Der Verfasser geht von der Frage aus, welcher Nutzen aus einer historischen Betrachtung für das Verständnis der Jugendproblematik der Gegenwart zu erwarten ist. Ein Einblick in die heutigen Formen der Beschäftigung mit der geschichtlichen Dimension der Jugendproblematik und eine Betrachtung der "Leistungsfähigkeit" der verschiedenen Zugänge gehen der punktuellen Beantwortung dieser Frage voraus. Im Ergebnis wird u. a. festgestellt, daß es zwar kein "Ende der Jugend" gibt, aber einen tiefgreifenden Wandel in ihrer Gestalt wie in ihrer gesellschaftlichen Rolle. Die aktuellen Jugendprobleme sind nicht nur Ergebnis politischer Maßnahmen, sondern auch politischer Unterlassungen. Das Neue, das sich heute in den vielfältigen sozialen Experimenten, im Zusammenhang mit neuen Formen des Zusammenlebens, des Arbeitens und Lebens gerade bei jungen Leuten zeigt, sollte ernstgenommen und nicht als wirklichkeitsfern, unausgegoren, nicht realisierbar abqualifiziert werden. Themen wie Friedensfragen, Zukunftsfragen, die ökologische Problematik, für die sich junge Leute engagieren, lassen sich nicht auf die Generationen verteilen. Aus der Sensibilität junger Leute sollten Erwachsene lernen. "In dieser Situation scheint es mir notwendig, weniger das Moment des Kampfes zwischen den Generationen zu betonen als vielmehr nach Möglichkeiten einer neuen Solidarität zwischen ihnen zu suchen. Wir bedürfen ihrer, wenn wir, jung und alt, die geschichtliche Herausforderung der Gegenwart bestehen wollen." (TR)
Die Medienberichterstattung über militär- und verteidigungspolitische Fragen in der Bundesrepublik wird kritisch analysiert. Im Mittelpunkt steht die Frage, inwieweit die Diskussion um Krieg und Frieden und die gesellschaftliche und politische Rolle der Friedensbewegung in den Massenmedien berücksichtigt wird. Die Inhaltsanalyse referiert die wenigen vorliegenden Studien und kommt zu folgenden Erkenntnissen: (1) Die Massenmedien haben sich zögernd und weitgehend unwillig dieses Themas angenommen. (2) Der Nachrichtenwert des Friedens wird von den meisten Presseorgenen an Sensationen und "besonderen Ereignissen" gemessen. (3) Politisch gezielte Sprachregelungen, mit denen die Journalisten unter Druck gesetzt werden sollen, haben zugenommen. (4) Die Unterschiede zwischen Lokalberichterstattung und überregionaler Presse sollten detailliert erforscht werden. (HA)
Es wird gefragt, ob die Betonung der konventionellen Rüstung in der neuesten militärstrategischen Diskussion zu einer neuen Legitimation der Sicherheitspolitik führen kann und soll. Es wird darauf hingewiesen, daß mit dieser Konventionalisierung zahlreiche neue Gefahren und Probleme verbunden sind und daß sie keineswegs zur Ablösung der nuklearen Abschreckung beiträgt. Nach Ansicht der Verfasser bewirkt die Diskussion lediglich eine Herabsetzung der Hemmschwelle für den Einsatz konventioneller Waffen; ein konventioneller Krieg müßte aber stets mit der Berechnung einer Eskalation zum Atomkrieg einhergehen, solange Kernwaffen existieren. Die Konventionalisierungsdiskussion wird auch als ein Mittel gesehen, das der Friedensbewegung und ihrer Anti-Atom-Politik den Wind aus den Segeln nehmen soll und somit die Legitimität der Rüstung erhöhen könnte. Insgesamt wird die Konventionalisierung als eine trügerische Hoffnung beurteilt. (HA)
In: Konsens und Konflikt: 35 Jahre Grundgesetz ; Vorträge und Diskussionen einer Veranstaltung der Freien Universität Berlin vom 6. bis 8. Dezember 1984, S. 495-508
