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"Freundinnen … stehen zusammen; vertrauen sich; unterstützen sich gegenseitig; passen aufeinander auf; feiern, lachen, streiten!" Diese und andere Kommentare haben Besucher*innen des Frauenmuseums...
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Polens Filmindustrie gewinnt an Schwung. Nach Jahrzehnten der Unbedeutsamkeit feiern polnische Regisseurinnen und Regisseure heute wieder internationale Erfolge. Und das trotz oder vielleicht wegen der Beschäftigung mit der vermeintlich im Westen unverständlichen eigenen Geschichte. Dabei ist Polens Vergangenheit eng mit der deutschen verbunden, weshalb dies bis heute noch ein wichtiges Thema für den polnischen Film ist. Jede Generation sucht nach eigenen Zugängen. Wie setzen sich polnische Filmemacher heute mit dem deutschen Nachbarn auseinander? Welcher filmischen und sprachlichen Mittel bedienen sie sich, um ihre Ideen umzusetzen? Auch im 21. Jahrhundert bleibt deutsche Geschichte, nicht selten in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg, ein häufiges Sujet des anspruchsvollen wie des populären Films. Führend sind hierzulande deutsche Kino- und TV-Produktionen (Der Untergang; Unsere Mütter, unsere Väter; Der Überläufer), aber auch populäre amerikanische oder europäische Gemeinschaftsproduktionen (Die Vorleserin, Operation Walküre, Monuments Men, Die Verleumdung). Überhaupt nicht vertreten in der deutschen oder europäischen Filmöffentlichkeit sind dagegen polnische Produktionen der letzten Jahre, die sich auf die deutsche Geschichte beziehen, die hier oft im deutsch-polnischen Kontext gezeigt wird. Dies ist insofern bedauerlich, als hier dem deutschen und internationalen Publikum eine Entwicklung verlorengeht, die exemplarisch für Geschichtsdebatten unseres Nachbarlandes ist. Und so kommt es mangels Rezeption zu keinem richtigen Austausch auf diesem Feld.Angesichts der "Lehrstelle der deutschen Erinnerung", von der im Kontext des geplanten Polen-Denkmals in Berlin in den letzten Monaten gesprochen wurde, könnten Filme als Massenmedium einen wünschenswerten Beitrag dazu leisten, um die polnische Sicht auf die jüngste deutsche Geschichte in Deutschland besser kennenzulernen. In diesem Beitrag geht es aber weniger um die Chancen nachbarschaftlicher Sensibilisierung durch das Medium Film, vielmehr möchte ich aufzeigen, wie einige wichtige polnische Produktionen auf der sprachlichen Ebene auf die Authentizität der deutschen wie der polnischen Protagonisten eingehen. Die Kritik könnte auch als ein Plädoyer für das Engagement deutscher Schauspielerinnen und Schauspieler im polnischen Film gedeutet werden, um die angestrebte Wahrhaftigkeit der historischen Ereignisse sprachlich zu unterstreichen, was im deutschen Film (wenn auch nicht immer konsequent) seit einigen Jahren getan wird, zumindest wenn es um polnischsprachige Filmcharaktere geht (Unser letzter Sommer; Lauf, Junge, lauf).Krieg und Sprache im FilmIm polnischen Film spielt das Thema Zweiter Weltkrieg selbstverständlich eine große Rolle. In beinahe allen Filmen bis 1989 wurden deutsche Filmcharaktere von polnischen Schauspielern gespielt, die deutsche Sprache wurde auf einige allgemein bekannte Phrasen reduziert wie "Hände hoch" oder "schnella! schnella!" Das genügte, um Abneigung zur deutschen Sprache zu signalisieren. Ansonsten haben filmische Deutsche, wenn sie mit anderen Deutschen sprachen, der Einfachheit halber Polnisch gesprochen. Schauspieler brauchten also kein Deutsch zu können, auch auf filmische "Bruderhilfe" aus der DDR wurde bis auf wenige Ausnahmen verzichtet. Man hat den Eindruck, dass die sprachliche Ebene die Filmemacher überhaupt nicht interessierte. Dies war auch nichts Ungewöhnliches in Zeiten, in denen in James-Bond-Filmen auch alle sowjetischen Bösewichte gut Englisch sprachen. Und so durfte sich auch Kapitän Hans Kloss, ein polnischer Spion in den Reihen der deutschen Abwehr, in der Fernsehserie Sekunden entscheiden (Original: Stawka większa niż życie, 1967-1968) mit seinen deutschen Offizierskollegen selbstverständlich auf Polnisch verständigen. Keiner – weder die Kritik noch das Publikum – hat ihn das übelgenommen, viele Phrasen des Films sind sogar in die Umgangssprache eingedrungen ("Nie te numery, Brunner!"). Und keiner hat sich damals die Frage gestellt, wie gut Hans Kloss in Wirklichkeit hätte Deutsch sprechen müssen, um nicht in den Verdacht seiner eigenen Geheimdienstkollegen zu kommen. Denn in den deutschen Armeestrukturen war ein falscher Akzent nicht gerade karrierefördernd…Man könnte denken, dass die Zeiten, in denen alle Filmprotagonisten unabhängig vom historischen, ethnischen oder regionalen Kontext im polnischen Film einfach literarisches Polnisch sprechen, heute – dank sprachlicher Sensibilisierung der modernen demokratischen Gesellschaft und dem Streben nach einer umfassenden Wahrhaftigkeit im Kino – gänzlich vorbei sind. Doch ist dies ist immer noch nicht der Fall. Dabei wäre die sprachliche Ebene gerade im