Der Buchtitel ist Programm: Raymond Geuss, 1946 in Indiana (USA) geboren und seit 2007 Professor für Philosophie in Cambridge (GB), kritisiert in seiner schmalen Abhandlung Klassiker der (politischen) Philosophie – etwa Kant, Rawls oder Nozick – in scharfem, zum Teil auch polemischem Tonfall. Ihren Theorien unterstellt Geuss einen verfehlten Realismus und setzte ihnen einen eigenen, realistischen Ansatz der politischen Philosophie entgegen. Seiner Idee einer politischen Philosophie liegen vier Thesen zugrunde, welche Raymond Geuss bereits in der Einleitung vorstellt. Die Thesen lauten: Erstens: Die politische Philosophie muss realistisch sein. Dies bedeutet für Geuss, dass die politische Philosophie nicht von einem fiktiven Ideal ausgehen, sondern sich mit den realen Motivationen der Menschen oder der tatsächlichen Beschaffenheit von Institutionen beschäftigen soll. Zweitens: In der Politik geht es in erster Linie ums Handeln und um die Kontexte des Handelns. Drittens: Politik ist immer historisch verortet, also immer kontext- und zeitabhängig. Viertens: Politik ist eher ein Handwerk oder eine Kunst als eine reine Theorieanwendung. Zudem wendet er sich gegen all jene Theoretiker, die in der Tradition Kants stehen und dabei Theorien mit universellem Anspruch aufstellen, die beinhalten, Politik sei angewandte Ethik.
Ausgehend von der Annahme, dass in der qualitativen Forschung Bewusstsein und Erfahrung des Menschen weder rein fundamentalistisch noch rein relativistisch erfasst werden können und dass die Interpretation des dem Forscher Mitgeteilten ein wesentlicher Bestandteil der qualitativen Forschung ist, wird deutlich gemacht, dass die Konstruktion des Forschers bezüglich des untersuchten Phänomenbereichs mit einer vom Rezipienten nachvollziehbaren Methode kontrolliert werden können muss. Begründungen in der Materialbasis und in der Reflexion des Forschers über seine subjektiven Anteile bei Interpretation und Verstehen der Phänomene werden als unerlässliche Voraussetzungen der qualitativen Forschung bezeichnet. Es wird für eine Versöhnung von Realismus und Relativismus plädiert, um die Fehler von Objektivismus einerseits und Subjektivismus andererseits umgehen zu können.
Der 1723 in Schottland geborene und 1794 in Princeton, New Jersey, verstorbene John Witherspoon hat eine Sonderstellung in der amerikanischen Kulturgeschichte, denn er gilt als Urheber der "ersten umfassenden amerikanischen Rhetorik". Diese konstituiert sich im Wesentlichen in seinen Lectures on Eloquence, seinen Lectures on Moral Philosophy sowie seiner politischen und homiletischen Redepraxis im Kontext der amerikanischen Revolution (1763-1789). Die vorliegende Studie untersucht die historiographisch-kulturwissenschaftliche Bedeutung dieses einflussreichen, fast vergessenen Gründervaters und seiner produktiven Rezeption (imitatio atque aemulatio) ciceronianisch-republikanischer Rhetorik. Im Zentrum steht die Frage nach Witherspoons imitatio Ciceronis und inwieweit diese für den Calvinisten mit der imitatio Christi im revolutionären Prozess vereinbar war. Tatsächlich zeigt sich bei der Untersuchung ein fundamentaler Habitus-Konflikt zwischen dem ursprünglich polytheistisch und republikanisch orientierten Ciceronianus und dem monotheistischen zur Monarchie tendierenden Christianus. Dieser Konflikt erklärt zum Teil die erheblichen Diskrepanzen zwischen Witherspoons rhetorischer Praxis und Lehre. Diese beziehen sich insbesondere auf die rhetorische inventio, die Witherspoon in seinen Vorlesungen als der Lehre nicht würdig erachtet. In seinen Reden nutzt er jedoch inventive Techniken wie die Status- und Chrienlehre zur effektiven Strukturierung. Dies wird anhand von drei bedeutsamen Reden verdeutlicht (The Dominion of Providence Over the Passions of Men, "Speech on the Convention with Burgoyne" und "Sermon Delivered at a Public Thanksgiving After Peace"). Von großer Bedeutung ist die dezidierte Hochschätzung des agonistischen ciceronianischen Rednerideals. Dieses Leitbild spielt im Prozess der Konstituierung der jungen amerikanischen Republik eine vitale Rolle und taucht insbesondere als republikanische Leidenschaft auf, die Witherspoons Anverwandlung der Catilinarien Ciceros zugrunde liegt. Andererseits findet sich das Festhalten an streng konservativ-calvinistischen Prinzipien. Auch im Bereich der Rhetorik bestätigt sich daher das als "doppelköpfig" erkannte Antlitz Amerikas, insofern heidnische und christliche Tradition eine besondere Verbindung eingehen. Witherspoon konnte, als erster akademischer Vertreter des Common-Sense-Realismus in Amerika, die sich ergebenden Spannungen zwar nicht lösen, aber offenbar mit seiner proto-pragmatistischen Philosophie verdecken. Um ein besseres Verständnis der Stellung der ciceronianischen Rhetorik bei Witherspoon zu ermöglichen, wird sie auf dem Hintergrund tiefgreifender neuzeitlicher Humanismen wie des christlichen Humanismus und des Bürgerhumanismus rekonstruiert und im Bildungshorizont der "Neuen Rhetorik" des 18. Jahrhunderts gesehen. Mit diesen Paradigmen lässt sich die Rhetorik des Princetoner Professors als zivistisch-theistische Variante gegenüber der belletristisch-theistischen Ausprägung des Schotten Hugh Blair und der zivistisch-deistischen Entwicklung Thomas Jeffersons abgrenzen. ; John Witherspoon, who was born in Scotland in 1723 and died in Princeton, New Jersey, in 1794, has an exceptional position in American cultural history. He has been credited with being the author of "the first complete American rhetoric" which is essentially constituted by his Lectures on Eloquence and Lectures on Moral Philosophy as well as his political and homiletic practice of oratory in the context of the American Revolution (1763-1789). This study explores the significance of the influential, nearly forgotten founding father, and his productive reception (imitatio atque aemulatio) of Ciceronian, republican rhetoric in the focus of historiography and cultural theory. At the center of this study lies the question of to what degree Witherspoon's imitatio Ciceronis was compatible with his imitatio Christi while he was a Calvinist involved in the revolutionary process. In fact, the analysis shows a fundamental conflict of habitus between an originally polytheistic and republican-oriented Ciceronianus and a monotheistic Christianus leaning towards monarchy. This conflict partially explains the drastic discrepancies between Witherspoon's oratorical practice and his teachings. In particular, this relates to the rhetorical inventio which is regarded as not worthy of being taught in his lectures. However, in his speeches he uses inventive techniques such as the system of status and the Chria for effective composition. This is depicted in the analysis of three significant speeches (The Dominion of Providence Over the Passions of Men, "Speech on the Convention with Burgoyne" and "Sermon Delivered at a Public Thanksgiving After Peace"). Of important significance is the highly admired agonistic Ciceronian ideal of the orator. This model plays a vital role in the establishment of the young American Republic, and appears in particular as republican passion providing the basis for Witherspoon's adaptation (Anverwandlung) of Cicero's speeches against Catilina. On the other hand, he holds on to highly conservative Calvinistic principles. What has been recognized as "the Janus-faced" characteristic of America, the pagan and Christian tradition joined in a special coalition, is also confirmed in the field of rhetoric. Being the first academic representative of common sense realism in America, Witherspoon could not resolve the resulting tensions, but he was able to conceal them with his proto-pragmatist philosophy. In order to better understand the position Ciceronian rhetoric assumes in Witherspoon's work, it is reconstructed on the background of profound humanisms of the early modern era such as Christian humanism and civic humanism and seen in the educational context (Bildungshorizont) of the "New Rhetoric" of the 18th century. Applying these paradigms, the Princeton professor's rhetoric can be differentiated as a civic-theistic variant in comparison to the belletristic-theistic manifestation of the Scotsman Hugh Blair and Thomas Jefferson's civic-deistic development of rhetoric.
