Der vorliegende Beitrag zeigt auf, wie ein Mitglied einer islamistischen Subkultur durch islamische Gewohnheiten im Alltag eine bestimmte Weltanschauung entwickelt. Der Beitrag stützt sich auf ein empirisches Forschungsprojekt, das der Autor in der sudanesischen Hauptstadt Khartoum 1998/99 durchgeführt hat. Die in diesem Artikel verwendete geschlechtsspezifische Perspektive zielt darauf ab, Frauen als eine Kategorie zu dekonstruieren, je nachdem wie sie zur 'Islamisierung' stehen. Wenn es um den Islam und gesellschaftlichen Wandel geht, werden Frauen oft als die 'meist betroffene Gruppe' angesehen. Oft meint man, dass geschlechtsbedingte Trennungen, Räume und Grenzen Frauen als Opfer an den Rand der Gesellschaft oder zumindest in eine Position drängen, in der ihr Wert im Sinne von Einflussnahme auf Veränderungen in den diskursiven und nicht-diskursiven Praktiken ideologischer Bewegungen wie dem Islamismus begrenzt ist. Der Artikel ist in zwei Teile gegliedert. Der erste beleuchtet eine umfangreiche Fallstudie einer jungen islamischen Frau, die sich intensiv damit beschäftigt, ihre Identität neu zu definieren und soziale Grenzen auszuhandeln, indem sie ihr tägliches Leben und ihre Gewohnheiten nach einer spezifischen Sicht des Islam ausrichtet. Der Fall unterstreicht die Beziehung zwischen islamischen symbolischen Praktiken und den allgemeinen Institutionen des Islam und die Art und Weise, wie diese Beziehung mobilisiert wird, um lokale Kulturen und Grenzen auszuhandeln. Er liefert eine detaillierte Beschreibung der sozialen Bedeutung dieser symbolischen Praktiken und ihrer Beziehung zum Definitionsprozess des (modernen) Ichs oder der individuellen Identität. Der Schlussteil untersucht die Beziehung zwischen symbolischen islamischen Alltagspraktiken, Modernität und dem Islamisierungsprozess aus theoretischer Sicht. (ICD)
Soziale Ungleichheit ist eines jener Phänomene, die zugleich moralische Entrüstung, politisches Engagement und soziale Analyse mobilisieren. Der Diskurs über Ungleichheit bietet verständlicherweise ein Forum dafür, soziale Benachteiligungen und Unterdrückungen zu thematisieren. Das soziologische Theoretisieren über soziale Ungleichheit fügt diesem Ungleichheitsdiskurs nur mehr eines hinzu: nämlich im Rückgriff auf empirische Daten der einen oder anderen Thematisierung wissenschaftliche Legitimation verleihen. Auch der soziologische Diskurs über Ungleichheit entkommt somit nicht der sozialen Funktion des Ungleichheitsdiskurses: nämlich an der Erzeugung kognitiver Repräsentationen sozialer Ungleichheit mitzuarbeiten. Eine soziologische Analyse, die diese Implikation nicht verdrängen will, muss soziale Ungleichheit als ein Deutungsmuster sozialer Realität begreifen und nach seiner Funktion in der sozialen Realität fragen. Eine solche soziologische 'Objektivierung' des Ungleichheitsbegriffs setzt eine theoretische Perspektive voraus, die den Diskurs über soziale Ungleichheit in der sozialen Realität, die ihn produziert, lokalisiert. Ich möchte die These verteidigen, dass der moderne Ungleichheitsdiskurs von kollektiven Erfahrungs- und Wahrnehmungsweisen der sozialen Welt geprägt ist, die mit dem Aufstieg der bürgerlichen Klasse im 18. Jahrhundert entstanden sind und heute von den Mittelklassen dominiert werden. Die aktuelle Konjunktur der Ungleichheitsforschung in der Soziologie (Kreckel 1983) lässt sich so - provokativ formuliert - als Effekt einer "Verkleinbürgerlichung" der Soziologie erklären.
