Die Religion ist weltweit auf dem Vormarsch: War die strenge Religiosität in den USA lange Zeit eine Ausnahmeerscheinung in der westlichen Welt, ist nunmehr die Säkularisierung Westeuropas zur Ausnahme geworden. Der Beitrag wendet sich dem Verhältnis von Staat und Religion in den USA zu, wo 300000 religiöse Gemeinden existieren. Aus einer "Trennung" von Staat und Religion wurde allmählich die "Gleichbehandlung" religiöser und säkularer Gruppierungen. In Europa hingegen muss unterschieden werden zwischen individueller Religiosität, Kirchlichkeit und Zivilreligion. Die Lage ist in den Staaten Europas sehr heterogen: Religion bekommt neue Ausprägungen und zivilgesellschaftliche Ausgestaltungen und Repräsentationen. Der Beitrag wendet sich dann der Geschichte und Entwicklung der Religion in Europa zu. Abschließend wird in einem kurzen Abriss noch auf die Rolle der Religionen in den sozialen und kulturellen Ordnungen Europas eingegangen. (ICB)
Im Zentrum des Aufsatzes steht das Thema Religion und Gewalt, das nach den Anschlägen vom 11. September 2001 stark diskutiert wird. Zunächst geht der Autor auf Täter, Motive und Hintergründe des Terroranschlags ein. Ist dieser militante Islam ein Sonderfall oder kommen in der "Djihadisierung" des Islam Kräfte zum Zug, die auch in anderen Religionen wirksam sind? Handelt es sich speziell um ein Problem monotheistischer Religionen? In der Diskussion kommt der Autor zu dem vorsichtigen Schluss, dass Religion und Gewalt nicht in einem systematischen Zusammenhang stehen, aber miteinander historisch-kontingente Verhältnisse eingehen. Für Judentum, Islam und Christentum gilt: alle drei entfalten sich in einer archaischen Welt, in der Gewalt als Machterweis des Göttlichen eine Rolle spielen; alle drei gehen aber auch über diese Phase hinaus und weisen Elemente der Gewaltkritik und Gewaltbegrenzung auf; Rückfälle in der Anwendung religiös motivierter Gewalt gibt es sowohl beim Christentum als auch beim Islam (Das Judentum des Exils ist durch die geschichtlichen Umstände von dieser Versuchung frei). Um der Frage nachzugehen, wie die monotheistischen Religionen zu gemeinsamen Einsichten bezüglich der Gewaltbegrenzung gelangen können, müssen die Begriffe Opfer und Martyrium näher untersucht werden. Im Djihadismus ist die Grenze zwischen Martyrium und Selbstmord, Blutzeugnis und mörderischem Kampf verwischt und bisher war keine maßgebliche geistliche Autorität bereit, sie neu zu fixieren und zu festigen. Dies zeigt sich daran, dass in den islamischen Ländern der Begriff des "Selbstmordattentäters" bis heute nicht in die eigene Berichterstattung übernommen wurde, stattdessen ist von "Glaubenskämpfern", "Gotteskämpfern" oder "Martyrern" die Rede. Ein interreligiöser Dialog müsste hier zu gemeinsamen Werten und Überzeugungen kommen. (Fr2)
Bei dem Thema "Soldat und Religion" ergeben sich vor allem zwei Fragestellungen: Erstens geht es um die veränderte Rolle und Funktion von Religion in der modernen Gesellschaft. Welche Bedeutung haben - angesichts von Säkularisierung und abnehmender kirchlicher Sozialisation - Religion und Militärseelsorge für den Soldaten heute? Inwieweit beeinflussen die gegenwärtigen Auslandseinsätze das Bedürfnis der Soldaten nach Religion und Religionssausübung? Die zweite zentrale Fragestellung bezieht sich auf das Verhältnis des Christentums und der Kirchen zur Gewaltanwendung: Wie kann vor dem Hintergrund des fünften Gebotes oder der Bergpredigt ein Soldat gleichzeitig auch Christ sein? Wie stehen die beiden großen christlichen Kirchen zu den gegenwärtigen militärischen Einsätzen? Auf welche ethischen Positionen kann sich der christliche Soldat diesbezüglich stützen? Der vorliegende Beitrag geht diesen beiden Fragestellungen nach, indem zunächst der Begriff der Religion und ihre Rolle und Funktion in der modernen Gesellschaft dargestellt wird. Im Anschluss wird Religion im Militär, insbesondere in ihrer institutionalisierten Form der Militärseelsorge, betrachtet. Des Weiteren werden empirische Studien zum Themenfeld Soldat und Religion vorgestellt, die zum einen generelle Haltungen zur Militärseelsorge in der Bundesrepublik und deren Inhalte untersuchen und sich zum anderen speziell der Seelsorge in Auslandseinsätzen widmen. Darüber hinaus werden Fragen zur Friedensethik erörtert und Ausblicke auf künftige Forschungsfelder gegeben. (ICI2)
