem zwischenstaatlichen Krieg. Obgleich es sich höchst selten um eine Verlängerung des Ost-West-Konflikts in die Dritte Welt handelt, provozieren besonders die Kriege, in denen es um Herrschaftssicherung oder Systemgestaltung innerhalb der Länder der Dritten Welt geht, das militärische Eingreifen fremder Mächte. Die bisherige vergleichende Kriegsursachenforschung wird von quantifizierenden Verfahren dominiert, die Interessen der Kriegsparteien werden nicht systematisch als Erklärungsfaktoren einbezogen. Geht man davon aus, daß kriegerisches Gewalthandeln aus der Sicht der es initiierenden Akteure zumindest in ihrer subjektiven Wahrnehmung zweckrationales Handeln im Sinne ihrer Interessen darstellt, dann muß die Untersuchung dieser Interessen im Mittelpunkt der Forschung stehen. (KB)
Die Rote Armee Fraktion hat trotz zahlreicher Niederlagen bei ungebrochener krimineller Energie ihre Konzeption nicht aufgegeben. Geschrumpft ist jedoch das Sympathisantenumfeld, da Friedensbewegung und die verschiedenen Organisationen der Grünen und Alternativen auch Kräfte eingebunden haben, die vorher RAF und Revolutionäre Zellen (RZ) unterstützt haben. Die RZ sind wegen ihres Konzepts der "Rückkoppelung zu den Massen" von der gesamtpolitischen Entwicklung in der Bundesrepublik abhängig und werden eine Diskussion über die Qualität ihrer Aktionen führen müssen. Der Terrorismus auf der rechtsextremen Seite ist gegenwärtig ohne Führung und kann über reine kriminelle Akte hinaus keine politischen Ansprüche erheben. (SWP-Hld)
"Der Alliierte Kontrollrat sollte Deutschland soweit wie möglich als einheitliches Ganzes behandeln und hatte die Aufgabe der Koordinierung und Entscheidung der Deutschland als Ganzes betreffenden Fragen. Die Bildung deutscher Zentralbehörden sei von den Besatzungsmächten unterschiedlich gehandhabt worden. Die Vier-Mächte-Verwaltung in Deutschland sei schließlich an der Verschlechterung der Beziehungen der Westmächte zur Sowjetunion gescheitert. Es sei zeitweise gelungen, das Kriegsbündnis der Hauptmächte der Anti-Hitler-Koalition zu einem Frieden schaffenden und gewährleistenden Bündnis weiterzuentwickeln. Aber es sei nicht möglich gewesen, deutsche Zentralverwaltungen zu bilden und die politisch-staatliche Entwicklung auf deutschem Boden stärker zu zentralisieren. Die Tätigkeit des Alliierten Kontrollrats habe bewiesen, daß bei der "Friedenssicherung" und der "Faschismusbekämpfung" gemeinsame Positionen hätten erreicht werden können, und vermittle wichtige Erfahrungen und Lehren für eine Zusammenarbeit zur Sicherung des Weltfriedens." (Autorenreferat)
Der Ausbau des militärischen Agressionspotentials der Nato vor allem im Kernwaffenbereich führte zu einer qualitativ neuen Situation in der Krieg-Frieden-Problematik. Dies war der wesentliche Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung der militärpolitischen Konzeption der SED während der 60er Jahre. Die SED erkannte, daß es keine andere Möglichkeit als die friedliche Koexistenz geben könne. Die Verhinderung eines Nuklearkrieges wurde zur wichtigsten Aufgabe. Der Weg zu einer dauerhaften Friedenssicherung führte nach Ansicht der Partei nur über den Klassenkampf gegen die Verursacher imperialistischer Kriegspolitik und den militärischen Schutz des eigenen Landes. Pazifismus lehnte sie ab. Ausgehend von diesen Erkenntnissen gelang der SED in den 60er Jahren die Stärkung der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung einschließlich der Militärmacht unter Mitwirkung und mit Zustimmung der Bevölkerung. Die Partei wirkte weiterhin aktiv beim Ausbau des Warschauer Paktes mit. Veränderungen des Parteiaufbaus innerhalb der Nationalen Volksarmee zielten auf eine Stärkung der führenden Rolle der SED in den Streitkräften. (CR)
Der Autor untersucht die Stellung deutscher Hochschullehrer, insbesondere der Historiker zu Militarismus und Pazifismus in den beiden letzten Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg. Anders als die Erklärung von 4000 Professoren und Hochschulangehörigen zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges vermuten läßt, lassen sich nach Ansicht des Autors bei der großen Mehrzahl der deutschen Professoren keine Dispositionen zum Krieg und keine deutsche Spezialität in dieser Frage nachweisen. Die außenpolitischen und rüstungspolitischen Stellungnahmen deutscher Gelehrter in den Jahren 1893 bis 1914 machen deutlich, daß sie vor allen Dingen machtpolitisch dachten und an die Überlegenheit der deutschen Nation glaubten. Die Auseinandersetzungen Delbrücks mit der Friedensbewegung zeigen, daß ihnen der Pazifismus zumeist fremd war. Ausführlich behandelt wird die Kontroverse zwischen Delbrück und Fried um den Friedensbegriff. (WJ)