deutsch-polnischen Kontext wichtig, da wir es hier mit unterschiedlichen Ausprägungen – regionalen wie sozialen – des Deutschen, des Polnischen, aber auch des oberschlesischen, masurischen oder kaschubischen Dialekts zu tun haben. Filmproduzenten und ihre Casting-Manager müssen Argumente haben, warum sie sich für diese und keine andere Rollenbesetzung entscheiden. Die Frage ist, ob sie die sprachlichen Fähigkeiten der auszuwählenden Schauspielerinnen und Schauspieler überhaupt in Betracht ziehen, denn für einen sprachlich sensiblen und historisch interessierten Zuschauer kann die Sprache enorm wichtig, ja fundamental sein, weitaus wichtiger als Maske, Kostüm und Szenenbild, die die polnischen Filmemacher mittlerweile perfekt beherrschen.Drei Filme und viele SprachenIm Folgenden werden drei Filme aus den letzten Jahren auf ihre sprachliche Wahrhaftigkeit untersucht: Róża von Wojciech Smarzowski (2011), Zgoda von Maciej Sobieszczański (2016) und Kamerdyner von Filip Bajon (2018). Alle drei Filme wurden in Polen breit rezipiert, vom Publikum beachtet, auf Filmfestivals mit Preisen bedacht. Alle drei hatten auch eine kulturpolitische Botschaft, da sie sich auf der narrativen Ebene vordergründig mit den immer noch vorhandenen "weißen Flecken" der deutsch-polnischen Geschichte beschäftigen. Aber wie authentisch wirken solche Filme, wenn sie nur von Polen auf Polnisch gespielt werden?So zeigt der Film Róża die frühe Nachkriegszeit im gerade erst von der Sowjetarmee "befreiten" südlichen Teil Ostpreußens (Masuren) und thematisiert zum ersten Mal die Massenvergewaltigungen deutscher Frauen durch sowjetische Soldaten. Hier müssen masurische Frauen, darunter die Hauptfigur Rosa Kwiatkowski, für die Verbrechen der Nazis büßen… Der Film zeigt das Leid der Zivilisten im deutsch-polnischen Grenzland, das bis zur Vertreibung aus ihrer angestammten Heimat führt. Die Titelprotagonistin Rosa spricht Deutsch und Polnisch. Der Knackpunkt: Rosa (gespielt von Agata Kulesza) spricht ein literarisches Hochpolnisch und manchmal ein polnisches Schuldeutsch. Das ist für den historisch interessierten Zuschauer erstaunlich: Masuren sprachen ja einen polnischen Dialekt, der 1945 schon so gut wie ausgerottet war, Hochpolnisch sicher nicht. Dafür konnten sie alle Deutsch in seiner charakteristischen ostpreußischen Ausprägung, oft sprachen sie auch untereinander nur Deutsch, gerade mit Kindern und Jugendlichen, die nach 1933 nicht auffallen wollten und sollten. Dass die Deutschen den Masuren ihre slawische Sprache "genommen hätten", erklärt im Film auf Deutsch der Pastor der masurischen Gemeinde einem polnischen Ansiedler. Der Schauspieler Edward Linde-Lubaszenko tut sich dabei schwer mit seinem polnischen Akzent. Ein masurischer Pastor hat sicher nie so gekünstelt Deutsch gesprochen. Im Film ist er sowieso der einzige, der einigermaßen Deutsch spricht. Sonst sprechen alle Masuren Polnisch, hin und wieder hört man ein deutsches Wort, verstohlen, abgehackt, mit Akzent. Man hat den Eindruck, hier will man schon auf die kulturelle und sprachliche Eigenart des Masurenlandes eingehen, weiß aber nicht genau wie, wohl hoffend, dass die sprachliche Ebene dem polnischen Publikum nicht auffallen wird. Auf der anderen Seite soll diesem schon suggeriert werden, dass sich die Geschichte in einer deutsch-polnischen Grenzregion abspielt. Durch die ungeschickte Handhabung der Sprachfrage entsteht für den heutigen polnischen Zuschauer jedoch der Eindruck, dass die Masuren 1945 ausnahmslos Polen waren, die Polnisch sprachen und hin und wieder mal ein deutsches Wort benutzten, verständlich, da sie doch brutal germanisiert worden waren.Von Ostpreußen nach Pommerellen: Kamerdyner ist ein opulentes Werk des Altmeisters Filip Bajon, der schon in den 1980er Jahren in Magnat einen großen deutschen Adeligen porträtierte – den oberschlesischen Fürsten von Hochberg-Pless. Der neue Film über den pommerellischen Landjunker Herrmann Kraus sollte zeigen, dass entgegen manch nationalpolnischer Argumentation ein fruchtbares deutsch-polnisches Miteinander (darunter auch ein dramatisches Liebesverhältnis) in den früheren Grenzregionen möglich war, und dass Geschichte niemals nur schwarz-weißen Stereotypen folgt. Das ist das Neue, bei der Sprache bleibt Bajon aber ganz der Alte: Wie vor 40 Jahren, so werden auch heute deutsche Aristokraten ausschließlich von polnischen Schauspielern gespielt (Adam Woronowicz, Borys Szyc, Daniel Olbrychski). In den Landschlössern, auf Bällen und in den Hinterzimmern wird im Film immer nur Polnisch gesprochen, hier und da fällt mal ein deutsches Wort, einmal hört man "Hoch soll er leben" als Geburtstagsständchen. Spannend wird es aber, wenn gebildete Deutsche mit ihren kaschubischen Bediensteten und Kammerdienern sprechen. Spannend für einen Historiker, Regionalisten, aber nicht für die Filmemacher, denn im Film reden alle Polnisch, nur einige wenige reden Kaschubisch, und auch das auch nicht immer. Was erstaunt: Janusz Gajos stellt in der Rolle des polnischen