Diese Magisterarbeit ist dem bis heute sehr komplexen Geschlechterverhältnis gewidmet. Dieses Verhältnis werde ich analysieren, indem ich das literarische Motiv des Geschlechtertausches ausarbeite. Dabei werde ich seine kulturhistorische Entwicklung berücksichtigen. Das Thema wird interdisziplinär behandelt und zwar mithilfe anthropologischer, psychoanalytischer, literaturwissenschaftlicher sowie ideengeschichtlicher Perspektiven und Methoden – all dies um seine Komplexität zu erfassen. Zunächst wird die menschliche Geschlechtsidentität als ein naturbedingtes Phänomen einerseits und als ein kulturelles Konstrukt andererseits diskutiert. Die Psychoanalyse wird den feministischen Theorien entgegen gestellt, woraufhin sie sich als Versuch der Legitimierung der gesellschaftlichen Ordnung erweist. Die anschließende Analyse der kulturellen Repräsentationsformen des Weiblichen wird es deutlich machen, wie schwer es ist, die über mehrere Jahrhunderte tradierten Weiblichkeitsbilder zu "neutralisieren". Die literarische Grundlage für die Untersuchung der Geschlechterbeziehungen verschaffen die drei "Geschichten über die Umwandlung der Verhältnisse" (1980). In allen Texten vollzieht sich ein Geschlechtswandel: die Protagonistinnen schlüpfen in männliche Körper ein und auf einmal erfahren sie die Welt aus der bisher unbekannten Perspektive. Dabei empfindet jede von denen die neue Situation anders und doch so ähnlich. Anhand von Sarah Kirschs "Blitz aus dem heiterm Himmel", Irmtraud Morgners "Gute Botschaft der Valeska in 73 Strophen" und Christa Wolfs "Selbstversuch. Traktat zu einem Protokoll" werden die regressiven patriarchalischen Strukturen aufgedeckt, in denen der Frau eine minderwertige Positionierung in einer Gesellschaft zugeschrieben wird. Da sich die Beziehungen zwischen Männern und Frauen in den gesellschaftlichen Machtverhältnissen widerspiegeln, werden die Geschichten im Kontext der sozialistischen Wirklichkeit der DDR in den 1970er Jahre analysiert. Aus diesen Untersuchungen ergeben sich klare Erkenntnisse: die Realität des "emanzipierten" DDR-Staates hatte mit dem marxistischen Traum nichts zu tun. Diese in den Erzählungen widerspiegelte historisch-politische Wirklichkeit stellte die propagandistische Gleichberechtigung der Frauen in Frage. Die Sozialpolitik wird als eine der modernen männlichen Legitimationsstrategien für die Erhaltung der patriarchalischen Ordnung entschleiert. Damit die Frau nicht mehr über den Mann definiert wird, müsste eine grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Geschlechtsvorstellungen erfolgen. Alle in dieser Arbeit untersuchten Geschlechtertauschgeschichten beinhalten diverse Utopie-Entwürfe, die jedoch keine perfekte Ordnung darstellen. Ganz im Gegenteil – das sind eher negative Utopien, die fundamentale Kritik an der Ungleichheit der gesellschaftlichen Positionierung der Geschlechter zum Ziel haben. Christa Wolf, Irmtraud Morgner und Sarah Kirsch thematisierten in ihren Erzählungen die Problematik der Geschlechterverhältnisse in der DDR der 1970er Jahre und machten auf die Dringlichkeit des weiblichen Widerstandes aufmerksam. Gleichzeitig soll dieser literarische Diskurs die eigentliche Möglichkeit der Veränderung des gesellschaftlichen Status der Frauen aufzeigen. Daher sind diese imaginierten Geschlechtertauschgeschichten als Manifeste für wahre Gleichstellung der Frauen zu lesen. ; The present master's dissertation focuses on the complex topic of sex and gender relations. The analysis is based on a literary motif of a sex change, taking into account its historical dimension as well as its cultural heritage. In order to capture the complexity of the topic, it will be treated interdisciplinarily. This means that the variety of methods and perspectives will be considered, including anthropological approach, psychoanalysis, literary, historical and ideological theories. To begin with, gender identity will be discussed as a natural phenomenon on the one hand and as a cultural construction on the other hand. The psychoanalysis will be discussed as an attempt of legitimization of societal order and confronted with modern feminist thought. Through the subsequent analysis of the cultural forms of feminine representation it will become obvious how difficult it is to dismantle the predominant images of feminity, which have evolved over many centuries. The three stories published in a volume "Geschlechtertausch" ("Sex Change", 1980) will provide the literary basis for the interrogation of gender roles and relations. There is a sex change motif in every single story: all main female characters miraculously change from a woman to a man and experience the world from a new male perspective. Each protagonist perceives the situation differently and yet so similar. The analysis of "Bolt from the Blue" by Sarah Kirsch, "Gospel of Valeska" by Irmtraud Morgner and "Self-Experiment: Appendix to a Report" by Christa Wolf will reveal the regressive patriarchal structures in which women are usually given an inferior position. The common relations between men and women reflect the distribution of social power between the sexes. Therefore, all three stories shall be re-read in the context of the socialist realism in East Germany (GDR) in 1970s. The conclusions derived from these examinations are clear: the reality in the "emancipated" GDR state had absolutely nothing to do with the Marxist utopian vision. In their stories, all three authors questioned the socialist propaganda of pseudo gender equality. The GDR social policy will be unveiled as one of the modern male legitimization strategies with the sole purpose of preserving the rigid patriarchal order. A redefinition and revision of the traditional understanding of the genders appear necessary, if a woman shall no longer be defined by a man. In addition, the analyzed sex change stories contain diverse utopian visions, which however do not portray a perfect social order. On the contrary, they depict rather negative utopias that aim at revealing and emphasizing the unjustified unequal positioning of both sexes within the society. Christa Wolf, Irmtraud Morgner and Sarah Kirsch have made a successful attempt to explore the problematic nature of gender relations in the GDR in 1970s. This literary discourse represents a radical interrogation of gender roles and relations, but it also shows the possibility and necessity of changing the status of women. Taken together, those three imaginary sex change tales should be read as manifestos for true equality of women.
Die vorliegende Masterarbeit befasst sich mit den Romanen Theodor Fontanes "Frau Jenny Treibel" (1892) und "Die Poggenpuhls" (1896). Das Ziel ist die Gesellschaft des Preußen-Deutschlands im 19. Jh. am Beispiel dieser Romane zu analysieren. Die Elemente des Realismus kommen besonders zum Ausdruck, indem auf die realen Umstände dieser Zeit, bzw. auf die preußische Wirklichkeit des 19. Jhs. referiert wird. Dabei wird der Schwerpunkt auf die sozialen und politischen Veränderungen gelegt und Fontanes Einstellungen den unterschiedlichen sozialen Schichten gegenüber werden besonders berücksichtigt. Mit der Analyse sollen die Romane im Kontext der Zeit, in der die Handlung spielt, verstanden werden, was auch gleichzeitig die Frage der Gesellschaftskritik bzw. was und warum Fontane kritisiert beantworten sollte. Mit dem Roman "Frau Jenny Treibel" thematisiert Fontane den Aufstieg der Bourgeoisie, sowie den Konflikt zwischen Bildung und Besitz. Als die Vertreterin der Bourgeois-Gesellschaft verkörpert die Titelheldin Jenny Treibel die Haupteigenschaften ihres Standes. Mit einer satirischen Darstellung kritisiert der Autor eigentlich den Egoismus, den Geiz und den Mangel an Empathie dieser neuerlich entstandenen sozialen