BUILDING A STRATEGIC PARTNERSHIP: A REVIEW OF RELATIONS BETWEEN ASEAN AND THE ILO
In: ASEAN Matters!, S. 273-279
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In: ASEAN Matters!, S. 273-279
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 1384-1397
"Selbsttötung ist eine höchst individuelle und extreme Handlung und in psychopathologischer Sichtweise Symptom einer Krankheit. Danach sind psychische Störungen und Suchtkrankheiten die wesentlichen Einflussgrößen auf die gegen die eigene Person gerichtete Aggression, die sich in Suizidalität niederschlägt. In soziologischer Sichtweise ist Suizidalität Ausdruck eines Ungleichgewichts zwischen den Bedürfnissen einer Person und den normativen Vorgaben einer kollektiven Ordnung, die die individuellen Möglichkeiten zur Bedürfnisbefriedigung massiv einschränkt (Durkheim). Dies kann der Fall sein in gesellschaftlichen oder individuellen Krisensituationen, wenn die Möglichkeiten der Bedürfnisbefriedigung sinken. Von daher wird der Anstieg der Suizidalität im höheren Lebensalter zumeist mit der Zunahme von kritischen Lebensereignissen und Einschränkungen in der gesellschaftlichen Teilhabe begründet. Übersehen wird dabei jedoch, dass die Ressourcen zum Umgang mit der erhöhten Vulnerabilität in dieser Lebensphase ungleich verteilt sind. Von daher erscheint es fraglich, ob 'Lebensmüdigkeit' im höheren Lebensalter tatsächlich vor allem durch Alter oder Krankheit beeinflusst ist. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass es sich um einen multikausal und mehrdimensional bedingten Zustand handelt. Anhand der Leistungsdaten der Gmünder Ersatzkasse (GEK) lässt sich die Frage beantworten, welche Bedingungen Suizidalität im höheren Lebensalter beeinflussen. Grundlage der Analysen bilden die individuellen und im Längsschnitt verknüpften Angaben der GEK-Versicherten. Berücksichtigt werden über 60-jährige Versicherte mit einer nach ICD-10 diagnostizierten Suizidalität in den Jahren 2001 und 2005. Die GEK war ursprünglich eine süddeutsche Arbeiter-Ersatzkasse. Von daher sind auch heute noch unter den versicherten Älteren Männer und frühere Metallarbeiter überrepräsentiert. Die Suizidalität wird daher für Männer und Frauen getrennt untersucht und nach Familienstand sowie früherer Erwerbstätigkeit differenziert betrachtet. Darüber hinaus wird das Krankheitsgeschehen der letzten 24 Monate vor der Diagnose von Suizidalität mit einbezogen." (Autorenreferat)
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Die Regierung kürzt bei der jungen Generation? Ja, stimmt. Umso mehr wundert, dass sich die öffentliche Empörung auf die geplanten Einsparungen beim Elterngeld konzentriert.
AN DIESEM MITTWOCH soll das Bundeskabinett den Haushaltsentwurf für 2024 beschließen. Was das für Bildung und Forschung bedeutet, habe ich bereits aufgeschrieben. Die Kernaussage: BMBF-Chefin Bettina Stark-Watzinger hat sich in den
Verhandlungen insgesamt gut geschlagen. Vielleicht weil sie wie Finanzminister Christian Lindner FDP ist, vielleicht weil die Ampel das mit der Prioritätensetzung für Bildung und Forschung ernst
meint. Wobei letztere Vermutung zumindest bei der Bildung nur mit Blick auf die eingeplante zusätzliche ( in 2024 zunächst halbe) Bildungsmilliarde aufrechtzuerhalten ist.
Nicht aber mit Blick auf das BAföG: Die Ausbildungsförderung soll rechnerisch den gesamten Sparbeitrag des Ministeriums erbringen (rund 500 Millionen Euro) und sogar noch mehr. Vor dem
Hintergrund, dass vor allem das Studierenden-BAföG schon jetzt faktisch kaputt ist, ist das bitter. Nicht bitter,
aber nachdenklich stimmt mich, dass darüber bislang kaum diskutiert wird, es dafür aber eine massive öffentliche Debatte über die geplante Kürzung beim Elterngeld gibt. Gestern Abend der
Aufmacher in der Tagesschau, heute Morgen allein beim Spiegel dazu drei Top-Meldungen. Die Aufregung ist so groß, dass sich FDP und Grüne inzwischen gegenseitig vorhalten, wer
die Kürzung (nicht) erfunden hat.
Um einmal die Dimensionen zu vergleichen: Nur etwas mehr als elf Prozent der Studierenden bezogen zuletzt BAföG, obwohl je nach Statistik ein Drittel und mehr als armutsgefährdet gilt. Umgekehrt
wären von der Elterngeldkürzung, so kritikwürdig sie aus gleichstellungspolitischer Perspektive ist, nach Schätzungen maximal fünf Prozent der potenziellen Eltern betroffen. Die mit dem höchsten
Einkommen – während 95 Prozent die Leistung weiter bekämen. Können Sie verstehen, warum ich die Verteilung der öffentlichen Aufmerksamkeit schräg finde?
Natürlich wäre es am besten, wenn gar nicht bei der jungen Generation oder den Familien gespart würde. Aber jene, die sich nach eigener Aussage genau deshalb über die Elterngeld-Kürzung erregen,
müssten sich dann mit gleicher Verve fürs BAföG einsetzen –und erst recht dafür, dass die versprochene Kindergrundsicherung bald kommt, und zwar in einer vernünftig ausgestatteten, nicht um
Milliarden gekürzten Version.
So bleibt der Eindruck, dass Gesellschaft und Medien auch den Ampel-Sparhaushalt durch die Brille der gut verdienenden Mittelschicht betrachten – und das Wohlergehen von Kindern, Jugendlichen und
jungen Erwachsenen aus ärmeren Familien in der Debatte bestenfalls eine Außenseiterrolle spielt.
Dieser Kommentar erschien heute zuerst in meinem Newsletter.
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200 bis 400 Millionen Euro stehen angeblich auf der Streichliste, Finanzministerium verweist auf die Entscheidungsfreiheit des Wirtschaftsministeriums.
DIE KOALITIONSINTERNEN Abstimmungen um den Sparhaushalt 2024 gehen in die Endrunde, nächsten Mittwoch soll Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) seinen Entwurf im Kabinett präsentieren.
Noch immer ist es der Ampel gelungen, wesentliche Details der geplanten Kürzungen aus der Öffentlichkeit herauszuhalten, aber das, was durchsickert, löst zum Teil Widerstand auf höchster Ebene
aus.
So protestierte vergangenen Freitag die Wirtschaftsministerkonferenz der Länder gegen die Kürzungspläne des Bundes unter anderem beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die
"dringend notwendige weitere Förderung der 30 Standorte des DLR" sei "in voller Höhe auch zukünftig sicherzustellen, hieß es in der vom Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und
Digitale Gesellschaft verbreiteten Pressemitteilung.
Womit die Wirtschaftsminister überhaupt erst aufmerksam darauf machten, dass da etwas im Busch zu sein scheint. Was aber genau soll beim DLR eigentlich gekürzt werden, wo und wieviel?
Das Bundesfinanzministerium schickte auf meine diesbezügliche Presseanfrage hin seine derzeitige Standardantwort: Lindner habe den Ressorts mitgeteilt, "welche Haushaltsmittel ihnen jeweils
absolut zur Verfügung stehen. Die Ressorts sind nun aufgefordert, eigenverantwortlich die Ausgestaltung ihrer jeweiligen Plafonds vorzunehmen." Die sogenannte Schichtungsfreiheit bleibe erhalten,
dieses Verfahren sei vorab mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) so abgestimmt worden.
Womit das Finanzministerium immerhin eine interessante Darstellung der Situation lieferte: Das Bundeswirtschaftsministerium von Habeck, in dessen Zuständigkeit das DLR und der Großteil seiner
Finanzierung liegt, wäre demnach frei darin zu entscheiden, ob es beim DLR oder anderswo kürzt. Ist das so? Der Druck Landeswirtschaftsminister richtet sich jedenfalls allgemein an den Bund
und speziell ans Bundesfinanzministerium, das so die Warnung der Ressortchefs, angeblich auch 300 Millionen Euro Bundesmittel in der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen
Wirtschaftsstruktur" (GRW) streichen will.
Wer auch immer am Ende entscheidet: Habecks Ministerium ließ meine Anfrage nach geplanten Kürzungen beim DLR, ihren Umfang und ihre Ausrichtung, gänzlich unbeantwortet. Inoffiziell kursiert
zwar eine Größenordnung von 200 bis 400 Millionen Euro, die das DLR einsparen müsse. Doch abgesehen davon, ob die Angaben stimmen, ist unklar, wo es Abstriche geben würde: von der
Grundfinanzierung, die inklusive Investitionsmittel dieses Jahr mit rund 785 Millionen Euro im Haushaltsansatz stand, von den Drittmitteln des Bundes, die ebenfalls hunderte Millionen
umfassen, oder von beidem? Und in welchem Zeitraum? Nur 2024, was kaum vorstellbar wäre, 2024 und 2025 kombiniert – oder über einen noch längeren Zeitraum?
Ein Sprecher des DLR kommentierte auf Anfrage lediglich: "Die von Ihnen zitierten Aussagen zum DLR, resultierend aus den Gesprächen der Wirtschaftsminister, sprechen für sich. Ich möchten diesen
nichts hinzufügen."
Thüringens Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) betonte, das DLR bringe Forschungsleistungen weit über die Themen Luft- und Raumfahrt hinaus. "Für die Bewältigung des Klimawandels
braucht es Lösungsansätze auf den Feldern Energie, Mobilität, Sicherheit und Quantentechnologie, hier ist die Expertise des DLR auch weiterhin essentiell."
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Wenn Fördermittel gestrichen werden, ist der Aufschrei meist groß, auch in der Wissenschaft. Dabei wäre Differenzierung oft angebracht.
Foto: Tim Reckmann, CCO.
"EINE KATASTROPHE für die Sozialwissenschaften", erkannte die taz vergangene Woche angesichts der Mitteilung, dass das Hamburger Institut für
Sozialforschung (HIS), einst gegründet und bis heute finanziert durch Jan Philipp Reemtsma, 2028 schließen soll. Ausgerechnet der Ort, befand die taz, wo empirische und unabhängige
Sozialforschung stattfinde, die an Universitäten immer weniger möglich sei.
Und als bekannt wurde, dass die Ampel-Koalition eine dreistellige Millionensumme bei der Förderung der Batteriezellforschung einsparen wollte, warnten die im "Kompetenznetzwerks
Lithium-Ionen-Batterien" (KLiB) organisierten Forscher und Unternehmen vor "dramatischen Konsequenzen" und dem "Ende der deutschen Batterieforschung". KLiB-Geschäftsführer Michael Krausa sagte
laut Tagesspiegel Background, die wertvolle Struktur "Dachkonzept Batterieforschung" könne so nicht aufrechterhalten werden.
Die Reaktionen sind fast immer die gleichen: Soll etwas geschlossen, sollen Fördermittel wegfallen, passiert das immer genau an der falschen Stelle, steht die ganze Zukunft auf dem Spiel. Da ist
die Wissenschaft wie andere Branchen.
Differenzierungen bleiben dann schnell auf der Strecke. Dass etwa, wie die Münchner Soziologieprofessorin Paula-Irene Villa Braslavsky anmerkte, das HIS kaum eigene empirische Sozialforschung
gemacht habe, im Gegensatz zu Steffen Mau, Jutta Allmendinger oder Olaf Groh-Samberg, die alle (auch) Uniprofessoren sind.
Oder dass besagtes "Dachkonzept Batterieforschung" vor allem eine politisch ausgehandelte Kompensation war, um diejenigen Bundesländer zufrieden zu stellen, die sich 2019 im Streit um die
Batterie-Forschungsfabrik Münster von der damaligen Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) ausgebootet fühlten. Der noch laufende Bau der Fabrik,
der übrigens nicht von den Kürzungen bedroht war, machte in den ersten Jahren wiederum vor allem durch seine Verzögerungen Schlagzeilen.
Hinzu kommt: Es war die Industrie, die, bevor sie endlich aufwachte, die Batterieforschung selbst über Jahre dramatisch vernachlässigt hatte. Und jetzt sollte ein drohendes Minus von 155 Millionen öffentlicher Projektförderung ihr den Garaus machen?
Priorisieren in der Krise
Das HIS wird aus Privatvermögen bezahlt, die Batterieforschungsförderung aus dem Staatshaushalt. Beide sind endlich, letzterer derzeit erst recht nach dem Verfassungsgerichtsurteil zum Klima- und
Transformationsfonds (KTF).
Bildung und Forschung sollten eine besondere Stellung genießen bei den öffentlichen Ausgaben. Das bedeutet aber nicht, dass nicht auch innerhalb der Forschungshaushalte priorisiert werden muss.
Weil dazu in normalen Zeiten oft der politische Mut fehlt, passiert das meist in der Krise.
Das ist nicht schön, kann aber manchmal sogar heilsam sein bei der Auflösung von Verkrustungen. Und selbst wenn dabei Fehler passieren, täte es dem öffentlichen Diskurs gut, auch in der Forschung
die Empörungstonlage herunterzudimmen.
In seiner Bereinigungssitzung am Donnerstag hat
der Haushaltsausschuss des Bundestages die Kürzung übrigens abgeschwächt – um zunächst 20 Millionen Euro für 2024 und insgesamt 70 Millionen. Hinzu kommt, dass viele Bundesländer eigene
Forschungsmittel in dieses Technologiefeld stecken.