Menschlichkeit ist überbewertet.[1] Franco Berardis Buch Helden. Über Massenmord und Suizid analysiert nicht nur die opferreichsten Amokläufe der letzten Jahre, sondern auch und vor allem die ökonomischen und gesellschaftlichen Bedingungen, die Berardi als "absoluten Kapitalismus" bezeichnet und die er für diese suizidalen Massenmorde verantwortlich macht. Die neoliberalen kapitalistischen Verhältnisse, die von Simulation, Wettbewerb und Nihilismus geprägt sind, bringen Berardi zufolge Menschen – vor allem Männer – hervor, die nicht länger in der Lage sind Solidarität und Empathie zu entwickeln. Die Motivation für Massaker und Amokläufe von Einzeltätern wie Anders Breivik, Seung-Hui Cho und Eric Harris und Dylan Klebold sieht Berardi zudem in dem Streben nach medialem Ruhm und Identität. Das Verlangen nach Identität ist Berardi zufolge sowohl eine Krankheit als auch ein kulturelles Produkt, das auf die starre Zugehörigkeit zu Nation, Religion und Rasse beruht. Zudem zeichnen sich Täter wie Breivik durch Misogynie und Verherrlichung patriarchaler Familienwerte aus. Neben diesem Phänomen des Massenmords widmet sich Berardi auch den massenhaften Selbstmorden von indischen Bauern, die in eine Spirale von Schulden und Verarmung durch Monsanto-Saatgut geraten sind oder den Selbstmorden chinesischer Arbeiter*innen bei Foxconn und Apple, bei denen die Selbstmordrate derartig zunahm, dass in neuen Arbeitsverträgen das Versprechen festgehalten wurde, keinen Selbstmord zu begehen. Das Leiden an den ökonomischen Verhältnissen ist demnach eine weitere Ursache für Suizid wie Massenmord. Dieses Leiden betrifft jedoch nicht nur die besonders ausgebeuteten Arbeiter*innen der ausgelagerten physischen Produktion, sondern auch die unter prekären Bedingungen kognitiven Dienstleister*innen der immateriellen Arbeit im Semio-Kapitalismus, des Teils des absoluten Kapitalismus, in dem es vor allem um die Produktion und den Tausch abstrakter Zeichen geht, die ununterbrochen die Aufmerksamkeit der Produzent*innen in Anspruch nimmt. Berardi ist bekannt als politischer Aktivist und Intellektueller. Zuletzt erregte er Aufmerksamkeit mit dem Gedicht Auschwitz on the Beach, das er im Kontext einer Performance auf der documenta 14 vortragen wollte. In dem Gedicht vergleicht er die Abschottung Europas und das massenhafte Sterben an seinen Grenzen mit der Vernichtung der Juden durch die Nazis. Nach Protesten u. a. aus der jüdischen Gemeinde gegen diesen Vergleich, las Berardi das Gedicht zwar nicht vor, sein Inhalt wurde jedoch breit rezensiert und auch kritisiert.[2] Aus Protest gegen die europäische Abschottungspolitik trat Berardi im Jahr zuvor aus der Initiative DiEM 25 (Democracy in Europe Movement 2015) aus, woraufhin Yanis Varouvakis, ebenfalls Mitglied von DiEM 25, Berardis Austritt mit der Begründung ablehnte, dass Berardi mit seinem Protest für eine 'wahre' europäische Demokratie stünde, die die Mitglieder von DiEM 25 verteidigen.[3] Berardi trat bereits im Alter von 14 Jahren einer Jugendorganisation der kommunistischen Partei Italiens bei, war in der 1968er Jahre-Bewegung in Bologna aktiv, war Teil des freien Senders Radio Alice und des italienischen Operaismus und Weggefährte von Felix Guattari und Antonio Negri. Berardi verbindet in seinen zahlreichen Veröffentlichungen Kapitalismuskritik mit Medienaktivismus und Subjektivierungstheorien. Der Prolog seines jüngsten Buches, der auf ein kurzes Vorwort zur deutschen Ausgabe folgt, beginnt mit dem Massaker, das James Holmes im Juli 2012 in einem Kino in Aurora während der Mitternachtsvorstellung von The Dark Knight Rises anrichtete. Zu der Zeit begann ich gerade einen zweijährigen Forschungsaufenthalt an der