Die folgenden Links führen aus den jeweiligen lokalen Bibliotheken zum Volltext:
Alternativ können Sie versuchen, selbst über Ihren lokalen Bibliothekskatalog auf das gewünschte Dokument zuzugreifen.
Bei Zugriffsproblemen kontaktieren Sie uns gern.
1038 Ergebnisse
Sortierung:
In: Psychosozial, Band 47, Heft 2, S. 36-48
ISSN: 2699-1586
Um der Frage nachzugehen, ob Betroffene von SED-Unrecht, die in der DDR Stigmatisierung erfuhren, bis in die Gegenwart damit konfrontiert sind, wurden im Rahmen einer qualitativen Studie zwei ausgewählte Fälle kontrastiv verglichen. Die Ergebnisse zeigen, dass einerseits strukturelle Stigmatisierung im Rahmen der Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen mit einer hohen Belastung einhergeht und eine Kontinuität von (Selbst-)Stigmatisierungsprozessen deutlich werden kann, andererseits folgenreiche Stigmaerfahrungen und gesundheitliche Folgen nach politischer Haft aber nicht in jedem Fall auftreten. Es werden Faktoren für Stigmaresistenz herausgearbeitet und Implikationen diskutiert.
World Affairs Online
In: Medizin und Menschenrechte 4
In: Forschungen zur osteuropäischen Geschichte v.86
Cover -- Title Pages -- Inhalt -- I Einleitung -- II Porträt "besonders gefährlicher Staatsverbrecher": Die TauwetterIntelligencija in Haft, 1956-1965 -- Mit der Geheimrede in der Hosentasche. Politischer Protest und Repressionen in der Ära Chruščev -- Der Fremde im Spiegel. Gefängnis und Untersuchungshaft -- Dissens verdichtet. Die Anfänge der Rechtsverteidigung im Lagerkomplex ŽCh-385 in Mordvinien -- Der stumme Weg zurück. Die Rückkehr der Tauwetter-Intelligencija in die sowjetische Gesellschaft -- Zusammenfassung -- III Die Sagbarmachung staatlicher Repressionen: Kultur- und Kommunikationsraum (Polit)lager, 1966-1972 -- Repressionen im Fokus der Öffentlichkeit. Zur Rezeption des Falls Sinjavskij/Daniėl' -- "Politgefangene sind wir". Subjektkonstituierung Gefangener im Lagerkomplex ŽCh-385 -- Samizdat und Tamizdat als Resonanzräume staatlicher Repression -- Zusammenfassung -- IV Arenen der Rechtsverteidigung: Protestaktionen, subversive Praktiken und Gefühlsnormen Politgefangener in den 1970er und 1980er Jahren -- Neue Schauplätze, hybrides Hafterlebnis. Der Lagerkomplex VS-389 und das Gefängnis von Vladimir -- Statusforderungen und "PEN-Klub" im Lager. Selbstbehauptungspraktiken Gefangener -- Erbarmungsloser Krieg und "Prison Liberty". Das Gefühlsregime der Polithaft -- Zusammenfassung -- V Von der Allgegenwart des Lagers: Sowjetische Politgefangene im Kontext grenzüberschreitender Unterstützernetzwerke -- "Was könnte normaler sein als die Korrespondenz zwischen Freiheit und Lager, nicht wahr?" Selbstverständnis und Wandel sowjetischer Unterstützerszenen in den 1970/80er Jahren -- "Publicity für unsere Sache". Politgefangene zwischen Heldeninszenierung und Hafttrauma -- "Ich war ja ein Teil auf der anderen Seite". Westlicher Menschenrechtsaktivismus und die Übernahme dissidentischer Werte -- Zusammenfassung.
