"So nimm denn meine Hände...": weibliche Trauer-Arbeit bei Grubenunglücken ; vorgeführt an einer exemplarischen Skulptur auf dem evangelischen Friedhof in Bochum-Wattenscheid
In: Einsprüche: multidisziplinäre Beiträge zur Frauenforschung, S. 57-98
In dem Beitrag wird diskutiert, inwieweit produzierte und gelenkte Massenschicksale politischen Interessen unterworfen werden können und inwieweit diese Produktionen wiederum dazu dienen, politische Gebilde wie Nation und Staat zu festigen, die in Europa voneinander unabhängig gar nicht zu betrachten sind. Es wird aufgezeigt, welche Rolle die Mythologisierung von Sterben und Tod bei Grubenunglücken im Bergbau spielt, wo der Tod in der Regel nicht in Form von Einzelschicksalen, sondern als Massen-Tod auftritt. Dazu wird die Frage diskutiert, wie sich ein Geschlechterverhältnis von Bergarbeiterfrau und Bergarbeiter in der Denkmalskunst zeigt, das im besonderen auf einem Friedhof, und zwar auf einem kirchlichen, reproduziert wird. Nach der Annäherung an den Gegenstand "Skulpturengruppe" wird das Denkmal in die zeitgenössische Kunstproduktion und Denkmalproduktion eingeordnet. Auf empirischer Ebene werden Lesarten des Denkmals gesucht. Im Anschluß werden Bergarbeiterfrauen in der Literatur anhand von Beispielen des Bergarbeiterdichters H. Kämpchen vorgestellt, um sie dann in der Realität aufzuspüren und nachzuschauen, ob dichterische (Männer)Phantasie und arbeitsschwere (Frauen)Realität übereinstimmen. Es wird überlegt, ob die Frau der Skulpturengruppe als eine Pieta oder Allegorie zu sehen ist, um schließlich alternative Formen politisch-feministischer Denkmalsformen zu diskutieren. Als Ergebnis wird die These aufgestellt: Bezogen auf die politischen, sozialen und ökonomischen Geschlechterverhältnisse verhält sich die Repräsentation des politischen Totenkultes nicht anders, sondern spezifiziert in besonderem Maße die Festschreibung eines normativen Status quo. (ICA)