University of California Riverside, wo James Holmes seinen BA in Neurowissenschaften mit Bestnoten abgeschlossen hatte. Ich suchte mehrfach nach einer Erklärung auf der Webseite der Universität, die Trauer und Anteilnahme mit den Opfern ausdrückte, jedoch vergeblich. Freunde von der Universität teilten mir dann mit, dass dies nicht gemacht würde, um sich gegen mögliche Klagen zu schützen. Dieser Mangel an Empathie und Solidarität ist für Berardi eines der Kennzeichen des absoluten Kapitalismus' seit der Moderne. Andere sind die Deregulierung der Arbeitsverhältnisse, die Deterritorialisierung der Produktion und der Zerfall der Sozialsysteme. Berardi stützt sich in weiten Teilen seines Buchs auf Jean Baudrillard, was mich erstaunte, da ich ihn sehr lange nicht mehr zitiert gesehen habe. Berardi referiert auf Baudrillards "Semiologie der Simulation" (S.40), die von einem Ende der Referentialität in der Ökonomie und Sprache ausgeht: "Zeichen werden gegen andere Zeichen getauscht, nicht gegen wirkliche Gegenstände." (S. 40) Wie Baudrillard nimmt Berardi gegenüber dieser Ersetzung der Realität durch die Simulation eine sehr kulturpessimistische, wenn nicht sogar medienfeindliche Haltung ein. Obwohl Berardi sich gegen die "allgemeine" Auffassung richtet, dass der Inhalt von Videospielen verantwortlich für Amokläufe wie dem in Columbine ist, argumentiert er dennoch aus einer ähnlichen Perspektive: Es ist das Abtauchen in die digitale Welt an sich, "die uns körperlichen Lüsten und Qualen gegenüber unempfindlich macht" und zu einer "Mutation des menschlichen Gehirns führt." (S. 64) Als Beleg führt Berardi an, dass der Attentäter Holmes glaubte, in einem Film mitzuspielen. Obwohl auch meiner Ansicht nach bei Massen- oder Serienmördern die Grenze zwischen Fiktion und Realität verschwimmt, zeichnen sich diese Täter jedoch gerade dadurch aus, Fantasien, Simulation und Fiktion zu Realität werden zu lassen, indem die sie mediale Ebene verlassen und ihre Fantasien physisch am Körper ausagieren. Und wenn es um den medialen Ruhm geht, ist das Angebot an Reality und Casting Shows groß genug, um ins Fernsehen zu kommen. Daher verfehlt Berardis 'medienkritische' Analyse meines Erachtens einen wesentlichen Aspekt des massenhaften Mordens. Auch die Biologisierung gesellschaftlicher Entwicklungen erstaunt, da Berardi an anderer Stelle die Naturalisierung der menschlichen und ökonomischen Beziehungen der neoliberalen Ideologie zuschreibt. Diese beginne mit Adam Smiths Vorstellung der "unsichtbaren Hand", die "den Markt fast wie eine Naturgewalt reguliere" (S. 56), während sich der Humanismus und Sozialismus durch "eine Autonomie der Menschheit gegenüber dem völlig gnadenlosen Gesetz der Natur" auszeichnete. (Ebd.) "Die beiden Möglichkeiten, mit denen wir uns in Zukunft wohl konfrontiert sehen werden, sind deshalb diese: Entweder wird das Gehirn – gemäß des kompetitiven Prinzips (sic) der kapitalistischen Ökonomie – den Regeln der globalen Neuro-Maschine unterworfen werden, oder die autonome Potenzialität des General Intellect wird befreit werden." (S. 245, Hervh. im Original). Während Berardi sich mit dem Begriff des "General Intellect" dezidiert auf Karl Marx bezieht, bleibt unklar auf welche Gehirnforschung oder anderen psychologischen und psychoanalytischen Konzepte er zurückgreift. So schreibt er von einem "gesellschaftlichen Gehirn", das gezwungen sei, mit Traumata, Überbelastung und Diskonnektionen umzugehen, die das Unbewusste stören. Die Hirnforschung kennt jedoch kein Unbewusstes im psychoanalytischen Sinne, die wiederum ganz und gar nicht selbstverständlich mit der Hirnforschung in Einklang zu bringen ist. Als weiteren Term bringt Berardi die "Imagination" als