Nudge – so heißt die Formel, mit der man andere dazu bewegt, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Denn Menschen verhalten sich von Natur aus nicht rational. Nur mit einer Portion List können sie dazu gebracht werden, vernünftig zu handeln. Aber wie schafft man das, ohne sie zu bevormunden? Wie erreicht man zum Beispiel, dass sie sich um ihre Altervorsorge kümmern, umweltbewusst leben oder sich gesund ernähren? Darauf gibt Nudge die Antwort.
Wir diskutieren Ergebnisse einer Studie über die Akzeptanz und Effektivität kognitiver und moralischer Nudges am Beispiel von Standardeinstellungen und sozialer Information. Unsere Studienteilnehmenden ordnen diese beiden Dimensionen von Nudges unterschiedlich ein. Im Fokus des Beitrags stehen neben den Wirkmechanismen der Nudges auch Unterschiede in gesellschaftlichen und persönlichen Zielen, in denen die Nudges angewendet werden sollen. Die Teilnehmenden unserer Studie bevorzugen moralische Nudges fürgesellschaftliche Ziele und kognitive Nudges für persönliche Ziele. Daraus leiten wir wichtige Konsequenzen für die Nutzung von Nudges als Politikmaßnahme ab. Wir kommen zu dem Ergebnis, dass von unseren Studienteilnehmenden kognitive Nudges als effektiver angesehen werden als moralische Nudges. Die Akzeptanz solcher Nudges unterscheidet sich allerdings je nach Ziel. ; We discuss the results of a study on the acceptance and effectiveness of cognitive and moral nudges using defaults and social information as examples. Our study participants classify these two dimensions of nudges differently. In addition to the choice mechanisms of nudges, this article also focuses on differences in social and personal goals in which nudges are to be applied. Our result is that moral nudges are preferred for social goals, whereas cognitive nudges are preferred for personal goals. From this we derive important consequences for the use of nudges as policy measures. Our results show that cognitive nudges are considered more effective by our study participants than moral nudges. However, the acceptance of such nudges differs according to the goals.
Der sogenannte Libertäre Paternalismus, der in den letzten Jahren mit dem Politikinstrument des Nudging hervorgetreten ist, weist in seinen konzeptionellen Grundlagen eine Reihe problematischer Eigenschaften auf. Insbesondere dient der Homo oeconomicus als normatives Rollenmodell, der heuristisch die Richtung weisen soll, in die reale Menschen "gestupst" werden sollen. Dieser Beitrag untersucht diese konzeptionelle Fundierung und diskutiert kritisch ihre Implikationen. Im Anschluss daran skizzieren wir einen alternativen Ansatz, der dazu beitragen kann, Nudging vom Pauschalvorwurf der Manipulation zu befreien. ; Libertarian paternalism is a normative public policy program that has become famous in recent years for the propagation of nudging. However, we think that it suffers from a series of conceptual flaws. Most notably, it takes homo economicus as the normative benchmark which real-world individuals should be nudged towards. This article assesses this theoretical starting point and critically discusses its implications. We sketch an alternative foundation for behavioral policies which might help to free nudging from the standard charge of manipulation.
In den letzten Jahrzehnten hat die Politik in Großbritannien durch verschiedene Reformen den Schwerpunkt der Altersvorsorge von der gesetzlichen Rente hin zu privater und betrieblicher Altersvorsorge verschoben. Im Gegenzug hat die Finanzkompetenz der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie für Politiker und für Regulierungsbehörden an Relevanz gewonnen. Die experimentelle Überprüfung der Regulierung von Websiten, die Anlage- und Vorsorgeprodukte vergleichen sowie der Präsentation und Gestaltung von Produktinformationen durch Nudging entwickelt sich in Großbritannien gegenwärtig zu einem neuen Tätigkeitsfeld für Regulierungsbehörden. Wir haben für verschiedene britische Behörden experimentelle Studien zur individuellen Entscheidungsfindung von Verbraucherinnen und Verbrauchern auf dem Markt für Rentenprodukte durchgeführt. Wir nutzten für unsere Studien informationelle Nudges. Ein wesentliches Ergebnis, das wir aus diesen Studien gewinnen konnten, ist, dass personalisierte, auf individuelle demografische Faktoren zugeschnittene Nudges effektiv zum Vergleich von Rentenprodukten anregen. Eine deutliche Beeinflussung der Rentenentscheidung durch die individuelle Finanzkompetenz konnten wir aber nicht feststellen. ; Over the last decades, politics in the UK has shifted away its focus from government-managed pensions to privatized pension solutions and services. In turn, financial literacy has become a critical issue for consumers, politicians and regulation agencies. The precise experimental examination of website regulation used to compare investment and pension products, as well as the design and presentation of product information through nudging become new fields of activity for regulatory agencies. We have undertaken a number of experimental projects on consumer decision making on pension product markets for U.K. authorities. These experiments used informational nudges. A key finding that we have gained from these studies is that personalized nudges tailored to individual demographic factors effectively encourage comparison of pension products. However, we were not able to determine a clear influence on the pension decision by the individual financial literacy.
