In: Kirchliche Zeitgeschichte: KZG ; internationale Zeitschrift für Theologie und Geschichtswissenschaft = Contemporary church history, Band 32, Heft 2, S. 242-263
Der Beitrag liefert auf Grundlage eines Forschungsreviews erstmals einen systematischen und differenzierten Überblick zur empirischen Befundlage zum islamischen Religionsunterricht (IRU) in Deutschland. Der IRU erweist sich zunehmend als Gegenstand einer dezidiert empirischen, disziplinübergreifenden Forschung, in der sich die mehrdimensionale Interessenlage ihm gegenüber spiegelt, sich im Bildungssystem zu etablieren und gleichzeitig integrationspolitischen Ansprüchen gerecht zu werden. Dabei wird sowohl unmittelbar gegenstandbezogenes als auch kontextuelles Wissen zum IRU generiert, wobei die Forschung häufig eher (extrinsisch) auf den IRU im Verhältnis zur Gesellschaft und dessen Legitimation, Akzeptanz und Nutzen und weniger (intrinsisch) auf das Verstehen und die Entwicklung des IRU ausgerichtet ist. Daraus resultieren drei zentrale Erkenntnisse: Erstens liefert die bisherige Forschung wichtige Befunde, erlaubt jedoch kaum verlässliche und verallgemeinerbare Aussagen zum IRU hinsichtlich seiner gesellschaftlichen Situiertheit und (integrativen) Wirkung. Zweitens wird die auf das Verstehen und die Entwicklung des IRU gerichtete eher intrinsische Forschung teilweise durch Integrationsimperative überlagert und stellt weiterhin ebenso ein wichtiges Desiderat dar. Drittens ist die Forschung zum IRU stark am Status Quo orientiert und thematisiert kaum Fragen der zukünftigen Entwicklungen und Herausforderungen einer zunehmend multireligiösen säkularen Gesellschaft. Der Beitrag versteht sich damit als Momentaufnahme und zugleich Impulsgeber der IRU-Forschung, die sowohl Spiegel wie auch mögliche Triebkraft der Entwicklungen im Feld des IRU sein kann.
Das Verhältnis von Psychotherapie, Religion und "New Age" wird erörtert. Dabei wird zunächst betont, dass alle menschlichen Gesellschaften Regenerationsrituale entwickelt haben, die der Befreiung von blockiertem Leben dienen sollen. In archaischen oder klassenlosen Gesellschaften war der Schamane der Experte, der für die kosmisch-religiöse, die politische, die psychosoziale und auch die physische Regeneration oder Heilung gleichermaßen zuständig war. Da die tendenzielle Identität der genannten Aspekte heute definitiv zugunsten der relativen Selbständigkeit von elaborierten gesellschaftlichen und professionellen Subsystemen aufgelöst ist, müssen Bewegungen oder Personen, die eine alle genannten Aspekte umfassende Regeneration oder Heilung versprechen, als unseriös gelten. Die große Attraktivität und gute Verkäuflichkeit von neoschamanischen und New-Age-Verfahren beruht auf aufgeblähten Gebrauchswertversprechen der konkurrierenden Anbieter und einem Verlust von historischem Bewusstsein. In der Psychotherapie können diese Verfahren Schaden anrichten.
Rezension zu: 1) Sonja A. Strube, Rita Perintfalvi, Raphaela Hemet, Miriam Metze, Cicek Sahbaz (Hrsg.): Anti-Genderismus in Europa - Allianzen von Rechtspopulismus und religiösem Fundamentalismus. Mobilisierung - Vernetzung - Transformation. Bielefeld: transcript Verlag 2021. ISBN 978-3-8376-5315-1. 2) Anja Hennig, Mirjam Weiberg-Salzmann (Hrsg.): Illiberal Politics and Religion in Europe and Beyond - Concepts, Actors, and Identity Narratives. Frankfurt am Main: Campus Verlag 2021. ISBN 978-3-593-50997-6.