eine Fähigkeit ein, imaginäre Fragmente neu zusammenzusetzen und zu formulieren und damit die Möglichkeit, neue Formen, einen neuen Horizont und eine noch nicht gesehene Welt zu entwerfen. Während diese etwas krude Mischung neurowissenschaftlicher, psychologischer und utopischer Konzepte nicht sehr überzeugt, bietet Berardis wiederholte Forderung nach Solidarität, Freundschaft und letztlich die Rückkehr zu einem – wenn auch transhumanen – Humanismus eine Perspektive, dem dominanten Wettbewerbsdenken ethisch und politisch zu begegnen. Die Ethik hat jedoch nichts mit dem Verantwortungsbewusstsein zu tun, das Berardi zufolge die Politik von uns erwartet: "Die Politik will, dass wir verantwortungsbewusst handeln, mehr arbeiten, mehr kaufen, den Markt stimulieren." (S. 267) Dem entgegengesetzt plädiert Berardi dafür, die Teilnahme zu verweigern und sich der Verzweiflung hinzugeben, "dass man sich der Wahrheit der gegenwärtigen Lage bewusst ist." (S. 268) Selbstverständlich sollte die Verzweiflung nicht in Selbstmordattentaten umgesetzt werden, dennoch lassen sich diese nicht ohne die massenhafte Verzweiflung verstehen, wie Berardi mit Bezug auf den Psychoanalytiker Fethi Benslama betont.[4] Diese Verzweiflung als Resultat kolonialistischer Ausbeutung und Enteignung paart sich im radikalen Islamismus mit einem Verlangen nach einem Ursprung und einer Wiederholung des Identischen. Die "identitäre Obsession" teilen die islamistischen Selbstmordattentäter mit nationalistischen, rassistischen und frauenfeindlichen Attentätern wie Breivik. Wenn Berardi das Streben nach Identität kritisiert, dann nicht in erster Linie im Sinne einer Identitätspolitik verschiedener Befreiungsbewegungen, sondern das vom Kapitalismus erzeugte Verlangen "nach einer Reterritorialisierung sowie die ununterbrochene Wiederkehr der Vergangenheit als einer nationalen Identität, einer ethnischen Identität und so weiter." (S. 151). Statt die Verzweiflung also mit einer Rückkehr zu einem vermeintlichen Ursprung zu verbinden, liegt die Antwort nach der Frage "was tun" im absoluten Kapitalismus für Berardi in der ironischen Autonomie, einer "dystopischen Ironie (Dyst-Ironie)", bei der es um die Unabhängigkeit des Geistes geht. (S. 268) Für Berardi liegt die Freiheit einer ironischen Autonomie in der Verweigerung von Teilnahme, Verantwortungsbewusstsein und Glauben an das gegenwärtige System. Die Ironie zeichnet sich durch eine grundlegende Skepsis aus. Mit der Forderung auch ihn nicht ernst zu nehmen, endet das Buch. [1] Dies ist der Titel eines der Kapitel des besprochenen Buches. Diese Phrase stammt aus dem Manifest des Natürlichen Selektors von Pekka-Eric Auvinen, der 2007 neun Schüler in Finnland tötete, bevor er sich selbst erschoss. Er besaß auch ein T-Shirt mit der Aufschrift "Humanity is overrated". Jedes der elf Kapitel des Buches ist mit einem derartigen Motiv überschrieben. Die Kapitel folgen diesen Motiven zum Suizid bzw. Massenmord und nicht einem jeweiligen Einzeltäter. [2] Siehe u.a.: https://www.deutschlandfunkkultur.de/performance-auschwitz-on-the-beach-politisches-desaster.1013.de.html?dram:article_id=394009; http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/auschwitz-on-the-beach-bei-documenta-dann-macht-doch-politik-15168489.html; https://www.zeit.de/2017/35/documenta-kassel-auschwitz-on-the-beach-performance; ttps://www.nytimes.com/2017/08/23/arts/auschwitz-on-the-beach-documenta-14-controversy.html (zuletzt gesehen: 15.07.2018). [3] https://www.opendemocracy.net/can-europe-make-it/yanis-varoufakis-franco-berardi/resignation-letter-from-franco-bifo-berardi-to-ya. (zuletzt gesehen: 15.07.2018). [4] Fethi Benslama: Psychoanalyse des Islam. Berlin 2017.