In der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) waren schätzungsweise 300000 Menschen aus politischen Gründen inhaftiert, mindestens 200000 allein in der DDR. Dabei erlebten sie während der Haft physische und psychische Misshandlungen bzw. Folter. Mit der Inhaftierung unmittelbar verbunden war die Trennung von der Familie inklusive der Kinder. Frühere wissenschaftliche Untersuchungen aus den 90er Jahren zeigten, dass diese potentiell traumatischen Erlebnisse in den Gefängnissen langfristige körperliche und psychische Folgen für die Betroffenen nach sich zogen. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, 20 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung die aktuelle psychische und körperliche Belastung ehemals politisch Inhaftierter in der DDR zu erfassen, diese mit der Allgemeinbevölkerung zu vergleichen und potentielle Einflussfaktoren auf das Ausmaß der Belastung zu detektieren. Des Weiteren sollte die Frage untersucht werden, wie sich das psychische Wohlbefinden der Nachkommen ehemals politisch Inhaftierter in der SBZ und DDR im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung darstellt und ob es Faktoren gibt, die das Ausmaß der psychischen Belastung beeinflussen. Dabei war von besonderem Interesse, ob sich diejenigen Nachkommen, die zum Zeitpunkt der elterlichen Haft bereits geboren waren, bezüglich der psychischen Belastung von denen unterschieden, die erst später geboren wurden. Die Datenerhebung fand jeweils querschnittlich im Rahmen zweier Forschungsprojekte an der Selbständigen Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig statt. Die ehemals politisch Inhaftierten in der DDR (Studie I; Forschungsbeginn 2007; n=157) und die Nachkommen von ehemals politischen Häftlingen in der SBZ und DDR (Studie II; Forschungsbeginn 2010; n=43) wurden mittels verschiedener standardisierter und validierter Fragebogenverfahren zu den aktuellen körperlichen Beschwerden (Studie I: GBB-24; Studie II: PHQ-15) und zum psychischen Wohlbefinden (Studie I: Depressivität und Angst [HADS], Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) [IES-R]; Studie II: Depressivität [PHQ-9], Ängstlichkeit [GAD-7], PTBS [IES-R]) sowie zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität (Studie I: EORTC-QLQ C30) befragt. Für den Vergleich der Stichprobendaten wurden in beiden Studien Substichproben aus bevölkerungsrepräsentativen Daten generiert. In Studie I wurden diese Vergleichsdaten alters- und geschlechtsparallelisiert, in Studie II alters-, geschlechts- und bildungs-parallelisiert. In drei Einzelpublikationen zur den Langzeitfolgen politischer Haft für die Betroffen und in einer Publikation zu den Nachkommen der Betroffenen wurden die Ergebnisse der Untersuchungen dargestellt. Im Folgenden werden sie überblicksartig zusammengefasst: Ergebnisse Studie I: - Ehemals politisch Inhaftierte in der DDR berichten zum Teil noch 20 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung signifikant vermehrt über Symptome von Traumafolge-störungen wie Ängstlichkeit, posttraumatische Belastungssymptome und Depressionen im Vergleich zu einer alters- und geschlechtsparallelisierten Stichprobe der Allgemein-bevölkerung. - Die gesundheitsbezogene Lebensqualität ehemals politisch Inhaftierter in der DDR ist im Vergleich zu einer alters- und geschlechtsparallelisierten Stichprobe der Allgemein-bevölkerung in allen Funktions- (körperliche, emotionale, soziale, kognitive Funktion, Rollenfunktion) und Symptombereichen (Fatigue, Übelkeit/Erbrechen, Schmerz, Kurzatmigkeit, Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, Verstopfung, Durchfall, finanzielle Schwierigkeiten) signifikant niedriger. Es fand sich kein durchgängiger Einfluss der haftbezogenen Merkmale auf das