Der Vortrag geht der Frage nach, welche soziale und politische Konstellation einen parlamentarisch-demokratischen Ausweg aus der ökonomischen, ökologischen und Friedenskrise der Gesellschaft der Bundesrepublik bieten könnte. Aus dem Zusammenhang einer kurzen Skizze einzelner Momente der sozialökologischen Krise wird die Notwendigkeit einer rot-grünen Reformpolitik abgeleitet. Darauf aufbauend werden die Konturen eines programmatischen Modells von sozialökologischen Essentials und grün-alternativer Konsensbildung entwickelt. Dieses beinhaltet unter dem Stichwort realpolitischer Fundamentalismus zentrale Momente eines ökosozialistischen sozialen und politischen Projekts, das die reformpolitischen Positionen von SPD und Grünen zu vermitteln sucht. Die wichtigsten Zielsetzungen einer sozialökologischen Reformpolitik werden abschließend unter dem Gesichtspunkt aufgenommen, inwieweit sie auch in ihren konkreten Konsequenzen und in ihrem Verhältnis zum politischen System der Bundesrepublik konsensfähig werden könnten. (MB)
Anhand zahlreichen Datenmaterials verdeutlicht die Autorin u. a. Fragen der Familiensituation, der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, der Kindererziehung und der Empfängnisverhütung. Weiter wird der "Arbeitsplatz Landwirtschaft" betrachtet, insbesondere Fragen der Modernisierung sowie Kosten und Nutzen des technischen Fortschritts. Es werden Beispiele aus Lateinamerika, Asien und Afrika gegeben. Die Autorin untersucht ebenso den "Arbeitsplatz Industrie" und dabei besonders die Expansion und Rezession, Fragen der Arbeitsplätze für Frauen, ungleichen Lohn, ungleiche Arbeitszeit und Arbeitslosigkeit in den reichen Ländern. Im Bereich des Gesundheitswesens werden Geburt, Tod, Geisteskrankheiten, seelische Störungen, vorbeugende Gesundheitspflege, Ernährung, Trink- und Abwasserversorgung, Gesundheitsfürsorge für Mutter und Kind und die Widerstände in der Ärzteschaft erörtert. Weiter werden Probleme der Sexualität und der Schul- und Berufsausbildung dargestellt und dabei besonders die Berufsaussichten für Mädchen, die "pädagogisch vorprogrammierte" Ungleichheit. Abschließend werden die Gleichberechtigungsanstrengungen in der Politik und in der Friedenspolitik dargestellt. (SJ)
Der Aufsatz befaßt sich mit der Kriegsbereitschaft im deutschen Katholizismus vor dem erstem Weltkrieg. Als Quellen werden zeitgenössische Stellungnahmen und Protokolle der Generalversammlung deutscher Katholiken herangezogen. Grundsätzlich vertraten die katholischen Theologen um die Jahrhundertwende die Lehre vom gerechten Krieg, d. h. sie erklärten den Krieg in einer Reihe von Situationen für moralisch zulässig bzw. notwendig. Zwar hielt sich der Katholizismus in diesen Jahren der Vorkriegszeit vom extremen Chauvinismus fern, leistete aber auch keinen Beitrag zur Friedenssicherung. 1914 stellte er sich bedingungslos zur geistig-moralischen Unterstützung der Kriegsführung und zur Kriegsrechtfertigung zur Verfügung. (BJ)
Der Einfluß militaristischer und ökonomischer Faktoren auf die Entwicklung der Hochschulen und der Wissenschaften wird dargestellt. Dabei wird davon ausgegangen, daß nach dem herrschenden Verständnis Hochtechnologien die wichtigste Triebkraft für die Entfaltung ökonomischer und militärischer Macht sind. Den entscheidenden Konflikt in diesem Zusammenhang sieht der Verfasser zwischen den öffentlichen und demokratischen Kräften, die nach 1970 stärker geworden sind und den technokratischen ökonomisch-militaristischen Kräften, die heute zu dominieren und sich der Kontrolle vor allem der Natur- und Ingenieurswissenschaften zu bemächtigen beginnen. An den Sozialwissenschaften, den Kunstwissenschaften, den Naturwissenschaften und der Literaturwissenschaft wie an der Publizistik, der Geschichtswissenschaft, der Sportwissenschaft, der Pädagogik, der Medizin werden unterschiedliche Grade und Ausmaße von Militarisierung und Ökonomisierung festgestellt. Kritisches Bewußtsein, Entwicklung friedensorientierter Modelle und Anwendungen und enge Kooperation mit den abrüstungswilligen gesellschaftlichen Gruppierungen werden als Wege und Mittel zur Auseinandersetzung der Wissenschaften mit der Militarisierung empfohlen. (HA)