Auseinandersetzungen mit dem Islam prägen seit einigen Jahren politische und mediale De-batten um Multikulturalismus und Integration in westeuropäischen Einwanderungsgesell-schaften. Der Rekurs auf das christliche Abendland , der Entwurf einer Leitkultur und die Verteidigung der Festung Europa sind im Zuge dessen oft genannte Stichworte. Gegenstand dieser Debatten ist jedoch nicht ausschließlich die Ausgrenzung des Islam und von MuslimIn-nen: Die Bedeutung, die so genannten christlich-abendländischen Werten wie Toleranz und Meinungsfreiheit im Rahmen dieser Debatten beigemessen wird, verweist vielmehr darauf, dass zeitgleich und in engem Zusammenhang damit die (Re-)Formulierung einer westlich-abendländischen Identität auf dem Spiel steht. Eine zentrale Stellung kommt dabei dem Re-kurs auf hierarchische Geschlechterverhältnisse zu, die als Wesensmerkmal des Islam darge-stellt und als Begründung der angenommenen Differenz zwischen Angehörigen der so genann-ten islamischen und denjenigen der so genannten westlichen Kultur herangezogen werden. Für feministisch Engagierte stellt dies eine Herausforderung dar: Sie sehen sich durch die vielfa-che Bezugnahme auf scheinbar feministische Argumentationen in Massenmedien und Politik in die Position einer Avantgarde derjenigen Kämpfe versetzt, die im Rahmen dieser Debatten mit dem Ziel der (Neu-)Bestimmung einer westlich-abendländischen Identität ausgetragen werden. Die vorliegende Untersuchung unterzieht feministische diskursstrategische Reaktionen auf diese Herausforderungen am Beispiel feministischer Zeitschriften in Deutschland und den Niederlanden einer kritischen Betrachtung und setzt sie in Beziehung zu ihren jeweiligen massenmedialen Pendants. Die Forderung eines diskurstheoretisch inspirierten, diskursanaly-tischen Vorgehens nach der Kontextualisierung des untersuchten Materials ernst nehmend, wurde für die inhaltliche Ausgestaltung und sprachliche Konstitution sowohl massenmedialer als auch feministischer Islamdiskurse ihr jeweiliges Zusammenspiel mit historisch-theoretischen sowie migrations- und integrationspolitischen Kontexten als prägend ange-nommen. Mit Deutschland und den Niederlanden wurden zwei westeuropäische Einwande-rungsländer ausgewählt, die sich trotz immer wieder zu verzeichnender Annäherungsbewe-gungen durch eine überwiegend differente Gestaltung der jeweiligen Migrations- und Integ-rationspolitiken sowie eine unterschiedlich weitgehende Institutionalisierung des Islam als Minderheitenreligion auszeichnen. Mit welcher thematischen Schwerpunktsetzung und mit Hilfe welcher argumentativen Strukturen konstituieren sich also feministische im Vergleich zu massenmedialen Diskursen zum Thema Islam vor dem Hintergrund differenter diskursiver Kontexte in Deutschland und den Niederlanden? Der erste Teil der Arbeit umfasst eine um-fassende, ländervergleichende Betrachtung der historisch-theoretischen (Kap. II) sowie migra-tions- und integrationspolitischen (Kap. III) Kontexte von Islamdiskursen in Deutschland und d! en Niederlanden. Das darauf folgende Kapitel unterzieht massenmediale Islamdiskurse an-hand ausgewählter diskursiver Ereignisse einer genaueren Betrachtung (Kap. IV). Nach der Darstellung der in der Arbeit angewandten Methodik (Kap. V) umfasst die folgende empiri-sche Analyse in einem ersten inhaltsanalytischen Schritt die quantitative Erfassung geografi-scher und thematischer Schwerpunktsetzungen in Bezug auf das Thema Islam in den unter-suchten Zeitschriften (Kap. VI). Mit dem Ziel der Erschließung der argumentativen Struktur feministischer Islamdiskurse wird im zweiten empirischen Schritt ein diskurstheoretisch in-spiriertes, frame-analytisches Vorgehen gewählt, das die detaillierte Rekonstruktion und quantifizierende Auswertung der Frames Deutungsmuster erlaubt, derer sich feministi-sche Zeitschriften in Deutschland und den Niederlanden bedienen (Kap. VII). Abschließend wird unter der Überschrift Rettungsszenarien im Widerstreit auf feministische Positionierungen fokussiert, die sich im Zuge der Auseinandersetzung mit dem Thema Islam innerhalb hegemonialer feministischer Diskurse in Deutschland und den Niederlanden herausbilden. ; Since several years discussions on the Islam shape the political and medial discourses on multiculturalism and integration in Western European immigration societies. The recourse to the Christian Occident , the outline of a Leitkultur , and the defense of the Fortress Europe are frequently mentioned keywords in these debates. The underlying subject-matter is, however, not exclusively the marginalization of the Islam and of Muslims: As so-called christian-occidental values such as tolerance and freedom of opinion