'Dieser Artikel führt in die folgenden Beiträge ein, die allesamt transnationale Geschichte fokussieren als ein Projekt, als eine neue Kategorie und als ein neues Label für historisches Schreiben und Forschung. Der Autor positioniert transnationale Geschichte am Schnittpunkt von zwei unterschiedlichen historiographischen Ansätzen: Kulturtransferforschung auf der einen und Global- oder Weltgeschichte auf der anderen Seite. Er diskutiert die mit einem transnationalen Forschungsvorhaben einhergehenden Folgen (als Teil einer kulturellen Reaktion auf die Globalisierung) in der Erörterung von Methoden, Erzählweisen und institutionellen Einstellungen, sowie dem Verhältnis von transnationaler Geschichte zu historischem Selbstverständnis von 'gegenwärtigen' Gesellschaften.' (Autorenreferat)
Am 03. Oktober feierten die Deutschen den 20. Jahrestag zur deutschen Einheit. Ein bedeutendes Fest für die Bundesrepublik und ihre Bewohner. Aus soziologischer Sicht könnte man den Feierlichkeiten angesichts der zahlreichen Konzepte, "die darauf abzielen, dem veränderten Raumbezug (post)nationaler Gesellschaften gerecht zu werden", einen leicht anachronistischen Charakter zuschreiben. Denn im Spiegel von konzeptuellen Begriffen wie "Denationalisierung", "Deterritorialisierung", "Weltgesellschaft" und "transnationalen Räumen" wirkt ein Fest zur Einheit des Nationalstaates wie von gestern. Doch die Diskussion um Kosmopolitismus, Weltgesellschaft und transnationale Netzwerke ist alles andere als neu. Schon bei der Gründung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie im Jahre 1909 wusste man um den grenzüberschreitenden Charakter von Handel und Verkehr. Neu sind allerdings die supranationalen Organisationen, die im Sinne einer abgeschwächten Global Governance zunehmend an Bedeutung gewinnen, wenn es um die Kontrolle und Kanalisation von globalisierter Wirtschaft und einer globalen Öffentlichkeit geht. Die Nationalstaaten hingegen verlieren scheinbar an Gewicht in der "postnationalen Konstellation". Dieses Spannungsfeld zwischen Nationalstaat und Transnationalität ist eines unter vielen weiteren Themen auf dem Jubiläumskongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, der unter der Überschrift "Transnationale Vergesellschaftungen" stattfindet. Mit der vorliegenden Ausgabe der Reihe Recherche Spezial möchte die GESIS ihren Beitrag zu dieser sozialwissenschaftlichen Debatte leisten. In fünf Kapiteln sind aktuelle Publikationen und Forschungsprojekte aufgeführt, die einen Ausschnitt der gegenwärtigen Forschungslandschaft darstellen.
"Der Beitrag befasst sich mit der Erbringung von Haushaltsarbeit in einem grenzüberschreitenden Versorgungssystem, das von transnationaler sozialer Ungleichheit geprägt ist. Die geschlechtsspezifische Arbeitsungleichverteilung in österreichischen Haushalten wird zunehmend durch die Eingliederung von Frauen mit unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlicher sozialer Klasse in den Arbeitsplatz Privathaushalt 'gelöst'. Das Arbeitsverhältnis selbst besteht in den meisten Fällen aus einer informellen Abmachung zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen, die letztere in eine strukturell prekäre und unterprivilegierte Position bringt. Am Beispiel ukrainischer Haushaltsarbeiterinnen in Wien wird gezeigt, wie diese als Benachteiligte sozialer Rechte in ein grenzüberschreitendes Wohlfahrtssystem inkludiert sind, das sie nur als Arbeitnehmerinnen 'bedienen', nicht aber als Bürgerinnen nutzen dürfen. Darüber hinaus zeitigt die Verstetigung migrantischer bezahlter Haushaltsarbeit auch Auswirkungen auf die Versorgung des Haushaltes in ihrem Herkunftsland: Einem kontinuierlichen emotionalen Ressourcenfluss in den Destinationskontext entspricht kein adäquater Rückfluss in den Herkunftshaushalt und hinterlässt dort Versorgungslücken." (Autorenreferat)
