Die Bedeutung von Biographien und Biographieforschung in der Psychologie wird erörtert. Dabei wird insbesondere auf die Sinnhaftigkeit von biographisch orientierten Kursen in der Psychologieausbildung hingewiesen. Anschließend werden unterschiedliche Möglichkeiten der Gestaltung solcher Kurse erläutert. Die Erfahrungen mit einem Kurskonzept werden ausführlich dargestellt.
Ausgehend von der Feststellung, dass sich die Entfremdungstheorie bei gleichzeitigem Boom von Entfremdungsphänomenen auf dem Rückzug befindet, werden die Schwächen der bisherigen Entfremdungstheorie am Beispiel eines Aufsatzes von D. Schweitzer, der Trennung als wesentliches Entfremdungskriterium herausstellt, diskutiert. Als relevante Differenzierung wird dann der klassische Entfremdungsbegriff - als Verlust und Wiederanstreben eines Idealzustands - der modernen Entfremdung als Produktionsentfremdung (das vom Menschen Herausgesetzte als "fremde Macht") gegenübergestellt. Einige kurze Auszüge aus einer qualitativen Entfremdungsanalyse sollen das Vorhaben illustrieren, kritische Entfremdungsforschung in der Psychologie neu zu initiieren.
In der biographischen Forschung lassen sich drei Zielsetzungen unterscheiden: (1) die Deskription von einzelnen Lebensläufen oder biographischen Themen und Problembereichen, (2) die Bildung, Anregung oder Präzisierung gegenstandsgebundener Hypothesen, Modelle und Theorien sowie (3) die Bildung, Anregung oder Präzisierung formaler Theorien. Ergebnisse der Biographieforschung, die für die Klinische Psychologie interessant sein können, betreffen die folgenden Themen: (1) Entstehung und Aufrechterhaltung von psychischen und psychosomatischen Störungen sowie deren psychische und soziale Kontexte; (2) Herausbildung subjektiver Vorstellungen über psychische und psychosomatische Störungen und Krankheiten; (3) den Bereich der Normalpathologie und korrespondierende Bereiche der Sozialisationsforschung; (4) Lebenslauf und Lebenswelt; (5) psychische und soziale Ressourcen zur Bewältigung von Krankheit, Leid und Konflikt. Fortschritte erwartet die Klinische Psychologie von der Biographieforschung hinsichtlich der konstruktgeleiteten Erfassung von Biographien, der Analyse der biographischen Entwicklung von einzelnen Sinnstrukturen und Deutungsmustern sowie der Analyse der Biographie als individuelle Konstruktionsleistung. (ICE2)
Mobilität im städtischen Raum gilt in der öffentlichen Diskussion als eine Funktion des Verkehrsflusses und wird folglich fast ausschließlich in der Verkehrs- und Stadtplanung, also unter ingenieurwissenschaftlichen Gesichtspunkten, verhandelt. Psychische Dispositionen und Motivationen der mobilen Stadtmenschen bleiben weitgehend außer Acht. Deshalb werden zunächst die psychobiologischen Grundlagen der Mobilität in den Blick gerückt, und die zentralen Merkmale von Mobilität werden erläutert. Dabei erfährt der Begriff gegenüber seinen interessengeleiteten Ideologisierungen eine Klärung und Präzisierung. Anschließend wird das Verhältnis von menschlicher Lust an der Fortbewegung und Verkehrsdichte im städtischen Raum unter dem modischen Stichwort "Verkehrsberuhigung" diskutiert. Dirigistischen Maßnahmen und Steuerungsinstrumenten wird eine selbstregulative, verantwortungsethische Perspektive des "Modal-Split" (situationsadäquate Verkehrsmittelwahl in optimierendem Mischungsverhältnis) gegenübergestellt.