Agitators Bazyli Miotke alle anderen Protagonisten mit seinem authentisch wirkenden Kaschubisch in den Schatten. Was noch mehr erstaunt: Den Brief von der Frankreichfront 1914, den seine Frau im Film laut vorliest, verfasst er in einem perfekten Hochpolnisch! Andere Kaschuben sprechen eher gekünstelt Kaschubisch, vergessen dabei immer wieder ihre Muttersprache und wechseln unbewusst ins Hochpolnische. Wirklich unbewusst? Vergessen Regisseure einfach, wie ihre Schauspieler zu sprechen haben? Es ist kaum zu glauben, dass auch Drehbuch- und Dialogautoren einfach darüber hinwegsehen. Die Bemühung in Hinblick auf die Regionalsprache ist zwar im Film sichtbar, aber auch hier entsteht der Eindruck, dass in dieser Grenzregion eigentlich alle immer Polnisch sprachen und es bleibt unklar, wer eigentlich Pole, wer Deutscher und wer Kaschube ist. Das ist in einer Grenzregion aber wie bereits erwähnt ungeheuer wichtig!Zum Schluss Zgoda, ein Film, der die polnische Schuld an den Oberschlesiern 1945 aufarbeiten sollte, eine filmische Auseinandersetzung mit der "oberschlesischen Tragödie 1945", über die erst in den letzten Jahrzehnten überhaupt gesprochen werden durfte. Schon im Vorspann wird auf die Existenz von Lagern nach 1945 hingewiesen, in denen "Schlesier, Volksdeutsche und Polen, die sich der kommunistischen Macht entgegenstellten", eingesperrt, gedemütigt, vergewaltigt und nicht selten bestialisch ermordet wurden. Schon diese Kategorisierung erstaunt: "Schlesier", wie Oberschlesier in Polen in der Regel genannt werden, waren 1939-1945 ja auch oft gleichzeitig "Volksdeutsche", es sei denn, sie wohnten vor 1939 im deutschen Teil Oberschlesiens ("Reichsdeutsche"), also ist die Opposition nichtig. Und was waren das für Polen im Lager Zgoda, die sich den Kommunisten entgegenstellten? Mitglieder der Untergrundarmee AK oder anderer Gruppierungen? Aber waren es nicht gleichzeitig auch Oberschlesier? Das bleibt vorerst unklar.In dem Lager sucht man unter den Oberschlesiern nach Verrätern, ehemaligen Nazis und SS-Männern. Bis auf einige wenige sprechen alle Insassen Polnisch, ja auch hier wieder fast ausschließlich Hochpolnisch. Die Oberschlesier sprechen aber einen polnischen Dialekt, und selbst wenn sie Hochpolnisch sprechen, werden sie ihren oberschlesischen Tonfall nicht wirklich los. Im Film spricht so nur ein einziger Protagonist – ein Arzt, kein Lagerinsasse. Auch die Hauptprotagonisten nicht: zwei Freunde, die dasselbe Mädchen lieben. Der deutsche Erwin (Jakub Gierszał) ist als Wehrmachtsangehöriger im Lager eingesperrt, seine Ausführungen, er sei Deserteur, finden jedoch kein Gehör. Sein polnischer Freund Franek (Julian Świerzewski) wird nur deswegen im Lager zum Wachmann, um die geliebte Anna (Zofia Wichłacz) zu befreien, aber Anna liebt Erwin. Alle drei kennen sich von früher, was ein Foto von 1939 zeigt. Alle drei müssten vor 1939 wohl polnische Staatsbürger im polnischen Teil Oberschlesiens gewesen sein. War es wirklich so?Erwin spricht im Film Deutsch, manchmal Polnisch, aber so als ob ihm Polnisch Mühe machen würde. Franek spricht Hochpolnisch, wie auch seine Mutter (Danuta Stenka), die in der Nähe des Lagers wohnt. Und Polnisch spricht auch die von beiden Männern geliebte Anna. Dem Zuschauer sollten spätestens hier Zweifel an der Idee des Films aufkommen. Wenn man bedenkt, dass der Film die oberschlesischen Opfer in den Mittelpunkt stellen sollte, so fragt man sich, wo die Oberschlesier in dem Film wohl bleiben? Hier hätte eine andere Besetzung sicherlich helfen können, die Opfer durch ihre sprachliche Eigenart zu würdigen. Denn auch hier entsteht für den Zuschauer der Eindruck, in Oberschlesien hätten alle Polnisch gesprochen. Das mag schon sein, aber kein Hochpolnisch, sondern den oberschlesisch-polnischen Dialekt.In Wirklichkeit hätte es auch noch ganz anders sein können: Der Deutsche Erwin hätte gut den oberschlesisch-polnischen Dialekt sprechen können, wuchs er doch im polnischen Teil Oberschlesiens nach 1922 auf. Franek aber, der im Film auch Franz genannt wird, hätte relativ gut Deutsch sprechen können. Anna schließlich hätte eine Deutsche sein können, die auch Polnisch spricht. In Oberschlesien wäre das nicht ungewöhnlich und hätte die nationalen Optionen nicht beeinflusst. Vielleicht geht der unerfahrene Regisseur deswegen auf Nummer sicher: Alle im Film sprechen immer Polnisch, Hochpolnisch!Dass es anders geht, den polnischen Zuschauer für die kulturelle und sprachliche Vielfalt zu sensibilisieren, beweist Krzysztof Zanussi in Eter. In der Geschichte, die sich vor und im ersten Weltkrieg im österreichischen Galizien abspielt, kommen viele der Bewohner der Doppelmonarchie zum Zuge: Deutsche sprechen österreichisches Deutsch, Polen Polnisch oder ein polnisches Deutsch, Ukrainer Ukrainisch, Ungarn Ungarisch, Juden Jiddisch. Zanussi hat dafür muttersprachliche Schauspielerinnen und Schauspieler engagiert, das kostete sicher etwas mehr, aber so muss es sein, damit sich die Völker der Doppelmonarchie im Film wiederfinden.