Ausmaß der Lebensqualität. Jedoch berichteten diejenigen Betroffenen, die mehrfach verhaftet wurden, geringere Werte auf allen Funktionsskalen der Lebensqualität als diejenigen, die "nur" einmal verhaftet wurden. - Bei 50 % der Betroffenen wurde auf Grundlage der Fragebogendaten eine PTBS ermittelt. Diejenigen Betroffenen, die länger als zwei Jahre inhaftiert waren, litten seltener an einer PTBS als Personen, die zwei Jahre oder kürzer inhaftiert waren. In welcher Haftära die Betroffenen in der DDR inhaftiert waren (1949-1971 vs. 1972-1989), wie alt sie bei der ersten Inhaftierung waren und ob sie nach der Haft in die Bundesrepublik Deutschland oder in die DDR entlassen wurden, hatte keinen Einfluss auf das Ergebnis. Diejenigen Betroffenen, die mehrfach verhaftet wurden, wiesen jedoch signifikant häufiger eine PTBS auf. - Ehemals politisch Inhaftierte in der DDR berichteten signifikant mehr Körperbeschwerden (Erschöpfung, Magen-, Herzbeschwerden, Gliederschmerzen) im Vergleich zu einer alters- und geschlechtsparallelisierten Stichprobe der Allgemeinbevölkerung. Die Variable Haftdauer hatte keinen signifikanten Einfluss auf das Ausmaß der Körperbeschwerden. Ergebnisse Studie II: - Es gibt Hinweise darauf, dass die Gruppe der Nachkommen politisch Inhaftierter in der SBZ und DDR im Durchschnitt in den psychischen Störungsbereichen Ängstlichkeit, Depressivität und somatoforme Symptome signifikant stärker belastet ist als eine repräsentative alters-, geschlechts- und bildungsparallelisierte Stichprobe der Allgemeinbevölkerung. - 49 % der Nachkommen ehemals inhaftierter Personen in der SBZ und DDR wiesen auf Grundlage der Fragebogendaten eine psychische Störung in den Bereichen Ängstlichkeit, Depressivität und somatoforme Störung auf. Bei 51 % wurde keine psychische Störung in den erhobenen Bereichen gefunden. - Diejenigen Nachkommen politisch Inhaftierter, die zum Zeitpunkt der elterlichen Haft bereits geboren waren, unterschieden sich in den Bereichen Ängstlichkeit, Depressivität und Somatisierung nicht signifikant von denen, die erst nach der Haft geboren wurden. - 88,4 % der befragten Nachkommen berichteten mindestens ein selbst erlebtes traumatisches Ereignis. 34,9 % von ihnen gaben als das schrecklichste Ereignis eines im Zusammenhang mit der politischen Inhaftierung ihrer Eltern an. 9,1 % Personen wiesen dabei auf Grundlage der Fragebogendaten eine PTBS auf. - Diejenigen Nachkommen, bei denen beide Elternteile in politischer Haft waren, wiesen über alle Störungsbereiche hinweg tendenzielle höhere Belastungswerte auf, allerdings blieb dieser Unterschied ohne statistische Signifikanz. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine politische Inhaftierung in der DDR weitreichende Folgen für den körperlichen und psychischen Gesundheitszustand eines Betroffenen haben konnte und dass diese Belastungen zum Teil noch bis heute anhalten können. Dabei ist auch die aktuelle gesundheitsbezogene Lebensqualität stark beeinträchtigt. Die Umstände der Haft scheinen nur vereinzelt einen Einfluss auf die Ausprägung der Belastungen zu haben. Für die klinische Praxis bedeuten diese Befunde, dass die historisch-biografischen Lebensumstände eines Individuums als Teil der ätiologischen Rahmenbedingungen für die Entstehung von Psychopathologie unbedingt mit betrachtet werden müssen. Für eine Gruppe von Nachkommen ehemals politisch inhaftierter Personen in der SBZ und DDR ergaben sich Hinweise auf eine erhöhte psychische Belastung in den Störungsbereichen Ängstlichkeit, Depressivität und somatoforme Symptome, unabhängig davon, ob sie zum Zeitpunkt der elterlichen Haft bereits geboren waren oder nicht. Die Interpretation der Studienergebnisse ist vor dem Hintergrund einiger methodischer Einschränkungen