Eines ist trotzdem klar: Auch künftig hängt die Batterieforschung in Deutschland vor allem von der Bereitschaft der Unternehmen ab, weiter kräftig zu investieren. Und zwar Milliarden.
Dann können sie sich übrigens mehr staatliche Förderung holen, als durch die eingesparten Millionen aus dem Klima- und Transformationsfonds verlorengehen. Die steuerliche Forschungszulage macht
es möglich.
Dieser Kommentar erschien in gekürzter Fassung zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im Tagesspiegel.
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Nach Anlaufschwierigkeiten scheint die Berlin University Alliance in diesem Jahr aus dem Vollen zu schöpfen. Doch noch ist nicht klar, ob der Senat das auch mit einem finanziellen Zeichen honoriert.
Den Exzellenzverbund im Visier? Kai Wegner vor der BUA-Torwand (Screenshot von der Website der
Berlin University Alliance).
ES HAT LANGE GEDAUERT, aber endlich scheint die Berlin University Alliance (BUA), der deutschlandweit einzige Exzellenzverbund mehrerer Universitäten, in Fahrt zu kommen. So sehr, dass der
Hauptausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses vor drei Wochen mehr als neun Millionen Euro Landesunterstützung für die BUA-Universitäten freigab, die zuvor teilweise über Jahre in der
Haushaltsrücklage geschlummert hatten.
"Wir brauchen jetzt jeden Euro", sagt Geraldine Rauch, Präsidentin der Technischen Universität (TU) Berlin und Sprecherin der BUA. Und sie appelliert an den Senat, die BUA-Gelder des kommenden
Doppelhaushaltes wieder vollständig in den Haushalt einzustellen – weil die Verbundpartner, neben der TU die Freie Universität, die Humboldt-Universität und die Charité, sonst in Verzug geraten
könnten.
Die Pandemie, Gezerre
und ein Stellenstopp
Was ist passiert: 2019 gekürt, erhält der Exzellenzverbund jährlich knapp 23,5 Millionen Euro über die Exzellenzstrategie. Wie andere Landesregierungen hatte sich auch der Berliner Senat schon in
der Bewerbungsphase bereiterklärt, weitere sechs Millionen pro Jahr draufzulegen, unter anderem zur Unterstützung von Spitzenberufungen und zusätzlichen Forschungsprojekten. Bewilligt werden sie
nach wissenschaftlichen Begutachtungen über die landeseigene Einstein-Stiftung.
Doch dann kam Corona und legte den Forschungsbetrieb teilweise und den – für die BUA strategisch besonders wichtigen – internationalen Forscheraustausch über Monate komplett lahm. Parallel machte
die BUA in ihrer Aufbauzeit häufig durch das Gezerre und Eifersüchteleien der Partner um Governance, Strategie und Zuständigkeiten von sich reden.
Als die damalige rot-rot-grüne Mehrheit im Herbst 2021 im neuen Hochschulgesetz die grundsätzliche Entfristung von Postdocs verankerte, reagierte die BUA mit vorübergehenden Stellenstopps.
All das führte dazu, dass die BUA 2020 und 2021 kaum etwas von ihren jährlich sechs Extra-Millionen ausgab. Geld, was der Senat daraufhin in die sogenannte Corona-Rücklage steckte, um es den
BUA-Verbundpartnern später auszuzahlen – durchaus großzügig. Dann jedoch weckte der über Jahre spärliche Abfluss der Exzellenzmittel Begehrlichkeiten, so dass die Finanzverwaltung für das Jahr
2023 vier der sechs Einstein-BUA-Millionen strich. Weniger großzügig. Die Botschaft: Den vollen Betrag
gibt es erst wieder, wenn ihr nachweist, dass ihr das Geld wirklich ausgeben könnt.
Das haben die BUA-Partner inzwischen gezeigt. Die Einstein-Stiftung hat ihnen allein für das laufende Jahr 27,7 Millionen Euro bewilligt, darunter zwölf Millionen für die wissenschaftliche
Projektförderung unabhängig von der BUA, 4,7 Millionen für Forschungsgruppen und 3,8 Millionen für Dual Career, Gleichstellung und Diversity. Hinzu kommen rund eine halbe Million für sogenannte
BUA Strategic Professorships und Visiting Fellows im Rahmen der BUA-Oxford-Partnerschaft. Alles Gelder, die erst ausgezahlt werden können, nachdem der Hauptaussschuss jetzt die Rücklage geöffnet
hat.
Erstmal ging Geld in die Rücklagen,
jetzt wird es ausgegeben
"Wir sind schon in die Vorfinanzierung gegangen", sagt TU-Präsidentin Geraldine Rauch und verweist auf die langen Prozesse: Allein zwischen Antrag, Begutachtung und Bewilligung durch die
Einstein-Stiftung vergingen oft viele Monate. Wenn man dann noch auf die Freigabe von Mitteln durch den Hauptausschuss warten müsse, dauere das zu lang.
"Darum muss das Geld in den regulären Haushalt, und zwar in voller Höhe. Wir haben bewiesen, dass wir es zielgerichtet ausgeben. Eine erneute Absenkung der Fördersumme auch im kommenden
Doppelhaushalt würde die Ziele der BUA im Hinblick auf die nächste Evaluation ernsthaft gefährden."
Verständnis kommt von CDU-Wissenschaftspolitiker Adrian Grasse. "Erneut gekürzt werden darf auf keinen Fall. Darüber hinaus wäre es natürlich die beste Lösung, wenn die vollen sechs Millionen
2024 direkt in den Haushalt gehen. Allerdings muss man die haushaltspolitische Situation des Landes insgesamt bedenken."
Worauf er anspielt: Die Verhandlungen um den Berliner Doppelhaushalt 2023/24 und damit auch um die Ausstattung der neuen Hochschulverträge gehen in die entscheidende Phase. An diesem Dienstag ist
Senatsbefassung, dann soll der Haushaltsentwurf beschlossen werden, um anschließend ins Abgeordnetenhaus zu gehen. Gerade erst hat die Landeskonferenz der Rektoren und Präsidenten der Berliner
Hochschulen (LKRP) in einem Brandbrief an Finanzsenator Stefan Evers (CDU) Alarm geschlagen. Sie befürchten, der schwarz-rote Senat könne hinter seinen Zusagen im Koalitionsvertrag zurückbleiben,
die Hochschulhaushalte von 2024 an um fünf Prozent pro Jahr aufzustocken.
Zwei weitere Kernpunkte sind für die Hochschulen essentiell: der Einstieg in einen "Baukorridor" zur Sanierung der Hochschulbauten und eine zusätzliche Finanzierung für die von der Politik
gewünschten zusätzlichen Studienplätze besonders zur Ausbildung künftiger Lehrkräfte, Polizeikräfte und weiterer für den öffentlichen Dienst wichtige Berufe.
„"Was das Land an zusätzlichen Leistungen bei uns Hochschulen bestellt, muss es uns auch zusätzlich finanzieren, und zwar nachhaltig, sonst können wir nicht in der erwarteten Qualität liefern",
sagt der LKRP-Vorsitzende Günter M. Ziegler, im Hauptberuf Präsident der Freien Universität.
Die Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) wiederum benötigt für ihren Polizei-Studiengang nach eigenen Angaben sechs Millionen Euro schon 2023. In den nächsten Jahren könnten es bis zu sieben
Millionen werden. Bisher finanzierte die Senatsverwaltung für Inneres die Polizei-Studienplätze extra, jetzt sollen sie Teil der Hochschulverträge werden. "Wir müssen aber feststellen, dass Stand
heute weder die Innen- noch die Wissenschaftsverwaltung dafür eine ausreichende finanzielle Vorsorge getroffen haben", sagt HWR-Präsident Andreas Zaby.
Senatorin Czyborra: Die Fünf
Prozent Aufwuchs sind sicher
Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) sagt auf Anfrage, die fünf Prozent Aufwuchs seien mit der Finanzverwaltung bereits sicher verhandelt, "das ist schon mal sehr gut und echt ein Wort." Zu
Beginn möge der Aufwuchs durch Inflation und Gehaltssteigerungen aufgefressen werden, aber über die Laufzeit von insgesamt fünf Jahren hinweg eröffneten sich da echte Spielräume für die
Hochschulen, betont Czyborra.
Was die Finanzierung der Lehrkräftebildung obendrauf angehe, habe sie ebenfalls eine Einigung mit dem Finanzsenator erzielt, "die mich sehr zuversichtlich stimmt, aber das letzte Wort hat auch
hier das Parlament." Die HWR-Studienplätze für die Polizei könnten, so die Senatorin, auch nicht aus den fünf Prozent finanziert werden, "aber da müssen wir noch zusammen mit der Senatsverwaltung
für Inneres eine Lösung finden."
Und was die BUA angehe: Das Land stehe zu seinen finanziellen Verpflichtungen, aber nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre sei es nachvollziehbar, dass die Hochschulen erst den Mittelbedarf
nachweisen müssten. Das sei darüber hinaus haushälterisch nicht unüblich. "Dass die Hochschulen über die Hochschulverträge ihr Geld zur freien Verfügung erhalten, das ist das Besondere."
Symbolischer Wert
bei den BUA-Mitteln
Auch CDU-Politiker Grasse sagt: "Wenn der Preis für die nötigen Aufwüchse der Hochschulbudgets ist, dass Teile der BUA-Gelder zunächst in die Rücklage gehen, könnte ich damit leben."
Tatsächlich nehmen sich die sechs Millionen Euro BUA-Gelder im Vergleich zu den insgesamt 1,45 Milliarden Euro, die Berlin allein dieses Jahr als Zuschuss an die Hochschulen überweist,
verschwindend gering aus. Doch hat ihre vollständige Bereitstellung für die BUA neben dem materiellen einen hohen symbolischen Wert: Bescheinigt die Politik dem Verbund, dass er den Aufbruch hinbekommen hat? Oder hält sie die Berlin
University Alliance mit Verweis auf seine früheren Schwierigkeiten an der kurzen finanzpolitischen Leine?
Fest steht: Bei der im August 2025 startenden Evaluation schauen die internationalen Gutachter nicht nur auf die Performance in Forschung und Strategie – sondern auch auf das Vertrauen und den
Rückhalt in der Landespolitik.
Dieser Artikel erschien zuerst im Tagesspiegel.
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Fast die Hälfte der Lehramtsstudenten geht in der Ausbildung an den Universitäten verloren, zeigt eine Analyse. Woraus folgt: Es braucht nicht nur mehr, es braucht vor allem bessere Studienplätze für Lehrer.
Foto: Martin Kraft, CC BY-SA 3.0.
DIE AHNUNGSLOSIGKEIT vieler Universitäten ist atemberaubend. Inmitten des größten Lehrermangels seit Jahrzehnten können sie oft nicht sagen, wie viele ihrer Lehramt-Studienanfänger bis
zum Abschluss kommen – geschweige denn, warum sie zu welchem Zeitpunkt entscheiden, doch nicht Lehrer zu werden.
Der Stifterverband spricht von einer "großen Forschungs- und Datenlücke", die es zu füllen gelte, "denn nur auf Basis belastbarer Befunde können bildungspolitische Maßnahmen ergriffen werden, die
letztendlich einen Bildungsnotstand verhindern."
Vielleicht wollen viele Verantwortliche in Hochschulen und Politik es auch gar nicht so genau wissen, denn die wenigen bekannten Zahlen sind atemberaubend. In so seltener wie beispielhafter
Transparenz haben Bildungsforscher der Universität Rostock im Auftrag der Landesregierung ermittelt, dass je nach Schulform, Schulfach und Uni zwischen 20 und 83 Prozent der
Lehramtsstudierenden in Mecklenburg-Vorpommern zwischendrin verloren gingen – besonders groß sei die Schwundquote ausgerechnet in den MINT-Fächern.
Der Stifterverband zeigt nun mit seinem erstmals recherchierten "Lehrkräftetrichter", dass die Rostocker Zahlen im Trend liegen dürften. Von jährlich 52.500 Studienanfängern bundesweit erreichten 29.400
das Referendariat – das dann immerhin die meisten durchhielten. Am Ende des Trichters kommen maximal 28.300 fertige Lehrer raus – der Rest, rund 46 Prozent, geht andere Wege.
Einen ähnlichen Schwund gebe es auch in den Fachwissenschaften, betont der Stifterverband, doch hätten die zur Kompensation einen Zustrom von Wechslern aus anderen Fächern. Aus einem
Nicht-Lehramtsfach in ein höheres Lehramts Fachsemester hineinzuwechseln, sei dagegen schwierig.
Gelänge es, den Schwund zu halbieren,
wäre der Lehrermangel rechnerisch erledigt
Natürlich liefert der "Lehrkräftetrichter" nur ungefähre, ja behelfsmäßige Berechnungen, aber sie zeigen: Wer das Problem Lehrermangel lösen will, muss vor allem das Problem Lehramtsstudium
lösen. Durch eine bessere Betreuung der Studierenden, eine andere Studienorganisation und womöglich – was angesichts der Personalnot erstmal absurd klingen mag – durch passende
Eignungsfeststellungsverfahren. Man stelle sich vor, mit solchen Mitteln ließe sich die Schwundquote halbieren. 12.000 zusätzliche Lehrer pro Jahr wären die Folge. Und der Lehrermangel –
rechnerisch –erledigt.
