Die Fülle, Vielfalt und Dynamik des Konsumangebots sowie die Komplexität seiner ethischen Aspekte haben verschiedene Formen von Verbraucherwissen hervorgebracht. Der Text unterscheidet zwischen warenkundlichem Wissen (Wissen-was), der Kenntnis von Instanzen der Produktbeurteilung (Wissen-wo) und der Fähigkeit, Qualitätsprädikate beurteilen zu können (Wissen-wie). Historische und aktuelle Beispiele werden dargestellt und mit Blick auf ein zeitgemäßes Verständnis von Verbraucherkompetenz diskutiert.
Zwischen 1870 und 1960 wurde die demographische Forschung von Nationalökonomie, Statistik, Medizin, Biologie, Anthropologie und Sozialwissenschaften beeinflusst. Hier werden daher auch Eugenik und Rassenkunde behandelt. Ziel ist eine Analyse des populären Diskurses über demographische Forschung. Seit der Jahrhundertwende, verstärkt jedoch nach 1918, beharrten Wissenschaftler auf der Notwendigkeit von Maßnahmen gegen die prognostizierten quantitativen wie qualitativen Gefahren der Bevölkerungsentwicklung. Ihnen ging es um Bildung, Überzeugung und Einstellungswandel. Die Studie wird nach der Realisierung solcher Vorstellungen im Rahmen der Bevölkerungspolitik fragen. Im Dritten Reich wies das NS-Regime demographischen Themen eine politisch-ideologische Bildungsfunktion zu. Hier wird die Ausbeutung und Verstrickung demographischen Wissens in diesem Zusammenhang thematisiert und anhand einer Analyse von Lehrmaterialien für die Fächer Deutsch, Erdkunde, Biologie und Geschichte illustriert. In diesem Zusammenhang wird auch nach Kontinuität und Brüchen im Zeitverlauf gefragt sowie nach der Übereinstimmung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen. Ein solcher Analyseansatz kann helfen zu verstehen, wie demographisches Wissen in öffentlichen Diskurs umgesetzt wird. (ICEÜbers). Die Untersuchung bezieht sich auf den Zeitraum 1870 bis 1960.;;;"The project focuses on the transformation of demographic knowledge within education in Germany between 1870 and 1960. Population research was influenced at that time by the domains of national economy and statistics, medicine and biology, anthropology and social sciences. Our investigation, therefore, includes the fields of eugenics as well as Rassenkunde. The objective is to analyse the popular discourse of population research. Beginning at the turn of the century - and increasingly after 1918 - scientists insisted on the needs for additional action against the predicted dangers of quantitative and qualitative demographic trends. Nearly all of them attached great importance not only to education, but also to persuasion and change of attitude. Hence the study will reveal the realisation of these ideas as a part of population policy. During the Third Reich, the NS-Regime assigned demographic contents a political ideological function for education. This study stresses the exploitation and the entanglement of demographic knowledge in this context. For this purpose we analyse teaching material because it serves as an information source with educational and political functions used by the majority of the young generation. We have decided to take the following subjects into account: German, Geography, Biology and History. Finally we compare, on the one hand, the contents of the teaching material over time in order to answer questions about continuity and breaks. On the other hand, we examine the extend to which these contents agree with the scientific statements. This approach contributes to our understanding of how demographic knowledge has been transformed into popular discourse." (author's abstract).