Im Mittelpunkt der Arbeit steht die transnationale Kooperation und Netzwerkbildung zwischen nationalen Wissenschaftseinrichtungen im Rahmen der europäischen Forschungs- und Technologiepolitik. Entstehungsbedingungen und Ausmaß solcher Kooperationsbeziehungen sind bisher ebenso ungeklärt wie ihre Bedeutung für die Handlungs- und Problemlösungsfähigkeit im europäischen Mehrebenensystem. In dem Projekt wird diese Forschungslücke mit Hilfe eines neoinstitutionalistischen Forschungsansatzes geschlossen. Dabei werden zwei Hypothesen systematisch untersucht, die über den Bereich der europäischen Forschungs- und Technologiepolitik hinaus von Bedeutung sind. Zum einen wird davon ausgegangen, dass sich die Organisation und die Rolle europäischer Wissenschaftsvereinigungen auf der supranationalen Ebene in hohem Maße durch das rahmengebende europäische Institutionensystem, einschließlich der nationalen Ordnungsstrukturen, erklären lassen. Und zum anderen wird angenommen, dass die Handlungs- und Problemlösungsfähigkeit europäischer Forschungs- und Technologiepolitik von der Existenz und dem Leistungspotenzial der institutionalisierten Zusammenarbeit auf der transnationalen Ebene beeinflusst wird. Um die Bedeutung unterschiedlicher nationaler Institutionen, Politiken und Politikstile für die Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit nationaler Wissenschaftseinrichtungen zu berücksichtigen, ergänzt die Analyse eine vergleichende Betrachtung der Forschungssysteme und Forschungspolitiken in den drei großen EU-Mitgliedsstaaten (Deutschland, Frankreich, Großbritannien). ; The project focuses on the issue of transnational cooperation and network building between national research organizations in European Science and Technology Policy. In this context, little is known about the conditions of formation and the scope of existing transnational linkages. Moreover, it has been only barely asked what is their role and significance in the European multilevel governance system. The project addresses these questions by using an institutional approach as analytical framework. In particular, two hypothesis are tested which provide new insights beyond the field of European Science and Technology Policy. First, it is assumed that the organization and the role of European science organizations can be explained with the European institutional framework, including the national systems. Second, it is supposed that the ability to act and the problem-solving capacity in European governance connects closely with the efficiency and capability of institutionalized cooperation patterns at the transnational level. However, national institutions, policies and policy styles differ widely in the European Union. In order to include national factors determining transnational cooperation the study is completed by case studies of the research systems and policies in the three large member states (Germany, France, United Kingdom).
"Die Konstituierung von sozialen Räumen über die Aushandlung von globalen Entwicklungskonzepten- und -visionen steht im Zentrum dieses Beitrags. Es wird gezeigt, wie Frauenorganisationen und -bewegungen im Sudan, im Senegal und in Malaysia globale Entwicklungskonzepte, die in transnationalen Räumen vereinbart werden, zur Aushandlung von Geschlechterverhältnissen, Entwicklung und Islam lokalisieren. Im Vordergrund steht die Bedeutung von transnationalen Netzwerken, Medien und 'neuen' Formen der sozialen Interaktion und damit die Bedeutung des transnationalen Raumes als Wissensressource und als strategisches Instrument, um lokale Räume zu konstituieren und sozialen Wandel zu initiieren." (Autorenreferat)