Was praktisch natürlich nicht so ist, denn der Mangel ist ja jetzt da – und die Schulen müssen jetzt umgehen mit dem, was sich in der Lehrerbildung über Jahrzehnte an Versäumnissen aufgebaut hat
– kombiniert mit der ebenso lange verfehlten Bedarfsplanung vieler Kultusminister. Also: Ja, es braucht mehr Studienplätze für Lehrer. Vor allem aber braucht es bessere Studienplätze für
Lehrer.
Auch die Kultusminister wissen das. Es ist ihnen oft genug gesagt worden, etwa von ihrer Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK). Und ebenso, dass zu der
anderen Studienorganisation neue Zugänge erst im Master, Ein-Fach-Lehramtsabschlüsse und eine andere Verschränkung von Theorie und Schulpraxis gehören sollten. Was nebenbei dazu führen würde,
dass die Ausbildung von Quereinsteigern regulärer – und von der Qualität her gedachter – Teil der Lehrerbildung würde.
Tatsächlich beschwören die Minister nach Jahren des Zögerns inzwischen ihre Reformbereitschaft – spätestens nach dem umfangreichen Gutachten, das die SWK Ende des Jahres vorlegen will. Doch der
Lehrkräftetrichter des Stifterverbandes macht deutlich wie nie: Die wichtigste Reform wären verlässliche und transparente Daten. In allen Bundesländern.
Dieser Kommentar erschien zuerst in leicht gekürzter Fassung in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im Tagesspiegel.
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Wie konnte es überhaupt zur Fraunhofer-Affäre kommen? Ein jetzt bekannt gewordener Briefwechsel verrät viel über Selbstverständnis, Anspruchshaltung und die Beziehung zwischen Forschungsgesellschaft und BMBF.
Scharfer Briefwechsel: Was Bundesforschungsministerium (links der Berliner Dienstsitz) und die Münchner Fraunhofer-Zentrale sich nach
Abschluss der BMBF. Ermittlungen zu sagen hatten. Fotos: Fridolin freudenfett, CC BY-SA 4.0/Rufus 46, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia
Commons.
ES HAT BIS NACH DEM RÜCKTRITT Reimund Neugebauers gedauert, bevor das Bundesministerium für
Bildung und Forschung (BMBF) jetzt endlich Einsicht in seinen Fraunhofer-Prüfbericht gewährt hat. Rund ein Jahr nach meinem ersten diesbezügliche Antrag im Einklang mit dem
Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Initiiert hatte die Ermittlungen in der Zentrale der Forschungsgesellschaft der frühere BMBF-Staatssekretär Thomas Sattelberger bereits kurz nach seinem
Amtsantritt Anfang 2022.
Man wolle den Bericht ja veröffentlichen, versicherte das BMBF wiederholt. Doch Fraunhofer legte Widerspruch ein, der musste erst bearbeitet werden. Und obwohl größtenteils abgelehnt, dauerte es weitere Monate,
bis der entsprechende Bescheid nun laut BMBF "Bestandskraft" erhielt.
Hat sich das Fraunhofer-Zeitspiel also gelohnt? Zumindest hat es den Rückzug Neugebauers womöglich hinausgezögert – obwohl bereits im Februar auch die Münchner Staatsanwaltschaft bestätigte,
wegen des Verdachts der Verschwendung von Steuergeldern bei Fraunhofer zu ermitteln.
Weil der Bundesrechnungshof (BRH) seinen – später entstandenen – Bericht längst veröffentlicht hat, bietet das BMBF-Dokument selbst nicht mehr wirklich viel Neues. "Zahlreiche Verstöße gegen interne und
externe Regeln" erkannte der BRH. Vor allem für Reisen, Dienstfahrzeuge, Bewirtungen und Veranstaltungen seien rechtliche Vorgaben unzureichend beachtet worden. Es habe eine Kultur des
Wegschauens geherrscht, die interne Revision sei weitgehend untätig geblieben. Die BMBF-Prüfer listeten ihrerseits Beispiele für "immanente Umsetzungsfehler im Prozess" und "Besserstellung des
Vorstandes" auf – über die ich erstmals im November 2022 im Tagesspiegel berichtete, nachdem mir der noch unveröffentlichte
Ministeriumsbericht zugespielt worden war.
Die Stellung des Präsidenten sei zu "würdigen", beharrt
die Fraunhofer-Vorständin für "Unternehmenskultur"
Umso aufschlussreicher ist dafür jetzt der schriftliche Schlagabtausch, den sich Fraunhofer und BMBF im Anschluss an das Prüfverfahren geliefert haben und den das Ministerium ebenfalls in seiner
IFG-Antwort mitlieferte.
So beharrte die unter anderem für "Unternehmenskultur" zuständige Fraunhofer-Vorständin Elisabeth Ewen Anfang September 2022 in einem siebenseitigen Brief ans BMBF darauf, dass "eine mögliche
Schadensbetrachtung nicht auf die reisekostenrechtliche Sichtweise" reduziert werden dürfe, sondern "ganzheitlich“" erfolgen müsse. Insbesondere sei die in der Fraunhofer-Satzung verankerte
"Stellung des Präsidenten" zu "würdigen". Hier scheint es wieder durch, Fraunhofers großes Problem, dass man offenbar meinte, selbst die Maßstäbe definieren zu können, die man für angemessen
hielt.
Woraufhin das BMBF scharf im Oktober 2022 antwortete: Das Bundesreisekostengesetz gelte "für alle Dienstreisenden gleichermaßen". Und: Man sei sich Ewens "Einverständnis sicher", dass es
gemeinsames Interesse aller Beteiligten sei, "die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung" für den Empfang öffentlicher Gelder "nicht ansatzweise in Frage stellen zu können".
Der demonstrativ-moralische Zeigefinger des Ministeriums steht allerdings in einem auffälligen Gegensatz zu der Darstellung in Ewens Brief, das BMBF habe "das in der Vergangenheit praktizierte
Verfahren" 2017 schriftlich so "intendiert" und trotz jährlicher Berichte bis zur Prüfung nicht hinterfragt.
War man lange allzu verständnisvoll im BMBF und will deshalb jetzt umso strenger wirken? Jedenfalls berichtete der BRH unter anderem: Dreimal habe ein Fraunhofer-Vorstand ein Ex-Leitungsmitglied
des BMBF bewirtet, das zu dem Zeitpunkt für die Vergabe der Zuwendungen an Fraunhofer zuständig gewesen sei. Wobei man den BRH-Angaben zufolge für insgesamt 1270 Euro tafelte und trank.
Der Briefwechsel zeigt: Es gibt noch viel aufzuarbeiten. Bei Fraunhofer den Umgang mit Geldern und die Kultur, die dazu führte. Und im BMBF die eigene Rolle zwischen Hinsehen und
Nicht-Sehen-Wollen.
Dieser Beitrag erschien in gekürzter Fassung zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im Tagesspiegel.
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Wie erging es Menschen mit Behinderungen in der DDR? Was erlebten die Bewohner von Kinder- und Jugendheimen? Vom BMBF finanzierte Forschungsvorhaben sind solchen Fragen nachgegangen. Doch spätestens 2025 droht vielen Projekten das Aus.
Der ehemalige Geschlossene Jugendwerkhof Torgau ist heute eine Gedenkstätte. Kann die wissenschaftliche Forschung zu "DDR-Spezialheimen"
fortgesetzt werden? Foto: PeterBraun74 / CC BY-SA 4.0.
DEN GESCHLOSSENEN JUGENDWERKHOF TORGAU haben viele seiner früheren Bewohner auch Jahrzehnte später nicht vergessen. Der Forschungsverbund "DDR-Spezialheime" gab ihnen die Gelegenheit, ihre
teilweise traumatischen Erlebnisse in autobiographischen Interviews mit Wissenschaftlern zu berichten – und damit zur historischen Aufarbeitung eines vorher kaum bekannten Kapitels ostdeutscher
Geschichte beizutragen. Zur Erforschung der Erziehung von Kindern und Jugendlichen in Spezialheimen gehörten genauso Gespräche mit ehemaligen Mitarbeitern und eine aufwändige Analyse von Akten,
Dokumenten und Literatur. Doch jetzt ist Schluss. "Wir hätten einen Antrag auf eine Förderverlängerung stellen können", sagt die Dresdner Sozialpädgogik-Professorin Cornelia Wustmann. "Aber nur
um zwei Jahre und mit 50 Prozent weniger Fördermitteln. Das hat für uns nicht zusammengepasst mit dem Aufwand des neuen Antrags und den unsicheren Aussichten auf Erfolg."
14 Forschungsverbünde umfasste die 2018 gestartete BMBF-Förderlinie zur DDR-Forschung in ihrer ersten Programmphase. Drei bis vier Jahre Projektfinanzierung, die ungewöhnliche Kooperationen
ermöglichte zwischen Hochschulen, Forschungsinstituten, Schulen, Museen, Opferverbänden und Gedenkstätten – wie im Falle von Torgau die des Geschlossenen Jugendwerkhofs. Das Spektrum der
Forschungsthemen reichte von Fluchtversuchen und dem Grenzregime über die DDR-Umweltpolitik im Vergleich zu Westdeutschland bis hin zum medialen Erbe der DDR.
Nach erfolgreicher Begutachtung, versprach die Richtlinie von 2017, könne eine "Weiterförderung um bis zu zwei Jahre erfolgen". Doch, kritisiert die CDU-/CSU-Fraktion im Bundestag, in
Wirklichkeit habe das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die DDR-Forschung jetzt drastisch gekürzt. So sehr, dass etwa das Torgau-Projekt freiwillig ausstieg und andere
unfreiwillig aussortiert wurden.
Nicht einmal mehr Zeit
für die Arbeitslos-Meldung
Gern weitergemacht hätte etwa das Verbundteam um Sebastian Barsch. Unter dem Kürzel "DisHist" haben Wissenschaftler der Uni Kiel und der Universität der Bundeswehr München den Alltag von Menschen
mit Behinderungen in der DDR erforscht. "DisHist" war das erste Projekt der Förderlinie überhaupt, so dass es auch als erstes seinen Verlängerungsantrag stellen konnte. Der zunächst positiv
begutachtet wurde, vom Projektträger DLR kam sogar die Nachricht, dass die Mittel für DisHist bereits im Haushalt eingeplant seien.
Doch dann begann vergangenen Sommer die Hängepartie für diese und weitere geistes- und sozialwissenschaftliche Förderlinien. Das BMBF verwies auf die "besonderen
Herausforderungen durch den Ukraine-Krieg". Zwei Wochen vor dem geplanten Förderbeginn zum 1. September 2022 erhielten Barsch und seine Mitstreiter die vorläufige Absage inklusive Hinweis, dass
die DLR-Nachricht noch keine Zusage bedeutet habe. Wenn es Geld gebe, dann aus haushalterischen Gründen frühestens im Jahr 2023.
Die knappe Absage bedeutete, dass die betroffenen drei Projektmitarbeiter nicht einmal mehr ihre Arbeitslos-Meldung fristgerecht hätten einreichen können, sagt Barsch. Bis zur endgültigen
Ablehnung vergingen weitere sechs Monate. Die Summe der Anträge in der Förderlinie habe die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel überstiegen, teilte das DLR mit, daher würden nur die von den
Gutachtern am besten bewerteten Projekte gefördert.
Der Umfang der
Kürzungen ist unklar
Im BMBF-Fördertitel für die Geistes- und Sozialwissenschaften insgesamt sind 2023 mit 108 Millionen Euro sogar knapp drei Millionen mehr vorgesehen als 2022, wobei nicht extra ausgewiesen wird,
wieviel davon dieses Jahr in die DDR-Forschung fließt. BMBF-Staatssekretär Jens Brandenburg betonte Ende April auf eine parlamentarische Anfrage der Unionsfraktion hin, die Finanzierung der
Verlängerungsphase entspreche der bereits bei Ausschreibung im Jahr 2017 "vorgegebenen Maßgabe einer degressiven Förderung".
Was das BMBF nicht sagt: wie viele der 14 Verbundprojekte bereits nicht mehr dabei sind. Über den Förderumfang in der zweiten Phase können aktuell "noch keine konkreten Angaben gemacht werden,
weil das Auswahl- und Bewilligungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist", teilt eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage mit.
"Das BMBF muss dringend für Aufklärung sorgen", sagt der zuständige Berichterstatter der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion, Lars Rohwer. Die Verunsicherung in der DDR-Forschungscommunity sei groß. Denn
abgesehen von der Ausgestaltung der zweiten Projektphase drohe 2025 endgültig die Abbruchkante, wenn die bisherige, noch unter CDU-Forschungsministerin Wanka beschlossene Förderlinie auslaufe.
"Es ist nachvollziehbar, dass jede Ministerin ihre eigenen Schwerpunkte setzt, aber Frau Stark-Watzinger muss endlich sagen, was das für die DDR-Forschung bedeutet." Und zwar so rechtzeitig, dass
die erneute Unsicherheit nicht zu einem weiteren Verlust wertvoller Forschungsmitarbeiter führe.
Die BMBF-Sprecherin sagt, über eine etwaige Fortführung der Förderung der DDR-Forschung nach 2025 könne zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussage getroffen werden.
Cornelia Wustmann sagt, für historische Forschung gebe es immer ein Zeitfenster. Man könne nicht zu früh starten, weil dann die nötige Distanz noch nicht da sei. Und wenn man zu lange warte,
seien irgendwann die Zeitzeugen nicht mehr da. "Eigentlich", sagt sie, "müsste jetzt gerade die Hochphase der DDR-Forschung beginnen."