are of high significance in these debates it becomes clear that it is rather the (re-)formulation of a western-occidental identity which is at stake. Interestingly, the recourse to hierarchical gender orders occupies a central position in depicting the central features of the Islam and in justifying the assumed difference between members of the so-called muslim and the so-called western culture respec-tively. Gender is considered as a marker of an ascribed difference between the Islam and the so-called Western world. As a category of differentiation it constitutes a challenge for those engaged in feminism: Because of the multiple references to ostensibly feminist argu-mentations in mass media and politics feminists consider themselves to be in the position of an avant-garde concerning the struggles for (re-)configurations of the western-occidental identity that underlie these debates. The analysis in hand critically reflects strategic discursive reactions to these challenges using the example of feminist journals in Germany and the Netherlands and relates these to their respective mass medial pendants. Its design is inspired by discourse theory and is taking seriously a discourse analytical approach: Historical and theoretical discourses as well as migration and integration policy in both countries of inves-tigation are understood as significant, influential contexts of the reviewed material, being of high relevance for the content and the linguistic constitution of mass medial and femin ist dis-courses on Islam. Germany and the Netherlands are two Western European immigration so-cieties that despite their every now and then occurring convergence are predominantly displaying a different shaping of the respective migration and integration policy as well as a different extent of institutionalization of the Islam as a minority religion. Accordingly the main question is: With which topical prioritizations and with the aid of which arguments do feminist discourses constitute themselves in comparison with mass medial discourses on Is-lam against the background of divergent discursive contexts in Germany and the Netherlands? The first part of the analysis in hand consists in an extensive comparison of the historical and theoretical (Chap. II) and the political migration-related and integration-related contexts (Chap. III) of discourses on Islam in Germany and the Netherlands. The following chapter takes a closer look at the mass medial discourse on Islam in both countries (Chap. IV). Fur-ther to a detailed description of the applied methods (Chap. V), the empirical analysis encom-passes in a first step (content analysis) the quantitative acquisition of geographical and topical emphases regarding the topic Islam in the reviewed journals (Kap. VI). The aim of the second empirical step is to analyse the argumentative structure of feminist discourses on Islam; the applied frame-analytical approach permits the detailed reconstruction and quantifying evalua-tion of the frames interpretative patterns that are used by feminist journals in Germany and the Netherlands (Kap. VII). This concluding section is especially bringing into focus the various feminist positionings described as antagonistic rescue scenarios that are emerg-ing in the course of the debates about the topic Islam within the hegemonic feminist dis-courses in Germany and the Netherlands
U predgovoru prvog godišta "Jevrejskog almanaha" od 2. septembra 1925. (12. elula 5685) godine, predsednik Saveza Rabina Kraljevine Srba, Hrvata i Slovenaca dr Isak Alkalaj obrazlaže pokretanje ovog godišnjaka. Konstatuje da je Prvi svetski rat izmenio prilike u celoj Evropi i da je jugoslovenska država podnela ogromne žrtve. Iako se tragovi tog najstrašnijeg rata, još uvek osećaju u celom svetu, čine se ogromni napori da se nadoknadi sve što je izgubljeno. Sve zajednice, udruženja i grupe težile su ka duhovnoj obnovi, a svi ciljevi bili su posvećeni obnovi i napretku. I jevrejska zajednica koja je osetila značaj svoje uloge bila je veoma aktivna. Jevrejstvo Kraljevine organizovano kroz veliki broj lokalnih kulturnih i verskih udruženja, sastavljeno iz veroispovednih opština, ujedinilo se u jedinstvenu zajednicu. Iako su u tom procesu postojale određene poteškoće zbog specifičnosti pojedinačnih zajednica koje su pre ujedinjenja bile izložene različitim uticajima, postignut je značajan uspeh. Primer uspešnog načina obrazovnog rada pokazali su rabini kao duhovne vođe i učitelji, tumači božijih reči, nosioci jevrejskog duha i svesti. U periodu nakon rata rabini su posvetili svoje znanje i svoje vreme opštim stvarima zajednice, širenju religije i ljubavi čoveka prema