vorzunehmen. Das Fehlen klinisch-strukturierter Experteninterviews, die alle psychiatrischen Störungsbereiche erfassen, geringe Fallzahlen besonders in der Untersuchung zu den Nachkommen der ehemals politisch Inhaftierten, das Querschnittsdesign und die hohe Selektivität der Stichprobe sind kritische Aspekte, die in zukünftigen Untersuchungen besonderer methodischer Aufmerksamkeit bedürfen. Um die Auswirkungen der elterlichen Haft auf die Kinder umfassender zu untersuchen, sei empfohlen, sowohl systembezogene Variablen wie Eltern-Kind-Beziehung und Bindung, innerfamiliäre Kommunikation und den elterlichen Erziehungsstil zur Aufklärung der Beziehungen auf Verhaltensebene, als auch epigenetische, neuroendokrinologische oder neurologische Parameter, die Aufschluss auf der biologischen Ebene liefern können, zu erfassen. Die vorliegende Arbeit zu den Auswirkungen politischer Haft in der DDR und SBZ leistet einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der jüngsten deutsch-deutschen Geschichte. Sie macht deutlich, wie stark dieses potentiell traumatische Ereignis der politischen Haft in der DDR und SBZ zum Teil auch den gegenwärtigen körperlichen und psychischen Zustand der Betroffenen und deren Nachkommen bestimmt. Zugehörige Publikationen 1. Weißflog, G., Klinitzke, G. & Hinz, A. (2011). Gesundheitsbezogene Lebensqualität und Posttraumatische Belastungsstörungen bei in der DDR politisch Inhaftierten. Psychother Psych Med 2011; 61; 133-139 2. Weißflog, G., Böhm, M., Klinitzke, G. & Brähler, E. (2010). Erhöhte Ängstlichkeit und Depressivität als Spätfolgen bei Menschen nach politischer Inhaftierung in der DDR. Psychiat Prax 2010; 37; 297-299 3. Weißflog, G., Daig, I., Klinitzke, G. & Brähler, E. (2012). Körperbeschwerden nach politischer Inhaftierung und deren Zusammenhang mit Ängstlichkeit und Depressivität. Verhaltenstherapie 2012; 22; 37-46 4. Klinitzke, G., Böhm, M., Brähler, E. & Weißflog G. (2012). Ängstlichkeit, Depressivität, Somatisierung und Posttraumatische Belastungssymptome bei den Nachkommen ehemals politisch inhaftierter Personen in Ostdeutschland (1945-1989). Psychother Psych Med 2012; 62: 18-24:1.Einführung……………………………………………………………………………………………………………… 1.1. Historischer Hintergrund……………………………………………………………………………………… 1.2. Forschungsstand zu den körperlichen und psychischen Auswirkungen politischer Haft in der SBZ und DDR………………………………………………………………………………………. 1.3. Frühkindliche Traumatisierung……………………………………………………………………. 1.4. Forschungsergebnisse zur transgenerationalen Weitergabe nach politischer Verfolgung in verschiedenen gesellschaftlichen-historischen Kontexten……………… 1.5. Resümee und Fragestellungen……………………………………………………………………………. 2. Publikationen…………………………………………………………………………………………………………. 2.1 Gesundheitsbezogene Lebensqualität und Posttraumatische Belastungsstörungen bei in der DDR politisch Inhaftierten…………………………………. 2.2 Erhöhte Ängstlichkeit und Depressivität als Spätfolgen bei Menschen nach politischer Inhaftierung in der DDR………………………………………………………………………. 2.3 Körperbeschwerden nach politischer Inhaftierung und deren Zusammenhang mit Ängstlichkeit und Depressivität……………………………………………………………………………. 2.4 Ängstlichkeit, Depressivität, Somatisierung und Posttraumatische Belastungssymptome bei den Nachkommen ehemals politisch inhaftierter Personen in Ostdeutschland (1945-1989)………………………………………………………. 3. Diskussion……………………………………………………………………………………………………………… 4. Zusammenfassung…………………………………………………………………………………………………. 5. Literatur…………………………………………………………………………………………………………………. 6. Anlagen………………………………………………………………………………………………………………… Erklärung über die eigenständige Abfassung der Arbeit Curriculum Vitae Publikationsverzeichnis Danksagung
BASE