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Landeswirtschaftsminister protestieren
200 bis 400 Millionen Euro stehen angeblich auf der Streichliste,
Finanzministerium verweist auf die Entscheidungsfreiheit des Wirtschaftsministeriums. (28. Juni 2023) >>>
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Auf gewaltige 47,4 Milliarden Euro beziffern die Kommunen den Sanierungsbedarf. Doch wenn es um Schul- und Unigebäude geht, fehlt in "Doppel-Wumms"-Deutschland das Geld. Und der Wille.
Erst mussten fast alle zu Hause lernen, dann gab es Wechselunterricht: So startete das neue Schuljahr an der Willy-Brandt-Gesamtschule in Kerpen.
Foto: Screenshot von der Website.
NEIN, SAGT THOMAS MARNER, diese Misere habe keiner vorhersehen können. "Das war ein absolut unsachgemäßer Bauablauf." Marner ist Erster und Technischer Beigeordneter der Stadt Kerpen bei Köln,
und seit August musste er einen zerknirschten Brief nach dem anderen an die Eltern der Willy-Brandt-Gesamtschule und der Realschule im selben Gebäude schreiben. Über dramatische Wasserschäden und
Schimmelfall. Die Anordnung von Distanzunterricht, Wechselunterricht und das Verfrachten mehrerer Schulklassen in die Turnhalle.
Kerpen ist kein Einzelfall. Überall in Deutschland zerbröseln Schulen. Und mit ihnen die Grundlage für eine solide Bildung, für Wissenschaft, für Innovationen, für Wirtschaftskraft. Zig
Milliarden Euro müssten für die Sanierung von den Kommunen aufgebracht werden. Doch es liegt nicht allein am Geld, dass Renovierungen verschleppt, Sanierungen vertagt und Bauarbeiten über
Jahre und Jahrzehnte gestreckt werden. Das zeigen Beispiele wie der Willy-Brandt-Schule in Kerpen und der Kurt-Schumacher-Grundschule in Berlin-Kreuzberg.
In Kerpen stammt das Schulgebäude zu großen Teilen aus den 70er Jahren, besonders dringend mussten die Flachdächer über den Fachräumen für Musik und Naturwissenschaften saniert werden. In den
Sommerferien legten die Dachdecker los – und hätten dann alle Lichtkuppeln auf einmal entfernt, anstatt sie einzeln auszutauschen, sagt Marner. Als nächstes begann der Regen. Wasser strömte ein,
durchnässte Räume, Mobiliar und Ausstattung – mehrere Male. So genau wisse sie das nicht, sagt Kristiane Benedix, die stellvertretende Schulleiterin der Willy-Brandt-Schule. Aber die Feuerwehr
sei mindestens einmal gekommen.
"Es war wie in Corona-Zeiten",
sagt der Vater eines Achtkässlers
Kurz darauf die nächste Hiobsbotschaft: Tests ergaben, dass sich Schimmelsporen ausgebreitet hatten, vor allem in die angrenzenden Gänge und dort in die Zwischenräume der abgehängten Holzdecken.
"Praktisch alle Schüler und Lehrer beider Schulen mussten da durch, das konnte ich nicht verantworten", sagt Marner. Weshalb er die Sperrung des Gebäudes anordnete.
"Es war wie in Corona-Zeiten", sagt Markus Rixen, dessen Sohn in die achte Klasse geht. "Distanzunterricht für fast alle Klassen. Angekündigt von einem Tag auf den nächsten." Doch das war nur der
Anfang. Der Ausnahmezustand an der Willy-Brandt-Schule würde sich bis zu den Herbstferien fortsetzen.
Auf gewaltige 47,4 Milliarden Euro beziffern die deutschen Kommunen im jährlich erhobenen Kommunalpanel der KfW-Bankengruppe den aktuellen Sanierungsbedarf an ihren Schulen. "Wenn in Kommunen das
Geld knapp ist, werden anstehende Bauinvestitionen mit als erstes aufgeschoben", sagt KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib. "Gebäude schreien halt nicht, wenn sie erst ein Jahr später saniert
werden."
Und wenn dann endlich saniert wird, geht mitunter noch schief, was schiefgehen kann. Nur noch episch zu nennen ist der Super-Gau, der die Schüler, Eltern und Lehrkräfte der
Kurt-Schumacher-Grundschule in Berlin-Kreuzberg 2012 ereilte. Von einem Tag auf den anderen wurde das Haus nach einer Brandbegehung geschlossen. Kinder und Kollegium saßen im Hortgebäude fest,
ohne Mensa, ohne Sporthalle, ohne Fachräume, für mehr als ein Jahrzehnt. So lange dauerte es, bis auch nur der erste Bauabschnitt fertig war.
Eltern twitterten vom
Schul-"BER Kreuzberg"
"Leider hat man sich damals für eine Sanierung entschieden, der Neubau wäre schon längst fertig", sagt Schulleiterin Anna Vonhof. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg habe "versäumt,
ausreichende Bausubstanzuntersuchungen durchzuführen", urteilte 2019 der Landesrechnungshof.
Auf Twitter machte die Schule als "BER
Kreuzberg" Karriere, weil eine Elternvertreterin diesen Skandal nicht mehr hinnehmen wollte und öffentlich machte. "Mittlerweile hat die erste Generation von Schülern die
Kurt-Schumacher-Grundschule verlassen, ohne jemals einen Fuß in das Schulgebäude oder die Turnhalle gesetzt zu haben", schrieb sie. Und weiter: Über Jahre hätten die Bauarbeiten geruht, mehrfach
seien "Firmen insolvent gegangen, hätten den Auftrag gekündigt oder wurden gekündigt", kann man auf der "BER- Kreuzberg"-Website nachlesen.
Inzwischen ist die Elternvertreterin längst weg, doch die Geschichte eines öffentlichen Komplett-Versagen geht weiter. Der zweite Gebäudeteil soll angeblich bis 2026 fertig sein, doch, sagt
Schulleiterin Vonhof, "dafür müssten die Arbeiten am zweiten Bauabschnitt erstmal beginnen. Doch da passiert gar nichts." Sie richte sich darauf ein, dass es bis weit nach 2026 dauern werde, "das
sagt mir zwar bei den Behörden keiner so, aber die Erfahrungen der letzten Jahre sprechen dafür."
Andy Hehmke ist seit Ende 2021 Stadtrat für Schule, Sport und Facility Management im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, womit er nach eigenen Worten "letztlich die politische
Verantwortung" trage, dass der zweite Bauabschnitt bald fertig werde. Allerdings räumt er ein, dass bereits eine Verzögerung eingetreten sei, statt Sommer soll nun Ende 2026 Fertigstellung sein.
Die Schule sei informiert worden, im Januar treffe er sich in großer Runde vor Ort mit Schulleitung, Elternvertretung und Hochbauservice.
Seit Beginn der Berliner Schulbauoffensive laufe vieles anders als früher, versichert Hehmke, jetzt gebe es bei großen Sanierungen zunächst ausführliche Bedarfsprogramme mit Beteiligung der
Schule, gegebenenfalls Machbarkeitsstudien und Bausubstanzuntersuchungen. "Damals war all dies nicht der Fall. Die Schließung kam völlig unerwartet. Es war kein Geld vorhanden. Der Bezirk
versuchte damals, mit wenigen Mitteln schnell zu reagieren und stellte erst im Prozess fest, was hier eigentlich an Problemen vorhanden ist."
Für nichts geben Kommunen mehr aus als für
ihre Schulen, trotzdem wächst der Sanierungsstau
Die Erhebung der KfW-Bankengruppe zeigt, dass die deutschen Kommunen gegenwärtig für nichts mehr ausgeben als für ihre Schulen. 12,1 Milliarden Euro sind es dieses Jahr, 28 Prozent aller
geplanten Investitionen. Trotzdem reicht das nicht einmal, um den Sanierungsstau nicht noch weiter wachsen zu lassen: um 800 Millionen Euro gegenüber 2022.
Hinzu kommt, dass die Not der Schulen sehr ungleich verteilt ist: 47 Prozent der Kommunen sehen keinen oder nur einen geringen Investitionsrückstand. 39 Prozent bezeichnen ihn als nennenswert.
Und 13 Prozent als gravierend. "Aus den Daten können wir nicht ableiten, ob diese 13 Prozent die besonders armen sind", sagt KfW-Volkswirtin Köhler-Geib. Das sei indes eine valide Vermutung.
"Denn eine angespannte Haushaltslage ist eines der wichtigsten Investitionshemmnisse für Kommunen."
Welche Schulen dann zuerst dran sind mit der Sanierung und welche warten müssen, hat womöglich zudem noch mit dem gesellschaftlichen Druck zu tun, den die Eltern machen können – oder eben auch
nicht. Anna Vonhof will darüber nicht spekulieren, doch fest steht: 269 der 288 Schüler der Kurt-Schumacher-Schule stammen aus Familien, in denen Deutsch nicht die erste Sprache ist. Und auch an
der Willy-Brandt-Schule in Kerpen gibt es sehr viele sozial benachteiligte Familien.
Geld, sagt KfW-Chefvolkswirtin Köhler-Geib, sei in jedem Fall nur ein Problem, und welche Rolle die angeblich so knappen Kapazitäten bei Handwerkern und Baufirmen spielt, lasse sich kaum
einschätzen. Worüber die Kommunen bei Umfragen neben der Finanzlage aber stets als erstes klagten, sei der dramatische Personalmangel in ihren Verwaltungen. "Viele Investitionsvorhaben
scheitern daran, dass es keinen gibt, der sie betreuen und umsetzen kann."
Der Schul-Stadtrat verweist auf "mehr Bürokratie
bei gleichzeitigem Fachkräftemangel"
Fragt man den Kreuzberger Schul-Stadtrat Hehmke, warum es schon wieder Bauverzögerungen gibt an der Kurt-Schumacher-Schule, verweist er zunächst auf neues EU-Recht, das noch aufwändigere und
zeitraubende europaweite Ausschreibungen vorsehe. Und dann ebenfalls auf die Personalnot: Mehrere Stellen im Hochbauservice seien nicht besetzt, und es gebe kaum oder gar keine Bewerbungen bei
Ausschreibungen. "Mehr Bürokratie bei gleichzeitigem Fachkräftemangel. Dies sind die Gründe."
Auch Thomas Marner von der Stadt Kerpen sagt: "Jahrzehntelang hat uns das Geld gefehlt, jetzt fehlt uns ganz massiv das Personal."
Wer darunter leidet, sind vor allem die Schülerinnen und Schüler, 1200 an der Willy-Brandt-Schule. Am ersten Schultag Anfang August durften nur die 12. und 13. Klassen kommen und wurden im
Kerpener Gymnasium unterrichtet. Die Klassen 5 bis 11 mussten komplett zu Hause bleiben. "In der dritten Schulwoche", berichtet Kristiane Benedix, "haben wir dann für die Jahrgänge 8 und 9
Wechselunterricht begonnen", im tageweisen Wechsel. Die restlichen Jahrgänge seien in Präsenz, teilweise in Fachräumen beschult worden.
So lange dauerte es, bis die Behörden zumindest den Anbau aus den 90er Jahren für schimmelfrei befunden hatten. Nochmal zwei Wochen später, nachdem weitere Gebäudeteile "freigetestet" waren, wie
Benedix das nennt, gab es wieder für alle täglich Unterricht. Doch kamen die sechs achten Klassen, insgesamt über 150 Schüler, komplett in der Turnhalle unter, voneinander nur mit Planen
getrennt, bei Temperaturen von teilweise über 30 und Frischluftzufuhr nur über die Lüftungsanlage. Die Mensa wurde zum Lehrerzimmer umfunktioniert. Bis zu den Herbstferien waren immer noch 13
Klassen- und Kursräume und fast alle Fachräume gesperrt.
Markus Rixen gehörte zu den Eltern, die sich das nicht gefallen lassen wollten von der Stadt. Er habe sich einen Anwalt genommen, erzählt er, "nachdem die Stadt Kerpen zuvor die Erstattung der
uns durch das Homeschooling entstandenen Kosten abgelehnt hat, da laut NRW-Gesetzgebung kein Anspruch auf Präsenzunterricht bestehe." Das stimme jedoch nicht, sagt Rixen. "Laut Anwalt darf
Distanzunterricht nur im Pandemiefall angeordnet werden, im Falle einer großen Naturkatastrophe oder bei Erkrankung zu vieler Lehrer. Nicht aber, weil die Stadt ein Sanierungschaos nicht in den
Griff bekommt." Sechs Wochen nach Schuljahrsbeginn durften die Achtklässler dann in ihre Klassenräume zurückkehren.
Warten, bis die
Versicherung zahlt?
Thomas Marner von der Stadt sagt, er könne keine rechtliche Grundlage für den Distanzunterricht nennen. "Aber aus gesundheitlichen Gründen hatte ich schlicht keine andere Wahl." Davon habe er
auch die Schulaufsichtsbehörde und die Bezirksregierung sofort informiert.
Frustrierend sei, sagt Fritzi Köhler-Geib von der KfW, dass die Kommunen in den vergangenen Jahren nah daran gekommen seien, den Sanierungsstau in den Schulen endlich zu verkleinern. "Doch jetzt
hat sich ihre Finanzlage drastisch verschlechtert, wozu die Wirtschaftslage ebenso beiträgt wie steigenden Kreditzinsen und die Zunahme der zu betreuenden Geflüchteten. Gleichzeitig steigen die
Anforderungen an den Klimaschutz und die Digitalisierung stark an." Die Schlussfolgerung der KfW-Chefsvolkswirtin: "Ohne zusätzliche Finanzmittel von den Ländern und dem Bund werden viele
Kommunen das nicht schaffen können."