In diesem Beitrag argumentieren wir, dass eine umfassende Implementierung sogenannter Nudges weitreichende Auswirkungen für rechtliche und politische Institutionen hat. Die wissenschaftliche Diskussion zu Nudges ist derzeit hauptsächlich von philosophischen Theorien geprägt, die im Kern einen individualistischen Ansatz vertreten. Unsere Analyse bezieht sich auf die Art und Weise, in der sich Anhänger des Nudging neuster Erkenntnisse aus den Verhaltenswissenschaften bedienen immer in der Absicht, diese für effektives Regieren einzusetzen. Wir unterstreichen, dass die meisten Nudges, die derzeit entweder diskutiert werden oder bereits implementiert sind, nicht Teil eines Rechtssystems sind und keinen normativen Charakter haben. Dazu unterscheiden wir zwischen zwei Idealtypen, um menschliches Verhalten zu beeinflussen, die wir als normativ bzw. instrumentell bezeichnen. Diese Idealtypen stehen für verschiedene Weisen, in denen öffentliche Regeln strukturiert werden können; sie erlauben uns, die institutionellen Implikationen von Nudges zu verstehen und zu bewerten. Hier betonen wir den Wert des Rechts als Absicherung gegenüber den möglichen schädlichen Konsequenzen von in der Politik und Regierungsführung eingesetzten Nudges. Unser Beitrag schließt mit Reaktionen auf einige Einwände, die unsere Vorschläge bereits erhalten haben. ; In this article we argue that a comprehensive implementation of the so called nudges has extensive consequences for legal and political institutions. The scientific discussion of nudges is currently mainly shaped by philosophical theories which essentially follow an individualistic approach. Our analysis is about the way in which supporters of nudging use the newest insights from behavioural sciences to use them for effective governance. We emphasise that most of the nudges which are currently either discussed or already implemented, are not part of a legal system and have no normative character. For this purpose we distinguish between two ideal types to influence human behaviour, which we label as normative and instrumental. These ideal types stand for different ways in which public rules can be structured. They allow us to understand and evaluate the institutional implications of nudges. Here we emphasise the value of law as safeguard against potentially damaging consequences of nudges used in politics and the government. Our article concludes with reactions to some objections our suggestions have already received.
Cyber-Security ist aus ökonomischer Sicht vor allem eine Frage fehlgeleiteter Anreize. Wenn Marktakteure nicht die vollen Kosten ihres informationstechnologischen Handelns tragen, führt dies zu ineffizienten Märkten. Ein Grund für die geringen Investitionen in Cyber-Security dürfte in fehlenden Verfügungsrechten an den eigenen Daten im Internet liegen. Darüber hinaus müsste das Wettbewerbsrecht ausgeweitet werden, um eine Machtkonzentration auf Anbieterseite zu verhindern und ein Mindestmaß an Sicherheit zu gewährleisten. Security-Nudges können dazu beitragen, die Verbraucher für Kosten und Nutzen bei der Herausgabe eigener Daten zu sensibilisieren. ; From an economic point of view, the problem of cyber security is not primarily a technological challenge but one based on misaligned incentives. When market participants do not bear the full costs of their negligent behaviour in digital transactions, the market outcome tends to be inefficient. In this article, the authors argue that one of the main reasons for a lack of investment in digital security is the lack of property rights for personal data in the internet. They argue that the right institutional environment can lead to a market for data that would spark a reputational competition for computer security technologies. Effective antitrust law and behaviourally informed policies can lead to further welfare improvements in digital markets.