bližnjem, vraćanju lepim tradicijama i etičkom i duhovnom vaspitanju. Jačanjem tradicije i oživljavanjem prošlosti, oni su vršili misionarski zadatak i vraćali pobožni svet starom poretku punom vrlina. Da bi što bolje i uspešnije postigli svoj zadatak, rabini Kraljevine su se organizovali u Savez, koji je imao dva uspešna i podsticajna kongresa u Zagrebu i Beogradu na kojima su se rešavala mnogobrojna važna pitanja iz duhovnog i verskog života. Jedna od inicijativa Saveza rabina bila je pokretanje ovog Almanaha kao prvog književno-naučnog dela koje će okupiti intelektualce i biti duhovni i kulturni vodič za sve važne pojave u jevrejskom verskom, socijalnom, istorijskom, književnom i političkom životu. Almanah je izlazio Vršcu u periodu od 1925 do 1930., odnosno od 5686 do 5690 godine po jevrejskom kalendaru u izdanju Saveza rabina Kraljevine SHS, na srpskohrvatskom, hebrejskom i nemačkom jeziku. Tekstovi su štampani latiničnim, ćirilićnim i hebrejskim pismom. Izašlo je ukupno pet godišta. Urednici prvog godišta bili su Leopold Fišer (Fischer), nadrabin u Vršcu i Mojsije Margel, rabin u Zagrebu. Ostala četiri godišta uređivao je Leopold Fišer. Štampan je u štampariji "Artistički zavod ud. J. E. Kiršner (Kirschner)" iz Vršca. Osim radova iz naučnih i verskih oblasti svako godište Almanaha sadržavalo je i jevrejski kalendar za tekuću jevrejsku godinu, književne preglede i statistiku jevrejstva u Kraljevini. ; In the preface to the first volume of the "Jewish Almanac" of September 2, 1925 (Elul 12, 5685), the president of the Federation of Rabbis of the Kingdom of Serbs, Croats and Slovenes, Dr. Isak Alkalaj, explains the launch of this yearbook. He states that the First World War changed the situation in the whole of Europe and that the Yugoslav state suffered huge sacrifices. Although the traces of that most terrible war are still felt all over the world, huge efforts are being made to make up for everything that was lost. All communities, associations, and groups aspired to spiritual renewal, and all goals were dedicated to renewal and progress. The Jewish community, which felt the importance of its role, was also very active. The Jewry of the Kingdom, organized through a large number of local cultural and religious associations, composed of religious communities, united into a single community. Although there were some difficulties in this process due to the specifics of individual communities that were exposed to different influences before unification, significant success was achieved. The example of a successful way of educational work was shown by rabbis as spiritual leaders and teachers, interpreters of God's words, bearers of the Jewish spirit and consciousness. In the period after the war, the rabbis dedicated their knowledge and their time to the general affairs of the community, the spread of religion and human love, the return of beautiful traditions, and ethical and spiritual education. By strengthening the tradition and reviving the past, they performed a missionary task and returned the religious people to the old order full of virtues. In order to better and more successfully achieve their task, the rabbis of the Kingdom organized themselves into the Federation, which had two successful and stimulating congresses in Zagreb and Belgrade, at which many important issues from the spiritual and religious life were resolved. One of the initiatives of the Rabbinical Federation was the launch of this Almanac as the first literary-scientific work that will gather intellectuals and be a spiritual and cultural guide for all important phenomena in Jewish religious, social, historical, literary, and political life. The Almanac was published in Vršac in the period from 1925 to 1930, i.e. from 5686 to 5690 according to the Jewish calendar, published by the Federation of Rabbis of the Kingdom of Serbs, Croats, and Slovenes, in Serbo-Croatian, Hebrew and German. The texts are printed in Latin, Cyrillic, and Hebrew. Five volumes have been published. For the first year, the editors were Leopold Fischer, a senior rabbi in Vršac, and Mojsije Margel, a rabbi in Zagreb. The other four years were edited by Leopold Fischer. It was printed in the printing house "Artistički zavod ud. J. E. Kirschner" from Vršac. In addition to works from scientific and religious fields, each volume of the Almanac also contained the Jewish calendar for the current Jewish year, literary reviews and statistics of Judaism in the Kingdom. ; Tekstovi su štampani na srpskohrvatskom, hebrejskom i nemačkom jeziku, latiničnim, ćirilićnim i hebrejskim pismom (the texts were printed in Serbo-Croatian, Hebrew and German, in Latin, Cyrillic and Hebrew.)