An der Willy-Brandt-Schule öffnete elf Wochen nach den Sommerferien die Mensa wieder. "Endlich", steht auf der Website. Ihre große Sorge, sagt Kristiane Benedix, seien jetzt die naturwissenschaftlichen Fachräume –
also da, wo das Wasser eingedrungen sei. Im letzten Brief, den Thomas Marner an die Eltern geschrieben hat, hieß es, die Stadt arbeite "mit Hochdruck" an deren Wiederherstellung, "doch hier sind
wir aber sehr stark abhängig von der Versicherung des Verursachers, bedeutet hier haben wir die zeitliche Abwicklung nicht alleine in der Hand." Kristiane Benedix sagt, das mache ihr Sorgen, weil
sie keinerlei Zeitplan habe.
Thomas Marner sagt, es gehe hier um einen Millionenschaden. Er fürchtet, dass man ohne Freigabe der gegnerischen Versicherung den Anspruch verwirke. Deshalb müsse man leider abwarten, doch sei er
optimistisch, dass man sich bald einig werde. Im Übrigen sei er der Meinung, "dass man Biologie oder Physik zur Not auch mal eine Weile theoretisch und ohne praktische Experimente unterrichten
kann."
Markus Rixen sagt: Er frage sich, warum die Stadt einerseits ihren Bildungsauftrag beschwöre, anderseits aber nicht das Geld aus ihrem Haushalt vorstrecken wolle. "Mir fehlt hier in einem großen
Maße auch das Schuldbewusstsein der Verantwortlichen der Stadt Kerpen."
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Bekommt man ein Kind während der Doktorarbeit, besteht gesetzlich die Möglichkeit, zwei Jahre länger von der Universität beschäftigt zu werden.Warum passiert das so selten?
WENN LEONIE RUDOLFS von ihrer Erfahrung mit der Personalabteilung der Freien Universität (FU) erzählt, kehrt die Wut zurück. Rudolfs, die eigentlich anders heißt, ist 36, alleinerziehende Mutter
von zwei Kindern im Grundschulalter, promoviert in Bildungswissenschaft.
Sie sei nach Auslaufen einer Projektstelle während ihrer Promotion davon ausgegangen, die Uni ermögliche ihr die Weiterqualifizierung, erzählt sie. "Doch obwohl meine Professorin mich als ihre
Mitarbeiterin einstellen wollte, hat man mir einen Arbeitsvertrag verweigert." Die FU habe den Fall "über Monate verschleppt".
Mindestens zwei weiteren jungen Wissenschaftlerinnen mit Kindern an der FU ist es genauso gegangen: Sie befanden sich mitten in ihrer Promotion, ihre Professor:innen wollten sie unbedingt haben,
das Geld für die Stelle am Lehrstuhl war da – doch die Personalabteilung sagte: Rechtlich ausgeschlossen. Das Problem ist, das stimmte womöglich gar nicht.
Wie kann das sein? Die Antwort beginnt mit dem langen Wort Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG). Es regelt zurzeit, dass nach sechs Jahren befristeter Beschäftigung bis zur Promotion an
deutschen Unis Schluss ist. Mit Doktortitel gibt es nochmal sechs Jahre, spätestens dann muss eine Dauerstelle her. Per Zeitvertrag ist die Weiterarbeit sonst allenfalls noch auf einer
drittmittelfinanzierten Stelle möglich.
Es gibt aber Ausnahmen, etwa zählt die sogenannte "familienpolitische Komponente": Für jedes minderjährige Kind können laut einem Paragrafen des WissZeitVG akademische Arbeitgeber zwei Jahre an
die maximale Befristungszeit dranhängen. Die Betonung auf Können – eine Verpflichtung per Gesetz dazu gibt es bislang nicht.
Rudolfs hatte sich auf ihre mit der Professorin abgesprochene – erstmals haushaltsfinanzierte – Doktorandenstelle gefreut. Im Januar 2023 sollte es losgehen, ein nahtloser Übergang von ihrer
bisher drittmittelfinanzierten Stelle. Ihre Chefin reichte den Antrag bei der Personalabteilung im August 2022 ein, doch dann passierte über Monate nichts. Kein Wort von der Personalabteilung,
trotz mehrerer Nachfragen. Rudolfs meldete sich vorsorglich arbeitssuchend.
Verzögert über Monate
Selbst als ihre Professorin die FU-Verwaltung per Fristsetzung zum Handeln aufforderte, gab es keine Antwort. Dafür sickerte irgendwann informell durch, dass das nichts werden würde mit der
Stelle. Im Januar 2023, Rudolfs hätte längst angestellt sein sollen, kam von der Personalabteilung ein Zweizeiler, die Einstellung auf einer Haushaltsstelle sei nicht möglich. Ohne jede
Begründung.
Eine Nachfrage bei der Pressestelle der FU zeigt, dass dort die horrende Bearbeitungszeit und Nicht-Kommunikation, die Rudolfs so frustriert hat, nicht bestritten wird. "Bedauerlicherweise"
gebe es derzeit "allgemein Verzögerungen bei der Bearbeitung von Einstellungsvorgängen und Personalanträgen". Schuld seien "demografische Veränderungsprozesse und Folgen des Fachkräftemangels".
Man steuere aber bereits dagegen an.
Und wie ist das nun mit der familienpolitischen Komponente? Die lasse sich bei Neueinstellungen bedauerlicherweise rechtlich nicht umsetzen, betont die Pressestelle. Beim Bundesministerium für
Bildung und Forschung (BMBF) hierzu nachgehakt, teilt eine Sprecherin mit, man könne sich zu Einzelfällen nicht äußern.
Grundsätzlich aber gelte: Falls an eine Drittmittelbefristung eine Qualifizierungsbefristung anschließt, "greifen die Verlängerungen der Höchstbefristungsgrenze aufgrund der familien- und
behindertenpolitischen Komponenten." Ein neuer Vertrag wäre also kein Hinderungsgrund – zumal der alte wie der neue Arbeitgeber in Rudolfs’ Fall FU heißen sollte.
Dort gibt man sich verwundert. "Wir sind bislang von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen." Und auf welcher Grundlage genau? "Wir wissen, dass auch andere Universitäten unsere
Rechtsauffassung zu haushaltsfinanzierten Anschlussverträgen nach Drittmittelbeschäftigung teilen und das so handhaben", lautet die Antwort nur. Die Sprecherin ergänzt aber, man werde die
Rechtslage jetzt noch einmal prüfen.
Alles nur ein mögliches Missverständnis? Wer mit Anna-Thekla Jäger spricht, kann daran seine Zweifel bekommen. Jäger ist 35, Mutter von zwei Kitakindern und promoviert ebenfalls an der FU. Wie
Rudolfs wollte sie in Absprache mit ihrem Professor von einer Drittmittelstelle auf eine Haushaltsstelle wechseln und parallel die Verlängerung in Anspruch nehmen – was die Personalstelle
abgelehnte.
Ein Gespräch mit der Verwaltung sei dann, wie Jäger sagt, "frustrierend, ermüdend und wenig transparent verlaufen", woraufhin sie "die große Trommel gewirbelt" habe. Jäger sprach mit der
Frauenbeauftragten, mit dem FU-Familienbüro, sie bekam eine Broschüre der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in die Hand gedrückt, in der explizit stand: Folgt auf einen
Drittmittelvertrag eine Haushaltsstelle zur Qualifizierung, "kann die familienpolitische und behindertenpolitische Komponente zur Anwendung kommen". Doch jedes Argumentieren mit der Rechtslage
laut Broschüre hätte sie gegenüber der FU-Personalstelle als vergeblich empfunden, sagt Jäger, woraufhin sie es gar nicht mehr versuchte. Während Leonie Rudolfs berichtet, sie habe die Broschüre
sogar an die Personalabteilung geschickt.
Die Gewerkschaft vermutet denn auch bei vielen Hochschulen in Deutschland Methode hinter der zurückhaltenden Anwendung der freiwilligen Verlängerungsoptionen, zu denen auch der Nachteilsausgleich
bei Behinderungen zählt. "Viele Arbeitgeber lehnen beide Komponenten grundsätzlich ab", sagt der GEW-Vizevorsitzende Andreas Keller.
In der Regel keine Verlängerung
Tatsächlich belegte eine vom BMBF in Auftrag gegebene unabhängige Evaluation des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes vergangenes Jahr: 42 Prozent der befragten Personalabteilungen bundesweit
antworteten, "dass es diese Fälle bei ihnen nicht gebe". Und die Autoren kommentierten: "Der hohe Wert überrascht." In einer repräsentativen Stichprobe kam die Studie auf lediglich 1,1 Prozent
aller befristeten Wissenschaftlerarbeitsverträge bundesweit, die aufgrund der Kinderbetreuungs-Verlängerungsoption liefen.
Und wie viele davon gibt es an der FU? Aktuell zwölf, sagt die Sprecherin – von rund 1000 Arbeitsverträgen.
Die GEW fordert für die bevorstehende WissZeitVG-Novelle unter anderem, aus der Kann- eine Muss-Bestimmung zu machen, also, sagt Andreas Keller, "einen Anspruch auf Vertragsverlängerung bei
Kinderbetreuung, Behinderung/chronischer Erkrankung, Pflege Angehöriger und Nachteilen aus der Coronapandemie".
Anna-Thekla Jäger und Leonie Rudolfs hatten Glück. "Ich habe zeitnah eine andere Drittmittelstelle gefunden, da kann ich jetzt bis Herbst 2025 weitermachen, allerdings auf einem
Forschungsprojekt, das nicht meins ist", sagt Jäger. Auch Rudolfs berichtet, ihre Professorin habe gewirbelt – und erreicht, dass sie noch einmal für anderthalb Jahre auf Drittmittelstellen
arbeiten kann. Was dann kommt, wisse sie noch nicht. Was sie wisse, sagt Rudolfs: So eine Geringschätzung will sie nicht noch einmal erleben.
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Der BMBF-Haushalt soll 2024 um 1,16 Milliarden schrumpfen. Schaut man sich den Plan genauer an, entsteht trotzdem der Eindruck, die Ministerin habe sich erstaunlich gut geschlagen. Allerdings gibt es eine große Ausnahme: Vor allem beim BAföG-Titel wird gekürzt.
Foto: Pxhere.
ERST AM MITTWOCH soll der Haushaltsentwurf der Bundesregierung ins Bundeskabinett gehen. Doch mir lag das Papier bereits vor. Demnach sind für das Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF) für das kommende Jahr 20,300 Milliarden Euro vorgesehen: rund 507 Millionen Euro weniger, als in der mittelfristigen Finanzplanung vom August 2022.
Nimmt man als Referenzwert die Soll-Ausgaben des laufenden Jahres, ergibt sich zwar ein noch größerer Rückgang um 1,162 Milliarden Euro, was rund 5,4 Prozent entspräche (während der
Bundeshaushalt insgesamt um 6,4 Prozent schrumpfen soll). Doch übertreibt dieser Vergleich das tatsächliche BMBF-Minus. Denn der Großteil dieser Differenz, 700 Millionen Euro, erklärt sich
aus dem Wegfall der Energie-Einmalzahlung an Studierende und Fachschüler.
Mit einem blauen Auge
davongekommen?
Hat Ministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) also gut verhandelt, hat sie die Connections zu ihrem Parteifreund Christian Lindner so erfolgreich genutzt, dass das BMBF beim
Zeitenwende-Sparhaushalt entgegen der Unkenrufe mit einem blauen Auge davonkommt?
Auf den ersten Blick: ja. Ein Weniger von rund 500 Millionen Euro entspricht einem Minus von 2,4 Prozent. Das muss aus einem so großen Haushalt herauszuholen sein. Einerseits. Andererseits
sind von den (ohne Einmalzahlung) 20,762 BMBF-Milliarden in diesem Jahr ein Großteil gebunden, das heißt: Sie werden durch Vereinbarungen vor allem mit den Bundesländern auch nächstes Jahr
fällig, zum Teil sogar mit einem garantierten Aufwuchs.
Rechnet man zum Beispiel den Zukunftsvertrag "Studium und Lehre stärken" (2023: 1,94 Milliarden, 2024: 2,05 Milliarden), die Zahlungen an die vier großen Forschungsorganisationen Max Planck,
Helmholtz, Fraunhofer und Leibniz (2023: 5,73 Milliarden, 2024: 5,86 Milliarden) und an die Deutsche Forschungsgemeinschaft (2023: 2,04 Milliarden, 2024: 2,08 Milliarden) zusammen, sind allein
durch diese Posten 2023 rund 9,71 Milliarden Euro verplant, 2024 sind es sogar rund 9,99 Milliarden.
Das wird weder den Hochschulen noch den Forschungsorganisationen reichen, um die Inflation auszugleichen, und doch sind sie durch die garantierten Aufwüchse in einer privilegierten Lage. Addiert
man noch die Exzellenzstrategie und das Bund-Länder-Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses (400 Millionen bzw. 121 Millionen in beiden Jahren) hinzu, ist mit gut 10,51
Milliarden Euro mehr als die Hälfte des BMBF-Haushaltes im nächsten Jahr gebunden. Und der Resthaushalt des Ministeriums verringert sich (Energie-Einmalzahlung wieder rausgelassen) von 10,53 auf
9,79 Milliarden.