"Transnationalisierung und NGOisierung konstituieren die beiden bestimmenden Aspekte frauenpolitischer Aktivitäten und feministischer Wissensproduktion in der Türkei. Mit Rückgriff auf den transnationalen Advokaten-Netzwerk-Ansatz und Ergebnisse von Analysen zu transnationalen feministischen Praktiken werden im vorliegenden Artikel die beiden Prozesse auf die Transformation des Zweite-Welle-Feminismus in der Türkei der 1990er Jahre bezogen. Dabei wird auf die widersprüchlichen und ambivalenten Konsequenzen dieser Prozesse für die heutigen feministischen Politiken aufmerksam gemacht. In diesem Rahmen werden zum einen das transnationale Networking und der Austausch der Frauenbewegungen in der Türkei generell und zum anderen der Wissensaustausch und die Rezeption feministischer Ideen durch kurdische Aktivistinnen im Besonderen fokussiert. Darüber hinaus wird die fragmentierte Landschaft des Frauenaktivismus entlang unterschiedlicher Frauen-NGOs (kurdische, islamische und türkische) in der Türkei vorgestellt und die Verknüpfung zum breiteren Kontext der zunehmenden Bedeutung transnationaler Politiken und der Governance der Geschlechterverhältnisse weltweit skizziert. Hier stellt sich für den türkischen Fall wie auch generell die kritische Frage, ob transnationale Politiken das emanzipatorische Potenzial der Frauenpolitiken befördern, und zu einer Demokratisierung von Geschlechterverhältnissen beitragen." (Autorenreferat)
In: Discussion Papers / Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Forschungsschwerpunkt Zivilgesellschaft, Konflikte und Demokratie, Abteilung Transnationale Konflikte und Internationale Institutionen, Band 2007-304
"Die Zukunft der Solidarität wird immer wieder in der Zerfallsperspektive thematisiert. Wenn Solidarität 'nationale Solidarität' meint, so kann es mit dem behaupteten Niedergang des Nationalstaats auch durchaus zur Schwächung bestimmter solidarischer Verhaltensweisen kommen. Doch Solidarität existiert in vielen verschiedenen Formen und findet in unterschiedlichen Bezugsrahmen statt. Solidarität hört nicht notwendigerweise an nationalstaatlichen Grenzen auf. Eine gewisse Konjunktur erlebte daher in den letzten Jahren der Begriff der 'transnationalen Solidarität'. Findet Solidarität zunehmend jenseits des Nationalstaats statt? Diese Frage wird so vielfältig wie kontrovers in den verschiedensten Disziplinen diskutiert. In den Internationalen Beziehungen erhält sie ihre Bedeutung insbesondere im Rahmen der Diskussion um die Entstehung einer normativ gehaltvollen politischen Ordnung jenseits des Nationalstaats. Empirische Studien, die sich mit dem Trend zu transnationaler Solidarität beschäftigen, liegen bisher jedoch so gut wie gar nicht vor. Das vorliegende Papier untersucht den behaupteten Trend zu transnationaler Solidarität exemplarisch am Beispiel der Spenden für die Nothilfe und Entwicklungshilfe. In den Blick gerückt werden neben dem relativen Anteil der Spenden für die Not- und Entwicklungshilfe auch die Spendeneinnahmen von ausgewählten Organisationen in diesem Bereich. Als vorläufiges Ergebnis der Analyse lässt sich zwar ein Trend zu transnationaler Solidarität ausmachen. Dieser Trend ist allerdings durch tiefe Brüche gekennzeichnet, die einer weiteren Erklärung bedürfen." (Autorenreferat)
Die Internationalisierung von Hochschulen bietet die Chance, mit neuen Partnern in Lehre, Forschung und Transfer zusammen zu arbeiten. Gleichzeitig erhöht sich der Wettbewerb für deutsche Hochschulen im globalen Wissenschaftsmarkt. Mit der fortschreitenden Internationalisierung rücken auch Diskurse über Wissenschaftsfreiheit und Migrationsprozesse in den Vordergrund. Die aktuelle gesamtgesellschaftliche digitale Transformation überdies betrifft auch Wissenschaftsorganisationen in allen Leistungsbereichen. Vor dem Hintergrund dieser tiefgreifenden globalen Umbrüche wird in der Studie der Frage nachgegangen, wie internationale Hochschulkooperationen der Zukunft gestaltet werden sollten und welchen Beitrag hierzu insbesondere Transnationale Bildungsangebote (TNB) zu leisten vermögen.