Intro -- Geleitwort -- Danksagung -- Inhaltsverzeichnis -- Zusammenfassung der Dissertation -- Abbildungsverzeichnis -- Tabellenverzeichnis -- Abkürzungsverzeichnis -- 1 Einleitung -- 1.1 Problemhintergrund und -aktualität auf Seiten der Praxis und der Forschung -- 1.2 Forschungsbedarf, Zielsetzung und Beitrag der Arbeit -- 1.3 Aufbau der Dissertationsschrift -- 2 Gesundheit und Beanspruchungen im Kontext der Arbeitswelt -- 2.1 Der Gesundheitsbegriff: Verständnis und Diskurs aus verschiedenen Sichtweisen der Fachwelt -- 2.2 Modelle von Gesundheit - Laienmodell, biomedizinisches und biopsychosoziales Modell -- 2.3 Das Modell der Salutogenese (Gesundheitsentstehung) von Antonovsky (1997) -- 2.4 Beschreibung von Gesundheitskompetenz und -verhalten in Modellen und Theorien -- 2.4.1 Gesundheitskompetenz und ihre Ausprägung im Rahmen der Theorie des Nudging von Thaler & Sunstein (2009) -- 2.4.2 Theorien des Gesundheitsverhaltens - die Theorie des geplanten Verhaltens von Ajzen (1991, 2005) -- 2.5 Ressourcen von Gesundheit -- 2.5.1 Bewältigungs- und Gesundheitsressourcen -- 2.5.2 Salutogene Wirkung von Ressourcen -- 2.5.3 Ressourcenmodelle im betrieblichen Kontext -- 2.6 Belastungen und Beanspruchungen aus arbeitswissenschaftlicher Sicht -- 2.6.1 Begriffsverständnis und Abgrenzung -- 2.6.2 Das Belastungs-Beanspruchungskonzept nach Rohmert & Rutenfranz (1975) -- 2.6.3 Das neue, integrative Belastungs-Beanspruchungs-Konzept für individualisierte Arbeitsbedingungen nach Hornberger (2006) -- 2.6.4 Wirkungsmodelle zur Entstehung von psychischen Belastungen -- 2.7 Zusammenfassung der Theorieebene -- 3 Gesundheitsmanagement als moderne Aufgabe in Unternehmen -- 3.1 Corporate Citizenship - ein Managementansatz der sozialen Verantwortung von Unternehmen -- 3.2 Bedeutung der Erwerbsarbeit und Notwendigkeit von Fürsorgepflicht.
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In the past decade, interventions informed by behavioural economics and psychology have spread across jurisdictions and policy areas. Worldwide, more than one hundred organizations and networks are developing and implementing nudges and other behavioural tools. After an initial phase of curiosity, attention is now shifting to the varieties of behavioural public policy, its institutional and cultural embeddedness, its impact and limitations. In his most recent book, Peter John explores some of the crucial questions related to this next phase of nudge. He discusses the role of nudge units, the limitations of behavioural approaches and the ethics of nudge. Most importantly, John proposes a deliberative and reflective version of nudging, nudge plus. Readers might miss an in-depth discussion of pressing problems such as the globalizing influence of behavioural expertise, the imperialism of evidence hierarchies and the political repercussions of nudging. Despite these deficits, the book will inspire both further research and critical debates.
Wir nehmen die Bedeutung verhaltensökonomischer Erkenntnisse für den sozialpolitisch relevanten Bereich der Alterssicherung in den Blick. Zunächst stellen wir aktuelle Daten zur Entwicklung der Altersvorsorge in Deutschland vor, insbesondere seit der Einführung der Riester-Rente, die mit einer Veränderung des Leitbilds in der Sozialpolitik verbunden war. Dabei haben sich erklärungsbedürftige Besonderheiten im Verhalten der Bürger ergeben. Mit dem Ziel, die Konsumentensouveränität zu stärken und vor dem Hintergrund wichtiger Verhaltensanomalien, die in der Forschung zur Verhaltensökonomie beschrieben werden, diskutieren wir die Einführung von Nudges in der Sozialpolitik als Unterstützung bei der Entscheidungsfindung. Dabei muss die Frage gestellt werden, wie stark die Politik das Verhalten der Bürger steuern will. Zur Beantwortung dieser Frage hilft ein Blick nach Schweden. Dort ist das System der Alterssicherung anders organisiert, und es werden verschiedene Instrumente als Nudges eingesetzt. Durch diese Analysen können Implikationen für die Einführung von Nudges in Deutschland besser bewertet werden. ; This article focuses on the importance of behavioral economic findings for pensions as a sociopolitically relevant field. First, current data on the development of old-age provision in Germany are presented, especially since the introduction of the Riester pension, which was associated with a change inthe guiding principles in social policy. With the aim of strengthening consumer sovereignty and against the background of important behavioral anomalies described by behavioral economics research, the introduction of nudges to support decision-making is discussed. Furthermore, it is discussed how much politics should be involved in influencing the behavior of the citizens. To answer this question, we look at Sweden, where the old-age pension system is organized slightly different and nudges are implemented. By conducting these analyses implications for the introduction of nudges in Germany can be better assessed.