Ziel des Beitrags ist es, zur Entmythologisierung der Moderne beizutragen. Dazu wird zunächst Modernität definiert als Kategorie zur Bezeichnung bestimmter charakteristischer Merkmale neuzeitlicher Gesellschaftsentwicklung. Die Begriffsgeschichte wird skizziert. Die Beziehung von "Modernität" zu zwei anderen Begriffen wird erörtert: zu Fortschritt und Wandel. Einige Theorien der Modernität werden vorgestellt. Dann wird die Vermutung diskutiert, daß das seit etwa einem Jahrzehnt wiedererwachte Interesse an Religion mit dem vorherrschenden Bewußtsein eines Übergangs zusammenhängt, das sich in Krisendiagnosen und der gehäuften Verwendung des Präfixes "Post" zur Kennzeichnung neuartiger Kultur- und Gesellschaftszustände artikuliert. Das sozialwissenschaftliche Interesse an Religion wird verdeutlicht. Auf dieser Grundlage wird eine Kritik des Religionsbegriffs vorgenommen. Es wird gefragt, ob Religion unvermeidbar ist. Eine Bilanz der Überlegungen zeigt eine genaue Umkehrung der Bestimmungsrelationen hinsichtlich der Begriffe "Religion" und "Modernität" gegenüber den gesellschaftlich verbreiteten Auffassungen. Es wird deutlich, daß die Beschwörung des traditionellen Religionsbegriffs im Sinne einer "Rückkehr des Heiligen" wenig Hoffnung als Heilmittel gegen die desorientierende Kultursituation der zur Reife gekommenen, d. h. ihrer Unfähigkeit zur Konsumierung der Welt bewußt gewordenen Modernität verheißt. (RW)
Thematisiert wird in dem Beitrag die Macht, mit der die Französische Revolution die politischen Begriffe des Staatsbürgers und der Bürgerrechte verändert hat. Es wird gefragt, ob es die Pflicht der Kirchen und anderer religiöser Gruppen ist, demokratische Verfassungen zu unterstützen, zu befürworten und zu ermutigen. Die tiefgreifenden Veränderungen im 19. Jahrhundert werden beschrieben, um dann zu zeigen, daß es nicht die Französische Revolution war, die demokratische Ideen als erste hervorbrachte, sondern daß in den Religionskriegen in Europa die Forderung nach Toleranz und Gewissensfreiheit aufgestellt wurde. Vor diesem Hintergrund wird der Zusammenhang von Demokratie und Rechtsstaat erörtert. Im Hinblick auf das Prinzip Freiheit werden die Bestandteile des modernen Verfassungsstaates herausgearbeitet. Dabei wird auch nach den Moralgrundsätzen gefragt, ausgehend davon, daß die Religionen Einfluß auf den politischen Charakter der Gesellschaft haben. Beispielhaft an der katholischen Kirche wird gezeigt, daß sich Demokratie und Religion als höchste moralische Autorität in der Gesellschaft entgegenstehen. Auf dem Umweg über die Moral wird aber auch der Zusammenhang zwischen Religion und politischem Handeln aufgezeigt. Die Überlegungen führen zu dem Schluß, daß eine Demokratie Moralisten als Träger von Charisma mit der Fähigkeit braucht, das Volk zu inspirieren. (ICA)
Um die These von einer Wiederkehr der Religion in Europa trotz weitgehender Säkularisierungsprozesse zu überprüfen, werden sozioreligiöse Daten aus der Europäischen Wertestudie für die Erhebungsjahre 1982, 1991 und 1999 vorgestellt. Die Daten werden in Bezug auf die subjektive Religiosität, das Religionsgebäude der Personen und die sozioreligiösen Vernetzungen (Kirchlichkeit) untersucht. Als Grundtypen in den christlichen Konfessionen werden ferner "Intensivchristen", "Privatreligiöse", "Distanzsympathisanten" und "Atheisierende" voneinander unterschieden. Der Überblick macht deutlich, dass sich in einigen europäischen Großstädten entgegen der vorhergesagten Entkirchlichung und dem Verschwinden der Religion seit Mitte der 90er Jahre eine deutliche Respiritualisierung beobachten lässt. Dies führt zwar nicht zu einem neuerlichen Aufschwung des Christentums, aber die Zukunft Europas scheint nicht in einer Religionslosigkeit, sondern in einem religiösen Pluralismus zu liegen. (ICI)
