'Globale Gesundheitsprobleme haben in den letzten Jahren mehr als in früheren Jahrzehnten die Aufmerksamkeit der Menschen auch in den Industrieländern erregt. Dies betraf vor allem tödliche Infektionskrankheiten: Nach der AIDS-Pandemie folgten SARS und in den vergangenen Monaten die Vogelgrippe: Auch wenn diese im Augenblick in Europa aus den Schlagzeilen geraten ist, werden aus Afrika weiter steigende Infektionszahlen gemeldet. Allerdings sind in den letzten Monaten auch wichtige Weichenstellungen im Bereich von 'Global Health Governance' erfolgt (International Health Regulations, Forschung und Entwicklung zu Medikamenten). Die veränderten globalen Rahmenbedingungen durch den Globalisierungsprozess verlangen neue Formen des politischen und finanziellen Engagements in der globalen Gesundheitspolitik, die die Möglichkeiten der bis in die 1990er-Jahre hinein diesen Sektor dominierenden internationalen Organisationen (WHO, Weltbank, UNICEF) erheblich übersteigen. Dies betrifft vor allem folgende Aspekte: Die Bedrohung durch Infektionskrankheiten aufgrund steigender Mobilität und wachsender Resistenz von Krankheitserregern gegen Antibiotika nimmt zu. Die schlechte Gesundheitssituation in armen Ländern wird als Hindernis für Entwicklung und ein Faktor für politische Instabilität wahrgenommen. Die Liberalisierung der Welthandelsordnung und vor allem das TRIPS-Abkommen implizieren zweifelhafte - vor allem an der erwarteten zahlungsfähigen Nachfrage orientierte - Anreize für medizinische Innovationsprozesse, die Patienten in armen Ländern tendenziell vernachlässigen. Als Reaktion auf globale Gesundheitsprobleme lässt sich eine erhebliche Stärkung zivilgesellschaftlicher Organisationen und die Entstehung neuartiger Organisationsformen (vor allem Global Public Private Partnerships) beobachten. Diese stärken zwar die in der globalen Gesundheitspolitik verfügbaren politischen und finanziellen Ressourcen, führen aber immer mehr zu Koordinationsproblemen.' (Autorenreferat)
Gesundheit und Medizin werden zunehmend von Faktoren beeinflusst, die über nationale Gesundheitssysteme und traditionelle Ländergrenzen hinausgehen. Der Fluss und Austausch von Waren, Informationen, Arbeitskräften, Patienten und Krankheitserregern zwischen Ländern verändert unser Verständnis von Gesundheit, den Determinanten von Gesundheit und die Art und Weise in der Medizin praktiziert wird. Weltweit wird zunehmend gefordert die medizinische Ausbildung an den Einfluss der Globalisierung anzupassen, unter anderem durch die Integration von Global Health in das medizinische Curriculum. Doch bis jetzt gibt es keine einheitliche Definition oder einheitliches Verständnis von Global Health. Diese Studie verwendet ein auf der Grounded Theory-Methodologie basierendes Mixed-Method-Design, um besser zu verstehen, wie GH in der medizinischen Ausbildung in Deutschland unterrichtet wird. Wir haben zehn Interviews mit elf Experten geführt und eine Online-Umfrage im Rahmen der Teilnehmervalidierung angeschlossen. Dabei ging es darum das Verständnis von GH, die Unterrichtsinhalte und die didaktische Vorgehensweise von Global Health-Lehrenden in Deutschland zu explorieren. Die Interviewinhalte wurden in vier Hauptfragen kategorisiert: (1) Was ist Global Health? (2) Welche Themen gehören zu Global Health? (3) Wie kann Global Health unterrichtet werden? und (4) Was ist wichtig für die Zukunft von Global Health? Als Ergebnisse zeigen wir die historische Entwicklung von Global Health, die Beziehung zu Public Health, International Health und Tropenmedizin, die Unterrichtsinhalte und -ziele, die Zielgruppen des Global Health-Unterrichts, Unterrichtsformen, didaktische Ansätze, Wege wie Global Health in das medizinische Curriculum integriert werden kann und Ideen zur Zukunft von Global Health im Allgemeinen und in der deutschen medizinischen Ausbildung. Das zentrale Ergebnis dieser Studie ist das Verständnis von Global Health als Umbrella Term. Dieser Begriff wurde von einem der interviewten Experten in einem Nebensatz verwendet und fand in einer Reihe der Interviews großen Anklang. Die Metapher des "Umbrellas" haben wir dann weiterentwickelt, um am Beispiel des Schirmes ("Umbrella"), der hinter einer Lichtquelle einen Kernschatten und einen umgebenden Halbschatten wirft, das Verhältnis zwischen Global Health und anderen Disziplinen wie Public Health, International Health und Tropenmedizin zu verdeutlichen und aufzuzeigen, wie einige Themen zum klaren Kern von Global Health gehören, während andere eher vom diffuseren Halbschatten abgedeckt werden. Im Kern von Global Health steht demnach das Verständnis der supraterritorialen Determinanten von Gesundheit. Diese Determinanten überschreiten traditionale Grenzen und Territorien und werden in der Regel nicht durch traditionelle Modelle der sozioökonomischen Gesundheitsdeterminanten erfasst. In unserem abschließenden Modell zeigen wir, wie das konkret aussehen kann, insbesondere für die medizinische Ausbildung. Global Health erfordert auf Grund seiner bereits im Namen enthaltenen Globalität und der damit verbundenen Komplexität einen transdisziplinären Ansatz und innovative Unterrichtsformen. Wir zeigen, wie diese in das medizinische Curriculum integriert werden können und dem übergeordneten Ziel dienen, Ärztinnen und Ärzte für das 21. Jahrhundert auszubilden mit einem Verständnis für die globalen Abhängigkeiten und deren Einfluss auf die Gesundheit, mit interkulturellen Kompetenzen und einem transformativen Ansatz, der Verantwortungsübernahme, sowie ein moralisches und politisches Bewusstsein fördert. Nach unserem Kenntnisstand ist dies die erste Studie, die ausführliche Interviews mit Global Health-Lehrenden in der medizinischen Ausbildung nutzt, um deren Global Health-Verständnis und -Praxis zu erkunden. Das Verständnis von Global Health als Umbrella Term ist dabei ein neues Konzept, dass einige der Diskrepanzen zwischen bisherigen Global Health-Definitionen zusammenführt. Mit den supraterritorialen Determinanten von Gesundheit als genuiner Kern von Global Health wird eine sauberere Definition und Abgrenzung zu anderen Disziplinen, Fächern und Feldern erleichtert. Das Global Health-Verständnis der von uns interviewten Lehrenden in der medizinischen Ausbildung spiegelt dabei die internationalen Diskussionen um die normativen Ansprüche und das koloniale Erbe von Global Health wider. Das Bewusstsein für diese Themen kann dabei zu einer Stärkung der Sozialwissenschaften innerhalb der medizinischen Ausbildung und damit einem tiefergehenden Verständnis von Medizin im Allgemeinen beitragen. Die Analyse der deutschen Global Health-Landschaft und der aktuellen politischen Entwicklungen belegt die Relevanz von Global Health in der heutigen Gesellschaft und seine wachsende Bedeutung im nationalen und internationalen politischen Geschehen. Das Verständnis von Global Health als Umbrella Term hat das Potential die weitere Zukunft von Global Health in Lehre, Forschung und Praxis mitzugestalten. Die Integration von Global Health in das medizinische Curriculum trägt dazu bei, Gesundheitsfachkräfte auf die Bedürfnisse einer globalisierten Welt in unserer Zeit vorzubereiten.