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 2079-2089
"Der migrationswissenschaftliche Streit zwischen transnationalen Theorieansätzen einerseits und Assimilations- und Integrationstheorien andererseits ist der Ausgangspunkt des Vortrags. In diesem Streit konnte zwar der nationalstaatliche Bezugsrahmen der Assimilations- und Integrationstheorien als Problem erkannt werden, doch weil auch die Gegenentwürfe mit holistischen Annahmen arbeiten (z.B. transnationale soziale Räume, ethnoscapes etc.), bleibt ein schaler Beigeschmack im Kritikgeschäft zurück. Nach diesem Problemaufriss und im Anschluss an Bommes nimmt der Vortrag eine systemtheoretische Position ein und versucht eine Neujustierung der migrationswissenschaftlichen Begriffe Assimilation, Integration sowie Inklusion/ Exklusion. So kann ein hohes Maß an Kontinuität zu etablierten Fragestellungen und Erkenntnissen gewahrt und die sich mehrenden theoretischen Probleme können eleganter als bisher gefasst werden. Essers These etwa, dass der transnationale Fall der Mehrfachintegration umfassende Lernaktivitäten und Gelegenheiten voraussetze, kann dann ebenso aufgenommen werden, wie die These einer Transnationalisierung von Lebensläufen. Anhand von transnationalen Lebensläufen, die sich aus der Arbeitsmigration zwischen (Post)Jugoslawien und Deutschland entwickelt haben, soll gezeigt werden, dass und wie Migranten aus der zweiten Generation von einer Transnationalisierung ihrer Lebensführung profitieren können. Der soziale Aufstieg gelingt ihnen nicht obwohl sie hier und dort aktiv werden, sondern gerade weil sie in Deutschland und in Kroatien Lerngelegenheiten finden und ihre Lernaktivitäten fortsetzen können. Man müsste sogar davon sprechen, dass transnationale Aktivitäten die Bedingung zur strukturellen Assimilation sind. Die Einbettung der Lebensläufe in die Theorie funktionaler Differenzierung macht auf die Strukturentwicklung der modernen Gesellschaft aufmerksam und zeigt, dass für Individuen den Raum zwischen Notwendigkeit und Unmöglichkeit größer wird und die eigene Entscheidungsarbeit in der Determinationslücke der modernen Gesellschaft wächst." (Autorenreferat)
Asien gehört zu den vom Klimawandel besonders betroffenen Gebieten: Von den zehn Ländern, die von 1999 bis 2018 am meisten von Extremwetter geschädigt wurden, liegen sieben in Asien. Sehr schwer getroffen ist derzeit die Mekong-Region, die von einer Jahrhundertdürre geplagt wird. Ernteausfälle, Nahrungsmittelknappheit und Wassermangel sind nur einige Auswirkungen. Verschärft werden sie durch den Bau von Staudämmen am Oberlauf des Mekong, was oft lokale wie zwischenstaatliche Konflikte nach sich zieht. Daher ist es notwendig, ein nachhaltiges transnationales Wassermanagement für den Mekong zu etablieren. Unter dem Gesichtspunkt einer globalen Klimapolitik sollte Deutschland sich weiterhin dafür engagieren. (Autorenreferat)
Unternehmen haben eine ambivalente Rolle inne: Einerseits tragen sie durch ihre Aktivitäten zur Entstehung und Verschärfung von transnationalen Problemlagen bei, andererseits wirken sie an der Bearbeitung derselben mit. (APuZ)
Vorliegendes Forschungspapier reevaluirt die jüngsten Arbeiten zum Thema der Detterritorialisierung ( Entgrenzung) soweit seine Relation zur Transnationalisierung und Entstehung neuer Formen nomadischer Politik besteht. Die Dimension des Ortes ist von entscheidender Bedeutung für die Herausbildung sozialer Beziehungen, die interaktive Konstruktion von politischen Identitäten und die Entstehung einer öffentlichen Sphäre. Die modernen Formen der Detterritorialisierung neigen dazu, zwei fundamentale Konzepte des modernen Verständnisses demokratischer Politik zu stören: die Gemeinschaft der Bürger und die vertrauensspezifische bzw. treuhänderische Natur der Beziehung zwischen politischer Macht und den von ihr Vertretenen. Aufbauend auf die Unterscheidung von Kevin Cox zwischen Räumen der Abhängigkeit und Räumen des Eingriffs kulminiert vorliegendes Papier im Argument, dass Bereiche der Übertragung (Transferenz) entstehen als wesentliche Komponenten des gegenwärtigen politischen Zusammenhangs. In diesem Kontext ist die Frage des Ausmaßes sehr wichtig in den Räumen der Übertragung: die Verschiebung der Einstellungen und Emotionen involviert immer größere Räume die in immer weitere Ferne rücken.