Schon lange Zeit spielt die Religion in Bosnien und Herzegowina (BiH) eine Rolle in der Politik. Dies spiegelt sich am besten durch den Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen wieder. Diese Arbeit hat sich das Ziel gesetzt, die rechtlichen Grundlagen, die wichtigsten beteiligten Akteure sowie die Möglichkeiten, die sich aus alldem ergeben, in BiH darzustellen.Obwohl der Status des Religionsunterrichts in BiH durch verschiedene gesetzlich bindende Dokumente definiert ist, führt die Umsetzung zu hitzigen Debatten. In dieser Arbeit werden die Beziehung zwischen Religion und Bildung bestimmt und der Wert von alternativen Ansätzen untersucht. Es werden die folgenden Fragen beantwortet: Ist der Religionsunterricht in BiH diskriminierend? Kann ein Alternativfach, wie "Kultur der Religionen" zur Beseitigung von Diskriminierung führen und die religiöse Toleranz in der Gesellschaft fördern?Rechtlich betrachtet, ist BiH ein säkularer Nicht-Diskriminierungsstaat. Aus der praktischen Sicht, ist BiH kein säkularer Staat, da sich die Religionsgemeinschaften in staatliche Angelegenheiten einmischen, und auch kein Nicht-Diskriminierungsstaat, da die Regierung aufgrund der Drohungen seitens der Religionsgemeinschaften ihre Beschlüsse ändert. Diskriminierung aufgrund der religiösen Zugehörigkeit ist auch bei der Organisation, Gestaltung und Umsetzung des Religionsunterrichts in BiH sichtbar. Die Inhalte der Religionslehrbücher sind so konzipiert, dass sie über eine bestimmte Religion lehren. ; Religion in Bosnia and Herzegovina has been an important topic in politics for quite some time. Religious education in school reflects this well, therefore this masters thesis aims to present the legal framework of religious education in BiH, the often opposing viewpoints and the opportunities that arise in such a setting.Although the status of religious education in BiH is defined by several legally binding documents, the implementation leads to heated debates. This masters thesis explores the relationship between religion and education, as well as the benefits of alternative approaches. Following questions are being raised: Is religious education in BiH discriminatory? Can an alternative school subject, such as i.e. "culture of religions" eliminate discrimination and promote religious tolerance among society?In legal terms, BiH is a secular Non-Discrimination State. Practically however, BiH is not a secular state, due to the involvement of religious communities in state affairs. It is not a Non-Discrimination State either, because threats from religious communities compromise governmental decisions and public policies. The organizational framework and the implementation of religious education in schools are often discriminatory. Each schoolbook dealing with the subject of religion focuses on one particular religious group only. ; Emina Duraković ; Abweichender Titel laut Übersetzung der Verfasserin/des Verfassers ; Zsfassung in dt. und engl. Sprache ; Graz, Univ., Masterarb., 2013 ; (VLID)224775
Der Beitrag diskutiert anhand einiger empirischer international vergleichender Untersuchungen Religion und religiöses Verhalten in Österreich. Verortet werden deutliche Veränderungen, die auf eine postmoderne Entwicklung hinweisen. Eindeutig ist eine Pluralisierung religiöser Sinnwelten festzustellen, steigende Kirchenaustritte, sinkender Kirchenbesuch, unterschiedliche Glaubensvorstellungen, Ritualisierung und Sinnentleerung von Sakramenten weisen darauf hin. Auch innerhalb der Institutionen werden Pluralisierungen und Deinstitutionalisierungen sichtbar. Basisinitiativen entstehen, die Religiosität sinkt auch beim sogenannten "kirchlichen Intensivsegment", und individualisierte Konzepte artikulieren sich. Diese Tendenz zu einer "Bastelreligion" zeigt sich ebenfalls in einem verstärkten Interesse für Sekten nichtchristlicher Art. (pre)
