Wo bleibt das Subjekt für einen "radikalen Reformismus"?
In: Flexibler Kapitalismus: Analyse, Kritik und politische Praxis ; Frank Deppe zum 60. Geburtstag, S. 270-280
Das Konzept des radikalen Reformismus ist, so der Verfasser, ein wissenschaftliches Konstrukt, das zwar auf der Aufarbeitung von Politik- und Bewegungserfahrungen beruht, den realen politischen Organisationsformen und Praktiken gleichzeitig aber auch kritisch gegenübersteht. Mit ihm werden allgemeine Prinzipien formuliert, die im praktischen Zusammenhang konkretisiert und modifiziert werden müssen. Inwieweit es wirksam werden kann, ist nicht die Frage abstrakter "Aufklärung", sondern hängt von sich verändernden historischen Erfahrungen und Situationen ab. Es hat, wenn man den etwas anspruchsvollen Vergleich ziehen will, zunächst einmal den Charakter einer Flaschenpost, bei der offen bleibt, von wem, wann und wie sie gelesen wird. Die Tatsache, so die These, dass die gesellschaftliche und politische Entwicklung der letzten Jahre in eine Richtung gegangen ist, die dem Konzept des radikalen Reformismus in gewisser Weise gerade entgegengesetzt ist, macht dieses nicht falsch, sollte aber Anlass dazu sein, über die Bedingungen und Dimensionen seiner Realisierbarkeit genauer nachzudenken. Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass Theorie nicht dazu geeignet ist, revolutionäre Fahrpläne aufzustellen. Ob und wie sich Menschen befreien, bleibt ihnen selbst überlassen. Theorie wird nur dann praktisch, wenn sie sich ins politische Handgemenge begibt und sich dabei selbst kritisiert und revidiert. So gesehen, lohnt es sich allemal, an dem Konzept des radikalen Reformismus festzuhalten und sich damit auseinander zu setzen, theoretisch wie praktisch. (ICF2)