Der Autor befaßt sich anhand von zeitgenössischen Texten mit der Einstellung der militärischen Führungsschicht im deutschen Kaiserreich zum Krieg. Wesentliches Element der Mentalität des Offizierkorps bildete der Nationalismus, in dem sich die Überhöhung des Staatsgedankens mit sozialdarwinistischen Vorstellungen verband. Im Überlebenskampf der Nationen kam dem Militär nach eigenem Verständnis der Vorrang gegenüber der Politik zu. In einem jahrzehntelangen Prozeß wurde die wilhelminische Gesellschaft von dieser Einschätzung durchdrungen und verlor dabei immer mehr an friedenssichernden Vorstellungen und Strukturen. (BJ)
Der Verfasser beschäftigt sich mit der derzeitigen "Verdüsterung" der Perspektive universitärer Ausbildung und Funktion. In diesem Kontext wird punktuell (1) die unzureichende Offenlegung der Studien- und Prüfungsinhalte, (2) das unaufgearbeitete Problem der Verteilung von Arbeit und (3) die nicht zureichend bewußte Herausforderung der Probleme Umweltbelastung, Umweltgestaltung, Zukunfts- und Friedenssicherung sowie der Einsatz intellektuellen Potentials untersucht. Es werden Probleme aufgezeigt, die die Kluft zwischen den Generationen begründen und es wird ferner die faszinierende Herausforderung der Umweltgestaltung mit Hilfe von Wissenschaft und Technik unter Kontrolle der Ethik angedeutet. "Wir müssen zum Leben helfen, wenn wir überleben wollen. Das sind wohl die Erkenntnisse akademischen Studierens, die fachunabhängig in einer Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden anfallen - und das ist eigentlich die Perspektive der Hochschule und damit unserer Jugend." Die Hochschule könnte neben der Fortführung ihrer überkommenen Aufgaben der Forschung und der Lehre durch Erweiterung zur Dienstleistungsinstitution eine wichtige, auch arbeitgebende Funktion erfüllen. (TR)
Ausgehend von der eher geringen Bedeutung der deutsch-amerikanischen Beziehungen im 18. und 19. Jahrhundert stellt der Verfasser fest, daß es zwischen beiden Staaten vor 1914 weder ernsthafte Differenzen noch starke gemeinsame Interessen gab. Während der Neutralität der USA im Ersten Weltkrieg bis 1917 seien Kontroversen über die Führung des deutschen U-Boot-Krieges, die Frage der Wilsonschen Friedensvermittlung und die deutsche Propaganda in den Vereinigten Staaten zu unüberbrückbaren Streitpunkten geworden; sie hätten zum Kriegseintritt der USA beigetragen. Endgültig war der Bruch 1917 durch die Eröffnung des uneingeschränkten U-Boot-Krieges und die Bündnisangebote an Mexico. Amerikanische Soldaten wurden in Europa eingesetzt und trugen zur Niederlage des Deutschen Reiches bei, die USA nahmen entscheidenden Einfluß auf die Kapitulationsbedingungen. (KS)
In: Arbeiterbewegung in Österreich und Ungarn bis 1914: Referate des österreichisch-ungarischen Historikersymposiums in Graz vom 5. bis 9. September 1986, S. 195-215
Hinsichtlich des Aufstiegs der österreichischen Gewerkschaftsbewegung aus kleinen, ständig von der Auflösung bedrohten Vereinen zu einer Organisation von über 400.000 Mitgliedern wurden zwei langfristige Trends beobachtet, die an dieser Entwicklung maßgeblich beteiligt gewesen sein dürften. Der Eine war der Wandel der inneren Verhältnisse der Gewerkschaften, ihres organisatorischen Aufbaus, ihrer Kampfmethoden und -ziele von der dezentralen Einzelaktion zum zentralgeleiteten planmäßigen Vorgehen, das die gesamten Arbeitsverhältnisse berücksichtigte. Der Zweite betraf die Beziehungen zu den Unternehmern und vor allem zum Staat, die sich von Opposition in Richtung Mitarbeit und umgekehrt von offener Repression in Richtung Anerkennung veränderten. Weder Zentralisierung noch Integration waren unumstritten bzw. bei Beginn des Weltkrieges abgeschlossen. Wie abschließend gezeigt wurde, standen die letzten Friedensjahre im Zeichen einer Krise, die sich an den inneren wie äußeren Widerständen gegen Zentralismus und Integration entzündete. (HRS)