Eine umfassende Analyse der Beziehungen zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und Religion muss sowohl deren gemeinsame Abhängigkeit von anderen Faktoren als auch deren Einfluss auf andere Variablen berücksichtigen. Als exogene Faktoren werden daher einige sozialstrukturelle Variablen in die Analyse einbezogen, die als indirekte Indikatoren für Sozialisationseinflüsse interpretiert werden. Die potentiellen abhängigen Variablen können danach unterschieden werden, ob eher interkulturell-stabile oder kultur- und länderspezifische Einflussmuster zu erwarten sind. Beide Fallkonstellationen werden exemplarisch behandelt. Zuvor werden die Beziehungen zwischen den Persönlichkeitsvariablen und Religiosität sowie deren Effekte auf die abhängigen Variablen theoretisch analysiert. Die nachfolgende empirische Analyse stellt eine quantitative Auswertung einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage dar. Versteht man Persönlichkeitsmerkmale als stabile Dispositionen, so zeigt sich, dass Neurotizismus, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit positive Effekte auf Religiosität haben. Persönlichkeitsmerkmale und Religiosität wirken additiv auf die allgemeine Lebenszufriedenheit. In Verbindung mit soziologischen Variablen tragen Persönlichkeitsmerkmale erheblich zur Erklärung der Verbreitung politischer Einstellungen bei. Es ist jedoch zweifelhaft, in wie weit wirklich von einer Stabilität der Persönlichkeitseigenschaften ausgegangen werden kann. Man sollte vielmehr zwischen stabilen und situationsabhängigen Komponenten unterscheiden. (ICE2)
Die Verfasserin plädiert für einen kommunikationstheoretischen Zugang bei der Analyse von Macht, Religion und Moral. Sie diskutiert zwei gegenläufige Tendenzen im Verhältnis zwischen diesen drei Elementen: eine Tendenz der Entkoppelung und eine Tendenz der Wiederverknüpfung der drei Dimensionen. Während der Entkoppelungsvorgang eng mit dem historischen Vorgang der Säkularisierung und des Sichtbarwerdens der Konstruktivität von Macht und Moral verbunden ist, sind die Versuche der Wiederverknüpfung darauf reagierende Formen posttraditionaler Stabilisierung, bisweilen auch Fundamentalisierung des Zusammenhangs von Macht, Religion und Moral. In diesen Versuchen werden gleichzeitig Grundfunktionen der Religion erkennbar: das Markieren von Bereichen des Unverfügbaren und die Bezugnahme auf eine gesellschaftsextern legitimierte Verankerung, die Selbstreflexion ermöglicht. Religion steuert menschliches Verhalten in Richtung auf eine bestimmte Moral, moralische Kommunikation stützt wiederum religiöse Orientierungen und Bindungen. (ICE2)
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 2396-2407
"In einem historisch vergleichenden Zugriff soll gezeigt werden, dass und wie sich die Art des religiösen Glaubens abhängig von der Generationenzugehörigkeit wandelt. Dabei wird auch Fallmaterial von Jugendlichen mit einbezogen. Zwei Momente sollen herausgearbeitet werden, welche die spezifische Form von Religiosität bedingen: Zum einen die Rolle der primären Sozialisation, in der der habituelle Zugriff auf die Welt grundgelegt wird. Dabei kann gezeigt werden, dass die Fähigkeit zum Glauben oder zur 'bedingungslosen Hingabe' abhängig von der konkreten Anerkennung und Solidarität in der Familie ist und sich aufgrund dieser Erfahrung unterscheidet. Zum anderen die Generationenzugehörigkeit, wobei sich in der Adoleszenzkrise entscheidet, wie religiös oder säkular man sein Leben gestalten will (das muss nicht bewusst sein). Das hängt in der Regel von dem Grad der Säkularisiertheit der historischen Gesellschaft ab, in der man aufwächst und in der man gemeinsam mit den Angehörigen der eigenen Generation (also der Peer-Group) die Deutungsmuster und Habitusformationen entwickelt, die glaubhafte Antworten auf die Sinnfragen und historischen Probleme geben. Es soll also die These entfaltet werden, dass die spezifische Form der Religiosität bzw. religiösen Haltung sich erst in der Bearbeitung der Adoleszenzkrise entwickelt und abhängig von den Themen und Diskursen der eigenen Generation ist." (Autorenreferat)
