Die COVID-19-Pandemie stellt den europäischen Menschenrechtsschutz vor bedeutende Herausforderungen. Umfassende Eingriffe in Grund- und Freiheitsrechte wurden zu ihrer Eindämmung notwendig. Die Pandemie bietet aber auch eine Chance. So geben europäische Menschenrechte entscheidende Parameter zum Umgang mit der Gesundheitskrise an die Hand. Inhaltliche, prozedurale und institutionelle Vorgaben helfen, staatliches Handeln einzuhegen und zu begrenzen, zu beurteilen und auch zu rechtfertigen. Konkret haben insbesondere eine Weiterentwicklung der "reasonable courts-Doktrin" des Europäischen Menschenrechtsgerichthofs (EGMR) und die mögliche Orientierungsfunktion, die der EGMR für nationale Gerichte bietet, Potenzial. Die im Rahmen der Pandemie zu Tage tretende Relevanz europäischer Menschenrechte könnte allgemein positiv zur Entwicklung einer Menschenrechtskultur auf nationaler Ebene beitragen. Vor diesem Hintergrund erscheint die COVID-19-Pandemie auch als Möglichkeit, Menschenrechten zu neuer Relevanz zu verhelfen und Backlash-Tendenzen gegenüber dem EGMR abzuschwächen.
Die Idee einer internationalen Schutzverantwortung, wonach die Staatengemeinschaft oder einzelne Staaten gestufte Verantwortungen zum Schutz grundlegender Menschenrechte wahrnehmen sollen, wird in der gegenwärtigen internationalen Gesellschaft kontrovers diskutiert. Anhand einer Analyse der Debatten über den Schutz vor Massenverbrechen und Menschenrechtsverletzungen in einer globalisierten Weltwirtschaft problematisiert dieser Band das Faktum eines fragmentierten Menschenrechtsschutzregimes. Um die isolierte Anwendung verschiedener Schutzagenden zu überwinden, werden die Konzepte der Zuschreibung extraterritorialer Schutzpflichten und der Responsibility to Protect miteinander verknüpft. Zugleich wird durch die Integration neuer Primärinstitutionen ein Beitrag zur Weiterentwicklung der Englischen Schule geleistet.