Schicht. Ein Gegenbild dazu stellt 'die Welt der Bildung' dar mit Idealen, wie Disziplin, Authentizität und kritische Denkweise. Zu den Vertretern gehören Jennys Jugendfreund, der Professor Schmidt mit seinem Freundeskreis sowie seine Tochter Corinna. Als Figuren symbolisieren sie Fortschritt und Vernunft. Damit zeigen sie nicht nur die notwendigen Grundlagen einer gesunden Gesellschaft, sondern geben auch eine hoffnungsvolle Perspektive auf die Zukunft. "Die Poggepuhls" ist auch ein politischer Roman, der sich mit dem Niedergang des Adels befasst. Im Mittelpunkt der Geschichte steht die verarmte adlige Familie Poggenpuhl, deren Vater bei Gravelotte gefallen ist. Mit finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert, erleben alle sechs Mitglieder der Familie die politischen und sozialen Veränderungen ihrer Zeit auf verschiedene Art und Weise. Ein weiter Teil der Forschung vertritt die Meinung, dass die Romanhandlung in einer Epochenwende spielt und dementsprechend zeigt der Roman auch den Konflikt zwischen Modernität und Tradition. Trotz Mitgefühl für die verarmten adligen Familien seiner Zeit, zeigt Fontane am Beispiel der Poggenpuhls, dass die neue soziale Ordnung vor allem Anpassungsfähigkeit und Flexibilität fördert. ; Ovaj diplomski rad bavi se romanima "Frau Jenny Treibel" (1892) i "Die Poggenpuhls" (1896) Theodora Fontanea. Na primjeru ovih dvaju romana, rad ima za cilj analizu društva Pruske Njemačke u 19. st. Karakteristike realizma posebice dolaze do izražaja u osvrtanjima na stvarne prilike toga vremena, odnosno na Prusko-Njemačku stvarnost 19. st. Pritom je naglasak na društvenim i političkim promjenama, te Fontaneovim stavovima po pitanju različitih društvenih slojeva. Analizom se želi postići razumijevanje romana u kontekstu vremena u kojem je radnja smještena, čime bi se istodobno trebalo razjasniti pitanje kritike društva u ovim djelima, odnosno što Fontane kritizira i iz kojeg razloga. U romanu "Frau Jenny Treibel" Fontane tematizira društveni uspon buržoazije, te konflikt između obrazovanja i materijalnog bogatstva. Kao predstavnica buržoaskog društva naslovna junakinja Jenny Treibel utjelovljuje glavna obilježja staleža kojemu pripada. Satiričnim prikazom autor kritizira egoizam, pohlepu i nedostatak empatije ovog novonastalog društvenog sloja. Tomu prkosi 'svijet obrazovanja' s idealima poput discipline, autentičnosti i kritičkog razmišljanja. U predstavnike se ubraja Jennyn prijatelj iz mladosti profesor Schmidt zajedno sa svojim krugom prijatelja, te njegova kćer Corinna. Kao književni likovi oni su simbol napretka i razuma, čime pokazuju temelje jednog zdravog društva i pružaju nadu u bolju budućnost. "Die Poggenpuhls" je politički roman koji se bavi padom plemstva. U središtu je osiromašena obitelj Poggenpuhl. Otac u obitelji je poginuo u bitci kod Gravelotte. Suočeni s financijskim poteškoćama, svaki od šestoro članova obitelji doživljava političke i društvene promjene na sebi svojstven i drugačiji način. Mnogi književni kritičari su mišljenja da se radnja djela odvija na prekretnici jedne epohe, zbog čega roman predstavlja i konflikt između modernog i tradicionalnog. Unatoč suosjećanju i empatiji prema osiromašenim plemićkim obiteljima svoga vremena, Fontane prikazuje na primjeru obitelji Poggenpuhl da novi društveni ustroj zahtijeva i drugačije osobine, a prije svega prilagodljivost i fleksibilnost. ; This final paper deals with "Frau Jenny Treibel" (1892) and "Die Poggenpuhls" (1896) by Theodor Fontane. The aim of the analysis is to explore the Prussian-Germany society of the 19th century on the example of these novels. Characteristics of Realism are reflected in the references to the actual state of affairs, that is, in referring to PrussianGermany reality of the 19th century. Moreover, the emphasis is on social and political changes, as well as on Fontane's attitudes with regard to different social classes. The analysis aims to read the novels in the context of the time they are set in. However, this should also shed light on the question of criticism, that is to say, what Fontane criticises and why. In the novel "Frau Jenny Treibel" Fontane depicts the rise of the Bourgeoisie, as well as the conflict between education and possession. As a representative of the Bourgeois- society embodies the heroine of the novel Jenny Treibel the most prominent characteristics of her class. In fact, the author uses this kind of representation to criticise in a satirical way the selfishness, greed and lack of empathy of this recently emerged social class. In contrast, 'the world of education' represents ideals like discipline, authenticity and critical thinking. Among the main representatives is a friend from Jenny's youth, Professor Schmidt along with his circle of friends, as well as his daughter Corinna. As the main figures in the novel, they symbolise progress and reason. Therefore, they not only indicate the necessary foundation of a healthy society, but also provide a bright perspective with regard to the future. "Die Poggenpuhls" is also a political novel that deals with the decline of the nobility. The plot revolves around an impoverished noble family Poggenpuhl, whereby the father died in the Gravelotte battle. Confronted with financial difficulties, all six members of the family experience the political and social changes in a different way. Many critics agree that the time of the epochal change, in which the novel is set, also depicts the conflict between modernity and tradition. Despite the sympathy for the impoverished noble families of his time, Fontane demonstrates on the example of Poggenpuhls that the new social order, above all, encourages flexibility and the ability to adapt.
Der Realismus im Film war seit den 1920er- bis in die 1960er-Jahre ein beliebtes Thema von Filmtheoretiker*innen und -kritiker*innen, vom sowjetischen Filmemacher Dziga Vertov bis hin zum deutschen Filmhistoriker Siegfried Kracauer, aber auch etwa für die einflussreiche Filmzeitschrift Cahiers du Cinema und ihren Mitbegründer André Bazin. In Bezug auf die Frage nach Realismus und Film hatten Bazins Analysen und Theorien großen Einfluss, etwa auf den italienischen Neorealismus und Regisseure wie Roberto Rossellini, Vittorio De Sica und Luchino Visconti. Obwohl das Interesse am Realismus in den 1960er- und 1970er-Jahren, etwa bedingt durch (Post-)Strukturalismus, Semiotik und Psychoanalyse, abgenommen hatte, beschäftigt sich das kürzlich erschienene Buch von Lúcia Nagib wieder mit dem filmischen Realismus in Bazin'scher Tradition, während die Diskussion um den Realismus-Begriff in den letzten Jahren auch etwa für spezifischere Kontexte wie das japanische, brasilianische und iranische Kino geführt wurde (vgl. Nagib/Mello 2009).Für Bazin meint Realismus die wirkliche Zeit der Dinge, die Dauer des Geschehens, die der Film in sich aufnehmen soll, daher versteht Bazin etwa die italienischen Nachkriegsfilme mit ihren long takes und der Suggestion eines realitätsnahen Zeitvergehens als realistisch. Während Bazin Filmemacher*innen in verschiedene, dem Bild oder der Realität verschriebene Interessensgruppen einteilt, und die Frage nach dem Einfluss der außerfilmischen Realität (vgl. Bazin 2004, S. 90–109) nur am Rande thematisiert, stellt sich Lúcia Nagib die Frage nach Realismus und Film in einer breiteren Perspektive. In der Einleitung ihres Buches führt sie verschiedene Perspektiven auf Realismus zusammen und klassifiziert so drei verschiedene Ebenen von Realität im Film: - Realismus als Modus der Produktion- Realismus als Modus der Rezeption, den sie in den letzten Jahrzehnten als besonders präsent empfindet- Realismus als Modus der Ausstellung, worunter sie etwa Kinosäle, 3D- oder 4D-Arrangements oder Virtual Reality fasst (vgl. S. 28). Mit