Das bedeutet: Die kleinere Hälfte des BMBF-Haushalts muss das komplette Minus und den Zuwachs der anderen (größer werdenden) Hälfte tragen. Wobei diese Darstellung noch simplifiziert ist, denn
auch diese Spar-Hälfte enthält weitere nicht kürzbare Posten, etwa die den Akademien ebenfalls zugesagte jährliche Erhöhung um drei Prozent. Das heißt immer noch nicht, dass Stark-Watzinger
schlecht verhandelt hat, es zeigt nur, unter welchen Zwängen ihr Ministerium 2024 und vor allem dann 2025 steht.
Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, an wie vielen Stellen die Ministerin voraussichtlich nicht sparen wird, zumindest nicht auf der Ebene der Haushaltstitel und Titelgruppen. Bei
der besonders diskutierten Förderung der geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschung etwa soll es eine leichte Aufstockung um 1,5 auf 107 Millionen Euro geben (was das für einzelne Förder-Schwerpunkte bedeutet, bleibt freilich abzuwarten); die Nationale
Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) wächst wie versprochen um 23,5 auf 81 Millionen.
Die Stiftung "Innovation in der Hochschullehre" bekommt nur scheinbar weniger (110 statt 150 Millionen), tatsächlich steuern von 2024 an die Länder vereinbarungsgemäß die übrigen 40 Millionen
bei. Die Bundesagentur für
Sprunginnovationen (SPRIND) springt um 43 auf 190 Millionen, sogar die immer noch nicht gegründet Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI) wird um 28,8 auf 78,8
Millionen aufgestockt, wobei 35,4 Millionen davon (Vorjahr: 15 Millionen) bis zur Aufhebung durch den Haushaltsausschuss gesperrt sind.
Bei einem Posten dürften die Bildungs- und Wissenschaftsminister der Länder aufmerken: Sie hatten die Fortsetzung der Ende 2023 auslaufenden Qualitätsoffensive Lehrerbildung (QLB) gefordert,
Stark-Watzinger hatte das abgelehnt.
Trotzdem stehen 2024 immerhin 52,3 Millionen Euro in dem bisherigen QLB-Titel, der einen neue Bezeichnung trägt: "Professionalisierung pädagogischer Prozesse". Dahinter verbergen sich
allerdings neben QLB-Ausgaberesten die aus EU-Mitteln finanzierten "Kompetenzzentren für digitales und digital gestütztes Unterrichten" (50 Millionen), die bislang im Titel der Nationalen
Bildungsplattform (siehe unten) untergebracht waren. Von der Planung eines QLB-Nachfolgeprogramms also tatsächlich keine (haushalterische) Spur.
Gespart wird vor
allem am Bafög-Titel
Wo aber wird denn dann – abgesehen von Posten, die ohnehin abgeschmolzen werden sollten – am kräftigsten gespart? Die eindeutige Antwort: vor allem beim BAföG. Für die Studierenden sind 1,37
Milliarden und damit 440 Millionen weniger als 2023 vorgesehen – und bei den Schülern 551 Millionen, 212 Millionen weniger. Auf den zweiten Blick muss man allerdings auch hier
differenzieren: Die eingeplanten Ausgaben orientierten sich laut BMBF an wissenschaftlichen Prognosen (wohl vor allem des Fraunhofer-Instituts für
angewandte Informationstechnik (FIT), was Schüler und Studierende im kommenden Jahr erfolgreich beantragen werden – auf Grund der geltenden Rechtslage.
Was zwei aufschlussreiche Schlussfolgerungen zulässt. Erstens: Finanzministerium und BMBF preisen offenbar ein, dass die von Stark-Watzinger als so großzügig gepriesene BAföG-Erhöhung vom
vergangenen Jahr verpufft – und die Zahl der Empfänger nach einer zwischenzeitlichen Stagnation sogar wieder zurückgehen könnte. Zweitens: Obwohl dies so ist, wird keine sichtbare Vorsorge
getroffen für die dringend nötige weitere Anhebung der Bedarfs- und Fördersätze in 2024, denn dafür müsste es wie in der Vergangenheit üblich einen Puffer geben.
Sollte es nächstes Jahr bei geltender Rechtslage doch mehr BAföG-Bezieher geben und sollten diese mehr beantragen als Geld im Haushalt vorhanden, muss und wird das BMBF zwar zahlen (und zur
Deckung zur Not wiederum anderswo einsparen müssen, falls das Finanzministerium nichts nachschießt). Klar ist allerdings auch: Die Erhöhung der Fördersätze und erst recht die versprochene große BAföG-Reform noch in dieser
Legislaturperiode würde massiv zusätzliches Geld erfordern.
Weniger für
Lebenswissenschaften
Ansonsten sind 2024 Rückgänge etwa der Förderung der Lebenswissenschaften (-151 Millionen) vorgesehen, darin ist laut BMBF neben Umschichtungen ein Konsolidierungsbeitrag von 37 Millionen Euro
enthalten. Umgekehrt gibt es aber zum Beispiel einen deutlichen Zuwachs bei der Titelgruppe "Nachhaltigkeit, Klima, Energie" (+96 Millionen), was, wie das Ministerium auf Nachfrage
erläutert, im Wesentlichen auf den zu finanzierenden Neubau des Forschungsschiffs Polarstern II zurückgeht.
Insgesamt sollen rund 2,69 Milliarden Euro in die sogenannte missionsorientierte Forschung fließen, im Vorjahr waren es mit 2,67 Milliarden
vergleichbar viel. Die Zahlungen für die viel kritisierte Nationale Bildungsplattform sollen um fast 98 auf noch 106,5 Millionen sinken, was laut BMBF – neben der erwähnten Umbuchung
der Digitalen Kompezenzzentren – auf die langsamere Projektentwicklung zurückzuführen sei und keine Auswirkungen auf die fachliche Umsetzung habe.
Bleibt die Frage: Wo ist die von Lindner für 2024 erstmals versprochene zusätzliche Bildungsmilliarde? Die Antwort: Sie kommt. Allerdings wohl erst zur Hälfte. 500 Millionen sind eingeplant, was
insofern keine Überraschung ist, weil Stark-Watzinger das "Startchancen"-Programm, für das sie die Bildungsmilliarde vorgesehen hat, (trotz zwischenzeitlich heftiger Kritik aus den Ländern)
erst im zweiten Halbjahr 2024 starten will. Sie sagt, ein früherer Beginn sei konzeptionell nicht zu schaffen.
Dass die Sache ganz offensichtlich auch haushälterische Gründe hat, ist freilich daran zu sehen, dass man den Rest der Bildungsmilliarde 2024 natürlich auch für Anderes ausgeben könnte, Anlässe
gäbe es genug. Eingeplant sind die 500 Millionen nicht im BMBF-Haushalt, sondern sie stehen wie angekündigt "vor der Klammer" – im Einzelplan der Allgemeinen Finanzverwaltung. Und auch wenn
ich die Zusatz-Bildungsmilliarde wiederholt als unzureichend kritisiert habe, vor allem im Vergleich zu all den Bildungs-Versprechungen im Ampel-Koalitionsvertrag,
ist es in der Konsequenz doch ein Erfolg für Stark-Watzinger, dass zumindest der Einstieg 2024 gelingt.
Allerdings, unken viele in der Koalition, werde sich 2024 noch als vergleichsweise einfacher Haushalt herausstellen, die richtige Bewährungsprobe – auch für das BMBF – stehe 2025 an. Dann müsse
Stark-Watzinger nochmal Farbe bekennen: Was wird aus der BAföG-Reform? Kommt der – bereits auf 2025 – verschobene Digitalpakt 2.0, und wieviel frisches Geld macht der Bund dafür locker?
Letzteres würde zwar wie beim Digitalpakt 1.0 nicht über Stark-Watzingers Budget abgewickelt, doch eng genug wäre das auch so: Im neuen Finanzplan der Bundesregierung, der ebenfalls am
Mittwoch beschlossen werden soll, steht der BMBF-Haushalt für 2025 mit 20,56 Milliarden Euro – was 260 Millionen mehr als 2024 wären, aber satte 540 Millionen weniger als noch im August 2022 vorgesehen. Und von den 260 Millionen
würden etwa 80 Prozent gleich wieder in die weitere Dynamisierung von Zukunftsvertrag, Max Planck, DFG und Co fließen. Wie soll das gehen? Vorerst aber gilt: Ihre Priorität für Bildung und
Forschung hat die Ministerin in schwieriger Zeit verteidigt – wenn auch, siehe vor allem das BAföG, mit Abstrichen bei der Bildung.
Dieser Artikel erschien in etwas kürzerer Fassung zuerst im Tagesspiegel. Zuletzt habe ich ihn am 05. Juli 2023 aktualisiert.
BMBF, Studentenwerk, Bundestagsopposition
Wer sagt was zum Haushaltsentwurf?
Der Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion für Bildung und Forschung, Thomas Jarzombek, kommentierte, die Ankündigung einer Bildungsmilliarde hätten viele in der Ampel wohl
falsch verstanden: "Es wird nun eine Milliarde gekürzt und nicht ergänzt." Stark Watzinger habe den vielversprechenden Ankündigungen der vergangenen anderthalb Jahre keine Taten folgen
lassen. "Für Bildung und Forschung fehlt es jedoch derzeit spürbar an Rückhalt im Kabinett. Anspruch und Realität klaffen weit auseinander." So seien die Kürzungen beim BAföG ein
"Offenbarungseid" für die Koalition. "Auf Basis einer unabhängigen wissenschaftlichen Berechnung wird deutlich, dass sich Bundesministerin Stark-Watzinger bei der Wirkung ihrer BAföG-Reform
völlig verschätzt hat." Auch um die angekündigte große Strukturreform des BAföG, die eigentlich in diesem Jahr kommen sollte, sei es seit Monaten "erstaunlich still" geworden in der
Koalition.
Der parlamentarische Staatssekretär im BMBF, Jens Brandenburg (FDP), sagte, trotz sehr schwieriger Ausgangslage würden Bildung und Forschung weiter gestärkt. "Wir setzen
weiterhin auf wichtige Investitionen in Zukunftsthemen wie Energieforschung, Innovation und Transfer und bringen zentrale Schwerpunkte wie das Startchancenprogramm zur Realisierung." Zugleich
warnte er, auf eine Konsolidierung des Haushalts müssten alle Ressorts gemeinsam hinwirken. "Das gilt auch für künftige Haushaltsjahre. Der Einzelplan 30 darf dabei nicht über Gebühr belastet
werden." Bildung und Forschung seien tragende Säulen vieler zukunftsorientierter Projekte dieser Bundesregierung."
Vergleicht man die neue mittelfristige Finanzplanung mit der vom August 2022, soll das BMBF 2024 und 2025 auf insgesamt 1,04 Milliarden Euro verzichten. 2026 kehrt der Ansatz mit 21,2
Milliarden dann zur alten Planung zurück, 2027 sind (neu) 21,150 Milliarden vorgesehen.
Unterdessen kommentierte der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Studierendenwerk, Matthias Anbuhl, angesichts der geplanten Kürzungen, die BAföG-Versprechen der Bundesregierung
drohten zu implodieren. "Die groß angekündigte Strukturreform und BAföG-Sätze, die zum Leben reichen – all das wird nun womöglich Lindners Rotstift geopfert." Das sei fatal, denn mehr als
ein Drittel der Studierenden lebe prekär. "Dieser Gruppe steht das Wasser finanziell bis zum Hals. Lässt die Ampel-Koalition sie im Stich?"
Anbuhl forderte eine Ministerin, die auch im Gegenwind für die Studierenden kämpfe. "Und wir brauchen ein Parlament, das seine Kompetenzen nutzt und den Finanzminister beherzt korrigiert."
Studienabbrüche aus Geldmangel könne sich dieGesellschaft nicht leisten. "Diese jungen Menschen sind die künftigen Lehrkräfte, Ärzt*innen und Ingenieur*innen, die wir so händeringend brauchen."
Die bildungspolitische Sprecherin der linken Bundestagsfraktion, Nicole Gohlke, sagte, die Bundesregierung schieße mit ihren Haushaltsplänen "den Vogel ab. Eine Kürzung beim
BAföG wird für viele junge Menschen ein Studium unerschwinglich machen und die soziale Spaltung des Bildungssystems weiter vorantreiben." Die letzte BAföG-Erhöhung sei innerhalb kürzester
Zeit von der Inflation aufgefressen aufgefressen worden. "Fast 40 Prozent der Studierenden sind armutsgefährdet. In einer solchen Situation ausgerechnet beim BAföG zu kürzen, ist fatal." Auf den
KfW-Kredit, laut Gohlke "die einzige Alternative zum BAföG", fielen gerade fast acht Prozent Zinsen an, ergänzte die Linken-Politikerin. "So treibt die Bundesregierung viele Studierende in
die Armutsfalle."
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Fachgesellschaften und Wissenschaftler aus aller Welt schreiben Protestbriefe an die Max-Planck-Gesellschaft, nachdem diese sich von dem australischen Ethnologen getrennt hatte.
NACH ANTISEMITISMUS-VORWÜRFEN hatte sich die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) Anfang Februar von dem australischen Gastprofessor Ghassan Hage getrennt, laut MPG-Pressemitteilung im
Einvernehmen. Seitdem ist es ruhiger geworden um Hage, zumindest in den deutschen Medien. In der internationalen Wissenschaftsszene verursacht der Fall dagegen weiter Aufregung. Zahlreiche
Unterstützungsbekundungen für Hage in den vergangenen Wochen zeigen eine Dimension der internationalen Debatte über Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit, die im deutschen Kontext gelegentlich
weniger wahrgenommen wird.