"In unserem Beitrag nehmen wir die aktuellen Bildungsproteste im Herbst und Winter 2009 und insbesondere die Rolle und die (Un)Möglichkeiten der Psychologischen Fakultät an der Wiener Universität darin zum Anlass, um in prinzipieller Weise über die Funktion von Kritik in unserer Disziplin nachzudenken. Sowohl in der Studierendenbewegung als auch in der psychologischen Forschungspraxis kommt Kritik als Praxis ein bedeutender Rang zu. Die Kluft zwischen diesen beiden Praxen könnte allerdings kaum größer sein. Wir vermuten, dass hierin einer der Gründe dafür zu suchen ist, dass sich die Mobilisierung für eine aktive Beteiligung an den Protesten unter PsychologInnen der Universität Wien so schwierig gestaltet hat. Wir schließen mit einigen Überlegungen, wie in der Psychologie in Wien Bedingungen und Möglichkeiten für Kritik geschaffen werden könnten." (Autorenreferat)
Abstract. In this article, we present a short overview of findings from our current research on interindividual differences in emotion regulation and their consequences for health and well-being. In our research that is based on experimental designs, ambulatory assessment methods as well as cross-sectional surveys, we examine interindividual differences in expectancies, strategies and goals that we assume to be associated with adaptive stress and emotion regulation. Among the interindividual differences in goals and strategies, we focus on functional and dysfunctional dispositional anger-related goals and strategies, and the habitual use of humor, ruminative thinking, and eating behavior as strategies of emotion regulation. With regard to health-related expectancies, possible mechanisms linking dispositional optimism with the perception and receipt of social support are a main area of our current research.
'Der Beitrag sinnt darüber nach, welche psychologische Auffassung dem Kognitivismus in diesem Jahrhundert nachfolgen wird oder sollte. Dabei wird die wichtige Rolle Wittgensteins, Sacks' und Edwards' für die Entfaltung einer post-kognitiven Psychologie herausgearbeitet. Der Kognitivismus wird dahingehend kritisiert, dass er versäumt hat, menschliche Praktiken so zu konzeptualisieren, dass ihre Handlungsorientierung und Co-Konstruktion sichtbar wird. Kognitivisten haben zudem nicht verstanden, wie diesen Praktiken durch den Handelnden selbst Sinn durch Kategorisierung, Formulierungen und Orientierung verliehen wird. Die Diskursive Psychologie, die als eine Alternative zum Kognitivismus und als Variante einer post-kognitiven Psychologie diskutiert wird, zielt auf die Produktion verschiedener Realitäten und Kognitionen als natürliche Praktiken ab.' (Autorenreferat)
Eine von der Psychologie herkommende Gesellschaftskritik wird verstanden als Thematisierung einseitiger theoretischer Positionen und Ansätze. Dies bedeutet auch, daß wissenschaftliche Mindermeinungen hinreichend Beachtung finden.
'Dieser Artikel enthält eine Reflexion akademischer kritischer Psychologien im deutschsprachigen Raum aus der Perspektive eines kritischen Psychologen. Zur Beschreibung der Dynamik kritischer Psychologien wird die Metapher der Jahreszeiten verwendet. Der Aufstieg in den späten sechziger Jahren und die ersten kritischen Analysen traditioneller Psychologie werden als Frühling rekonstruiert, während die substantiellen Beiträge in den siebziger Jahren als Sommer gedacht werden. Die achtziger Jahre mit den vielschichtigen Schwierigkeiten kritischer Psychologien werden als Herbst und die momentane desolate Situation in den neunziger Jahren als Winter beschrieben. Argumente für das Überleben deutschsprachiger kritischer Psychologien im Kontext internationaler kritischer Psychologie werden kurz vorgestellt. Dieser Beitrag, als Diskussionsgrundlage intendiert, ist keine Kritik kritischer Psychologie im allgemeinen, sondern eine Kritik deutschsprachiger akademischer kritischer Psychologie. Mit dieser Einschränkung betont der Autor, da Praktiker und Praktikerinnen, die sich, trotz der vielfältigen Widersprüche, mit denen sie in ihrer Arbeitswelt konfrontiert sind, als kritisch verstehen, und dieses Selbstverständnis einsetzen, nicht Gegenstand der Kritik sind, ebensowenig wie kritische Ansätze außerhalb des deutschsprachigen Kontexts.' (Autorenreferat)
Es wird versucht, eine Beschreibung der psychologischen Theoriebildung bezüglich des beruflichen und nichtberuflichen Helfens vorzunehmen. Dazu werden exemplarisch sozialpsychologische, psychoanalytische und eklektisch-psychologische Studien untersucht, kritisch geprüft und auf mögliche weiterführende Gesichtspunkte auf dem Weg zu einer Psychologie des Helfens diskutiert.