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"Wenn ich groß bin, will ich Spießer werden!" (Werbespot LBS, 2007) Der bekannte Werbespot der Versicherung LBS aus dem Jahr 2007 wirbt für das Abschließen eines Bausparvertrages und zeigt in der panischen Reaktion der Aussteigerfigur auf das Liebäugeln der eigenen Tochter mit der Spießigkeit unmissverständlich, dass keiner gerne Spießer genannt...
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Der junge Bodo verlässt Warschau, um in Posen Schauspielkunst (auf Deutsch) zu lernen. In der Hauptrolle Antoni Królikowski.Polens Filmindustrie verdankt ihre hohe Popularität im Lande und den internationalen Erfolg der letzten Jahre talentierten Regisseurinnen und Regisseuren, vor allem aber auch wunderbaren Schauspielerinnen und Schauspielern, die ihr Können tagtäglich sowohl auf der Bühne als auch im Fernsehen und auf der Kinoleinwand beweisen. Am besten spielen sie natürlich Filmcharaktere, die in Polens Geschichte wie Gegenwart eingetaucht sind. Nun ist Polens Geschichte und Gegenwart oft mit der deutschen verbunden, so dass im polnischen Film relativ oft deutsche weibliche und männliche Filmrollen zu besetzen sind. Bisher fuhren die meisten Produktionsstudios eine Casting-Politik, die polnische Schauspieler für deutsche Rollen engagiert. Schauspieler, die in der Regel nur gebrochen Deutsch sprechen, was einem gewöhnlichen Zuschauer wahrscheinlich nicht auffällt. Leider fällt es einem aufmerksamen Zuschauer auf. Das ist kein Ruhmesblatt für den polnischen Film.Diese These möchte ich am Beispiel von drei Filmen aufzeigen, die in den letzten Jahren in Polen gedreht wurden und deren Handlung sich mit der deutsch-polnischen Nachbarschaft verbindet, wo jedoch polnische Schauspieler den Anspruch nicht erfüllen, glaubhaft eine Deutsche oder einen Deutschen zu spielen. Es geht um die TV-Serie Bodo von Michał Kwieciński (2016 auch als gleichnamiger Kinofilm gedreht), die Grenz-Wende-Ballade Yuma von Piotr Murlak (2012) und Sługi boże von Mariusz Gawryś (2016).Bodo – wie war das doch in Posen?Der Film wie die TV-Serie Bodo zeigt die Karriere des polnischen Sängers Bohdan Eugène Junod, genannt Bodo, der es geschafft hat, zu den größten polnischen Entertainern der Zwischenkriegszeit aufzusteigen. Das Werk ist insgesamt ästhetisch und musikalisch gelungen, hinter der Großproduktion steht das Akson Studio, eines der größten polnischen Filmproduktionsstudios. Bodo hat als werdender oder schon etablierter Star auf Warschaus Filmfirmament natürlich Kontakte mit Deutschen. Gleich zu Beginn seiner Karriere geht er von Lodz über Warschau nach Posen (im ehemaligen Deutschen Reich), um dort Schauspieler zu werden, muss aber zunächst als Platzanweiser arbeiten. Was erstaunt: Alle Posener Gestalten, vom Direktor über Schauspieler und Tänzerinnen bis zum gesamten Theaterpersonal, sprechen im Film Polnisch. Schon merkwürdig: Auf der Bühne singen alle Deutsch, hinter der Bühne aber reden alle Polnisch mit deutschen Einwürfen, das soll offensichtlich signalisieren, dass sich die Szene in einem deutschen Theater abspielt. Das Schuldeutsch der polnischen Schauspieler ist dabei auffällig, manchmal sogar dilettantisch, dass es nur Schmunzeln hervorruft. Das Sprachwirrwarr zeitigt noch erstaunlichere Blüten: Der Direktor spricht in einer Szene dann doch ein paar ganze Sätze Deutsch, die von seinem Assistenten für die Künstler auf der Bühne ins Polnische übersetzt werden. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass im Posen des Jahres 1915 sicherlich kein Großpole einen Dolmetscher aus dem Deutschen brauchte und schon gar kein Schauspieler oder Tänzer. Der Eindruck, der dabei entsteht, ist irreführend: Posen war auch noch nach fast 120 Jahren preußischer (und deutscher) Dominanz immer noch so polnisch, dass selbst Bühnenkünstler im deutschen Theater (!) kein Deutsch konnten. Dadurch soll wohl Distanz zum Deutsch als Sprache der Besatzer hergestellt werden. So denkt man vielleicht in Warschau, wo fast alle polnische Filme entstehen … In Wirklichkeit kann es ganz anders gewesen sein – alle außer Bodo sprachen ein richtiges Deutsch, und wenn dort jemand einen Dolmetscher brauchte, dann er! Wie der Drehbuchautor den beschriebenen Sachverhalt gegenüber Regisseur und Produzent begründete, wäre an dieser Stelle wirklich spannend zu erfahren.Yuma – ein Pole spielt einen Deutschen, der radebrechend Polnisch spricht …Die Grenzballade Yuma zeigt ein in Polen bekanntes Prozedere, das einige als "kleiner