In der DDR waren Schätzungen zufolge ungefähr 200 000 Menschen aus politischen Gründen inhaftiert. Für viele von ihnen hat diese Inhaftierung bis heute negative Folgen für ihre psychische Gesundheit. Verschiedene Studien belegten erhöhte Prävalenzen psychischer Störungen in der Gruppe der ehemaligen Inhaftierten, vor allem hinsichtlich der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), die zum Teil über Jahrzehnte persistierte. Die Familien der ehemaligen Inhaftierten standen hingegen bisher nur selten im Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass die politische Haft und damit in Zusammenhang stehende Erlebnisse auch für Angehörige politisch inhaftierter Menschen langfristige Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben konnten. Zum einen war das Miterleben der Haft und anderer Formen politischer Gewalt potenziell belastend, und es wurde verschiedentlich berichtet, dass auch Angehörige in der DDR Ziel politischer Repressionsmaßnahmen wurden. Zum anderen wurde aus anderen Kontexten berichtet, dass sich eine Traumatisierung als sogenannte sekundäre Traumatisierung (Figley, 1983) auf Angehörige der traumatisierten Person auswirke. Als Mechanismen dieser sekundären Traumatisierung wurden unter anderem die Beeinträchtigung der Familienbeziehungen sowie eine über innerfamiliäre Kommunikation vermittelte psychische Belastung diskutiert. In der vorliegenden explorativen Untersuchung sollte deshalb geprüft werden, ob Partner*innen und Kinder ehemaliger Inhaftierter der DDR erhöhte Symptome psychischer Belastung aufwiesen und weiter, inwieweit diese auf Mechanismen primärer und sekundärer Traumatisierung zurückzuführen waren. Für die Angehörigen ehemaliger politisch Inhaftierter wurde angenommen, dass sie zum einen durch das Miterleben der politischen Haft und gegen sie gerichtete nichtstrafrechtliche Repressionsmaßnahmen stärker psychisch belastet sein würden, zum anderen, dass diejenigen, deren Partner*in bzw. Mutter oder Vater eine PTBS aufwies, höhere Symptome psychischer Störungen aufweisen würden. Zudem sollte erfasst werden, inwieweit die Befragten potenziell belastenden Stressoren im Zusammenhang mit der politischen Haft ausgesetzt waren. Für die Analyse der sekundären Traumatisierung wurde eine erhöhte Belastung der Familienbeziehungen bei PTBS der Indexperson postuliert und eine vergleichsweise geringere Belastung auf der Individual- und Familienebene bei moderater innerfamiliärer Kommunikation über die politische Haft im Vergleich zu häufiger und seltener Kommunikation. Die Untersuchung wurde über die Befragung von 91 ehemaligen Inhaftierten, 35 Partner*innen sowie 64 erwachsenen Kindern (n=91 Familien) realisiert. Die Symptome psychischer Störungen wurden über die Posttraumatic Diagnostic Scale (PDS) sowie die Symptom-Checklist-27 (SCL-27) erfasst, die Familienbeziehungen über das Family Assessment Device (FAD) sowie die Family Adaptability and Cohesion Scales (FACES-III). Alle anderen Dimensionen wurden über selbst entwickelte Items erhoben. Es ergaben sich signifikant höhere Prävalenzen der PTBS und Hinweise auf das Vorliegen anderer psychischer Störungen im Vergleich zu gematchten Vergleichsstichproben aus Repräsentativbefragungen in allen drei Untersuchungsgruppen. Ein substantieller Teil der PTBS konnte auch für die befragten Angehörigen auf Erlebnisse im Zusammenhang mit der politischen Haft zurückgeführt werden, wobei allein das Miterleben politischer Verfolgung im Gruppenvergleich nicht mit signifikant höheren Symptomen psychischer Störungen assoziiert war. Für die ehemaligen Inhaftierten wurde die in anderen Untersuchungen berichtete hohe Prävalenz der PTBS und hohe Belastung durch andere Symptome psychischer Störungen bestätigt. Zudem ergaben sich Hinweise darauf, dass die PTBS der ehemaligen Inhaftierten