Vorwort Die Gesellschaft für Deutschlandforschung hat seit 1979 auf ihren Tagungen, soweit dies angängig war, immer wieder Probleme der Militärpolitik der DDR in den jeweiligen Themenkatalogen berücksichtigt. Erinnert sei hier nur an die in den Periodika der Gesellschaft veröffentlichten Beiträge von Jens Hacker (Die DDR im Warschauer Pakt), Walter Rehm (Militärtraditionen in der DDR; Die Kriegstheorie von Karl Marx), Fritz Birnstiel (Die Militärpolitik der DDR), Henning von Löwis of Menar (Militärisches und Paramilitärisches Engagement der DDR in der Dritten Welt) und Gerhard Ritter (Die Position von Karl Marx in der Militärpolitik der DDR). Nunmehr wurde in dieser Richtung ein Schritt weitergegangen. Auf der wehrwissenschaftlichen Tagung der Gesellschaft zur Erforschung der politischen Systeme in Deutschland (Korporatives Mitglied der Gesellschaft für Deutschlandforschung) in Münsterschwarzach am Main (5.-8. November 1984) stand diesmal allein ein wehrpolitischer Themenkomplex zur Debatte, der sich nicht nur auf die DDR beschränkte, sondern in einem erweiterten geographischen Bezugssystem Probleme behandelte, ohne dabei das Grundproblem Deutschland aus dem Auge zu verlieren. Das gewählte Generalthema: "Angst als Mittel der Politik in der Ost-West-Auseinandersetzung" entsprach der aktuellen politischen Situation, gegeben durch die Nachrüstung im Bereich des westlichen Verteidigungsbündnisses der NATO als Folge der sowjetischen Hochrüstung seit der KSZE-Konferenz in Helsinki und das damit im Zusammenhang stehende plötzliche Wiederaufleben der westlichen Friedensbewegung, die sich gute 30 Jahre zuvor in der Picasso'schen Friedenstaube ihr Symbol gegeben hatte. Kennzeichnend für diese Renaissance waren ebenso die Wohlorganisiertheit dieser Bewegung wie die gehäufte Herausgabe wissenschaftlicher und pseudowissenschaftlicher Untersuchungen in den Jahren 1983/84 über den totalen Nuklearkrieg mit den Alpträumen eines Nuklearinfernos. Dies war Anlaß genug, um sich zu fragen, warum die seit Jahrzehnten bestehende atomare Bedrohung überraschend in dieser Intensität in das Zentrum der Forschung gerückt wurde, warum eine Vielzahl von Massenmedien, die jahrelang diese Frage ignoriert hatten, damit begannen, die atomare Situation in aller Schärfe und bis zur Grenze des Unerträglichen zu dramatisieren. Als augenfällig zeigte sich ferner, daß trotz wirtschaftlicher Misere und ungelöster innenpolitischer sowie außenpolitischer Fragen man sich in der Bundesrepublik den Luxus einer hausgemachten Hitze in sogenannten Friedensdiskussionen und überbordenden Friedenskampagnen leistete, während in den westlichen Nachbarländern derartige Symptome weitgehend peripheren und sporadischen Charakter trugen. Die auffällige Hinnahme der unmittelbaren Bedrohung der Bundesrepublik durch die in der DDR und CSSR aufgestellten sowjetischen SS-20-Raketen einerseits, das aktive Nichthinnehmenwollen der Installierung des amerikanischen Waffensystems Pershing II zur Wiederherstellung des Kräftegleichgewichtes in Mitteleuropa durch die militanten Kreise der Friedensbewegung andererseits, mußte den Verdacht nahelegen, daß hier nicht allein genuine pazifistische außerpolitische Einflüsse mitbestimmend waren. Hieran ließen sowjetische Äußerungen keinen Zweifel. Das vitale Interesse der SU erforderte es, mit allen Mitteln, außer denen des Eingehens eines militärischen Risikos, die westliche Raketenstationierung zu verhindern. Gelang dies nicht, dann mußte sie ebenso die direkte Bedrohung des eigenen Territoriums bis zur Linie Leningrad-Moskau hinnehmen wie jenes Nahziel der Abkoppelung Westeuropas von den USA und damit dessen Erpreßbarkeit in weite Ferne gerückt sehen. Da sich eine militärische Lösung ausschloß, griff sie, wie so häufig in ihrer Geschichte, auf das Mittel des propagandistischen Einwirkens auf den Westen in Gestalt der sogenannten Volksdiplomatie zurück, d.h. sich unmittelbar über die Köpfe der gegnerischen Regierung hinweg an das Volk zu wenden, sei es an bestimmte soziale Schichten, sei es an in Opposition zur Regierung stehender Kräfte oder Einzelpersonen. Ein nach wie vor gültiges Konstituens der sowjetischen Volksdiplomatie stellt die Weisung der Kommunistischen Internationale aus dem