Der Verfasser beleuchtet in seinem Aufsatz die Etablierung der westdeutschen Psychologie an den Universitäten nach Ende des Zweiten Weltkrieges bis Mitte der fünfziger Jahre. Der Autor konstatiert, daß nach dem Kriege die Psychologen wieder an die Traditionen der Ganzheits- und Gestaltpsychologie aus dem ersten Drittel des Jahrhunderts anknüpften. Als weitere wesentliche Quelle der westdeutschen Nachkriegspsychologie identifiziert der Verfasser die im Nationalsozialismus in enger Verbindung mit der Wehrmachtspsychologie hervorgetretene Charakterologie einschließlich der dort angewendeten Ausdruckspsychologie. Exemplarisch geht der Autor in diesem Zusammenhang auf Kontinuitäten in Forschung und Biographie des Charakterologen Philipp Lersch ein, dessen Ansatz unangefochten zur herrschenden Lehre in der Psychologie der Nachkriegszeit werden konnte. Der Autor attestiert den Nachkriegspsychologen eine opportunistische Grundhaltung, die bereits während des Nationalsozialismus prägend gewesen sei. Zudem, so der Verfasser, versperrte der auf das Individuum gerichtete Ansatz der Charakterologie den analytischen Zugang zur Dimension des gesellschaftlichen Handelns, und somit zu den Verhältnissen, in denen Menschen - und sie selbst - vor und nach 1945 gelebt hatten. (ICC)
Probleme der Anwendung und Anwendungsbereiche der biographischen Methode in der Sozialpsychologie werden diskutiert. Die Frauen- und Familienforschung, die Arbeit und Arbeitslosigkeit sowie abweichendes Verhalten und Krankheitskarrieren werden als sozialpsychologische Bereiche einer Betrachtung unterzogen. Die Unverzichtbarkeit der Anwendung der biographischen Methode in der Sozialpsychologie wird belegt. Nach Ansicht des Autors kann die Biographieforschung helfen, Mängel in bestimmten theoretischen Globalkonzeptionen zu überwinden bzw. Aussagen dieser Konzeption zu präzisieren und einer genaueren Überprüfbarkeit zuzuführen. Als ein Hauptstrang der biographischen Forschung in der BRD erweist sich die Analyse von Arbeiterbiographien. (KG)
Der Beitrag kritisiert eine geschlechtslos und affektarm agierende akademische Psychologie, die Affektvermeidung und Verleugnung von Geschlechtlichkeit als "wissenschaftlich" deklariert. Die Frauenbewegung kritisiert die Wissenschaft als "männlich", aber sie ist noch nicht einmal das. Der Artikel hebt hervor, dass gelungene Bildungsprozesse in der Psychologie auf eine Verknüpfung subjektiver Erfahrungen mit Theoriekonstruktionen angewiesen sind. Eine Auseinandersetzung mit der eigenen Subjektivität ist für Studierende der Psychologie unabdingbar, was das verschulte Psychologiestudium aber geradezu verhindert. Die Hemmungen sind aber keineswegs nur intellektuell, vielmehr werden sie bestimmt von bewussten und unbewussten Ängsten und dagegen gerichteten Abwehrmechanismen. Im Gegensatz aber zur "naturwissenschaftlich" agierenden akademischen Psychologie bezieht sich die Psychoanalyse stets auf das Subjektive. Aber auch die Psychoanalyse wich teilweise vor dem Geschlechtlichen aus, etwa durch die - durchaus notwendige - Beschäftigung mit den "frühen" Störungen. Die Psychoanalyse dachte aber kaum jemals darüber nach, inwieweit nicht analysierte (männliche) Geschlechtlichkeit vielleicht Einfluss auf die psychoanalytische Methode als solche genommen haben könnte. Der Beitrag fordert abschließend, dass eine kritische Psychologie die Bedeutung der Geschlechtlichkeit auch für psychologische Theorien reflektieren muss. Eng damit verbunden ist auch eine Auseinandersetzung mit Affekten. Das würde auch ein besseres Verständnis des Verhältnisses von Allgemeinem und Besonderem ermöglichen: Ein Mensch ist ein Individuum, und doch auch Vertreter einer größeren Gruppe (etwa der Männer). Andere Beziehungen zwischen den Geschlechtern könnten eventuell auch veränderte, freiere Formen des intellektuellen Begehrens hervorbringen. (ICB)
In: Swiss political science review: SPSR = Schweizerische Zeitschrift für Politikwissenschaft = Revue suisse de science politique, Band 15, Heft 2, S. 413-422