Frontmatter -- Geleitwort -- Inhalt -- Verzeichnis der Autoren -- Eine Einführung in die Globale Gesundheit -- Teil I: Allgemeine Einführung -- 1 Zahlen, Fakten und Risiken -- 2 Kultur und Verhalten -- 3 Soziale Determinanten von Gesundheit und gesundheitlicher Ungerechtigkeit -- 4 Gesundheit und Menschenrechte: Das Recht auf Gesundheit -- 5 Ethik -- Teil II: Globalisierung und Nachhaltigkeit -- 6 Globalisierung und Gesundheit -- 7 Globale Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsziele -- 8 Umwelt und Globale Gesundheit -- 9 Welternährung und Globale Gesundheit -- Teil III: Gesundheit und Krankheit -- 10 Gesundheit im Lebensverlauf -- 11 Infektionskrankheiten -- 12 Nichtübertragbare Erkrankungen -- 13 Globale Seelische Gesundheit -- Teil IV: Führung und Steuerung -- 14 Organisierte Akteure der Globalen Gesundheit -- 15 Die WHO als zentrales Forum der globalen Gesundheitspolitik -- 16 Globale Gesundheitspolitik aus analytischer und anwendungsorientierter Sicht -- 17 Gesundheit in humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit -- Teil V: Planung und Umsetzung -- 18 Gesundheitssysteme weltweit: beschreiben, verstehen, verbessern -- 19 Ökonomie und globale Gesundheit -- 20 Ökonomische Bewertung in der globalen Gesundheit -- 21 Gesundheitspersonal und die SDGs: globale Herausforderungen, neue Strategien und Politikgestaltung -- Stichwortverzeichnis
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Die folgenden Links führen aus den jeweiligen lokalen Bibliotheken zum Volltext:
In: Schweizerische Ärztezeitung: SÄZ ; offizielles Organ der FMH und der FMH Services = Bulletin des médecins suisses : BMS = Bollettino dei medici svizzeri, Band 91, Heft 23, S. 895-895
Human, animal and plant health is a field of work which offers opportunities for inter- and trans-disciplinary research. The whole topic bridges the natural and social sciences. Today, in a world of global environmental change it is widely recognized that human societies and their wellbeing depend on a sustainable equilibrium of ecosystem services and the possibility of cultural adaptation to global environmental change. The need to identify and quantify health risks related to global environmental change is now one of the most important challenges of humankind. Describing spatial (geographic, intra/inter-population) and temporal differences in health risks is an urgent task to understand societies' vulnerabilities and priorities for interventions better. The Göttingen International Health Network (GIHN) is a research and teaching network in relation to this cross-cutting topic. The book provides a collection of articles which contribute to this issue of overriding importance and presents an overview of the GIHN launch event. - Human, animal and plant health is a field of work which offers opportunities for inter- and trans-disciplinary research. The whole topic bridges the natural and social sciences. Today, in a world of global environmental change it is widely recognized that human societies and their wellbeing depend on a sustainable equilibrium of ecosystem services and the possibility of cultural adaptation to global environmental change. The need to identify and quantify health risks related to global environmental change is now one of the most important challenges of humankind. Describing spatial (geographic, intra/inter-population) and temporal differences in health risks is an urgent task to understand societies' vulnerabilities and priorities for interventions better. The Göttingen International Health Network (GIHN) is a research and teaching network in relation to this cross-cutting topic. The book provides a collection of articles which contribute to this issue of overriding importance and presents an overview of the GIHN launch event.
Human, animal and plant health is a fi eld of work which offers opportunities for inter- and trans-disciplinary research. The whole topic bridges the natural and social sciences. Today, in a world of global environmental change it is widely recognized that human societies and their wellbeing depend on a sustainable equilibrium of ecosystem services and the possibility of cultural adaptation to global environmental change. The need to identify and quantify health risks related to global environmental change is now one of the most important challenges of humankind. Describing spatial (geographic, intra/inter-population) and temporal differences in health risks is an urgent task to understand societies` vulnerabilities and priorities for interventions better. The Göttingen International Health Network (GIHN) is a research and teaching network in relation to this cross-cutting topic. The book provides a collection of articles which contribute to this issue of overriding importance and presents an overview of the GIHN launch event.