Jahre 1924 dar, die folgendermaßen lautet: "Wir müssen sozusagen ein ganzes Sonnensystem von Organisationen und kleineren Komitees um die Kommunistische Partei herum aufbauen, die unter dem faktischen Einfluß unserer Partei (nicht unter einer mechanischen Leitung) stehen werden." Dementsprechend handelte auch die sowjetische Außenpolitik in der Frage der westlichen Nachrüstung. Die unverhüllte Übernahme sowjetischer Thesen und Parolen durch das linke Spektrum der Friedensbewegung, deren Umsetzung in einen gezielten, wenn auch hektischen Aktionismus, ließ keinen Zweifel daran aufkommen, daß hier unmittelbare und mittelbare Beziehungen zu den sowjetischen und DDR-Propagandazentralen bestanden. Die sowjetische Kennzeichnung der westlichen Friedensbewegung als "Antikriegs- und Antiraketenbewegung" legte den Kern der Sache bloß, um den es letztendlich ging. Bei dieser Frage konnte die Sowjetunion nicht in innenpolitische Schwierigkeiten geraten, dafür aber die DDR, auf deren Territorium die SS-20- ihre Aufstellung gefunden hatte, und sich zudem über den Äther der Einfluß der bundesdeutschen Friedensbewegung bemerkbar machte, den es nun aufzufangen, zu kanalisieren und zu neutralisieren galt. Mit den Geistern, die die SU gerufen hatte, kam die Unruhe in die Bevölkerung der DDR, insbesondere in kirchlich orientierte Kreise der jungen Generation, die sich provokativ jenes Mottos auf Plakaten bedienten, das die Sowjetregierung einst als Aufschrift für eine der UNO geschenkte Plastik selbst gewählt hatte: "Laßt uns aus Schwertern Pflugscharen machen". Die sukzessive Ausschaltung dieser Gruppen aus dem öffentlichen Leben, damit die Durchsetzung des Anspruchs der DDR-Partei- und Staatsführung, daß es außer der "offiziellen Friedensbewegung" keine Duldung pazifistischer Randgruppen geben könne, die verstärkte Erziehung zum Haß in der NVA gegen den "imperialistischen Gegner", bewiesen nur zu deutlich die Schwierigkeiten, die die DDR mit der Auflösung des Widerspruchs hatte, einerseits dem westlichen Pazifismus Hilfestellung zuteil werden zu lassen, andererseits den als antisozialistisch deklarierten Pazifismus im eigenen Land vehement zu bekämpfen. Im "Kommunistischen Manifest" von Karl Marx und Friedrich Engels steht der einleitende Satz: "Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst des Kommunismus." Für die Jahre 1982 bis 1984 könnte auch der Satz stehen: "Ein Gespenst geht um in der Bundesrepublik Deutschland - das Gespenst der Angst vor der nuklearen Vernichtung." Das Phänomen der Angst, das in diesen Jahren in allen Spielarten vermittelt und indoktriniert wurde, das massenhafte Auftreten der Agitatoren der Angst und Angstkampagnen ließen deutlich werden, daß hier Angst als Mittel der Politik ins Spiel gebracht wurde. Dieses Phänomen der Angst als politisches Instrument in seiner praktischen Anwendung zu analysieren, aber auch eine Antwort darauf zu finden, wie ihm auf westlichem Boden im Sinne des "Was tun" begegnet werden kann, war die Aufgabe, die sich die Tagung in Münsterschwarzach stellte. Die weitgehend bundesdeutsche - nicht etwa europäische - Fixierung auf die Raketenstationierung mit den sie begleitenden Angstkampagnen ließen es nicht ratsam erscheinen, den Fragenkomplex isoliert, allein bezogen auf die beiden deutschen Staaten zu behandeln. Dies hätte zu einem Verrücken der Maßstäbe im internationalen Kontext geführt, wenn lediglich in eigenem "teutschen" Saft gekocht würde. Wie schaut es mit den Nuklearängsten der anderen Völker im Nachbarbereich aus, das war die Frage, die miteinzubeziehen, zu klären war, ob das Phänomen der deutschen Friedensbewegung ein spezifisch deutsches ist oder aber auch seine Entsprechung in den neutralen Staaten Österreich und der Schweiz sowie beim Bündnispartner Italien findet. Der Versuch, hierauf Antworten zu finden, liegt in den nachfolgenden Referaten vor, von denen jedes für sich sprechen soll. Leider mußte es sich der Herausgeber versag.