In den USA wirken sich religiöse Einstellungen der Bürger auf das politische Wahlverhalten aus wie in keiner anderen Demokratie des 'Westens'. Religiös-moralische Orientierungen gelten als ein entscheidender Faktor bei den bevorstehenden Kongress- und Präsidentschaftswahlen am 2. November 2004. Vor diesem Hintergrund untersucht die Studie die Rolle christlich-rechter Interessengruppen bei der Beschaffung republikanischer Mehrheiten im Kongress und im Weißen Haus. Dabei gliedern sich die Ausführungen in die folgenden Aspekte zu der politisch-religiösen Rechten: (1) gesellschaftliche Verortung und Entwicklung der Bewegung, (2) Themen und Netzwerke in Bezug auf die Innen- und Außenpolitik der USA sowie (3) Wirkungen auf das transatlantische Verhältnis. Die Untersuchung macht deutlich, dass das christlich-rechte Wähler- und Wahlkampfpotenzial für den Machterhalt der Republikaner im Weißen Haus und im Kongress notwendig ist. Der Einfluss christlicher Rechter auf amerikanische Politikvorstellungen bleibt bestehen, unabhängig von dem Wahlausgang. Außenpolitische Akteure in Europa sollten sich nach Einschätzung des Autors bewusst sein, dass die religiöse Rechte in den USA ein bedeutendes und bleibendes politisches Gewicht hat. Vor allem im Hinblick auf eine gemeinsame Politik gegenüber Syrien und Iran sollten europäische Akteure auch das Gespräch mit christlich-rechten Interessenvertretern und Politikern suchen und sich bemühen, die unterschiedlichen Einschätzungen der Realität und die verschiedenen Vorgehensweisen einander anzunähern. Möglichkeiten transatlantischer Verständigung sind auch beim gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus in anderen Regionen gegeben. (ICG2)
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 1157-1182
"Die These, die 'Natur der Gesellschaft' sei ein soziales Konstrukt, stößt im Rahmen der deutschen Sozialwissenschaften weitestgehend auf Zustimmung. Diese These ermöglicht einerseits, Essentialisierungen und Naturalisierungen in den Blick zu nehmen und einer kritischen sozialen und ethischen Bewertung zuzuführen. Andererseits entzieht sie jedoch das Konstruieren selbst einer genaueren Analyse und beschäftigt sich eher mit den Konsequenzen einer nur scheinbaren wissenschaftlichen Faktizität. Dieser Vortrag stellt vier Thesen zur Diskussion: 1. Die Produktion naturwissenschaftlicher Erkenntnis basiert auf einer komplexen Interaktion zwischen Diskursen, Praxen und Technologien, deren Untersuchung als sozialer Prozess zeigt, dass Naturwissenschaft und Medizin keineswegs monolithisch von einer molekulargenetischen Determiniertheit ausgehen, wie vielfach behauptet wird, sondern versuchen, 'das Soziale' sicht- und beforschbar zu machen. 2. Die zunehmende Molekularisierung naturwissenschaftlicher Methoden vergrößert jedoch die Distanz zwischen Untersuchungsgegenstand und zu erklärendem Phänomen. Die Überbrückung dieser Distanz hängt großteils von semantischen Brücken ab, deren Bausteine oft implizite Narrative und Vorstellungen von Individualität und Gesellschaft darstellen. 3. Wie 'das Soziale' in der Naturwissenschaft operationalisiert wird, wirkt sich nicht nur auf Erkenntnis, sondern an vielfältigen Schnittstellen von Wissenschaft und Gesellschaft auch auf soziale Praxis aus. Dabei zeigt sich zum einen eine zunehmende Präsenz von Formen somatischer Individualität (Rose). Zum anderen führen die Möglichkeiten, 'Natur' im modernen Sinne zu verstehen, weg von sozio-biologischen Erklärungsversuchen hin zu einer Biosozialität (Rabinow), die Natur als 'durch kulturelle Praxis modelliert' versteht (nature modelled on culture as practice). 4. Dieser Wandel sozialer Praxis verändert wiederum den naturwissenschaftlichen Erkenntnisprozess und schließt damit einen Kreis, den man in Anlehnung an Hacking als looping bezeichnen kann. Der Vortrag möchte am Beispiel der biologischen Geschichte des Europäers zeigen, wie biohistorische Narrative, d.h. Erzählungen über die Natur, Geschichten über Vererbung, Diversität und Evolution, in die Produktion naturwissenschaftlich-medizinischen Wissens einfließen. Zum anderen werden die Auswirkungen einer solchen Erkenntnisproduktion sowohl auf medizinische Praxis als auch auf den Umgang mit Gesundheit und Krankheit verdeutlicht. Diskutiert wird, ob und wie die Verbindung von historisch fundierter, praxisorientierter Wissenschaftsforschung und Sozialanthropologie einen konstruktiven Beitrag zu bestehenden soziologischen Theorieangeboten liefern kann, in dem sie Natur als kulturelle Praxis und Kultur als Materialität zugänglich macht." (Autorenreferat)
Rezension von: Sabine Gruehn / Gerhard Kluchert / Thomas Koinzer (Hrsg.): Was Schule macht. Schule, Unterricht und Werteerziehung: theoretisch, historisch, empirisch. Weinheim/Basel: Beltz 2004 (273 S.; ISBN 3-407-32055-8; 34,90 EUR).