ihrem Fokus auf den Modus der Produktion beschreibt Nagib, basierend auf Bazins Theorien, die Rolle von Schauspieler*innen, die Drehorte der Filme sowie die Bewegungen der Kamera für die Filmaufnahme (wie etwa long takes). Diesen Realismus als Modus der Produktion unterteilt sie dabei erneut in drei Kategorien: Non Cinema, Intermediale Passage und Total Cinema.Unter "Non-Cinema" versteht Nagib die Reproduktion des 'realen Lebens' qua Film. Diese Perspektive analysiert sie anhand der Produktionssituationen von diversen Filmen. Dabei spielen für sie die Beziehungen innerhalb des Filmteams oder die Konflikte zwischen Filmemacher*innen und Schauspieler*innen eine zentrale Rolle – eine Perspektive, die einen neuen Blick auf Filmanalyse in Bezug auf die Verzahnung von Produktion und Realität ermöglicht. Als "Intermediale Passage" versteht Nagib die Transformationen zwischen verschiedenen Kunstformen und Kino, die ebenfalls eine eigene Realität produzieren können. Zum Schluss beschreibt sie das sogenannte "Total-Cinema" als ein Kino, das den Wunsch nach einer Totalität insofern verkörpert, als dass es etwa versucht, mit einem Film die gesamte Geschichte eines Landes zu erzählen oder die ganze Welt durch monumentale Landschaften zu repräsentieren. Die eingangs genannten Realismus-Perspektiven werden im zweiten Teil des Buches dann auf den Begriff des "World-Cinema" übertragen. Nagib versteht das World-Cinema als neuen Begriff für "Realist Cinema". Sie kritisiert die eurozentrischen Perspektiven von Filmwissenschaft und -theorie und arbeitet heraus, dass der Dualismus zwischen Hollywood und Europa, der meist im Fokus des Fachdiskurses stünde, einen Blickwinkel auf das Welt-Kino, mit dem sie die Perspektive marginalisierter Nationalkinematografien beschreibt, verstellen würde.Die Auswahl der Filme, die im Buch analysiert werden, passt sehr gut zu diesem Argument. Fast jedes Kapitel beschäftigt sich mit einem oder mehreren Filmen aus verschiedenen Ländern – ob diese aus Deutschland oder Japan, Brasilien oder dem Iran kommen, ist dabei zweitrangig, im Vordergrund stehen die Effekte der Zusammenschau dieser heterogenen Arbeiten. Die Filme sind zwar nach den drei Kategorien (Non-Cinema, Intermediale Passage und Total Cinema) ausgewählt, ihre bricolagehafte, heterogene Auswahl erzeugt trotzdem einige Verwirrung beim Lesen des Buches. Im ersten Kapitel analysiert Nagib beispielsweise Wim Wenders The State of Things (1982) und im zweiten This is not a Film (2011) des Iraners Jafar Panahi. Es handelt sich um einen Spielfilm und um einen Dokumentarfilm, die beide sehr diverse Themen verhandeln, wie etwa Kolonialismus, Feminismus oder Gender. Diese Auswahl hat auf der einen Seite den Vorteil, ein heterogenes Bild zu formen, anderseits wirkt die Beliebigkeit zeitweise chaotisch. Die zentrale Frage, die Nagib diesen Filmen stellt, ist jene danach, wie diese Filme als realistisch verstanden werden können. Das erste Kapitel stellt außerdem die Frage nach dem Tod des Kinos. Der dort analysierte Film The State of Things solle, so Nagibs steile These, zeigen, dass das Hollywood- und das europäische Kino bereits tot seien. Wenders, so Nagib weiter, inszeniere diesen Status durch zwei unterschiedliche Filmästhetiken. Dabei greife er einerseits auf Special Effects, Farben und rapide Kamerabewegungen zurück und andererseits auf Schwarz-Weiß-Kontraste als Realismus-Elemente.Um das Konzept des Non-Cinema anhand konkreter Beispiele zu erklären, verwendet Nagib den im Iran verbotenen Film This is not a Film von Jafar Panahi. Weil Jafar Panahi offiziell nicht mehr im Iran drehen darf, versucht dieser, sein Leben mit Smartphone-Kameras zu filmen. Die Orte seiner Filme sind etwa seine eigene Wohnung oder seine private Villa in Nord-Iran und der Protagonist des Films ist Panahi selbst. Sein eigenes Leben zu filmen, ist eine politische Reaktion auf das über ihn verhängte Berufsverbot durch die islamische Regierung. Auch im Dokumentarfilm Act of Killing (2012) von Joshua Oppenheimer erkennt Nagib das Prinzip des Non-Cinema: hier würden Realität und Fiktion zusammenfallen, wenn indonesische Kriminelle ihre eigene brutale Geschichte des historischen Massakers von 1965 bzw. 1966 erzählen. Nagibs Analyse inkludiert filmtheoretische Prämissen, Interviews, politische Nachrichten und Produktionsmodelle des Films. Im zweiten Teil des Buches steht neben dem World-Cinema auch die Intermediale Passage im Fokus. Wie andere Kunstformen, etwa Malerei oder Theater, könnten Filme eine andere Form von politischen, sowie historischen Realitäten der Gesellschaft darstellen. Dafür analysiert Nagib die Rolle von Schauspielmethoden und Theater in den zwei sehr wichtigen japanischen Filmen The Story of the Last Chrysanthemums (1939, Kenji Mizoguchi) und Floating Weeds (1959, Yasujirō Ozu) mit einem Blick auf das Kabuki-Theater (vgl. S. 127). Nagib versucht hier zu zeigen, wie japanische Filme eine andere Realität, basierend auf der japanischen Geschichte und Theatertradition, reflektieren können. Dabei greift sie auf unterschiedliche Quellen zurück, wie etwa auf autobiografische Bücher über die beiden Regisseure, die Geschichte des Kabuki-Theaters im Japan und Interviews mit den Schauspieler*innen der Filme. Darauf folgt eine Analyse von Mysteries of Lisbon (2011) des chilenischen Regisseurs Raúl Ruiz. Am wichtigsten für den analytischen letzten Teil von Nagibs Publikation ist aber das zeitgenössische brasilianische Kino, für das die Autorin den Zusammenhang zwischen Nationalidentität und Diktaturzeit erklären will. In diesem zweiten Teil gerät die Bazin'sche Perspektive aus dem Fokus und die Autorin verwendet weitere Theorien zum Realismus, etwa von Bertolt Brecht, Walter Benjamin, Gilles Deleuze, Alain Badiou und Jürgen Habermas. Klar wird allerdings auch durch diese theoretische Unterfütterung nicht, warum die von der Autorin angesprochenen intermedialen Passagen eine Rolle für ein neues Verständnis von Realismus und Film spielen. Der letzte Teil des Buchs soll schließlich das dritte Konzept, das Total Cinema, durch die strukturelle Nähe zu anderen Künste wie Oper oder Musik erklären. Nagib versucht durch eine sehr genaue Analyse der Strukturen der Opernvorlage von Luchino Viscontis Film Ossessione (1943) zu zeigen, dass ein Film die "Totalität" einer Oper besitzen kann. Totalität bedeutet für sie eine Kunstform, die sich aus verschiedenen Kunst- und Literaturformen wie Musik, Tanz, Schauspiel und Lyrik zusammensetzt und so ein eigenes Wesen ausbildet (vgl. S. 201). Außerdem wird in dieser Sektion noch Edgar Reitz' Langzeitdokumentation Die zweite Heimat: Chronik einer Jugend (1992) analysiert. Edgar Reitz erzählt die deutsche Geschichte in dieser langen Serie durch verschiedene Themen (Migration, Krieg, Tradition), Zeiträume (Erster und Zweiter Weltkrieg) und andere Kunstformen (Musik, Tanz, Theater). Nagib versteht diese vielfältigen Themen als Totalität, weil Reitz auf diese Weise eine 'ganze' Geschichte erzählen will. Der Begriff des Total Cinema bleibt trotzdem bis zum Ende des Buches unklar, weil anschließend noch sehr diverse Filme aus Brasilien mit sehr unterschiedlichen Inhalten als 'Total Cinema' beschrieben werden. Die Heterogenität von Material und Themen zieht sich durch das gesamte Buch und hinterlässt schlussendlich den Eindruck, dass Lúcia Nagib dem Diskurs über Realismus und Film – selbst über die Perspektive des World Cinema – keine neuen Befunde hinzufügen konnte. Hergestellt wird vielmehr ein chaotischer Blick auf Realitätsdarstellungen in einer Vielzahl an heterogenen Filmen unterschiedlicher Nationalität. Literatur: Bazin, André: Was ist Film? Hg. v. Robert Fischer. Berlin: Alexander 2004. Nagib, Lúcia/Mello, Cecília: Realism and the Audiovisual Media. Wiesbaden: Springer 2009.
