Chancen und Risiken der Nah- und Mittelost-Politik der USA
In: Aus Politik und Zeitgeschichte: APuZ, Heft B 49, S. 3-19
ISSN: 0479-611X
"Nach der Schritt-für-Schritt-Diplomatie Kissingers, die zur Eindämmung der militärischen Auseinandersetzungen in Nahost, der diplomatischen Aktivität der Sowjetunion und des Einflusses der PLO führte, bemühte sich die Carter-Administration zunächst, gegen den Willen der Israelis und auch Ägypter, die UdSSR wieder in den Konfliktlösungsprozeß einzubeziehen. Mit seiner Friedensinitiative gegenüber Israel erzwang Sadat die Wende in der auch innenpolitisch gescheiterten Nahost-Politik Carters. Die Abkommen von Camp David stellten schließlich eine Rückkehr zur Realpolitik Kissingers dar. Die Politik der Reagan-Administration stützt sich nunmehr explizit auf den strategischen Konsens mit Israel, unter Einbeziehung Ägyptens und Saudi-Arabiens im Nahen Osten ein Bollwerk gegen jeden sowjetischen Einfluß zu bilden. Allerdings wurde der Konsens mit Israel durch Begins Politik, die auf die amerikanischen Interessenlagen wenig Rücksicht nahm, belastet; denn der Angriff auf den syrischen Atomreaktor und die Libanon-Politik Israels waren geeignet, die Friedensbemühungen der USA zu unterlaufen. Die Friedensinitiative Reagans vom 1. September 1982 versuchte, wenn auch verspätet, auf der Grundlage von Camp David durch Kompromisse einer Verhandlungslösung des Nahost-Problems näherzukommen. Der Vorschlag einer Selbstregierung der Palästinenser auf der Westbank und im Gaza-Streifen im Rahmen einer Assoziation mit Jordanien versucht, dem israelischen Sicherheitsinteresse Rechnung zu tragen, indem kein souveräner Palästinenserstaat gefordert wird. Wenn auch der arabische Gipfel in Fes weiterhin auf einem unabhängigen Staat beharrte und die PLO erneut als Verhandlungspartner bestätigte, so schien doch auf diplomatischem Gebiet Bewegung entstanden zu sein. Die Gespräche Arafats mit Hussein über ein gemeinsames Vorgehen hinsichtlich des Reagan-Plans scheiterten schließlich am Widerstand der radikalen, syrisch gesteuerten Gruppen in der PLO, die sich gegen Verhandlungen Husseins mit den USA und Israel über einen Palästinenserstaat wandten. Die zunehmende Kontrolle Syriens über die PLO verschlechtert die Aussichten für eine einvernehmliche Nahost-Regelung zusätzlich. Entscheidend aber ist, daß sich aufgrund der starren israelischen Politik die Menge der Handlungsoptionen für die USA verringert hat. Dennoch besitzen die Vereinigten Staaten in der Region ein politisches und ökonomisches Übergewicht gegenüber der Sowjetunion, das sie einsetzen müssen, um nach Arafats Niederlage im Libanon wieder die Kräfte in der PLO und den arabischen Staaten zu stärken, die die Lösung des Palästinenser-Problems im Rahmen einer jordanischen Option sehen." (Autorenreferat)