Der Beitrag betrachtet die Grundzüge der objektiven Hermeneutik und arbeitet dabei die Herausforderungen sozialwissenschaftlicher Erkenntnisbemühungen heraus. So wird im ersten Schritt zunächst die psychoanalytische Technik der objektiven Hermeneutik an einem Fallbeispiel skizziert. Der zweite Schritt beschreibt sodann die objektiv hermeneutische Rekonstruktion, die im Prinzip in zwei Schritten verfährt: Im ersten Schritt wird der betrachtete Gegenstand, in der Regel eine im schriftlichen Protokoll vorliegende Alltagsszene, ethnologisiert. Die hermeneutische Operation der Lesartenvariation stellt den Versuch dar, im Innern der eigenen Kultur ohne ein Außen fremd zu sein. Dies ist die Voraussetzung für den zweiten Schritt: die Nostrifizierung des zuvor ethnologisierten sozialen Sachverhalts. Der dritte Schritt widmet sich schließlich den latenten Sinnstrukturen, die das positive Unbewusste der gesellschaftlichen Praxen bilden. Darunter kann man das Ganze der stillen Vorentscheidungen verstehen, die unsere Vorstellungen von dem, was real, wahr, möglich und wahrscheinlich ist, regieren. Es sind dies die selbstverständlichen Normierungen, die die Stellung nehmenden Akte zur Wirklichkeit, die uns Max Weber zufolge zu Kulturwesen machen, überhaupt erst ermöglichen. Im Mittelpunkt des vierten Schritts steht der duale Schematismus von 'manifest' und 'latent', der in den Texten der objektiven Hermeneutik häufig mit dem von 'Erscheinung' und 'Wesen' gleichgesetzt wird. Die latenten Sinnstrukturen bilden das Wesen der Interaktionstexte. Um zum Wesen der Interaktionsstruktur zu gelangen, muss der objektive Hermeneut die Erscheinungen der Interakte durchdringen. Abschließend merkt der Autor an, dass vielleicht, dem dekonstruktiven Ansatz folgend, das Verfahren der Interpretation überhaupt in Frage gestellt werden muss. Demnach ist der Verdacht, dass es irgendwo das Latente oder das Wesen der alltäglichen Äußerungen zu entdecken gäbe, nicht gerechtfertigt: Hinter dem Vorhang ist nichts, es sei denn, man schaut Dahinter. (ICG2)
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 5965-5975
"Bereits um 1800 verbannte die Rumfordsche Kochmaschine das offene Herdfeuer. Ziel war ein sparsamer Umgang mit dem immer knapper werdenden Feuerholz. Das offene Herdfeuer verschwand unter Eisenringen, statt Funkenhut bekam der Herd einen Rauchabzug. Erst jetzt lohnte es sich, die ganze Küche weiß zu streichen und die weiße Farbe, die in die Küchen der nördlichen Hemisphäre einzog, wurde zum symbolischen Zeichen für den Einzug von Wissenschaft und Hygiene, die nun das 'traditional knowledge' samt Rauch- und Geruchswolken ersetzten. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts begannen wohlmeinende Ärzte, die Fehl- und Mangelernährung des gemeinen Volkes als ein Problem zu kommentieren. Frauenrechtlerinnen, die berühmt wurden für ihre Suppenküchen, die nicht nur jedermann offen standen, sondern auch volkstümliche Suppengerichte anboten, schrieben Kochbücher, in denen Fette, Eiweiße samt Kohlenhydrate und - nach dem Ersten Weltkrieg - auch Vitamine und Spurenelemente die Hauptrolle spielten. Die alte Kochkunst als ein Vermögen, nach Augenmaß und Gefühl die richtige Dosis zu bestimmen, verschwand. Sie wurde durch eine zu erlernende Küche ersetzt, deren Maßstäbe von den Experten aus Medizinalinstituten und Kliniken stammten. Nicht mehr das Haptische und die richtigen Proportionen bestimmten nun die Kochkunst, sondern die in Chemielaboren errechnete optimale Zusammensetzung eines Gerichts. Mit dem Verschwinden des alten Wissens und seiner sinnlichen Seiten schwand auch der Sinn für die soziale Bedeutung der Mahlzeit als Ritual und herkömmlicher Umgang mit dem Leiblichen." (Autorenreferat)
In: Verhandlungen des 6. Deutschen Soziologentages vom 17. bis 19. September 1928 in Zürich: Vorträge und Diskussionen in der Hauptversammlung und in den Sitzungen der Untergruppen, S. 35-83
Das Deutsche Hygiene-Museum Dresden (DHMD) versteht sich heute als ein Forum für aktuelle Fragestellungen, die sich aus den gesellschaftlichen Umwälzungen unserer Gegenwart ergeben. Aktuell und anhand von historischen Perspektiven werden hier Aspekte des menschlichen Lebens wie Körperanatomie, Leben und Sterben, Sexualität und Ernährung behandelt. Das DHMD erlebte seit 1912 wechselnde politische Systeme und war in diesen maßgeblich an Kampagnen beteiligt. Die Austellungsstücke geben somit auch Auskunft über Wissenstand und Auffassungen ihrer Entstehungszeit und lassen einen Wandel in der Wissensvermittlung deutlich werden. Beispielhaft kann dies an der Sexualaufklärung anhand von Körpermodellen nachvollzogen werden. Die Modelle entwickelten sich von solchen, die die Schwangerschaft und Geburt zeigten und damit die Sexualität zwischen Mann und Frau zum Zwecke der Fortpflanzung propagierten, hin zu einer progressiven Sexualaufklärung, die eine Abkehr von dem normativen Zwei-Geschlechter-Modell durch bunte, teils flauschige intergeschlechtliche Genitalorgane zeigt. Ein solcher Wandel ist ebenfalls in der Kommunikation zu sexuell übertragbaren Krankheiten und Ernährungskampagnen zu beobachten, welche insbesondere durch Plakate in die Öffentlichkeit gebracht wurden. Im Gegensatz dazu ist in der Geschichte der Impfkampagnen so wenig Wandel zu beobachten, dass ein historischer DDR-Aufklärungsfilm aus dem Jahr 1968 genutzt wird, um für die Corona-Schutzimpfung zu werben.