Die Dissertation ist ein Beitrag zur Debatte um die Revision des amerikanistischen Lektürekanons. Ihre drei Schwerpunkte sind die Geschichte und Mythologie der Karibikinsel Puerto Rico, die soziale Lage und das Image der Puertoricaner in den USA sowie die auf Englisch erschienene Erzählliteratur von Autoren puertoricanischer Herkunft. (1) Die spanische Kolonie Puerto Rico kam 1898 in den Besitz der USA und erlebte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen rasanten ökonomischen Aufstieg, der mit wachsender Abhängigkeit vom amerikanischen Wohlfahrtsstaat erkauft ist. In freien Referenden bejahte jeweils eine knappe Mehrheit den Zwitterstatus ihrer Insel, die bis heute weder ein Staat der USA noch ein souveränes Land ist. Da jedoch der Kongress in Washington über die Zukunft des Commonwealth of Puerto Rico zu bestimmen hat, bleibt die Insel eine Kolonie der USA. Puerto Ricos Mythologie ist von Stereotypen geprägt, die sich zu einem negativen Klischee vom Nationalcharakter des Landes verdichtet haben. Die amerikanische Dominanz in Politik, Wirtschaft und Kultur verstärkt die von vielen beklagte Schizophrenie Puerto Ricos. Die Chance einer Lösung des puertoricanischen Syndroms verspricht nur die nationale Unabhängigkeit. (2) Stereotype bestimmen auch das Bild von den übergesiedelten Puertoricanern, den Nuyoricans, in der Öffentlichkeit der USA. Das Negativimage der kaum assimilierten Gruppe wird von den Massenmedien verfestigt, obwohl seriöse Studien zeigen, dass frühere Immigranten ähnliche Probleme mit sich brachten. Die Mehrheit der US-Experten propagiert nach wie vor die allmähliche Assimilation der Übersiedler im Rahmen eines kulturellen Pluralismus. Bei den Puertoricanern geht der Trend seit dem Aufkommen des Multikulturalismus in Richtung einer hybriden, bikulturellen Identität, in ein Wort gefasst mit dem Begriff Nuyorican. Die Dissertation bietet eine Auswertung der auf Englisch erschienenen Literatur über die Puertoricaner in den USA unter 15 Aspekten: Kultur, Religion, Bildung, Sprache, Politik, Arbeit, welfare, Wohnverhältnisse, ethnicity, race, class, gender, Familie, Law and order und Migration. Am Beispiel von belletristischen Texten, Spielfilmen und Musicals wird gezeigt, dass die Puertoricaner in diesen Genres größtenteils wohlwollend dargestellt erscheinen. Das gilt auch für das Musical West Side Story, dem viele Kritiker zu Unrecht vorwerfen, die puertoricanischen Jugendlichen als Gangster zu stigmatisieren. (3) Die puertoricanische Prosa in englischer Sprache hat im Kanon der amerikanischen Literatur und in der Kritik bisher kaum eine Rolle gespielt. Vor allem die zahlreichen Neuerscheinungen der achtziger und neunziger Jahre werden hier erstmals auf historisch-soziologischer Basis analysiert. Allgemeine Trends der neueren Nuyorican-Literatur sind ihre Diversifizierung und Feminisierung. Größere Vielfalt gibt es heute bei den Schauplätzen, den Textsorten und den Themen. Das Thema gender steht nicht nur bei den Frauen, sondern auch bei männlichen Autoren oft im Mittelpunkt. Von den Autoren, die New York zum Schauplatz gewählt haben, ist Abraham Rodriguez, Jr. der bedeutendste. Rodriguez erzählt von Teenagern in der South Bronx, deren puertoricanische Ethnizität kein bestimmender Faktor mehr ist. So ist er der am weitesten amerikanisierte Autor der Nuyoricans. Die überzeugendste Interpretation des Migrationsprozesses bietet Esmeralda Santiago. Bei ihr steht die Kritik am traditionellen puertoricanischen Sexismus im Zentrum. Eine feministische Grundtendenz haben auch die in Puerto Rico angesiedelten, zum Teil magisch-realistischen Werke von Rosario Ferré. Die besten Werke von Rodriguez, Santiago, Ferré und weiteren Puertoricanern verdienen Anerkennung als wertvoller und zukunftweisender Beitrag zur amerikanischen Literatur. ; The thesis contributes to the debate about the revision of the American literary canon. Its first focus is on the history and mythology of Puerto Rico, the second on the social situation and image of the Puerto Ricans in the U.S., and the third on the prose literature by authors of Puerto Rican descent published in English. (1) The Spanish colony of Puerto Rico became a possession of the U.S. in 1898 and experienced a rapid economic rise in the second half of the 20th century, at the expence of growing dependence on the American welfare state. In free referendums the people of Puerto Rico have so far condoned the intermediate status of their island, which still is neither a state of the union nor an independent nation. But in fact the Commonwealth of Puerto Rico remains a colony of the U.S., as the real power to decide about its status lies with Congress. Puerto Rico's mythology has from the start been dominated by stereotypes, which have resulted in a negative cliché of its national character. The United States' political, economic and cultural hegemony has reinforced the alleged schizophrenic state of Puerto Rico. The only chance of healing this Puerto Rican syndrome is the island's national independence. (2) Stereotypes have also determined the image in the American public of the Puerto Ricans who have migrated to the mainland. The bad reputation of this hardly assimilated group is constantly being confirmed by the mass media, although serious studies prove that earlier immigrants had similar problems. Most U.S. experts still advocate the migrants' gradual assimilitation according to the ideal of cultural pluralism. Since the rise of multiculturalism, within the U.S. Puerto Rican community the trend has been going towards a hybrid, bicultural, Nuyorican identity. The dissertation assesses the literature about Puerto Ricans in the U.S. published in English from 15 key aspects: culture, religion, education, language, politics, work, welfare, housing, ethnicity, race, class, gender, family, law and order und migration. A critical look at books, movies and musicals by non-Puerto Ricans shows that in these genres migrants from Puerto Rico have by and large been portrayed benevolenty. This is true even for the musical West Side Story, which has often been wrongly blamed for stigmatizing Puerto Rican youngsters as gangsters. (3) Puerto Rican prose literature in English has so far played little role in the American canon and in criticism. This thesis offers the first analysis of the many new volumes from the eighties and nineties on a socio-historical basis. The overall trends of recent Nuyorican literature are its diversification und feminization. There is a greater diversity of settings, text types and themes. Gender is a central issue not only with the women, but also with a number of male authors. Of those writers who take New York as the setting, Abraham Rodriguez, Jr. is the most important. Rodriguez's books are about teenagers in the South Bronx whose Puerto Rican ethnicity is no crucial factor any more. Thus he is the most Americanised author among the Nuyoricans. The most convincing interpretation of the migratory process is Esmeralda Santiago's. Her main thrust is against the Puerto Rican tradition of sexism. The works of Rosario Ferré, some told in magic realism and all set in Puerto Rico, also have a feminist tendency. The best books by Rodriguez, Santiago, Ferré and a few more Puerto Ricans deserve to be recognised as a valuable and visionary contribution to American literature.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit Edelmetallarbeiten, die aus skythischen Bestattungen des nördlichen Schwarzmeergebiets stammen. Ausgangspunkt für die Untersuchungen bilden die Funde aus dem Solocha-Kurgan, der in den Jahren 1912/13 von dem russischen Archäologen N.I. Veselovskij ausgegraben wurde. Nach einem einleitenden Kapitel zur allgemeinen Forschungsgeschichte der sogenannten graeco-skythischen Toreutik wird im zweiten Kapitel der Solocha-Kurgan vorgestellt. Von den beiden Katakombengräbern, die Veselovskij öffnete, datiert die zentrale Bestattung in die Zeit um 400 v. Chr., das Seitengrab um 370 v. Chr. Aufgrund der Beraubung der zentralen Bestattung steht vor allem die reiche Beigabenausstattung der ungestörten seitlichen Katakombe im Vordergrund der Betrachtung. In Einzeluntersuchungen werden die Edelmetallarbeiten – der berühmte Kamm, Gefäße und Prunkwaffen - zunächst im Kontext ihrer jeweiligen Gattung betrachtet. Hierfür werden die Stücke jeder Gattung vorgestellt und das jeweilige Objekt aus dem Solocha-Kurgan vor diesem Hintergrund diskutiert. Zur Veranschaulichung dienen tabellarische Zusammenstellungen von Gefäßausstattungen und Prunkwaffen in skythischen Bestattungen des 5. – 4. Jhs. v. Chr. Die Gesamtbetrachtung zeigt, dass sich einige der Edelmetallfunde aus dem Solocha-Kurgan gut in die allgemeine Entwicklung der Edelmetallbeigaben in skythischen Bestattungen einfügen. Dazu gehören die importierten Silbergefäße, die mit Appliken versehenen Holzschalen sowie das Trinkhorn aus der seitlichen Katakombe. Auch der dort gefundene Prunkakinakes besitzt Vorgänger im skythischen Material. Ein Novum hinsichtlich Form und Dekor stellen dagegen der berühmte Goldkamm, die kugeligen Silberflaschen, die Silberschalen mit den segmentförmigen Griffen sowie der großformatige Silberbeschlag des Goryts aus der Seitenbestattung dar. Obwohl sie teilweise an frühere Formen anknüpfen, stellen sie eigenständige Gestaltungen dar. Aufgrund