Diebstal-Grenzverkehr", andere als "späte geschichtliche Gerechtigkeit" auffassen. Zyga, gespielt von Jakub Gierszał, dem wohl einzigen polnischen Schauspieler, der akzentfrei Deutsch spricht, kommt an die Spitze einer Clique von Kleinganoven, die durch einfallsreiche Ladendiebstähle in der deutschen Grenzregion zum materiellen Wohl der polnischen Gemeinde Brzegi beiträgt. Noch vor der Wende hat er dem flüchtigen DDR-Bürger Ernst geholfen, sich in die bundesdeutsche Botschaft in Warschau zu begeben, nun – ein paar Jahre nach der Wende – begegnen sie einander wieder und buhlen um dieselbe Frau. Der ansonsten bemerkenswerte Schauspieler Tomasz Schuhardt wird hier der Rolle des Deutschen Ernst nicht gerecht, man merkt schnell, dass sein Deutsch bemüht ist, dadurch wird die Rolle nicht glaubwürdig gespielt. Oft wechselt Ernst ins "bemühte" Polnische, aber wer glaubt schon, dass ein Deutscher fließend, wenn auch bemüht Polnische spräche. Hinzu kommt noch ein wichtiger sprachlicher Kontext: Es soll sich in Polen (leider nicht beim Casting zu dem Film) herumgesprochen haben, dass Deutsche in einigen an Polen grenzenden Bundesländern einen erkennbaren Akzent haben, um den sie in Deutschland nicht beneidet werden. Hier einen deutschen Schauspieler (z.B. aus Sachsen) einzusetzen, würde die Rolle des Ernst retten, denn auch wenn der Film an sich insgesamt sehenswert ist, so weiß der Zuschauer nicht, warum die schöne Polin Maja den wortkargen Deutschen dem Lokalmatador Zyga vorzieht. Schuldeutsch reicht einfach nicht!Sługi boże ist ein Thriller der besonderen Art, in dem eine Breslauer Kirchengemeinde Zeuge von verdächtigen Selbstmordfällen junger Frauen wird. Im Hintergrund bewegt sich eine Mafia, die Profite aus dem Verkauf von ehemaligem Kirchenvermögen zieht und über ehemalige Stasi-Agenten Verbindungen zum Vatikan hat. Die Berliner Polizistin Ana Wittesch kommt zur Verstärkung des Ermittlungsteams nach Breslau, warum und vor allem wie das offiziell möglich ist, bleibt dem polnischen Kommissar Warski (Bartłomiej Topa) aber genauso wie dem Zuschauer unklar. Lange weiß man auch nicht, was Ana eigentlich tun soll: Den angeblichen Selbstmord einer deutschen Studentin aufklären oder verdeckt im Auftrag des Berliner Erzbischofs an der Vatikan-Affäre arbeiten. Hier zeigt das Drehbuch Schwächen, denn erstens darf kein deutscher Polizist offiziell in Polen ermitteln, die Filmemacher verwechseln den katholischen mit dem evangelischen Bischof (es wird mehrmals der evangelische Berliner Dom gezeigt), und was ein deutscher Kirchenmann mit Vatikangeschäften der polnischen Kirche zu tun hat, bleibt erklärungsbedürftig. Ana, die polnische Wurzeln hat (gespielt von Julia Kijowska), spricht Deutsch mit polnischem Akzent, und wie schon Schuchard in Yuma wechselt sie schnell ins "bemühte" Polnische. Das muss schief gehen. Offensichtlich glauben Casting-Manager, dass polnische Schauspieler, die Schuldeutsch sprechen wie Kijowska, die "deutsche" Rolle gut ausfüllen. Dem ist nicht so, denn diese Situation schafft Verwirrung. Ist Ana Deutsche, die zugleich schlecht Deutsch und schlecht Polnisch spricht? Hierzu hätte man eine deutsche Schauspielerin mit polnischem Migrationshintergrund verpflichten sollen. Eine, die wie Ana in Berlin groß geworden ist, aber auch von zu Hause aus Polnisch mit deutschen Akzent spricht. Das wäre authentischer. Filme, die nicht authentisch wirken, landen auf dem Regal, so auch Sługi boże.Nun aber auch positive Beispiele: Die teuerste polnische Filmproduktion aller Zeiten, Warschau 44 (Miasto 44 von Jan Komasa, 2014) ließ sich in dieser Hinsicht nichts vorwerfen, den Deutschen Johann Krauss, der vom Kommandanten Kobra (Tomasz Schuchardt, diesmal als Pole) gerettet wird, spielt Max Riemelt, auch sonst hört man deutsche Soldaten Deutsch sprechen. Es geht also! Einen Sonderfall stellt Juliusz Machulskis Komödie AmbaSSada dar, in dem zwar auch Polen Deutsche spielen, aber wie!!! Wer Adam "Nergal" Darskis Deutsch als Reichsaußenminister Ribbentrop hört, staunt nicht schlecht, und Robert Więckiewiczs Hitlerrolle ist großartig, inklusive der undeutlich daherkommenden, aber unheimlich witzig gestalteten Aussprache! Das hätte nun wirklich ein großes deutsches Publikum verdient! Übrigens: Über deutsche Aussprache der polnischen Schauspieler hat hier ein Deutscher aus Warschau gewacht – Fred Apke, Glückwunsch! Insgesamt ist AmbaSSada – auch dank der deutsch-polnischen Misch-Sprache – ein Leckerbissen für das deutsch-polnische Publikum!