Jedem sind sog. »Nudges« schon begegnet. Diese zwingen kein bestimmtes Verhalten auf, wollen aber in eine bestimmte Richtung schupsen (»to nudge«). Stephan Gerg untersucht die verfassungsrechtlichen Grenzen, wenn die öffentliche Hand auf den Bürger unbewusst oder nur halb bewusst durch »Nudges« und damit abseits von Ge- und Verboten sowie wirtschaftlichen Anreizen einwirkt. Hierzu zählen beispielweise Moralappelle, das Einwirken auf den Bürger durch sozialen Druck oder eine Widerspruchslösung im Organspenderecht. Ausgehend von einem juristisch definierten Begriff des Nudgings sollen anhand einer ebenfalls neuen Typologie die verfassungsrechtlichen Maßstäbe untersucht werden – insbesondere die grundrechtlichen Grenzen, der Vorbehalt des Gesetzes und der effektive Rechtsschutz. Im Mittelpunkt steht dabei die Besonderheit des Einwirkens auf die innere Autonomie, die Möglichkeit, den Willen des Bürgers über verborgene oder halb verborgene Beeinflussungspfade zu lenken, um ihm zu »besseren Entscheidungen« zu verhelfen. Wird bereits der Wille des Adressaten beeinflusst, braucht es keine Ver- oder Gebote mehr. Doch der demokratische Rechtsstaat spielt mit offenen Karten. In den Worten des zitierten Goethe ist keiner mehr Sklave, als der sich für frei hält, ohne es zu sein.
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Bis heute konzentriert sich die Debatte über die moralische Zulässigkeit von Nudging hauptsächlich auf staatlich implementierte Nudges (Libertärer Paternalismus). Dieser Fokus führt zur Vernachlässigung eines kritischen Diskurses über andere mögliche Entscheidungsarchitekten, wie beispielsweise Unternehmen. Diese können Nudging dazu nutzen, dassVerhalten ihrer Belegschaft oder ihrer Kunden zu lenken. Da Nudges in ihrer Grundidee zum Guten eingesetzt werden sollen, liegt der Fokus in diesem Beitrag auf dem Wohlergehen der Mitarbeitenden und der Förderung moralischen und nachhaltigen Verhaltens im Unternehmen. Andere Arten von Unternehmenszielen, wie beispielsweise die Erhöhung der Produktivität, werden in diesem Artikel ausgeklammert. Die diskutierte These lautet: Nudging kann nicht ethisch bewertet werden ohne die Identität und Eigenschaften des Entscheidungsarchitekten zu berücksichtigen. Um diese Behauptung zu belegen, werden drei typische Argumente gegen staatliches Nudging untersucht: Autonomieverlust, Paternalismus und das Risikopotential. Es soll aufgezeigt werden, dass diese nicht ohne Weiteres auf Unternehmen übertragbar sind. ; Nudging has been ethically assessed and criticised during the past ten years. To this day the debate has focused mainly on nudges implemented by governments (liberal paternalism). This has led to a negligence of other possible choice architects, such as private corporations. They can use nudging, for example, in order to guide the behaviour of their employees or customers. As nudges are supposed to benefit the nudgee as well as society, this article focuses on the well-being of employees and the encouragement of ethical andenvironmentally friendly decision-making in the organisations. Other kinds of corporate objectives, such as improvements in performance, are not discussed. I argue that the ethics of nudging cannot be assessed without taking into account the identity and the specific properties of the choice architect. The argument will be structured along three counter-arguments against governmental nudging, which cannot readily be transferred to companies: autonomy restrictions, paternalism and risk potential.