In: Verhandlungen des 6. Deutschen Soziologentages vom 17. bis 19. September 1928 in Zürich: Vorträge und Diskussionen in der Hauptversammlung und in den Sitzungen der Untergruppen, S. 208-226
Der Beitrag geht der Frage nach, wie sich Anspruch und Wirklichkeit der objektiven Hermeneutik zueinander verhalten. Zu diesem Zweck betrachtet der Autor einige heikle Punkte des Gesamtkonzepts von U. Oevermann. So sagt Oevermann zur prominenten Stellung des objektiven Hermeneuten: Zu Recht kann der Hermeneut davon ausgehen, dass er sich auf dem Gipfel befindet, denn seine Überlegenheit wird durch zwei Dinge gesichert - durch sein erworbenes Interpretationswissen und durch sein Interpretationsverfahren. Anmaßen würde sich der Interpret die Überlegenheit lediglich dann, wenn diese in der Tat nicht gegeben wäre, wenn also der Hermeneut für seinen Anspruch keine begründbaren und akzeptierbaren Argumente vorbringen könnte und stattdessen allein den Anspruch auf Überlegenheit reklamieren würde. Beleuchtet werden sodann folgende Aspekte: (1) das Selbstverständnis der objektiven Hermeneutik als Kunstlehre, (2) eine Variante dieser Kunstlehre - nämlich die Interpretation von so genannten, objektiven Daten, und (3) die Forschungslogik dieser Hermeneutik. Es geht hier nicht darum, die Unbrauchbarkeit der objektiven Hermeneutik zu demonstrieren, sondern darum, hermeneutische Deutungen zu verbessern, auch indem auf mögliche Gefahren bei der Deutung hingewiesen wird, denn: 'Wer über die Akte der Deutung nichts weiß und sich über ihre Prämissen und Ablaufstrukturen keine Rechenschaft auferlegt, interpretiert - aus der Sicht wissenschaftlicher Überprüfungspflicht - einfältig, das heißt auf der Grundlage impliziter alltäglicher Deutungsroutinen und Plausibilitätskriterien (Soeffner, 1985). Der objektive Hermeneut strebt - glaubt man den Worten Oevermanns - nach positivem Wissen, mit dem ganz allgemein vergangenes Handeln erklärt und zukünftiges berechnet werden kann. Doch um diesem Anspruch gerecht zu werden, ist nach Ansicht des Verfassers in Zukunft noch viel zu tun - nicht nur von der objektiven Hermeneutik. (ICG2)
In seinem fünfbändigen Werk "Das Leben des Menschen" erklärte der Mediziner Fritz Kahn (1888-1968) der bildungshungrigen Mittelschicht der Weimarer Republik die Anatomie, Biologie, Physiologie und Entwicklungsgeschichte des Menschen. Zwischen 1922 und 1931 veröffentlicht, gilt seine enzyklopädische Gesamtdarstellung heute als eine der Meisterleistungen populärer Wissenschaftsvermittlung und - wegen der weit über 1.000 Abbildungen auf Tafeln - als ein Meilenstein der visuellen Kommunikation. Der Beitrag untersucht die Visualisierungsstrategien des Werkes und seine Vermittlungswege, auch im Hinblick auf aktuelle Ansätze der Gesundheitskommunikation.