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Viel dreht sich in diesen Tagen der "Corona-Krise", wie schon der Terminus nahelegt, um die gesellschaftlichen Folgen dieser Krankheit. Dabei wird in Deutschland wie in Polen gleichermaßen auf die weltweiten Entwicklungen geblickt, welche durch die Pandemie angestoßen worden sind oder an Dynamik gewonnen haben. Gleichwohl verengt sich der Blick allzu schnell oft wieder, etwa bei der Beurteilung der Maßnahmen der eigenen Regierung oder bei Überlegungen zu einer internationalen Solidarität. Dabei ist nicht davon auszugehen, dass Effekte des Auseinanderdriftens oder Zusammenrückens der Staatengemeinschaft automatisch in Zusammenhang mit der aktuellen Krise gedacht werden können; sie müssten aktiv gewollt und betrieben werden. Historisch gesehen hängen Krankheit und Krise und ihre Wechselwirkungen ohnehin fest zusammen, auch im deutsch-polnischen Kontext. Dabei handelt es sich um eine kulturelle Dynamik, die zwei Seiten vereint: einerseits die Eigenschaften einer speziellen Infektionskrankheit, wie etwa Gefährlichkeit für Gesundheit und Leben des Menschen und Möglichkeiten der Übertragbarkeit, andererseits die Handlungsmöglichkeiten zur Eindämmung der Krankheit von hygienischen Belangen über sonstige gesellschaftliche Regeln bis zur medizinischen Behandlung. Obgleich der eine Strang als Voraussetzung für den anderen erscheinen mag, zeigt der Blick in die Geschichte doch deren Interaktion und viel mehr noch, dass beide davon überformt werden, in welchen Bildern die betroffenen Gesellschaften den Prozess fassen, wie sie darüber nachdenken, wie sie darüber sprechen.Beim historisch motivierten Blick in die deutsch-polnischen Beziehungen lassen sich viele epidemische Erscheinungen ausmachen, deren Betrachtung als Fallbeispiele lohnt – einige davon sollen hier aufgegriffen werden: die Entwicklung eines Fleckfieber-Impfstoffs in der gerade entstandenen Zweiten Polnischen Republik in Lemberg (Lwów), die Anwendung von Fleckfieberimpfungen während des Zweiten Weltkriegs, die Cholera-Epidemie in Danzig 1831 und die Pestpogrome von 1348/49 am Rhein und ihre Folgen. Seuchen in KriegsbemalungEine Krankheit, die auch diskursiv aufs Engste nicht nur mit Krisen, sondern mit Kriegen verflochten war, ist das Fleckfieber. Diese Krankheit, die durch Läuse von Mensch zu Mensch übertragen wird, existierte wohl schon seit dem Altertum und trat im Mittelalter zunehmend in Europa auf, ab dem 16. Jahrhundert auch in der Neuen Welt, wie etwa 1576/77 in Mexiko mit etwa 2 Millionen Toten. Der Feldzug Napoleons gegen Russland 1812 wurde stark von einer heftigen Fleckfieberepidemie beeinflusst, ebenso der Krim-Krieg 1854–1856 und der russisch-türkische Krieg 1877/78. Auch in Zusammenhang mit den beiden Weltkriegen gab es im 20. Jahrhundert viele Erkrankte und Tote, u. a. eine schwere Epidemie in Russland 1918–1922 mit 30 Millionen Fällen, davon 3 Millionen mit tödlichem Ausgang. Quarantäneposten vor bewachten vom Fleckfieber befallenen Zivilhäusern in Perehińsko (Westukraine, Februar 1916)Die militärischen Bilder, die zur gedanklichen Fassung von Seuchen bemüht wurden, sind für das Fleckfieber und andere historisch gründlich untersucht worden. Das Phänomen als solches setzt sich bis in die Gegenwart[1] fort: Militärische Metaphern werden etwa aufgerufen, um Ohnmachtsgefühlen martialisch entgegenzutreten, Freiheitseinschränkungen im Innern einen größeren Rahmen zu verleihen oder Fragen nach der Herkunft von Seuchen und Schuldzuweisungen bildlich zu fassen. Ein emblematisches Beispiel war die TV-Ansprache an die Nation von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vom 16. März 2020, in der er konstatierte, man befinde sich im Krieg gegen einen unsichtbaren Feind. Ein viel weniger prominenter Fall war die Anfang März im polnischen Staatsfernsehen TVP übertragene Landkarte, die zeigte, wie das Coronavirus aus Deutschland nach Polen eingetragen wurde – mit großen und kleinen Pfeilen, wie sie vielen aus dem Schulunterricht zur Visualisierung angreifender Armeen bekannt sind. Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz hingegen packte rhetorisch, ebenfalls im März 2020, die "Bazooka" nur aus zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen des Virus und behielt "Kleinwaffen" in der "Hinterhand". Belege für die Aktualisierung von historisch tradierten Ängsten, Feindbildern und Stereotypen, die mittels militarisierter Sprache verbreitet werden, ließen sich aus zahlreichen Staaten finden, darunter verstörend weit verbreitet antisemitische Verschwörungstheorien. Der Erste Weltkrieg, das Fleckfieber und die Anfänge der Zweiten Polnischen RepublikWährend des Ersten Weltkriegs wurde das seit den Teilungen Polens im 18. Jahrhundert politisch zergliederte und unter deutscher, österreichisch-ungarischer und russischer Herrschaft stehende polnische Territorium zu einem Hauptkriegsschauplatz. Mit der deutschen Besatzung während des Krieges kamen nicht nur das Fleckfieber, sondern auch die Deutungen der Krankheit und ihre feste Einordnung als unzivilisiert, rückständig und östlich. Dies zeigt Katharina Kreuder-Sonnen in ihrer historischen Studie über zirkulierendes bakteriologisches Wissen,[2] in der sie den mittelosteuropäischen Raum in eine globale Wissensgeschichte einordnet. Die Gefahr durch das Fleckfieber galt der deutschen Militärmacht viel mehr als ein Problem der Front im Osten als im Westen. Besonders richteten sich diese