"Heinrich Meier hat die instruktive Vortragsreihe auf Fragen der politischen Spannungen zwischen Religion und Politik zu-gespitzt. Das Programm verrät einen durch '9/ 11' geschärften Blick auf das den Weltreligionen innewohnende Gewaltpotential. Schon aus Gründen meiner fachlichen Beschränkung möchte ich den Blick auf uns selber lenken. Und statt des Brotes nahrhafter historischer Darstellungen biete ich nur die Steine trockener konzeptueller Überlegungen an. Aus der Sicht der zeitgenössischen politischen Theorie werde ich zunächst einige Stichworte zu den immer noch strittigen liberalen Vor-stellungen von der Rolle der Religionsgemeinschaften im demokratischen Rechtsstaat sammeln (I) und dann, freilich nur in Thesenform, daran erinnern, wie die westliche Philosophie, die heute als selbstbewußter Interpret und Anwalt der politischen Aufklärung auftritt, selber in diese spezifisch westliche Konstellation verwickelt ist (II)." (Autorenreferat)
Der Autor verteidigt aus theologischer Sicht die Eigenlogik der religiösen Sphäre und weist die Beschreibung von Kapitalismus als "Religion" zurück. Insbesondere geht es ihm darum, an die verborgenen emanzipatorischen Gehalte der christlich-jüdischen Glaubens- und Denktradition zu erinnern, aus denen sich eine Widerständigkeit gegen den kapitalistischen Funktionalismus sozialer Ausbeutung ergibt. Diskutiert werden vier Autoren, die sich dem Kapitalismus in einer religiösen Semantik zu nähern versuchen: Max Weber, Walter Benjamin, Christoph Deutschmann und Georg Simmel. Der Autor kritisiert, dass sie in ihre ökonomischen Analysen spielerisch und assoziativ religiöse Deutungsmuster einfließen lassen, dass sie über diffuse Vergleiche zwischen dem Kapitalismus als einem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Machtverhältnis und willkürlich gewählten religiösen Ausdrucksformen nicht hinauskommen oder dass sie eingespielte Deutungsmuster der religiösen Sphäre unbesehen, unvermittelt und naiv in die wirtschaftliche Sphäre übertragen. Der Absicht des Autors, die Kapitalismuskritik von der religiösen Semantik zu befreien bzw. frei zu halten, widerspricht nicht dem Bemühen jener AutorInnen, neben der sozioökonomischen Strukturanalyse des Kapitalismus jene soziokulturellen, mental verfestigten symbolischen Sinnwelten, Lebensorientierungen und normativen Leitbilder handlungstheoretisch zu reflektieren, die im Schatten des Kapitalismus dominant geworden sind. (ICA2)
Der Sammelband "Religion – Imagination – Ästhetik" nimmt Imagination als bislang zu Unrecht vernachlässigte religiöse und religionswissenschaftliche Schlüsselkategorie in den Blick. Zugrunde gelegt ist die These 'Keine Religion ohne Imagination', denn beiden eignet die Kraft, Sinneswelten in Sinnsysteme zu überführen und Sinnsysteme in Sinneswelten zu übersetzen. Erstmals wird das enge Verhältnis von Religion und Imagination bearbeitet – mit einem Hauptfokus auf ihr Wechselspiel mit der Ästhetik, den der Sinneswahrnehmung zugänglichen Verkörperungen und Medien. Vorwort und Einleitung führen in diese Programmatik ein. Das Inhaltsverzeichnis bietet einen Überblick über die Beiträge und vier Teile des Bandes (Imaginationstechniken, Imaginationsräume, Imaginationspolitiken, Imaginationsgeschichte), die in großer inhaltlicher und theoretischer Breite die zentrale Rolle von Imagination und ihrer sinnlichen Verkörperungen in unterschiedlichen Religionskulturen belegen.