"Der Ost-West-Gegensatz ist auch ein Gegensatz zwischen unterschiedlichen Sehweisen. Jede Seite nimmt die Gegenseite in einer bestimmten Art und Weise wahr und unterstellt ihr bestimmte Absichten. Vielleicht geht es im Ost-West-Konflikt deshalb gar nicht so sehr um die Zahl der Raketen und Gefechtsköpfe, sondern wichtiger als diese sind die Köpfe der Menschen und die in ihnen steckenden 'Feindbilder'. Allerdings entspringen derartige 'Feindbilder' nicht einfach Mißverständnissen, die sich durch etwas guten Willen überwinden ließen, wie dies einzelne Vertreter der Friedenspädagogik glauben. Denn grundsätzliche Interessengegensätze scheiden die sowjetische und die amerikanische Führung voneinander, und diese unvereinbaren Interessen wurzeln ihrerseits in unterschiedlichen Wertstrukturen, die letztlich tief im Wesen der jeweiligen Gesellschafts- und Regierungsform verankert sind. Es ist dieser Wertkonflikt, der die auf Feindseligkeit gestimmten Bilder von der Gegenseite erzeugt, und nicht umgekehrt. Das sowjetische Amerikabild und das amerikanische UdSSR-Bild werden ausführlich dargestellt, auf die ihnen zugrunde liegenden Weltbilder hin untersucht und auch in ihren Folgen für Rüstung und Abrüstung analysiert. Diese Analyse legt den Schluß nahe, daß es sich bei den Gegnerbildern um sehr dauerhafte Überzeugungen handelt. Daher dürften sich die daraus entspringenden Wahrnehmungen nicht ohne weiteres verändern lassen. Das Beste, was man erhoffen kann, ist ein Mehr an gegenseitiger Empathie, d.h. an der Fähigkeit, die Welt und sich selbst auch aus der Sicht des Gegners zu verstehen. Verständigung setzt Verständnis voraus. Das Genfer Treffen zwischen Präsident Reagan und Generalsekretär Gorbatschow leistete einen Beitrag dazu. Offenbar kamen die beiden Führer mit der ausdrücklichen Absicht nach Genf, der Gegenseite ihre Sicht der Dinge darzulegen - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Keine Seite machte sich Illussionen über die Veränderbarkeit der gegnerischen Ansichten. Aber immerhin schafft das bessere Verständnis der gegnerischen Positionen ein gewisses Element der Stabilisierung und damit vielleicht auch eine Grundlage für einen Modus vivendi." (Autorenreferat)
Eine im Marxschen Sinne zu definierende Arbeiterklasse hat sich in der Schweiz aufgrund der politischen Entwicklung und sozioökonomischer Eigenarten nicht herausgebildet. Vielmehr hat der Pragmatismus der Arbeiterpartei obsiegt und dazu geführt, daß im Rahmen des 'Friedensabkommens' von 1936 "Konflikte am Ort ihres Entstehens und in gemeinsamer Anstrengung" zu regeln versucht werden. Darüber hinaus hat eine "Anonymisierung des Bürgertums" und eine "Verbürgerlichung der Arbeiterschaft" eingesetzt. Die sozialen Auseinandersetzungen folgten bzw. folgen daher keinem Klassenschema, sondern wurden durch andere Frontstellungen geprägt. Während in den vergangenen zwei Jahrzehnten insbesondere die "Unterschichtung" der ausländischen Arbeitnehmer und eine damit einhergehende Xenophobie charakteristisch waren, zeichnet sich für die Zukunft ein neuer Gegensatz ab: "Nicht ein Antagonismus zwischen Besitzenden und Arbeitenden ist vorauszusehen, als vielmehr eine Auseinandersetzung zwischen den Besitzern von Arbeitsplätzen und denen, die ohne Erwerbsarbeit bleiben." (TÜ)
Rüstungsforschung in der Bundesrepublik konzentriert sich besonders auf die Weiterentwicklung der konventionellen Rüstung und auf die Beteiligung an der Weltraumrüstung. Die militärische Forschung geht aufgrund der engen Verflechtung zwischen Staat und Rüstungsindustrie zu Lasten der zivilen Forschung. Der Anteil der Verteidigungsausgaben am Gesamthaushalt ist auf Kosten anderer Bereiche, insbesondere der Sozialaufwendungen, überproportional gestiegen. (AuD-Fsk)
"Die Olympischen Spiele 1936 haben in der Erinnerung von Zeitzeugen kaum etwas von ihrem Glanz verloren. Organisatorisch-technisch waren sie eine Meisterleistung und setzten Maßstäbe für die künftige Entwicklung der Spiele. Aber nur wenigen wurde damals bewußt, daß die Olympischen Spiele von Garmisch-Partenkirchen und Berlin propagandistisch mißbraucht wurden und mit dazu beitrugen, den deutschen Sport in eine verhängnisvolle Abhängigkeit von der NS-Ideologie zu bringen. So wirkten die Spiele nach innen systemstabilisierend und steigerten die nationale Verblendung. Nach außen halfen sie, Deutschland aus der politischen Isolierung herauszuführen und der Welt das Bild eines 'friedliebenden' NS-Regimes zu zeigen. Denn den Organisatoren und dem Propagandaministerium war es gelungen, mit Friedensbeteuerungen die Boykottbewegung zu unterlaufen; dabei hatten das IOC und Avery Brundage in den USA wichtige Hilfe geleistet. In der Frage der Zulassung deutscher Juden wurde die Weltöffentlichkeit getäuscht. Weder dieses Falschspiel Hitlers wurde durchschaut, noch vermochte das für seine Politik charakteristische Wechselspiel von aggressiven Akten und Friedenbeteuerungen ein Umdenken herbeizuführen. Das Ausland, von der deutschen Organisationsleistung stark beeindruckt, hatte die olympische Protestwelle bald vergessen. Erst später wurde deutlich, daß den Olympischen Spielen 1936 im Machtkalkül Hitlers eine Schlüsselfunktion zukam." (Autorenreferat)