zu einer erhöhten psychischen Belastung ihrer Partner*innen und Kinder führte. Diese sind jedoch vor dem Hintergrund methodischer Einschränkungen lediglich als Hinweise zu interpretieren und bedürfen einer eingehenderen Überprüfung. Die Diagnose einer PTBS ging in der Gruppe der Indexpersonen mit als dysfunktionaler eingeschätzten Familienbeziehungen einher. In der Gruppe der Partner*innen galt dies in geringerem Maße, und in der Gruppe der Kinder ergab sich kein Zusammenhang. In Bezug auf die innerfamiliäre Kommunikation über die Haft zeigte sich für die ehemaligen Inhaftierten die vergleichsweise höchste psychische Belastung bei geringer Kommunikationshäufigkeit. Für die Nachkommen wurde die postulierte geringste psychische Belastung bei moderater erinnerter Häufigkeit innerfamiliärer Gespräche über die Haft bestätigt. Somit wurde die Bedeutsamkeit der Kommunikation über die politische Haft für die Vermittlung psychischer Belastung bestätigt. Hinsichtlich der Familienbeziehungen ergeben sich jedoch Widersprüche zu bestehenden Ergebnissen anderer Studien. Die Ergebnisse belegen, dass ein Teil der Angehörigen der ehemaligen Inhaftierten in politische Repressionsmaßnahmen in der DDR einbezogen wurde und dass die Erfahrungen der politischen Haft über die ehemaligen Inhaftierten hinaus langfristige negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit ihrer Familienmitglieder haben konnten. Primäre Traumatisierung durch Erlebnisse in Zusammenhang mit der politischen Haft wurde auch für Partner*innen und Kinder ehemaliger Inhaftierter bestätigt. In Bezug auf die Prozesse sekundärer Traumatisierung wurden die Ergebnisse anderer Studien, nach denen die PTBS der Indexperson mit höherer psychischer Belastung ihrer Partner*innen und Kinder einhergehe, nur tendenziell bestätigt. Auf der Grundlage der Ergebnisse, die bestehende wissenschaftliche Befunde aus anderen Kontexten teilweise stützen, ihnen zum Teil widersprechen, wurden abschließend Empfehlungen für die Differenzierung des Konzepts der sekundären Traumatisierung und dessen methodische Umsetzung erarbeitet.:1 VORBEMERKUNG 2 2 EINFÜHRUNG 3 3 THEORETISCHER HINTERGRUND 5 3.1 Politische Inhaftierung in der DDR 5 3.2 Folgen politischer Inhaftierung in der DDR für die Betroffenen 10 3.2.1 Traumatisierungen und Traumafolgestörungen – Definition und Modelle 11 3.2.2 Traumatisierungen und Traumafolgestörungen – Prävalenzraten 16 3.2.3 Risiko- und Schutzfaktoren für das Auftreten von Traumafolgestörungen 18 3.2.4 Ergebnisse zu psychischen und körperlichen Auswirkungen politischer Haft in SBZ und DDR 19 3.3 Familie und politische Inhaftierung in der DDR 23 3.3.1 Belastungen durch die Inhaftierung eines oder mehrerer Familienmitglieder 24 3.3.2 Gegen Angehörige gerichtete nichtstrafrechtliche Repressionsmaßnahmen 27 3.4 Familie und Traumatisierung 29 3.4.1 Definitionen und Modelle: Familie und Familienstressoren 29 3.4.2 Definitionen und Modelle: Sekundäre Traumatisierung und familiäre Bewältigung 33 3.4.3 Ergebnisse zu Auswirkungen von Traumatisierungen auf Familien 40 4 FRAGESTELLUNG 50 4.1 Zusammenfassung und Integration der theoretischen Befunde 50 4.2 Zielsetzung der Arbeit 52 4.3 Fragestellungen 53 4.4 Umsetzung der Fragestellungen in Hypothesen 54 5 METHODISCHE UMSETZUNG DER FRAGESTELLUNG 59 5.1 Untersuchungsdesign 59 5.2 Erhebungsinstrumente 59 5.3 Stichprobe 67 5.3.1 Gewinnung der Stichprobe 67 5.3.2 Rücklaufquote 70 5.3.3 Vergleichsstichproben 70 5.4 Kennwerte 71 5.5 Statistische Analyse 71 6 ERGEBNISSE 75 6.1 Beschreibung der Stichprobe 75 6.2 Politische Haft 79 6.2.1 Inhaftierte Familienmitgliedern in den befragten Familien 79 6.2.2 Dauer der politischen Haft, Tatvorwürfe, subjektive Vorhersehbarkeit und Ort der Haftentlassung 80 