Die SARS-Covid-19 Pandemie legte neben der kapitalistischen auch die koloniale Matrix von Macht im globalen Gesundheitssystem offen. Verschiedene zivilgesellschaftliche Bewegungen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene kritisierten in den sozialen Medien oder auf den Straßen die Herrschaftsstrukturen in den Gesundheitssystemen. Der folgende Beitrag greift die Kritik dieser Bewegungen auf und rückt die Krankenpflege als einen neuralgischen Kern der Gesundheitsversorgung sowie Krankenpfleger*innen als zentrale Gesundheitsakteur*innen ins Zentrum der Analyse. Leitende Fragestellungen sind, wie sich die Kolonialität der Macht in zwei historischen Phasen der Organisierung von Krankenpflege manifestiert hat und wie die strukturellen, diskursiven und subjektiven Dimensionen der Kolonialität in der professionellen Krankenpflege historisch und aktuell verflochten sind.
Through qualitative analysis of materials from ethnographic observations and governance documents, and along an analytic framework of infrastructure, this paper examines the ambivalences of care in and of Global Health Security. Global Health Security's occupation with preparing health systems for an appropriate emergency response is accompanied by the problem of allocating responsibility for this preparedness capacity buildup. The paper argues that a universalist narrative of globally shared vulnerability to infectious disease threats drives Global Health Security as a global governance programme. It is shown how this narrative securitizes existing vulnerabilities in health infrastructures and how Global Health Security thereby functions as a reflexivization of former infrastructural adjustment programmes, which co-constituted these vulnerabilites in the first place. Against the backdrop of the problematic emergency response to the Ebola outbreak in the Democratic Republic of Congo, the concept of response-ability – developed in neo-materialist and posthumanist feminism – helps to contour the ambivalences of Global Health Security's care. While certain infrastructural vulnerabilities and provisional needs are being addressed, the caring security employed in Global Health fails to respond to other, obvious infrastructural vulnerabilities.
Through qualitative analysis of materials from ethnographic observationsand governance documents, and along an analytic framework of infrastructure,this paper examines the ambivalences of care in and of GlobalHealth Security. Global Health Security's occupation with preparinghealth systems for an appropriate emergency response is accompanied bythe problem of allocating responsibility for this preparedness capacitybuildup. The paper argues that a universalist narrative of globally sharedvulnerability to infectious disease threats drives Global Health Security asa global governance programme. It is shown how this narrative securitizesexisting vulnerabilities in health infrastructures and how Global HealthSecurity thereby functions as a reflexivization of former infrastructural adjustmentprogrammes, which co-constituted these vulnerabilites in thefirst place. Against the backdrop of the problematic emergency response tothe Ebola outbreak in the Democratic Republic of Congo, the concept ofresponse-ability – developed in neo-materialist and posthumanist feminism– helps to contour the ambivalences of Global Health Security's care.While certain infrastructural vulnerabilities and provisional needs are beingaddressed, the caring security employed in Global Health fails to respondto other, obvious infrastructural vulnerabilities.
Deutschland übernimmt in der zweiten Jahreshälfte 2020 die EU-Ratspräsidentschaft. Im Trio mit Portugal und Slowenien, die in dieser Funktion nachfolgen werden, sollte die Bundesregierung den Vorsitz nutzen, um die Rolle der EU in der globalen Gesundheitspolitik zu stärken. Auf diesem Feld richtet die EU den Fokus in der Außendimension bislang vor allem auf den Infektionsschutz, aktuell auch in Reaktion auf den Ausbruch des Coronavirus (Covid-19). Um einen Beitrag zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen zu leisten, sollte sie den Blick jedoch stärker auf umfassende Gesundheitssysteme richten. Dafür braucht es auf EU-Ebene einen intersektoralen und präventiven Ansatz. Dies öffnet die Tür für kohärente Zusammenarbeit, Allianzen und eine menschenzentrierte Politik in Einklang mit europäischen Werten. (Autorenreferat)
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