figürlicher Darstellungen im Stil des sogenannten ethnographischen Realismus können einige Stücke enger zusammengeschlossen werden und sind wohl als Erzeugnisse einer einzelnen Auftragsarbeit zu deuten. Aufgrund der fehlenden Vorläufer ist es eher unwahrscheinlich, dass diese Arbeiten von einem Skythen in Auftrag gegeben werden konnten. Die anfangs noch geringe Anzahl derartiger Objekte spricht darüber hinaus auch gegen eine Interpretation als Handelsware. Da analog zur Verbreitung der späteren Erzeugnisse graeco-skythischer Toreutik von einer Fertigung im Bosporanischen Reich - am ehesten in Pantikapaion - ausgegangen werden kann, scheint folgende Erklärung am plausibelsten: Die Prunkobjekte aus dem Solocha-Kurgan stellen "politische" Geschenke dar, die der bosporanische Herrscher Leukon I. (389/88-349/48 v. Chr.) in Auftrag gab und an einen skythischen Verbündeten übermittelte. Dementsprechend wären die in den Darstellungen gegeneinander kämpfenden Skythen als Verbündete und Gegner des Bosporanischen Reiches zu erklären. Als Grundlage für die Bearbeitung der einzelnen toreutischen Werke dient ein ausführlich kommentierter Katalog der Fundkomplexe, aus denen die Objekte stammen. Hierbei gibt der Bestattungszeitraum einen ersten Anhaltspunkt für die Datierung der Edelmetallarbeiten, weiter können aus ihrer Lage innerhalb der Bestattung und der Vergesellschaftung mit anderen Fundstücken Rückschlüsse auf ihre Funktion gezogen werden. Daneben wurde für die einzelnen Gegenstände ein Objektkatalog getrennt nach Gattungen angelegt, in dem der Aufbewahrungsort sowie Maße, Datierung, Beschreibung und Literatur angegeben sind. ; Scythian Gold in greek style : Studies on northpontic toreutics based on the vessels and armament from the Solokha-Kurgan The thesis deals with gold and silver objects which were found in Scythian kurgans of the northern Black Sea region. In the focus stand the finds from the Solokha Kurgan which was excavated in 1912/13 by the Russian archaeologist N.I. Veselovskij. An introductory chapter deals with the history of research on the so called Graeco-Scythian toreutics, the Solokha Kurgan is presented in the second chapter. Under the burial mound Veselovskij opened two catacomb graves; the central burial is dated to the end of the 5 th century BC, the second grave in the south west part of the kurgan to about 370 BC. Because the central tomb was almost entirely robbed, the attention is directed particularly on the rich grave goods from the undisturbed lateral catacomb. In individual studies the different objects - the different vessels, the well known comb and the decorative weapons – are first seen in the context of their respective genres (chap. 2-4). For this purpose, the pieces for each genre are described in chronological order and the particular object from the Solokha Kurgan is discussed against this background. Tabular compilations illustrate the equipment of Scythian burials of the 5th and 4th century BC with vessels and weapons made of precious metals. The overall analysis shows that some of the finds from the Solokha Kurgan fit well into the general development of precious grave goods in Scythian burials. This refers to the imported silver vessels, the wooden bowls with gold appliques and the drinking horn from the side catacomb. Also the akinakes which was found there has predecessors in Scythian finds. However, a novelty in form and decoration represent the gold comb, the spherical silver bottles, the silver bowls with the segment-shaped handles and the large-sized silver overlay of the gorytos from the side funeral. Although these things are linked in part to earlier scythian forms, they represent new created designs. Some of the pieces can be grouped together because of their figural representations in the style of the so-called ethnographic realism; probably they have to be interpreted as the products of a single commission. Due to the lack of precursors, it is unlikely that these pieces were ordered by a Scythian noble. The initially small number of such objects also speaks against an interpretation as normal trade goods. By analogy with the spread of the somewhat later objects of Graeco-Scythian toreutics a production in the Bosporan kingdom - most likely in Pantikapaion - can be expected. So the following explanation seems to be most plausible: The precious metal objects from the Solokha-Kurgan probably were "political" gifts which Leukon I., the ruler of the Bosporan kingdom from 389/88 to 349/48 BC commissioned and gave to a Scythian ally. Accordingly, the fighting Scythians of the battle scenes of the comb and the gorytos overlay are to be interpreted as allies and opponents of the Bosporan Kingdom. As basis for the study serves a detailed annotated catalogue of scythian burial mounds from which the objects originated. The funeral date gives a first hint at the dating of the objects of precious metals; their position within the burials and the combination with other finds provide clues to their function. In a second catalogue the gold and silver objects are described with measurements, dating, and literature. (Translation: A. Wieland/G. Wahl) ; Or scythe dans un style grec : Recherches sur la toreutique des régions du Pont-Euxin septentrional: les offrandes funéraires du kourgane de Solokha Cette étude aborde les oeuvres en métal précieux provenant des sépultures scythes du littoral nord de la Mer Noire. Les trouvailles du kourgane de Solokha, qui fut fouillé en 1912-13 par l'archéologue russe N.I. Veselovskij, en constituent le point de départ. L'introduction dresse l'état de la recherche dans le domaine de la toreutique « gréco-scythe ». Elle est suivie d'un chapitre présentant le kourgane de Solokha dont deux tombes furent mises au jour par Veselovskij : la sépulture principale, située au milieu du kourgane et datée des environs de 400 av. J.- C., et la sépulture latérale, datée vers 370 av. J.-C. C'est le riche mobilier métallique de la seconde sépulture - trouvée intacte, contrairement à la première qui était violée- qui est ici présenté en détail. Les objets en métal précieux du kourgane de Solokha – le fameux peigne, la vaisselle et les armes d'apparat – sont étudiés au sein de leurs catégories typologiques. Confrontée aux pièces du même genre qui sont également discutées, chaque oeuvre est ainsi placée dans son contexte typologique. La présentation est complétée par des tableaux synthétiques regroupant les vases et les armes d'apparat accompagnant des sépultures scythes des Ve et IVe siècles av. J.-C. Cette vue d'ensemble montre que certains parmi les objets en métal précieux du kourgane de Solokha s'insèrent bien dans l'évolution générale des offrandes funéraires luxueuses trouvées dans des sépultures scythes : la vaisselle d'argent importée, les vases à boire en bois décorés d'appliques ainsi que le rhyton de la tombe latérale en font partie tout comme l'akinakès précieux de la même sépulture, qui a des antécédents au sein du matériel scythe. En revanche, le célèbre peigne d'or et les objets en argent, tels les vases à panse sphérique, les coupes à anses arrondies et le grand revêtement de goryte de la tombe latérale sont nouveaux autant pour leur forme que pour leur décor. Tout en restant en partie rattachées à des formes antérieures, ces oeuvres témoignent d'un caractère original. En raison de leurs compositions figurées dans un style connu sous le nom de « réalisme ethnographique », certaines oeuvres peuvent être regroupées dans un ensemble restreint et doivent être issues d'une seule commande. Cependant, l'absence d'antécédents rend leur association avec un commanditaire scythe peu probable. Par ailleurs, le nombre à l'origine limité de ce type d'objets empêche de les interpréter comme des produits de commerce. Au contraire, la large diffusion des plus récentes créations de la toreutique « gréco-scythe » laisse présumer une fabrication locale, dans le royaume du Bosphore – plus probablement à Pantikapaion. Ainsi, l'hypothèse suivante semble la plus plausible pour expliquer ce phénomène : les oeuvres luxueuses du kourgane de Solokha représenteraient des cadeaux diplomatiques que le roi du Bosphore Leukon Ier (389/88-349/48 av. J.-C.) aurait commandités afin de les offrir à un de ses alliés scythes. A cet égard, les Scythes en combat figurant dans les scènes représentées devraient être interprétés comme des alliés et des ennemis du royaume du Bosphore. Le recensement des sépultures et des ensembles funéraires sous forme de catalogue commenté est fourni à l'appui des arguments avancés au sujet du mobilier toreutique. Ainsi, les datations proposées pour une sépulture livrent un premier indice pour la datation des objets en métal précieux qui l'accompagnaient, tandis que leur emplacement à l'intérieur de la tombe tout comme leur relation aux autres offrandes permettent de mieux cerner leur fonction. Un second catalogue regroupe les objets classés par genre avec les informations sur le lieu de leur conservation, leurs dimensions, la datation, la description et la bibliographie. (Traduction : K. Charatzopoulou)
Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit war es, das theaterhistorische Phänomen des chinesischen experimentellen Theaters komparatistisch sowohl als das Ergebnis der Begegnung zweier sehr verschiedener kulturhistorischer Linien (China/ Europa) zu beschreiben als auch in den traditionellen Kontext chinesischer Theaterinnovationen einzuordnen und aus ihm heraus zu erklären. Behandelt wird u.a. der machtpolitische Kontext interkultureller Begegnungen. Es stellt sich die Frage, ob man auf einem "transzendentalen Hügel hockend" China beobachten kann. Man ist immer wieder mit der Frage konfrontiert, aus welcher Perspektive man bei der Untersuchung anderer Kulturen zu adäquaten Ergebnissen kommen kann. Soll man einen aussenstehenden Beobachterposten behaupten oder soll man anerkennen, dass die eigene Anwesenheit vor Ort den Beobachtenden bereits involviert in das zu Beobachtende oder soll man sich seiner eigenen Aktivität bewusst werden und den ohnehin fiktiven Objektivitätsstatus bewusst aufgeben? Ich konnte während der Arbeit an der Inszenierung "Leg deine Peitsche nieder - Woyzeck" in Peking künstlerische und Alltagskommunikation erleben und Einsichten gewinnen, die ohne diese Arbeit unmöglich gewesen wären. Die chinesische Kultur hat bereits frühzeitig Schriftsysteme und eine Schriftkultur ausgebildet. Dennoch haben meine Untersuchungen ergeben, dass die Bereiche der Wissensvermittlung (Lern- und Lehrverhalten), der darstellenden Künste und der sozialen Kommunikation bis in unser Jahrhundert hinein von einer Tradition oraler Techniken und Kommunikation geprägt sind. Ganz wesentlich ist z.B. traditionell der Aspekt der LEIBLICHKEIT bei der Wissensvermittlung. Das Leibwissen eines Lehrers wird durch ständiges Üben und Wiederholen durch den Schüler in dessen Leib inkorporiert. Die Schüler (im profanen, im religiösen oder künstlerischen Bereich) werden hauptsächlich in das WIE der Übungen, nicht aber in das WARUM eingewiesen, weil sich aus der Logik dieses Denkens ergibt, dass sich aus der ausgefeilten Qualität des Geübten mit der Zeit der Sinn dessen über den Leib des Schülers von selbst erschließt. Oralen Techniken von Wissensvermittlung ist es eigen, dass sie dem Wiederholen größeren Wert beimessen als dem Neuerfinden. Dies ist eine Traditionslinie, die noch heute für das chinesische Sprechtheater wirksam ist. Innovation im chinesischen Kontext bedeutet vor allem Detailinnovation, aufbauend auf ein gegebenes Modell. Die chinesische Gesellschaft verfügt über ein reiches Instrumentarium theatraler Kommunikation. Aufgrund der Sozialstruktur und des ausgeprägten Relationsdenkens verfügen die kulturell Kommunizierenden über "shifting identities" wie Jo Riley es für die Darsteller im chinesischen traditionellen Musiktheater feststellte und wie Rosemarie Juttka-Reisse ein adäquates Phänomen für die Praxis von sozialem Rollenwechsel in sozio-kulturellen Kommunikations- und Interaktionsprozessen nachwies. "Shifting identies" bedeutet, dass Kommunizierende in der Lage sind, spontan und flexibel auf neue Kommunikationskontexte mit dem entsprechenden performativen Instrumentarium zu reagieren. Dieser Umstand hat weitreichende Konsequenzen für die Rollengestaltung im chinesischen Theater. Zum Beispiel ist der Brecht'sche Begriff der Verfremdung aus diesem Grunde NICHT oder bestenfalls nur partiell auf das chinesische Theater anwendbar. Die Brecht'sche Verfremdungstheorie ist nicht dem chinesischen Theater abgeschaut, sondern auf das chinesische Theater projiziert. Im Zusammenhang mit dem Leiblichkeitskonzept steht eine spezifische Vorstellung der EINVERLEIBUNG von Wissen, auch nicht-chinesischen Wissens. Beispielsweise wird bis in die 1990er Jahre hinein immer wieder auf die VERDAUUNGSMETAPHER zurückgegriffen. Das Einverleibungsprinzip, welches in engster Verbindung mit dem chinesischen Ahnenkult steht, ist mindestens einmal einer Fundamentalkritik unterzogen worden. Kurioserweise geschah dies nach der Einverleibung westlichen Wissens, insbesondere der Fortschrittsidee und der Vorstellung evolutionärer historischer Weiterentwicklung. Lu Xun nämlich prägte die Metapher der Menschenfresserei, die sich auf die als reaktionär erkannte Einverleibung "feudalistischen" Wissens aus der alten, dem Westen unterlegenen chinesischen Gesellschaft bezog. Seither gibt es die "fortschrittliche" und die "reaktionäre" Verdauung, wobei der Diskurs um kulturelle Identität, um Erneuerung und Bewahrung immer wieder neu festzulegen versucht, was gegebenfalls nützlich oder nutzlos ist. Die Entstehung des chinesischen experimentellen Theaters ist ohne das Eingebettetsein in historische Linien der chinesischen Theatergeschichte nicht erklärbar. Aneignungsmuster in bezug auf die Aufnahme neuer Anregungen aus anderen Kulturen haben eine traditionelle Logik entwickelt, die man nur erkennen und einordnen kann, wenn man sich ausführlich den historischen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen von Theater in China widmet. Deshalb bin ich auf diese historischen Linien ausführlich eingegangen. Das experimentelle Theater in China setzt diese Linie fort. Deshalb kann man schlussfolgern, dass das chinesische Sprechtheater "eine Art Pekingoper mit anderen Mitteln" ist, und nicht ein bürgerlich-westliches Sprechtheater mit chinesischer Kolorierung. Das chinesische Theater hat sich über die langen historischen Zeiträume seiner Entstehung als sehr aufnahmefähig für interkulturelle Anregungen gezeigt. Man kann sagen, dass es das Ergebnis dieser Interaktionsprozesse ist. In diesem Sinne ist die Integration westlicher Theaterstile und damit auch die Entstehung des experimentellen Theaters als traditionelle Strategie im Umgang mit dem Fremden anzusehen. Es handelt sich tendenziell nicht (nur) um einen Ausdruck von Modernität, sondern von Tradition. Es ist in der chinesischen Theatergeschichte nicht um die Echtheit/ Authentizität des adaptierten ausländischen Materials gegangen, sondern hauptsächlich um die Anwendbarkeit im eigenen Kontext. Das wiederum führt folgerichtig zu dem Schluss, dass es z.B. keine "falsche" Rezeption westlichen Theaters in China geben kann, sondern nur eine chinesische. Der experimentelle Zugang zu neuen Formen innerhalb der chinesischen Theaterkultur ist ein historisch praktizierter. Die chinesische Praxis des Experiments ist historisch verbunden mit einer Praxis des Ausprobierens, Integrierens, Ausschmückens, einer Art Patchwork-Strategie. Im Gegensatz zum westlichen Begriff des Experiments ist diese Praxis nicht an abstrakte Hypothesenbildung und die systematische Beweisführung gebunden. Hauptinstrument neuer Erkenntnisse war die empirische Beobachtung. Die Entstehung des experimentellen chinesischen Theaters im 20. Jahrhundert, welches erstmals an verschiedene Begrifflichkeiten gebunden wird und nicht einfach als historische Praxis dem chinesischen Theater inhärent ist, deutet auf eine neue Qualität dieses Phänomens in der chinesischen Theatergeschichte hin. Die neue Qualität im Vergleich zur historisch-experimentellen Praxis besteht darin, dass die chinesische Kultur erstmals in ihrer Geschichte als Hochkultur Asiens mit einem ernstzunehmenden, hegemonial operierenden Feind konfrontiert war, der mit seinem ökonomisch-militärischen Potenzial die Qualität der chinesischen Kultur als Ganzes in Frage stellte. Nun sahen sich die chinesischen Eliten gezwungen, die westlichen Mittel zum chinesischen Zweck des Überlebens zu machen. Aus diesem Grunde wurden westliche Ideen und Praktiken, wie z.B. das bürgerliche Sprechtheater rezipiert. Dies musste als Praxis aber auch als Begriff umgesetzt werden. Aus diesem spezifischen Entstehungskontext ergibt sich eine unterschiedliche Richtung der Theateravantgarden in China und im Westen. Während die historische Theateravantgarde im Westen in ihrer Kritik am bürgerlichen Theaterkonzept und in ihrer Auseinandersetzung mit Industrialisierungs- und Technologiesierungsprozessen auf "Retheatralisierung" des Theaters drängte, gingen die chinesischen Theaterkünstler den entgegengesetzten Weg. Die neuen historischen Erfahrungen ließen sich in den volkstümlichen Geschichten und den historischen Analogien des traditionellen chinesischen Theaters und in ihrer stilisierten Theatralität nicht mehr adäquat darstellen. Plötzlich wurde ein neues Realismuskonzept, welches nach DETHEATRALISIERUNG drängte, wesentlich. Darüberhinaus gehört es zur historischen Linie des chinesischen Theaters, dass es stark profitierte sowohl von nicht-chinesischen Anleihen anderer Theaterkulturen als auch von den Volkskünsten der eigenen Kultur. Es waren zunächst Laiendarsteller und Amateurtheaterkünstler, die in den 1920er Jahren die vielfältigen Kategorien des chinesischen "experimentellen" Theaters erfanden und später in einen professionellen Status überführten. Neben den kulturellen Einflüssen des westlichen Imperialismus war China ebenfalls mit dem hegemonialen Bestreben insbesondere des sowjetischen Kulturimperialismus konfrontiert. Die sowjetische Kulturpolitik favorisierte das Stanislawski-Konzept. Dieses wurde dann zunächst, nach Gründung der VR China 1949, zu einem der Grundpfeiler der Idee eines neu zu entwickelnden chinesischen Nationaltheaters. Seit den 1980er Jahren wird es zunehmend kritisiert. Seitdem werden andere westliche Konzepte interessant. Dazu gehören die Konzepte der westlichen historischen Avantgarde ebenso wie die des absurden und weitestgehend postmodernen Theaters. Seit den 1990er Jahren sind zwei Haupttendenzen im modernen chinesischen Theater festzustellen. Zum einen