6.2.3 Kontakt zu Partner-/innen und Kindern während der Haftzeit 82 6.2.4 Die Lebenssituation der Angehörigen 84 6.2.5 Erinnerte psychische Belastung während der Haftzeit in den drei Gruppen 88 6.3 Nichtstrafrechtliche Repressionsmaßnahmen 89 6.4 Ausreise 93 6.5 Kommunikation über die politische Haft 93 6.5.1 Kommunikation in der Gruppe der ehemaligen Inhaftierten 93 6.5.2 Kommunikation in der Gruppe der Partner/ innen 98 6.5.3 Kommunikation in der Gruppe der Kinder 100 6.5.4 Einschätzung des Wissens über die politische Haft 104 6.6 Primäre Traumatisierung 106 6.6.1 Subjektive psychische Belastung und Bedeutsamkeit der politischen Haft für das eigene Leben 106 6.6.2 Familienfunktionen 110 6.6.3 Beschreibung der Vergleichsstichproben 112 6.6.4 Trauma / PTBS 113 6.6.5 Belastung durch Symptome psychischer Störungen 123 6.6.6 Zusammenhänge zwischen erlebten Stressoren und psychischer Belastung 129 6.7 Sekundäre Traumatisierung 135 6.7.1 PTBS der Indexperson und Symptome psychischer Störungen der Angehörigen 135 6.7.2 PTBS der Indexperson und Einschätzung der Familienbeziehungen 138 6.7.3 Zusammenhänge zwischen der psychischen Belastung der Familienmitglieder 140 6.7.4 Zusammenhänge zwischen der psychischen Belastung der Indexpersonen und der Einschätzung der Familienbeziehungen 144 6.7.5 Kommunikation und psychische Belastung 147 6.7.6 Kommunikation und Familienbeziehungen 155 7 DISKUSSION 160 7.1 Zentrale Ergebnisse 160 7.1.1 Stressoren im Zusammenhang mit der politischen Haft 160 7.1.2 Kommunikation über die politische Haft 165 7.1.3 Psychische Belastung 170 7.1.4 Familienbeziehungen 175 7.1.5 Primäre Traumatisierung 178 7.1.6 Sekundäre Traumatisierung 181 7.1.7 Traumatisierung und Kommunikation über die Haft 191 7.2 Weiterführende Diskussion 196 7.3 Einschränkungen 200 7.4 Ausblick 207 8 LITERATURVERZEICHNIS 212 9 ABBILDUNGSVERZEICHNIS 244 10 TABELLENVERZEICHNIS 246 11 DANKSAGUNG 249
BASE
In: Forschungen zur osteuropäischen Geschichte Band 86
In: Forschungen zur osteuropäischen Geschichte v. 86
In: Amnesty International publications
World Affairs Online
In: Zeitgeschichte, Band 47, Heft 2, S. 257-282
ISSN: 2569-5304
In: Psychosozial, Band 47, Heft 2, S. 49-62
ISSN: 2699-1586
Für ehemals in der DDR politisch Inhaftierte besteht die Möglichkeit, Versorgungsleistungen für gesundheitliche Folgeschäden gemäß §21 StrRehaG geltend zu machen. In der Praxis zeigt sich trotz wissenschaftlich belegter physischer und psychischer Traumafolgestörungen nach politischer Haft eine erhebliche Diskrepanz zwischen Antragstellung und positiver Bescheidung. Die bestehende Literatur fokussiert bereits die besondere Situation der Gutachter:innen bei der sozialrechtlichen Begutachtung. Dabei blieb bisher die Bedeutung von szenischen Informationen, die sich im Kontakt mit den Betroffenen herstellen, allerdings weitestgehend unbeachtet. In diesem Beitrag werden szenische Informationen anhand einer Fallgeschichte skizziert, die aus einem qualitativen Forschungsprojekt über das Erleben der Entschädigungspraxis ehemals politisch Inhaftierter in der DDR stammt. Die Erschließung des Gegenstandes erfolgt durch die systematische Auswertung des Erlebnisprotokolls des Interviewers, des Interviewmaterials sowie durch Einbindung der Resonanzphänomene der Auswertungsgruppe. Der Einbezug der Erfahrungen des Interviewers während des Forschungsprozesses ermöglicht einen erweiterten Zugang zu Hindernissen, die im intersubjektiven Kontakt entstehen können und sich szenisch darstellen. Der Beitrag schließt mit der Diskussion zweier Effekte, die einen zusätzlichen Ansatzpunkt bei der Untersuchung der Diskrepanz von Antragstellung und positiver Bescheidung darstellen können: Verfremdung und Verzögerung bei der Vermittlung des Erlebten.