Interpretationen auch gegen orthodoxe Juden, die von Zwangsmaßnahmen durch die deutsche Besatzung ab 1915 in besonderer und unverhältnismäßiger Härte betroffen waren. Trotz der auch ansonsten getroffenen Vorkehrungen kam es in verschiedenen Orten Zentralpolens zwischen 1915 und 1917 zu Fleckfieberepidemien. Im polnischen medizinischen Diskurs wurde diese Fokussierung und Einschränkung auf die jüdische Bevölkerung ebenfalls übernommen. Im weiteren Verlauf des Krieges und gegen Ende verknüpfte und verschob sich diese Rhetorik hin zu einer festen Verbindung der Epidemie mit einer Einschleppung durch den Feind von außen, besonders wiederum aus Richtung Osten und dem gerade entstandenen Sowjetrussland, so Kreuder-Sonnen: "Die diskursive Verknüpfung von Seuche und bolschewistischer Bedrohung hatte (…) den jungen polnischen Staat als Schutzwall des 'Westens' gegen Sozialismus und Fieber etabliert. (…) Seuchenbekämpfung und Staatsbildung verschränkten sich hier eng miteinander.[3]"Die Ineinssetzung mit dem Bolschewismus im polnischen Kontext hatte das Fleckfieber mit der Spanischen Grippe gemein, die von 1918 bis 1920 in drei Wellen weltweit bis zu 50 Millionen Todesopfer forderte.[4] Während diesem Virus nur wenig entgegengesetzt werden konnte, was auch und gerade die deutsche Bakteriologie erschütterte, die sich für längere Zeit fälschlicherweise an der Identifizierung eines vermeintlich schuldigen Bakteriums (!) abarbeiten sollte,[5] gab es bei der Erforschung des Fleckfiebers im selben Zeitraum bald große Fortschritte. Die Entwicklung eines Fleckfieberimfpstoffs in Lemberg (Lwów)Der in Lemberg studierte Entomologe und Histologe Rudolf Weigl, der sich in Wien in Bakteriologie weitergebildet hatte, begann zunächst in Kriegsgefangenenlagern in Tarnów und Przemyśl mit seinen Forschungen am Fleckfieber. Dort legte er die Grundlage für seine Impfstoffentwicklung, die er an der Universität Lemberg fortführte. Er konnte dabei auf viele vorangegangene Forschungen aufbauen, die nötig gewesen waren, um den Erreger verlässlich zu identifizieren, der innerhalb der Kleiderlaus für die Auslösung der Krankheit verantwortlich war. Dieser hatte schließlich vom am Hamburger Tropeninstitut beschäftigten brasilianischen Mediziner Henrique da Rocha Lima den Namen Rickettsia prowazeki erhalten, benannt nach dem US-amerikanischen Mikrobiologen Howard Taylor Ricketts und dem tschechisch-österreichischen Bakteriologen Stanislaus von Prowazek, die beide während ihrer Forschungen dem Fleckfieber erlagen, Ricketts 1910 in Mexiko und Prowazek 1915 in Cottbus. Rudolf Weigl im Laboratorium, Datum unbekanntUm Filtrat für den Impfstoff zu erhalten, musste Weigl auf dem in vielen, meist in peripheren Gegenden – nämlich den Orten großer Epidemien – erworbenen und eng an Personen gebundenen Wissen aufbauen, das auch dazu diente, viele praktische Probleme zu lösen. Es galt, zunächst gesunde Läuse zu züchten, diese mittels ausgefeilter Gerätschaften zu infizieren und in kleinen fixierbaren Käfigen – die kurz zuvor von Rocha-Limas Kollegin Hilde Sikora[6] entwickelt worden waren – so zu halten, dass sie sich vom Menschen ernähren konnten ohne Gefahr der Entweichung. Die Übertragung der Krankheit erfolgte nicht durch den Biss der Läuse, sondern durch das Eintragen ihrer Ausscheidungen beim Kratzen. Trotzdem blieb die Läusefütterung durch den Menschen ein gefährliches Unterfangen, das zunächst im Selbstversuch und an Mitarbeitenden ausprobiert wurde. Auf dem Höhepunkt der Erkrankung der Läuse wurden diese getötet und aus ihrem Darm, mit einer besonders hohen Konzentration der Rickettsia, der Impfstoff hergestellt. Nach einer dreimaligen Impfung mit dem Präparat überlebten viele Probanden auch während Fleckfieberepidemien. Die Ergebnisse wurden publiziert, und viele Forscher kamen nach Lemberg, um die nötige Arbeit genau zu studieren, die im Laufe der 1930er Jahre im größeren Stil praktisch ausprobiert wurde.[7] Rudolf Weigls Fleckfieberimpfstoff, Ausstellungdisplay im Museum POLIN in WarschauLiteraturKatharina Kreuder-Sonnen, Wie man Mikroben auf Reisen schickt. Zirkulierendes bakteriologisches Wissen und die polnische Medizin, 1885–1939. Tübingen 2018.O. Gsell, W. Mohr (Hrsg.), Infektionskrankheiten. In vier Bänden, Bd. IV: Rickettsiosen und Protozoenkrankheiten, Berlin u. a. 1972.Ute Caumanns, Fritz Dross, Anita Magowska (Hg.), Medizin und Krieg in historischer Perpsektive / Medycyna i wojna w perspektywie historycznej, Frankfurt a. M. 2012.Laura Spinney, 1918. Die Welt im Fieber. Wie die Spanische Grippe die Gesellschaft veränderte, München 2018. [1] Es ist verschiedentlich darauf hingewiesen worden, dass bei der politischen Planung der Seuchenbekämpfung und ihrer gesellschaftlichen Auswirkungen ein Befragen des bereits geschichtswissenschaftlich Erforschten mitunter hilfreich, wenn nicht gar geboten sein kann – s. dazu etwa Anthony Sheldon, Why every government department needs a resident historian, in: Prospect, 1. Mai 2020, https://www.prospectmagazine.co.uk/politics/government-department-chief-historian-whitehall-number-10-coronavirus-covid-brexit (9.6.2020). Zur Auswirkung militärischer Rhetorik vgl. u. a. Christoph Laucht , Susan T. Jackson, Soldiering a pandemic: the threat of militarized rhetoric in addressing Covid-19, in: History & Policy, 24. April 2020, http://www.historyandpolicy.org/opinion-articles/articles/soldiering-a-pandemic-the-threat-of-militarized-rhetoric-in-addressing-covid-19.