Der Beitrag hat die deutsch-amerikanischen Beziehungen zur Zeit der Weimarer Republik, des Dritten Reiches und des Wiederaufbaus nach Ende des Zweiten Weltkriegs zum Inhalt und setzt sich dabei kritisch mit Forschungen über diese Epoche auseinander. In den zwanziger Jahren waren amerikanische Politiker der Überzeugung, daß die Lösung des deutsch-französischen Konfliktes und eine gerechte Wirtschaftsordnung eine wesentliche Voraussetzung für die Erhaltung des Friedens seien. Als Mittel zur politischen Umsetzung ihrer Vorstellungen diente die Politik um die deutschen Reparationszahlungen. Im Unterschied zu Historikern, die wirtschaftliche Ursachen als maßgebend für die Konfrontation zwischen den USA und dem Dritten Reich in den dreißiger Jahren ansehen, hält der Autor politische Gründe für ausschlaggebend. Die amerikanische Deutschlandpolitik, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg im Marshall-Plan manifestierte, beabsichtigte seiner Ansicht nach der Eindämmung des sowjetischen Einflusses ebenso eine "Eindämmung" Deutschlands durch dessen Einbindung in eine größere Wirtschaftsordnung und die Schaffung einer atlantischen Gemeinschaft. Auch hier ging es wie in den zwanziger Jahren darum, Hegemoniebestrebungen Frankreichs zuvorzukommen, gleichzeitig aber seine Ansprüche auf wirtschaftliche und politische Sicherheit zu befriedigen. Das sich dabei entwickelnde Staatensystem einschließlich der deutschen Teilung stellte sich bislang als friedenserhaltend heraus. (BF)
Vierzig Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht bedürfen die territorialen Folgen des Zweiten Weltkrieges in Mitteleuropa noch immer einer abschließenden friedensvertraglichen Regelung. Schon in den fünfziger Jahren sind zwar Tendenzen erkennbar geworden, die friedensvertraglichen Regelungen durch sog. Kriegsfolgemaßnahmen zu ersetzen. In diese Richtung zielten die Bemühungen einiger Ostblockstaaten in der ILC bei der Ausarbeitung der Vertragsrechtkonvention. Unter dem nachdrücklichen Hinweis auf das Potsdamer Abkommen sollte bezweckt werden, die Bedingungen dieser Abmachung für Deutschland sicherzustellen, obgleich es sich um einen Vertrag zu Lasten Dritter handelt. Bei der endgültigen Fassung des Art. 75 der Wiener Vertragsrechtkonvention wurde der Norm jedoch die eindeutig auf Potsdam weisende Zielrichtung genommen. Die Bundesregierung will dem Vernehmen nach bei der noch ausstehenden Ratifikation der Konvention klarstellen, daß Art. 75 sich nur auf Maßnahmen bezieht, die der Sicherheitsrat nach Kap. VII der UN-Charta verfügt. Kriegsfolgemaßnahmen gegen einen Feindstaat nach Art. 107 UN-Charta sollen nicht unter die Angreiferklausel fallen. (SJ)
Der Aufsatz unterzieht die Welle von Literatur zur deutschen Nation und zur nationalen Identität der Deutschen aus der ersten Hälfte der 80er Jahre einer kritischen Sichtung und will dabei aus prowestlicher und liberaldemokratischer Sicht eine "Orientierungshilfe" für den "überforderten Leser" geben. Besprochen werden 30 Monographien, Sammelwerke und Tagungsbände, wobei das Spektrum der besprochenen Autoren vom Politikwissenschaftler über den Vertriebenenpolitiker bis zu Burschenschaftsvorständen reicht. Der Autor unterscheidet drei Hauptströmungen: eine neonationalistische, die die aktuelle Friedensdiskussion in eine nationale umbiegen will; eine traditionalistische, die die Positionen der Wiedervereinigungsdebatte der 50er Jahre verficht und eine nationalrealistische, die vor allem den politischen Verhältnissen in Europa Rechnung tragen will. In seinem 6 Thesen umfassenden Fazit warnt der Rezensent vor einer isolierten und rückwärts gewandten Betrachtung der deutschen Frage und plädiert u. a. für eine Aufgabe des Wiedervereinigungsgebotes und eine bundesdeutsche Identität. (JF)