So hat die Provost der Universität von Melbourne, Hages Heimathochschule, dem forschungsstarken Ethnologen gerade erst in einem Schreiben an seine gesamte Fakultät der universitären Rückendeckung
versichert. "Akademische Freiheit ist grundlegend für unsere Werte und Regeln", schrieb Nicola Phillips. "So, wie wir sie in der Vergangenheit aktiv verteidigt haben unter anderen Umständen, so
tun wir es jetzt wieder in diesem Fall." Hage sei ein respektierter Kollege und Gelehrter mit internationaler Reputation.
Phillips‘ Schreiben ist auch deshalb bemerkenswert, weil die Max-Planck-Gesellschaft die Beendigung von Hages Aufenthalt am Max-Planck-Institut in Halle ebenfalls mit Verweis auf die "Grundwerte der
MPG" begründet hatte, mit denen viele der "von Ghassan Hage in jüngerer Zeit über soziale Medien verbreiteten Ansichten" unvereinbar seien.
Unter anderem hatte der in Beirut geborene Wissenschaftler Israel als "sich überlegen fühlender Schläger" bezeichnet, dessen Ende als jüdischer Staat prognostiziert und laut WELT am
Sonntag in einem inzwischen gelöschten Post geschrieben, "die Zionisten mit ihrer Siedlergewalt" würden zu "den wilden Bestien des Westens". Laut Zeitstempel noch am Tag des
Hamas-Überfalls auf Israel schrieb Hage in seinem Blog ein Gedicht, das in der Feststellung kulminierte:
"Die Palästinenser, wie alle kolonisierten Völker, beweisen noch immer, dass ihre Fähigkeit zum Widerstand endlos ist. Sie graben nicht nur Tunnel. Sie können über Mauern fliegen."
Die Erklärung der
Max-Planck-Gesellschaft
Der inzwischen nach Australien zurückgekehrte Forscher bestritt, während er in Deutschland war, ein Antisemit zu sein, und betonte auf "X", die Autoren, von denen er am meisten gelernt habe,
seien fast alle Juden gewesen. "Und hier lebe ich nun inmitten der Kulturen, die den Judenhass, das Verbrennen jüdischer Bücher und Geschäfte, das Einsperren von Juden in Konzentrationslager und
deren massenhafte Ermordung zu einer makabren Kunstform erhöht haben, und muss mir moralische Vorträge anhören, wie man sich nicht antisemitisch verhält."
Nachdem zuerst die WELT am Sonntag über Hages Posts berichtet hatte, geriet die MPG zunehmend unter Druck. Nach tagelangem Schweigen veröffentlichte die MPG schließlich eine Mitteilung, in der
sie den Abschied von Hage verkündete. "Rassismus, Islamophobie, Antisemitismus, Diskriminierung, Hass und Hetze haben in der Max-Planck-Gesellschaft keinen Platz."
Derweil hat eine vor drei Wochen gestartete Online-Petition zu Hages Unterstützung inzwischen über 3.500
Unterzeichner gefunden, viele davon aus englischsprachigen Ländern und nicht wenige, die nach eigenen Angaben Juden und sogar Verwandte von Holocaust-Überlebenden sind.
Briefe von Fachgesellschaften und
Wissenschaftlern aus aller Welt
Fachgesellschaften und Wissenschaftler aus aller Welt haben sich in öffentlichen Briefen an MPG-Präsident Patrick Cramer gegen Hages "Entlassung" bzw. deren Begründung gewandt, darunter die
Australische Anthropologischen Gesellschaft, die Britische Gesellschaft für Nahost-Studien und die Europäische Gesellschaft für
Sozialantrophologie.
Auch der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Sozial- und Kulturanthropologie sprang
Hage in einer Erklärung zur Seite und betonte die "unbedingte Notwendigkeit, Antisemitismus, Rassismus, und Islamophobie in Deutschland und weltweit zu bekämpfen". Dies lasse sich jedoch nicht
durch "die Überwachung von Wissenschaftler:innen, ihrer wissenschaftlichen Arbeit und ihrer persönlichen Stellungnahmen erreichen". Auseinandersetzungen um den Israel-/Palästina-Konflikt ließen
sich nicht ausschließlich mit den Mitteln der Antisemitismustheorie oder -kritik einordnen.
Über 50 israelisch-jüdische Wissenschaftler von Wissenschaftseinrichtungen in aller Welt, auch einige, die an deutschen Hochschulen und Forschungsinstituten arbeiten, schrieben ebenfalls an Cramer "in Unterstützung" Hages und "in Protest gegen die Anschuldigungen gegen ihn". Es sei bekannt, dass Hage ein Unterstützer des Boykotts israelischer
akademischer Institutionen und Teil der BDS sei. "Obwohl viele von uns nicht einverstanden sind mit den Methoden dieser Bewegung, erkennen wir an, dass sie nicht die Diskriminierung individueller
Juden oder Israelis vorgibt, und wir können versichern, dass Professor Hage auch nicht diese Form der Diskriminierung praktiziert."
Mehrere israelisch-jüdische Wissenschaftler hätten das "Privileg des Austausches und der Debatte" mit ihm gehabt, "und uns ist immer mit Respekt, Freundlichkeit und einer professionellen Antwort
begegnet worden." Weiter schrieben die Unterzeichner an MPG-Präsident Cramer: Inmitten einer Zeit der Polarisierung, des tiefen Misstrauens, nationalistischer Radikalisierung und der Verfolgung
kritischer Stimmen "appellieren wir an Sie, sich nicht auf das brutale Mundtotmachen kritischer Stimmen einzulassen und die akademischen Werte unvoreingenommener Evaluation und des fairen Umgangs
aufrechtzuerhalten".
MPG-Präsident Cramer will die Diskussion
in den Max-Planck-Sektionen abwarten
Die Liste an Stellungnahmen zugunsten Hages ließe sich fortsetzen, er selbst hat sie auf seinem X-Account dokumentiert. Nicht weniger lang ist – vor allem in Deutschland – die Liste seiner
Kritiker und all derjenigen, die eine weitere Aufklärung von der MPG fordern, etwa seit wann sie von Hages Äußerungen gewusst habe und warum sie nicht früher eingeschritten sei. In jedem
Fall aber zeigen die internationalen Wortmeldungen zu seiner Unterstützung, warum die international so stark vernetzte MPG sich so schwertut, einen kommunikativ geradlinigen Umgang mit
Fällen wie dem Hages zu finden.
Entsprechend hat die MPG auch auf alle Briefe und Erklärungen zur Unterstützung Hages bislang nicht reagiert. Auf Anfrage sagte eine Sprecherin, Präsident Cramer werde erst die Diskussion in den
Fächer-Sektionen der Forschungsgesellschaft in der neuen Woche abwarten "und dann entscheiden, wie wir antworten". Unterdessen kündigte Hage vor dem Wochenende an, gerichtlich gegen die MPG
vorgehen zu wollen, "hier geht es um viel mehr als mich“.
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Antisemitismus-Streit in Halle: Max-Planck-Gesellschaft trennt sich von Gastprofessor Ghassan Hage
Nach mutmaßlich antisemitischen Äußerungen eines Wissenschaftlers geriet die Max-Planck-Gesellschaft seit dem Wochenende unter Druck, klar Stellung zu beziehen. Der Forscher
selbst betonte, er sei kein Antisemit. Jetzt reagiert die Forschungsorganisation. (07. Februar 2024) >>>
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Über zwei Drittel der promovierten Forschenden spielen mit dem Gedanken, aus der Wissenschaft auszusteigen. Der Ampel-Koalitionsvertrag versprach ein Bund-Länder-Programm für besser Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft. Was ist daraus geworden?
Bald keiner mehr da? Foto: Brian Penny, Pixabay.
ES SIND BESORGNISERREGENDE ZAHLEN. Laut dem neuen "Barometer für die Wissenschaft", erhoben
vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), haben 71 Prozent aller befristet beschäftigten Postdocs in den vergangenen zwei Jahren ernsthaft den Ausstieg aus der
Wissenschaft erwogen. Und nur noch 16 Prozent der Promovierenden haben als Berufsziel die Professur. Die Ergebnisse "sollten alle Beteiligten aufhorchen lassen", kommentierte Lambert T. Koch,
Präsident des Deutschen Hochschulverbands (DHV). Politik und Hochschulen müssen ihre Hausaufgaben machen. Teil der Lösung können verlässlichere und planbarere, aber auch gegenüber
außerhochschulischen Märkten attraktive Karriereperspektiven sein."
Wer wissen will, warum Deutschlands Wissenschaft im Wettstreit um die knappen Fachkräfte zu unterliegen droht, wie international, findet seine Antworten nicht nur in Umfragen, sondern mitunter
auch auf dem früheren Twitter. Am Sonntag zum Beispiel berichtete die Politikwissenschaftlerin Federica Genovese unter der Überschrift "Eine kurze akademische Geschichte" über ihre Erfahrungen
mit einer deutschen Wissenschaftseinrichtung.
"Deutschlands Verlust
ist unser Gewinn"
"Juli 2022“, begann Genoveses "X"-Thread: "Ich werde ermutigt, mich für einen Job in Deutschland zu bewerben. Ich bewerbe mich."Damals war sie Associate Professor an der
University of Essex, eine Karriereposition auf dem Weg zur Vollprofessur, die es in Deutschland bislang kaum gibt.
Im Februar 2023, schreibt Genovese weiter, habe sie dann eine "semi-kryptische E-Mail" erhalten, die sie einlud, mehr Bewerbungsunterlagen zu senden als Voraussetzung, auf die
Bewerbungs-Shortlist zu kommen. Im Großen und Ganzen dieselben Unterlagen, die sie schon 2022 gesendet habe, "aber ja, okay, in Ordnung."
Im März 2023 folgte die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Als Genovese aus familiären Gründen um einen anderen Termin oder alternativ um ein Online-Interview gebeten habe, um die
Kinderbetreuung zu organisieren, lautete die Antwort des Berufungskommitees, das Gespräch gehe nur persönlich und eine Nichtbestätigung des vorgeschlagenen Termins sei gleichbedeutend mit einer
Absage Genoveses. "Ich sage ab."
Seitdem erhielt sie eine Vollprofessur in Essex und wechselte vor wenigen Wochen an die Universität Oxford. Jetzt, genau ein Jahr später, erreichte die Wissenschaftlerin ein weiterer Brief aus
Deutschland mit der Information, dass die Ausschreibung gescheitert sei, also keiner berufen wurde – wegen Bedenken hinsichtlich der Geschlechterrepräsentation. "Der Vorhang fällt", schreibt
Genovese in ihrem inzwischen hunderttausende Male gelesenen Post – woraufhin ein Wissenschaftler aus Oxford kommentierte: "Deutschlands Verlust ist unser Gewinn."
Die WissZeitVG-Novelle hängt
seit Sommer 2021 in der Ressortabstimmung
Unterdessen stellt sich nicht der Eindruck ein, dass alle wissenschaftspolitisch Verantwortlichen den Ernst der Lage bereits erkannt haben. Zwar trommeln seit Jahren unter dem Hashtag
"#IchbinHanna" junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für bessere Karrierebedingungen und gegen die Rekord-Befristungsquote unter Postdocs. Der Druck reichte, dass SPD, Grüne und FDP im
Ampel-Koalitionsvertrag versprachen, das sogenannte Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG), das die Beschäftigungsregeln vorgibt, zu ändern.
Doch schon die Erstellung eines diesbezüglichen Gesetzentwurfs führte zu einem monatelangem Hin und Her zwischen den Koalitionspartnern und am Ende zu einem
Ergebnis, das seit Mitte 2023 in der Ressortabstimmung zwischen den beteiligten Ministerien festhing. Haupt-Streitpunkt: Die FDP von Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger wollte
erst nach vier Jahren eine verbindliche Entfristungszusage für Postdocs, SPD und Grüne hingegen früher, um eine frühere Karriereplanbarkeit zu ermöglichen. Als sich das BMBF im Referentenentwurf
vom vergangenen Juni einseitig auf die vier Jahre festlegte, zeigte sich derselbe DHV-Präsident Koch, den die jüngsten Wissenschaftsbarometer "aufhorchen" lassen, damals per Pressemitteilung "erleichtert". Und
zwar, dass das BMBF die vier Jahre anstatt der drei Jahre bevorzugt hat.
Am Sonntag wurde bekannt, dass der Gesetzentwurf jetzt zeitnah, voraussichtlich bereits am 27. März, ins Kabinett soll, nachdem sich die Ressorts geeinigt haben. Wobei
die Einigung im Kern nur bedeutet, dass der Streit ins Parlament verschoben wird – also wohl weitergeht. Unterdessen wächst der Frust in der "#IchbinHanna"-Community weiter.
Angesichts der Wissenschaftsbarometer-Zahlen wundert noch mehr, dass das BMBF ein weiteres im Koalitionsvertrag angekündigtes Vorhaben aussitzen könnte. Von einem "Bund-Länder-Programm" war darin
die Rede, das "Best-Practice-Projekte für 1) alternative Karrieren außerhalb der Professur, 2) Diversity-Management, 3) moderne Governance-, Personal- und Organisationsstrukturen fördern" sollte.
Also im Kern genau das, woran es in Deutschlands Wissenschaft hapert: attraktive Jobs und Aufstiegsmöglichkeiten, mehr Betonung von Chancengerechtigkeit und Vielfalt – und, siehe Genovese,
moderne Verwaltungs- und Berufungsverfahren.