[2] Katharina Kreuder-Sonnen, Wie man Mikroben auf Reisen schickt. Zirkulierendes bakteriologisches Wissen und die polnische Medizin, 1885–1939. Tübingen 2018, hier und zum Folgenden S. 121–139.
[3] Kreuder-Sonnen, Wie man Mikroben auf Reisen schickt, S. 139.
[4] Zur Spanischen Grippe s. Laura Spinney, 1918. Die Welt im Fieber. Wie die Spanische Grippe die Gesellschaft veränderte, München 2018.
[6] Kreuder-Sonnen, Wie man Mikroben auf Reisen schickt, S. 243–254.
[7] Lesław Portas, Rudolf Weigl – jego szczepionka przeciwtyfusowa a wojna / Rudolf Weigl, sein Flecktyphusimpfstoff und der Krieg, in: Ute Caumanns, Fritz Dross, Anita Magowska (Hg.), Medizin und Krieg in historischer Perpsektive / Medycyna i wojna w perspektywie historycznej, Frankfurt a. M. 2012, S. 173–187.
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Mit seiner neuesten Publikation "Resonanz: Eine Soziologie der Weltbeziehung" folgt Prof. Dr. Hartmut Rosa von der Friedrich-Schiller-Universität in Jena einem in der Soziologie traditionell gewordenem Problem: Was könnte die Antwort auf Entfremdung sein? Im Interview erklärt uns einer der sichtbarsten Soziologen im deutschsprachigen Raum, was es mit dem Begriff "Resonanz"...
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Am 15./16. Juni 2012 fand an der Hochschule Fulda, Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften, eine Arbeitstagung der Sektion Wissenssoziologie zum Thema "Wer oder was handelt? Die Handlungsfähigkeit von Subjekten zwischen Strukturen und sozialer Praxis" statt. Wie in dem der Tagung vorausgehenden Konzeptpapier expliziert, zielte die Veranstaltung insbesondere darauf ab, unter diesem...
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von Gerdis Wischnath und Miriam Emefa Dzah Der Begriff vom 'Raum' ist für Geograph*innen Kern ihrer wissenschaftlichen Identität und zentrales Konzept in geographischem Denken und Forschen. Auch in den Sozial- und Kulturwissenschaften spielen Aspekte der Raumbezogenheit von Gesellschaft, Politik und Kultur für viele Fragen eine wichtige Rolle. Was allerdings 'Räume' ausmacht, wie wir sie begreifen … „Raum“ weiterlesen
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Verfasst von Andreas Schulz Über Fremdheit ist schon viel geschrieben worden. Sie stellt einen der grundlegendsten sozialwissenschaftlichen Untersuchungsgegenstände dar und mündet in Spezialdiskurse um Identität, Heimat, Entfremdung und schlussendlich in der sogenannten Überfremdung (vgl. Vorländer et al. 2017). In einer globalisierten Welt, in der Stadt- und Landbewohner_innen leben, ist das...
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Der derzeitig am Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin als Gastprofessor arbeitende Politikwissenschaftler Samuel Salzborn gilt als einer der renommiertesten Experten zum Antisemitismus. Sein neues Buch bietet eine strukturanalytische und weltgeschichtliche Perspektive, die einerseits pointiert den Stand der theoretischen Antisemitismusforschung widerspiegelt, andererseits schlüssig das Phänomen des Antisemitismus zu erhellen in...
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Das Thema der Sektionsveranstaltung beim Kongress der DGS in Bochum geht zurück auf einen Vorschlag des Organisators bei der Mitgliederversammlung der Sektion in Koblenz. Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass in der gegenwärtigen Konjunktur des Kulturbegriffs die historische Dimension von Kulturphänomenen – jedenfalls in der Soziologie – tendenziell aus dem Blickfeld...
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Bereits ein kurzer Blick in die reiche programmatische Literatur und in die nicht zu überschauende Zahl von empirischen Studien, die im Bereich der Sozialgeschichte bzw. Historischen Sozialwissenschaft zu verorten sind, verdeutlicht, dass eine genaue Definition des damit verbundenen Forschungsansatzes schwerfallen muss. Zudem haben sich Gegenstandsbereich, Leitfragen, Theorien und Methoden der...
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"Es ging zu Ende", das "Goldene Zeitalter" des Imperialismus. Und "die Münder öffneten sich allein; die gelben und schwarzen Stimmen sprachen zwar noch von unserem Humanismus, aber nur, um uns unsere Unmenschlichkeit vorzuwerfen."[1] So beschrieb Jean-Paul Sartre zu Beginn der 1960er-Jahre einen der zentralen Aspekte des Prozesses der Dekolonialisierung: die bisher...
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Das Lokale in globaler Perspektive und der archimedische Punkt der Weltgeschichte: Beim Workshop der School of History in Freiburg (FRIAS) streiten sich die Experten über das angemessene Verhältnis von Weltgeschichtsschreibung und Makrosoziologie Die Soziologie hat sich in die Gegenwart zurückgezogen – das war die Antwort von Norbert Elias auf die...
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In der Reihe zur arabischen Soziologie ging es im ersten Teil um die Soziologie beziehungsweise Sozialwissenschaft Ibn Khalduns, der als Vordenker der arabischen Soziologie bezeichnet werden kann und auf den sich diverse arabischen Soziolog_Innen beziehen. Im zweiten Teil werde ich die soziologischen Theorien diskutieren, die durch die europäische Soziologie beeinflusst worden...