'Aufgrund der vielen Angebote an religiösen und weltanschaulichen Gruppen und Ideen ist auch in Österreich die religiöse Landschaft immer unübersichtlicher geworden. Die Grundlage für diesen Artikel bilden die Erfahrungen katholischer Weltanschauungsreferenten. Sie bieten einen Überblick über diesen 'Markt der Religionen'. Dabei zeigt sich, dass die beiden Strömungen Fundamentalismus und Esoterik wesentlich sind und sich in vielen Angeboten finden. Der Artikel kommt zum Ergebnis, dass diese beiden Strömungen ihre Bedeutung behalten werden und dass aufgrund des zunehmenden Individualismus die Zahl der religiösen und weltanschaulichen Gruppen weiter steigen wird.' (Autorenreferat)
Eine neue Ausgabe des Informationsdienstes "Recherche Spezial" bietet einen umfassenden Überblick über aktuelle sozialwissenschaftliche Literatur- und Forschungsnachweise zum Thema Religion in Osteuropa. Er wurde anlässlich der Tagung "Religion und Politik in osteuropäischen Staaten" der Fachgruppe Religion der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde e.V. (DGO) am 10./11. Oktober 2008 in Berlin erstellt. Viele Jahrzehnte waren die Länder des sowjetischen Einflussbereichs geprägt von einem staatlich verschriebenen Atheismus und den damit einhergehenden Repressionen gegen die Institution Kirche und jegliche religiöse Ausdrucksformen. Seit nun fast zwanzig Jahren herrscht wieder die Freiheit der Religionsausübung. Heute lässt sich in vielen Ländern die Renaissance religiöser Phänomene feststellen und es sind entsprechende Wechselwirkungen zwischen Religion und Politik bzw. Gesellschaft zu beobachten. Der Informationsdienst zeigt einen Ausschnitt der sozialwissenschaftlichen Forschung, die sich mit verschiedensten Aspekten von Religion bzw. Kirche in den Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR ebenso wie in den postsozialistischen Staaten des östlichen Europa beschäftigt. In den einzelnen Kapiteln wird z.B. die Rolle von Religion für das Wertesystem der einzelnen Gesellschaften betrachtet. Weiterhin werden das Verhältnis von Religion und Politik sowie rechtliche Fragen beleuchtet und das Thema neuer verschiedener religiöser Ausdrucksformen inklusive Säkularisierungstendenzen wird berücksichtigt. Außerdem geht die Zusammenstellung auf den Zusammenhang von Religion und kollektivem Gedächtnis und ihre Rolle für die Konstruktion nationaler bzw. ethnischer Identitäten ein. Für den Informationsdienst berücksichtigt wurden Literatur- und Forschungsnachweise aus dem deutschsprachigen Raum seit 2005.
'Die hier präsentierte Studie beschäftigt sich mit religiös-kirchlichen Orientierungen und ihren Folgen für Einstellungen und Werthaltungen. Basis ist eine repräsentative Telefonumfrage unter 514 ÖsterreicherInnen, die im Jänner 2005 am Institut für Soziologie der Universität Wien durchgeführt wurde. Die Ergebnisse zeigen auf, dass die beiden häufig verwendeten Begriffe 'Säkularisierung' und 'Individualisierung' nicht ausreichend sind, um das gegenwärtige religiös-kirchliche Spektrum in Österreich zu erfassen. Mittels einer neu entwickelten Typologie der religiös-kirchlichen Orientierung soll diese Schwäche überwunden werden. Dabei werden auch in der österreichischen Religionssoziologie bisher nicht beachtete Gruppen beleuchtet. Die Typologie konnte nicht nur erfolgreich validiert werden, sondern ermöglichte es auch, neue Blickwinkel auf die Diskrepanz von religiösen Werten einerseits und persönlichen Einstellungen und Werten der Befragten andererseits zu eröffnen.' (Autorenreferat)