Vom geforderten Dauerstellen-Programm
hat in der GWK noch keiner gehört
Verhandelt werden müsste ein solches Programm in der sogenannten "Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz" von Bund und Ländern, der GWK, doch wurde eine entsprechende Initiative vom BMBF nicht einmal
angekündigt bislang. Gerade erst traf sich die GWK in Bonn, inklusive vertraulichem Kaminabend mit Stark-Watzinger. Doch von einem solchen Programm: noch immer kein Wort.
Obwohl das Ministerium inzwischen sogar unter explizitem Zeitdruck steht: Bis September, legte der
einflussreiche Haushaltsausschuss des Bundestages vergangenen Herbst fest, muss Stark-Watzinger über eine mögliche Bund-Länder-Vereinbarung für ein befristetes Programm zum Ausbau
wissenschaftlicher Dauerstellen neben der Professur berichten. "Da zum aktuellen Zeitpunkt noch kein Konzept zu Dauerstellen im Mittelbau vorliegt und auch keine Entwicklungen erkennbar sind,
mussten nun wir Abgeordnete im Haushaltsausschuss tätig werden", begründete der grüne Haushaltspolitiker Bruno Hönel damals die Ungeduld der Koalitionsfraktionen, die durch die Verzögerungen beim
WissZeitVG noch verstärkt wurde. Zugestimmt hatten bei dem sogenannten Maßgabebeschluss übrigens auch die FDP-Abgeordneten.
Vor September trifft sich die GWK-Minsterrunde jetzt nur noch einmal: im Juli. Und das BMBF? Betont, wie wichtig attraktive Karriereperspektiven für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
seien, damit Deutschland an der Spitze von Forschung und Innovation bleibe. Und verweist neben dem Tenure-Track- und Professorinnenprogramm auf die – ebenfalls festhängende – WissZeitVG-Reform
als Beispiel für die "wichtigen Beiträge", die das BMBF hierzu leiste. Auch eine Art von Zirkelschluss.
Und was ist mit dem geforderten Bund-Länder-Programm? Das BMBF habe "einen Beratungsprozess mit Expertinnen und Experten von Universitäten, Hochschulen für angewandte Wissenschaften und
außeruniversitären Forschungseinrichtungen initiiert und wird dem Haushaltsausschuss auf Basis dieser Gespräche zur Umsetzung des Maßgabebeschlusses berichten." Außerdem erarbeite der
Wissenschaftsrat Empfehlungen zu Personalstrukturen in der Wissenschaft, die voraussichtlich Ende 2024/Anfang 2025 veröffentlicht würden.
Ob das den Haushaltspolitikern reichen wird? Haushaltspolitiker Hönel kommentiert auf Anfrage, er begrüße es ja, wenn aktuell Gespräche mit Fachverbänden stattfänden. Doch müsse das BMBF jetzt
zeitnah Gespräche mit den Ländern aufnehmen, die zentral für die Ausgestaltung dieses Programms seien. "Gute Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft sind eine Frage des Respekts und der
Wertschätzung gegenüber unseren Wissenschaftler*innen, sie werden aber auch zunehmend zu einem relevanten Standortfaktor für den Wissenschafts- und Technologiestandort Deutschland."
Sonst heißt es künftig häufiger: Deutschlands Verlust ist der Gewinn für andere.
Dieser Beitrag erschien in leicht gekürzter Fassung zuerst im Tagesspiegel. Ich habe ihn
außerdem vorm Erscheinen hier im Blog aktualisiert.
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Das BMBF reagiert auf parlamentarische Anfrage der Union, die Zweifel an der Pakttreue geäußert hatte – und buchstabiert die Finanzplanung für die nächsten Jahre aus.
KLEINE ANFRAGEN sind ein wichtiges parlamentarisches Instrument der Opposition, um die Regierung zu kontrollieren. Und manchmal sind sie zugleich die Gelegenheit für eine ehemalige
Regierungsfraktion, ihre eigenen Verdienste hervorzuheben: indem sie Zweifel formuliert, dass ihre Nachfolger die Verantwortung ähnlich ernst nehmen, wie sie selbst es nach eigener
Meinung getan hat. Im Falle der Kleinen Anfrage, die der CDU-Politiker Thomas Jarzombek für die CDU-/CSU-Bundestagsfraktion zum sogenannten Pakt für Forschung und Innovation (PFI) auf den
Weg gebracht hatte, trifft beides zu.
Der PFI, den Bund und Länder 2005 vereinbart und seitdem immer wieder erneuert haben, garantiert den großen außeruniversitären Forschungsorganisationen und der Deutschen Forschungsgemeinschaft
(DFG) regelmäßig sichere Aufwüchse ihrer Grundbudgets. In der laufenden – bereits der vierten – mehrjährigen Paktphase drei Prozent – Jahr für Jahr, und das, wie 2019
festgelegt, diesmal für einen exzeptionell langen Zeitraum bis 2030.
Im Gegenzug verpflichteten sich Max Planck, Helmholtz, DFG und Co auf die Erreichung der im PFI vereinbarten forschungspolitischen Ziele (wissenschaftliche Exzellenz, Talentförderung, Transfer etc.) – wobei sie viel Freiraum bei der Umsetzung haben. Und auch wenn sie über ihre
Performance transparenter als früher Rechenschaft ablegen müssen, so droht ihnen doch kaum Ungemach, wenn sie hinter den Erwartungen zurückbleiben. Aber das ist eine andere Geschichte.
"Erstmals kein klares
Bekenntnis mehr zum PFI"?
Das Besondere an der Pakt-Garantie ist, dass die Bundesregierung sie auf so lange Zeit gar nicht wirklich geben kann – sondern immer nur unter dem Vorbehalt der jährlichen
Haushaltsbeschlüsse des Bundestages. Anlass zur Sorge gab aus Sicht der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion jetzt, dass im Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2024 "erstmals kein klares Bekenntnis mehr
zum PFI" zu finden sei, wie es in der Kleinen Anfrage heißt.
Eine Interpretation, die man durchaus als nicht zwingend bezeichnen kann, zitiert die Fraktion doch selbst den – auf den ersten Blick eindeutigen – Wortlaut im Regierungsentwurf: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) "bleibt ein zuverlässiger Partner von Bildung, Wissenschaft und Forschung und stärkt
nachhaltig die Wettbewerbsfähigkeit des Wissenschaftsstandorts Deutschland. Hierzu tragen maßgeblich der Pakt für Forschung und Innovation sowie der Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken bei,
die beide dynamisiert sind und damit jährliche Aufwuchs gewähren."
Auf den zweiten Blick fehlt in der Formulierung allerdings die genaue Angabe in Prozent, wie hoch der jährliche Aufwuchs sein soll – im Unterschied etwa zu den Haushalten 2020 und 2021
(die noch unter Unions-Regierungsbeteiligung entstanden und im Fragetext entsprechend gewürdigt werden). Hinzu kommt, dass das BMBF nach Veröffentlichung der Regierungsaufstellung für 2024
tatsächlich unter Druck geriet, was den PFI anging. Aber nicht, weil im Entwurf die versprochenen Zuwächse fehlen, sondern gerade weil sie abgebildet sind, während das Gesamtbudget des
Ministeriums schrumpft.
Wenn die Pakt-Ausgaben schneller
wachsen als der BMBF-Haushalt
Dynamisch wachsende Budgets für die Forschungsorganisationen, während in der Bildung (Beispiel BAföG-Titel) gekürzt werden
muss? Insofern könnte den PFI-Organisationen also wirklich Ungemach drohen in den nächsten Jahren, wenn die PFI-Überweisungen weiter schneller zulegen sollten als der
Ministeriumshaushalt. Und hier kommt das erforderliche klare Bekenntnis der Bundesregierung ins Spiel, das die CDU-/CSU-Opposition bislang vermisste laut ihrer Kleinen Anfrage.
Zur Wahrheit gehört indes, dass ein Sprecher von Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) auf meine Anfrage hin schon Mitte Juli betont hatte, das BMBF
stehe zu den mit den Ländern vereinbarten jährlichen Steigerungen für den Pakt für Forschung und Innovation und für den Zukunftsvertrag. Aber klar, eine Aussage der gesamten Bundesregierung war
das noch nicht.
Genau das aber ist die jetzt veröffentlichte Antwort auf die Kleine Anfrage der Unionsfraktion, auch wenn sie im BMBF federführend formuliert wurde. Und sie lässt keinen Spielraum mehr für
Interpretation, so eindeutig ist sie – inklusive Seitenhieb in Richtung Vorgängerregierung: "Die Bundesregierung leistet die vereinbarten PFI-Aufwüchse trotz der bereits in der 19.
Legislaturperiode absehbaren finanziellen Herausforderungen. Die in der 19. Legislaturperiode vorgelegte Finanzplanung hatte einen niedrigeren Plafond vorgesehen, als dies unter den nun weitaus
schwierigeren Rahmenbedingungen der Fall ist."
Also: Ja, nicht nur Stark-Watzingers Ministerium, sondern die gesamte Bundesregierung steht zu den Aufwüchsen. Und betont zugleich, dass die mittelfristige Finanzplanung zu Zeiten von BMBF-Chefin
Anja Karliczek (CDU) weniger Geld fürs Forschungsministerium vorsah. Subtext: Die alte Regierung ist Versprechungen eingegangen, ohne deren Ausfinanzierung sicherzustellen. Was wir jetzt
nachgeholt haben.
Warum der Bund nicht genau
drei Prozent mehr überweist pro Jahr
Als Retourkutsche nicht ungeschickt– allerdings ähnlich einseitig wie die Eigenlob-Formulierung in der Kleinen Anfrage. Denn dass eine alte Regierung sich vor einer anstehenden Bundestagswahl bei
der mittelfristige Finanzplanung zurückhält, um der Prioritätensetzung ihrer Nachfolger nicht vorzugreifen, ist eingeübte parlamentarische Praxis.
Für 2024 liefert die Bundesregierung in ihrer Antwort die Haushaltsansätze für alle fünf PFI-Organisationen und die jeweiligen Steigerungen im Vergleich zu 2023 mit. Dabei erklärt der im
BMBF formulierte Text auch nachvollziehbar, warum das Plus bei keiner Organisation drei Prozent erreicht und das PFI-Versprechen trotzdem erfüllt wird.
Einerseits, weil nur die 2019 für jede Organisation vereinbarten Sockelbeträge mit drei Prozent pro Jahr angehoben werden und nicht seitdem hinzugekommene Sonderfinanzierungen. Anderseits,
und das ist 2024 neu, weil von jetzt an über sieben Jahre hinweg die Länder jedes Jahr etwas mehr zum Aufwuchs beitragen müssen. Hintergrund: Die damalige Große Koalition hatte sich für
die Jahre 2016 bis 2020 darauf eingelassen, das 3-Prozent-Plus allein zu tragen, was die über Jahrzehnte angestammten Finanzierungsschlüssel zwischen Bund und Ländern verändert hatte. Zu diesen
Schlüsseln soll es nun bis 2030 zurückgehen, wodurch der Anstieg auf Bundesseite geringer ausfällt.
Zu den Haushalten 2025 und 2026 gibt die Bundesregierung indes keine konkreten Zahlen im Detail an, sondern verweist darauf, dass die mittelfristige Finanzplanung ein regierungsinternes
Planungsinstrument sei, verbunden mit der Zusicherung: "Die gemäß dem PFI vorgesehenen Steigerungen des Bundes in Höhe von jährlich drei Prozent sind in den Ansätzen des Regierungsentwurfs sowie
der Finanzplanung enthalten."
Unabhängig davon, ob bislang Zweifel an der Pakttreue berechtigt oder doch ein wenig aufgebauscht waren, nach der Kleinen Anfrage haben es die Forschungsorganisationen nun schriftlich, dass die
Ampel sich für die nächsten Jahre committed hat zu den drei Prozent und Stark-Watzinger damit den Rücken stärkt. Ob ein solches Commitment in Zeiten knapper Kassen Sicherheit genug
bietet, müssen die Präsidenten der Pakt-Organisationen freilich selbst entscheiden.
Schutzwall nur für
die Wissenschaft?
Für die Union ist die Antwort des Ministeriums immerhin Anlass, auch die Regierung ein bisschen zu loben, vor allem aber wieder sich selbst. "Ich finde es wichtig, dass sich die
Bundesregierung auf unsere Nachfrage hin jetzt klar zu den Verpflichtungen aus dem PFI bekannt hat", sagt Jarzombek, der bildungs- und forschungspolitischer Sprecher seiner Fraktion ist. Die
geplante Kürzung des BMBF-Etats im kommenden Jahr könnten viele Menschen als Prioritätensetzung der Ampel nicht nachvollziehen und hielten sie für falsch. "Umso wichtiger war es im Rückblick,
dass wir 2019 auf Drängen der unionsgeführten Bundesregierung mit den drei Wissenschaftspakten gewissermaßen einen Schutzwall um unsere Wissenschaft errichtet haben." Und Jarzombek zeigt sich
überzeugt: "Ohne diesen Schutzwall wären die von der Regierungskoalition jetzt geplanten Kürzungen in Bildung und Forschung voraussichtlich noch größer ausgefallen."
Noch ist der Regierungsentwurf nur ein Entwurf. Die Regierungsfraktionen werden in den parlamentarischen Haushaltsberatungen das letzte Wort haben. Zuletzt war viel koalitionsinterne
Unzufriedenheit zu hören und die Sorge, die versprochene BAföG-Reform werde dem Rotstift geopfert. Gut möglich also, dass in den nächsten Wochen vor allem der genauso nötige Schutzwall um
den BMBF-Bildungsetat zur Sprache kommen wird.
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