Zur politischen Funktion von Gerichten
In: Politik und Repräsentation: Beiträge zur Theorie und zum Wandel politischer und sozialer Institutionen, S. 215-224
Der Autor stellt die politischen Funktionen der Justiz am Beispiel des Gerichtswesens der Bundesrepublik Deutschland in den Abschnitten: Gerichtsorganisation und Richterstatus; BVerfG und Selbstbeschränkung der Politiker; Leitfunktion von Gerichtsentscheidungen; Entscheidungsfindung und Legitimationsstrategie; Herkunft und Selbstverständnis der Richter, dar. Es wird im Ergebnis festgestellt, daß die fortschreitende Differenzierung der Gesellschaft zu einem gewandelten Verständnis von Recht, Rechtsetzung und Rechtsprechung geführt hat. Die traditionelle rechtstaatliche Vorstellung vom Parlament als Gesetzgeber trifft für moderne Industriegesellschaften nicht mehr zu. Rechtsförmige Steuerung nähere sich damit dem Lindblomschen Modell der "inkrementalen Politik". Nur schrittweise tastend und jederzeit zur Kursänderung bereit, könne heute den Steuerungsanforderungen einigermaßen adäquat entsprochen werden. Die Justiz werde "vor Ort" mit den situativen Gegebenheiten der Gesellschaft konfrontiert. Ihr stehe eine ausgefeilte Dogmatik sowie die Verfahrensregelungen zur Verfügung, die nach innen die Abschottung gegen Subjektivitätsvorwürfe ermöglichen und nach außen zu Lerneffekten in der Bevölkerung führen. Solchen Anforderungen zeitgerechter Rechtssprechung könne nur ein "politischer Richter" gerecht werden. Dazu gehöre sowohl das Bewußtsein, politisch zu handeln, als auch die Einsicht, daß bestimmte Wertvorstellungen in das Urteil einfließen. (TR)