ZusammenfassungDer Beitrag liefert auf Grundlage eines Forschungsreviews erstmals einen systematischen und differenzierten Überblick zur empirischen Befundlage zum islamischen Religionsunterricht (IRU) in Deutschland. Der IRU erweist sich zunehmend als Gegenstand einer dezidiert empirischen, disziplinübergreifenden Forschung, in der sich die mehrdimensionale Interessenlage ihm gegenüber spiegelt, sich im Bildungssystem zu etablieren und gleichzeitig integrationspolitischen Ansprüchen gerecht zu werden. Dabei wird sowohl unmittelbar gegenstandbezogenes als auch kontextuelles Wissen zum IRU generiert, wobei die Forschung häufig eher (extrinsisch) auf den IRU im Verhältnis zur Gesellschaft und dessen Legitimation, Akzeptanz und Nutzen und weniger (intrinsisch) auf das Verstehen und die Entwicklung des IRU ausgerichtet ist. Daraus resultieren drei zentrale Erkenntnisse: Erstens liefert die bisherige Forschung wichtige Befunde, erlaubt jedoch kaum verlässliche und verallgemeinerbare Aussagen zum IRU hinsichtlich seiner gesellschaftlichen Situiertheit und (integrativen) Wirkung. Zweitens wird die auf das Verstehen und die Entwicklung des IRU gerichtete eher intrinsische Forschung teilweise durch Integrationsimperative überlagert und stellt weiterhin ebenso ein wichtiges Desiderat dar. Drittens ist die Forschung zum IRU stark am Status Quo orientiert und thematisiert kaum Fragen der zukünftigen Entwicklungen und Herausforderungen einer zunehmend multireligiösen säkularen Gesellschaft. Der Beitrag versteht sich damit als Momentaufnahme und zugleich Impulsgeber der IRU-Forschung, die sowohl Spiegel wie auch mögliche Triebkraft der Entwicklungen im Feld des IRU sein kann.
In: Discussion Papers / Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Forschungsschwerpunkt Zivilgesellschaft, Konflikte und Demokratie, Forschungsgruppe Zivilgesellschaft, Citizenship und Politische Mobilisierung in Europa, Band 2005-404
"Der Aufsatz argumentiert gegen eine säkularistische Definition von Zivilgesellschaft, indem er die keineswegs ausschließlich negative, sondern ambivalente Beziehung zur Religion herausarbeitet. Hierfür wird zunächst der aktuelle, gleichermaßen globale wie disziplinenübergreifende Diskurs zum Verhältnis von Religion und Zivilgesellschaft beleuchtet, dann - vor dem Hintergrund theoretischer und empirischer Einwände gegen die Säkularisierungstheorie - ein nicht säkularistisches Verständnis von Zivilgesellschaft entwickelt, das schließlich forschungspraktisch an der Geschichte des 19. Jahrhunderts erprobt wird. Deutlich wird dabei die enge Verflechtung von Religion und Zivilgesellschaft inner- und außerhalb Europas, von der bürgerlichen Familie über religiöse Vereine bis hin zur Kolonialmission. Die Fokussierung von Religion rückt von der Forschung bislang zu Unrecht marginalisierte Akteure und Felder zivilgesellschaftlicher Praxis in den Blick: Geistliche, Frauen, Unterschichten, Kolonien. Auf konzeptioneller Ebene erweist sie räumliche und normative Definitionen von Zivilgesellschaft als teilweise säkularistisch. Empirisch revidiert sie die Gleichsetzung von Zivilgesellschaft und bürgerlicher Gesellschaft im 19. Jahrhundert, indem sie auf religiös motivierte klassenübergreifende zivilgesellschaftliche Praktiken aufmerksam macht. In genealogischer Perspektive führt sie die noch immer wirkungsmächtige Dichotomisierung von Religion und Zivilgesellschaft auf die Verflechtung der Entstehung von Theorien der Säkularisierung und der bürgerlichen Gesellschaft zurück. Die Untersuchung der Beziehung von Religion und Zivilgesellschaft erklärt mithin sowohl, warum beide Größen so lange antagonistisch verstanden worden sind, als auch weshalb sich dies künftig ändern sollte." (Autorenreferat)
In: Kirchliche Zeitgeschichte: KZG ; internationale Zeitschrift für Theologie und Geschichtswissenschaft = Contemporary church history, Band 30, Heft 2, S. 376-382