unterliegt das Theater rigiden Kommerzialisierungstendenzen. Zum anderen sieht sich das Theater einer Vielzahl neuer Unterhaltungsmedien (TV, Kino, Karaoke, Shows etc.) gegenüber, die es veranlassen, sich verstärkt auf die spezifischen Möglichkeiten theatralen Ausrucks zu besinnen. Das führt dazu, dass nun sowohl das theatrale Potenzial des klassischen chinesischen Theaters interessant wird ebenso wie die Retheatralisierungsversuche der westlichen Avantgarde. Seit Mitte der 1980er Jahre ist eine erneute, hitzige Debatte über Begriff und Inhalt von experimentellem Theater im chinesischen Kontext zu beobachten. ; The starting point of this paper was both to describe the theatre-historical phenomenon of Chinese experimental theatre in a comparative way, as the result of the encounter of two culture-historical lines differing very much (China/Europe) and to put it in its proper historic context and thus to explain from its context. The power-political context of intercultural encounters is dealt with. The question arises whether one would be able to watch China at all " sitting on a transcen-dental hill". You are constantly facing the question from which perspective you can achieve adequate results when researching/ investigating foreign cultures. Should you maintain your (external) observer status or should you recognise that your own presence at the site involves the observer what he watches or should you consciously give up the anyhow fictitious status of objectivity. While staging "Put down your whip - Woyzeck" in Beijing at the State theatre called Central Experimental Theatre I could experience both artistic and every-day communication, without which this paper would and could never have been written. The Chinese culture has developed writing systems and a written culture early on in history. Nevertheless, my study has shown, that instruction (learner and teacher behaviour), performing arts and social communication have been highly influenced by the oral tradition of communication throughout the centuries. The aspect of corporality in instruction is essential. The teacher's incorporated knowledge is transferred to the student's body through permanent exercise and repetition/revision. The student (worldly, religious and artistic spheres) is taught HOW to do the exercise but not necessarily WHY because part of this thinking is the idea that the awareness of the meaning of the skill comes to the student through his body. This implies that it is a characteristic feature of oral instruction/information stresses repetition rather than innova-tion. This line of tradition has always been efficient for the Chinese spoken drama, even today. Innovation in a Chinese context means chiefly innovation of detail based on a model given. The Chinese society developed a rich variety of tools of theatrical communication. Due to the social structure and a well-developed relational thinking the cultural communicators have "shifting identities" as Jo Riley stated it in terms of the performers in the Chinese traditional music thea-tre. Rosemarie Juttka-Reisser confirmed an adequate phenomenon for the practice of switching social roles in processes of socio-cultural communication and interaction. "Shifting identities" means that communicators are capable of spontaneously and quickly responding to new communication contexts through adequate performative sets of instruments. This has an impact on the performance of roles in Chinese theatre. Therefore the Brechtian term of alienation, for instance, can not or only partly be applied to Chinese theatre. Thus, the Brechtian theory of alienation is not derived from Chinese theatre but rather projected to it. Linked to the concept of incorporation of knowledge is a specific image of incorporation of knowledge including the non-Chinese one. Up to the 1990s the metaphor of digestion had been used again and again. The principle of incorporation which is closely connected with ancestor cults underwent fundamental criticism at least once. Curiously enough, this happened after the incorporation of Western knowledge, in particular of the idea of progress and evolution/ revolution. Lu Xun coined the metaphor of cannibalism. This relates to the traditional incorporation of the so-called "feudal" knowledge based in the Chinese culture which has been understood as inferior to the West. Since then there has been "progressive" and "reactionary" digestion; discourse about cultural identity, about renewal and preservation of Chinese values has always been trying to re-determine what is useful or useless respectively. The appearance and existence of the Chinese experimental theatre can not be explained without it being embedded in the line of Chinese (theatre)history. Patterns of acquisition in terms of the perception of new stimuli from other/foreign cultures have developed a traditional logic which can only be recognized and categorized if you have a deeper understanding of the historic condition and the whole framework of theatre in China. Therefore I dealt with this historical line in detail. The experimental theatre in China continues this line to a certain extend. This results in the Chinese spoken theatre being "a kind of Beijing opera with a different approach" but not a bourgeois Western spoken drama with a Chinese touch. Throughout its history the Chinese theatre has always readily absorbed intercultural stimuli. So you can say that these processes of interaction have contributed to contemporary Chinese theatre. Thus you can regard the integration of Western theatre styles including the development of the experimental theatre a highly traditional strategy for encountering and dealing with the foreign element. This strategy is not an expression of modernity only but mainly of tradition. Chinese theatre history was not particularly interested in the authenticity of the adopted foreign material but in its application within the Chinese context. This has led to the conclusion that there cannot be any "wrong" perception of the Western theatre in China but only a Chinese. The experimental approach to new forms within the Chinese theatre culture has been used all the time. The Chinese experimental practice has indeed been linked with integrating, ornamenting and trying out resulting in a kind of patchwork. In contrast to the Western term of experiments this practice does not depend on abstract hypotheses and proofs systematically shown. This is partly due to Western sciences focussing on mathematics while Chinese sciences were concentrating on dealing with problems of relations (physics). Therefore they (have) preferred empirical observation to mathematical analysis in order to achieve new knowledge. In contrast, the experimental Chinese theatre in the 20th century, reflects a new quality in their approach to theatre which, for the first time, attempts to use concepts like in the Western theatre. The reason for this new approach resulted from the fact that for the first time in its history Chinese culture as an Asian high culture was faced with a serious hegemonially operating enemy that questioned the quality of the Chinese culture as a whole through its economic and military potential. The Chinese intellectual elite was forced to respond to the Western threat by using Western methods (including spoken drama) in order to survive: using a Western means to a Chinese end. These specific historical circumstances and power relations have led to different directions of avantgarde theatre movements in China and the West in the early 20th century. Western and Chinese theatre artists went opposite ways: while the former initiated the Re-theatralisation in their criticism of the bourgeois theatre concept and of industrialisation; the latter focused on De-theatralisation which had become a new concept, that of realism/ naturalism. The new experiences of the time could no longer be expressed in their folktales and historical analogies of the traditional Chinese theatre and its stylised theatricality. Amateurs (in particular students of big cities) were the first to invent the various categories of a Chinese "experimental" theatre and later transformed its status into a professional one. Apart from cultural influences of Western (including Japan) imperialism China faced the same problems with the Soviet cultural imperialism. The Soviet cultural policy favoured Stanislavsky's concept. This idea became the basis of a new Chinese national theatre which was to develop after the formation of the People's Republic of China in 1949. Since the 1980s it has increasingly been criticised. In addition other Western concepts have attracted attention including concepts of the Western historical avantgarde, the theatre of the absurd and post-modern theatre. Since the 1990s two major tendencies of modern Chinese theatre can be stated. On the one hand, the theatre is subject to rigid tendencies of commercialisation (which means that the state cut the subsidies), on the other hand, the theatre is confronted with a variety of new entertainment media (TV, cinema, karaoke, shows etc.) which make it remember its specific oppor-tunities of theatrical expression (now including traditional Chinese theatre forms). At the moment a new heated debate about the term and the content of experimental theatre is going on.