Der Autor stellt eine wesentliche Lücke in der Albanien-Forschung fest: Es fehlt eine umfassende Studie zum Verhältnis von Religion und Nation in der albanischen Nationsbildung. Er nimmt das tatsächliche Spannungsverhältnis zwischen religiöser Uneinheitlichkeit und religionsübergreifendem Nationskonzept 'unter die Lupe'. Die Studie basiert auf einer Momentaufnahme aus dem nordalbanisch-kosovarischen Bereich aus der Zeit der so genannten Liga von Prizren (1878-1881). Zwei Fallbeispiele für Bruchstellen aus dem zweiten und dem dritten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts - der muslimische Bauernaufstand in Mittelalbanien von 1914 und die Errichtung einer orthodoxen autokephalen Nationalkirche im Albanien der Zwischenkriegszeit - ergänzen die Betrachtung. Der Verfasser geht davon aus, dass die Wirkung des die Religionen übergreifenden Integrationskonzepts durch örtliche und situative Sonderfaktoren beeinflusst wurde und dass gleichwohl in der Tendenz eine erhebliche Abschwächung der Gegentendenzen zu konstatieren ist. Der Forschungsansatz, vor allem die Frühphase der Nationsbildung zu analysieren, beruht auf der Auffassung, dass ähnlich wie beim Begriffspaar von der äußeren und inneren Staatenbildung generell von einer äußeren und einer inneren Nationenbildung gesprochen werden sollte. Einige religionsgeographische Angaben über die regionale Verteilung der Konfessionen verdeutlichen die Idee des Autors. Das Fazit: Für die politische Kultur der Albaner in den verschiedenen heutigen Staatsgebilden ist die religionsübergreifende nationale Integration eine große Leistung und ein wichtiger stabilisierender Faktor in ansonsten (etwa im Verhältnis von familiären Verbindungen und Staatsbürgergesinnung) vielfach von Gruppeninteressen durchdrungenen Gesellschaften. Die eigennationalen Christen sind keine geduldeten Minderheiten, sondern konstituierende Mitglied der Nation. Es ist davon auszugehen, dass dieser Bezugspunkt auch erhalten bleibt. Dies gilt für die meisten geographischen Gebiete auch dann, wenn sich deren gesonderte Entwicklungen künftig noch vermehrt in bewussten und akzeptierten Identitätsunterschieden zwischen Albanern in Albanien, im Kosovo, in Makedonien, Serbien und Montenegro niederschlagen sollten, was anzunehmen ist. In Makedonien allerdings würde bei einem rein selbstreferentiellen Identitätsbezug auf "Albanisch-Sein oder Albanischsprachig-Sein in Makedonien" mangels "eigener" Christen die Grundlage für eine solche religionsunabhängige Definition wohl entfallen und die dort ohnehin bestehende Tendenz verstärken, sich gegenüber den Slawomakedoniern auch religiös zu positionieren und nichtalbanische Muslime zu vereinnahmen. Für die weitere Entwicklung ist dabei eine zusätzliche günstige Voraussetzung: auch dort, wo auf der lokalen Ebene die beiden Religionen und ihre Unterschiede im Leben der Menschen eine erhebliche Rolle spielen, wird das höhere Sozialprestige einvernehmlich der Minderheit zugeordnet. Letztlich hat das überreligiöse Nationskonzept seit der "Rilindja" bedeutsamen Erfolg gezeitigt, auch im internationalen Vergleich. Die religiöse Differenziertheit tritt als politische Identität eindeutig in die zweite Reihe. (ICG)