In: Kultur und Gesellschaft: gemeinsamer Kongreß der Deutschen, der Österreichischen und der Schweizerischen Gesellschaft für Soziologie, Zürich 1988 ; Beiträge der Forschungskomitees, Sektionen und Ad-hoc-Gruppen, S. 563-565
In: Soziale Ungleichheit, kulturelle Unterschiede: Verhandlungen des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München. Teilbd. 1 und 2, S. 4536-4546
"Das Spüren des eigenen Körpers ist ein in der Soziologie bislang wenig beachtetes Phänomen. In der Mainstream-Soziologie nahezu überhaupt nicht zur Kenntnis genommen, finden sich zumindest im Feld der Soziologie des Körpers inzwischen einige AutorInnen, welche die gesellschaftliche Bedeutung des Spürens hervorheben. Sie verwenden dafür vor allem leibphänomenologische Ansätze, um die soziale Relevanz des Spürens in Begriffen wie 'leiblich-affektives Betroffensein', 'leibliches Wissen', 'Spürsinn' oder 'Gespür für die Situation' zu verdeutlichen. Sie zeigen damit, dass Sozialität keineswegs Resultat ausschließlich rational handelnder Individuen, sondern mindestens so sehr auch Ergebnis der Wechselwirkungen eigenleiblicher Erfahrungen ist. Für die allgemeine Soziologie sind die Erkenntnisse der leibphänomenologischen Arbeiten aus dem Bereich der Soziologie des Körpers insofern von Bedeutung, als sie dazu beitragen, einige zentrale Kategorien der Soziologie neu zu definieren. Diese Neudefinition besteht generell darin, den rationalistischen Bias in der Soziologie zu korrigieren, indem die sinnlich-spürenden Dimensionen sozialen Handelns und sozialer Ordnung aufgezeigt werden. In dem Vortrag soll beispielhaft anhand der beiden Konzepte des 'leiblichen Verstehens' und 'leiblichen Interagierens' die soziologische Relevanz des Spürens verdeutlicht werden." (Autorenreferat)
"Zuerst gebe ich einen knappen Überblick über das soziologische Schrifttum Falks, dann sage ich einiges über die Bedingungen, unter denen Falks soziologische Texte verfasst wurden und - indem ich versuche, Falk im Intellektuellen Diskurs der Zweiten Republik zu verorten - füge ich einige wenige Bemerkungen zum breiteren Kontext an, in dem in Österreichs Zweiter Republik sozialwissenschaftliches Wissen publik wurde." (Textauszug)
Michel Foucault konzipiert 'Überwachung' als ein Mittel zur Durchsetzung von Disziplin, wie v.a. staatliche und wirtschaftliche Institutionen Individuen organisieren und planen. Das geschieht mit Hilfe eines umfassenden, möglichst alles erfassenden Beobachtungs-, Registrierungs- und Dressurapparates, der sowohl "von außen" als auch "innerlich" ansetzt und wirkt. Disziplinierende Überwachung gründet auf und mündet in einem Wissenskorpus von den jeweiligen Individuen − eine Kenntnis, welche kontinuierlich aktualisiert wird und mittels derer die Individuen nach Typen sortiert, organisiert und verwaltet werden. Dieses in solchem Sinne individualisierte Wissen hat als Voraussetzung und Konsequenz beständige Beobach-tung. Neben der Praxis der disziplinierenden Überwachung beschreibt Foucault auch eine ethisch-philosophische Selbstkultur, einen "Seelendienst". Die von Foucault in Bezug auf die Selbstkultur aus der Geschichte der Ideen herausgearbeiteten Motive einer "Ethik der Beherrschung", eines 'Besitzes seiner selbst' und einer 'Freude an sich selbst' mögen durchaus auch dazu Anlass geben, in beständiger, übergreifender und dokumentarisch-archivierender Weise sich seiner selbst zuzuwenden und sich material erinnerbar und greifbar zu machen. Doch bringt das Leben in einer Gesellschaft schon bevor sich eine Machtfrage stellt die Notwendigkeit auf den Plan, sich seiner selbst hin und wieder im Hinblick auf die Begegnung mit anderen Akteuren zu vergewissern, sich selbst zu wissen: um sich damit in der Gesellschaft zu verorten und zurechtzufinden, um kommunizieren und handeln zu können. Diese Praxis der Selbstüberwachung steht idealtypischerweise neben Disziplinarüberwachung und Selbstkultur, mit Überschneidungsbereichen. Foucault geht es mit den Praxen der Überwachung und der Selbsterkenntnis um die "Konstitution des Moralsubjektes". Obzwar daran anknüpfend, geht es hier um ein anderes Subjekt, um das handelnde Wissenssubjekt, welches im gesellschaftlichen Alltag seine Existenz meistern muss, das handelt – anstatt um Diskurse, die handeln.