Eine Betrachtung des Islam in Europa in seinen unterschiedlichen religiösen, kulturellen, sozialen und politischen Ausformungen am Beispiel Deutschlands und Frankreichs. Auch wenn es "den" Islam gar nicht gibt und die Vielfalt seiner Ausprägungen erst auf dem ausdifferenzierten Hintergrund seiner jahrhundertelangen Geschichte und Geographie verständlich wird, werden muslimischer Kulturraum und arabische Welt doch meist gleichgesetzt, auf fast hysterische Art und Weise erst recht dann, wenn der Islam politisch fundamentalistisch instrumentalisiert wird. Aus dem Blick gerät dabei nicht zuletzt die Tatsache, daß Muslime arabischer Abstammung lediglich ein Viertel dieser Glaubensgemeinschaft darstellen. Nach dem 11. September 2001 bleibt so das Bedürfnis nach analytischer Ausdifferenzierung mehr denn je aktuell, und wo dies ausbleibt, haben interreligiöser Dialog und gesellschaftliche Bereitschaft zum Kennenlernen wenig Möglichkeiten, sich zu entwickeln. Die Präsenz des Islam auf europäischem Boden ist längst zur alltäglichen gesellschaftlichen Realität geworden. Im zusammenwachsenden Europa stellt die muslimische Bevölkerung mit rund 15 Millionen Anhängern die zweitgrößte Religionsgemeinschaft dar. Die neuerlichen Entwicklungen der Weltpolitik zeigen es: Ob Palästina-Konflikt, Kosovo- oder Afghanistan-Einsatz, Al Qaida-Bekämpfung oder militärische Eskalation im Irak globalisierte Außen- und Innenpolitik sind ihren Ursachen wie ihren Folgen nach kaum noch voneinander zu trennen. Angesichts heutiger Problemlagen bietet der vorliegende Band eine Auswahl von fachkundigen Essays aus Frankreich und Deutschland zu Einzelaspekten des europäischen Islam. - Alexandre Escudier: Der Islam in Europa zwischen nationalstaatlichem und europapolitischem Rahmen. Der deutsche und der französische Fall. Einleitung. Remy Leveau: Der Islam in Frankreich.: Wandel und Kontinuitäten. Daniele Hervieu-Leger: Der Wandel der religiösen Landschaft Europas im Spiegel des Islam: Der Fall Frankreich. Claire de Galembert: Die öffentliche Islampolitik in Frankreich und Deutschland: Divergenzen und Konvergenzen. Riva Kastoryano: Frankreich, Deutschland und der Islam: Die Aushandlung der Identitätsfrage. Farhad Khosrokhavar: Die verschiedenen Formen muslimischer Religiosität in Frankreich. Penelope Larzilliere: Palästinensische Studenten in Deutschland und Frankreich im Vergleich: Netzwerkmechanismen und Wege der Identitätskonstruktion. Nikola Tietze: Islamische Identitäten: Muslimische Religiosität als Auseinandersetzungsformen mit der französischen und der deutschen Gesellschaft. Wener Schiffauer: Muslimische Organisationen und ihr Anspruch auf Repräsentativität: Dogmatisch bedingte Konkurrenz und Streit um Institutionalisierung. Thomas Meyer: Demokratie und kultureller Pluralismus. Chantal Saint-Blancat: Die europäischen Muslime: Akteure sozialer Innovation. Tareq Oubrou: Die "Minderheits-Scharia" in Frankreich: Reflexionen zu einer rechtlichen Integration des Islam
Dieser Band dokumentiert ein Kolloquium, das so breit angelegt war, wie die Interessen des Wissenschaftlers, den es ehrte. Und typisch für diesen Hochschullehrer ist, dass mindestens ein Beitrag entschieden gegen das ficht, was Murswiek selbst vertritt: So der Münchener Ordinarius Jens Kersten zur Konkurrenz der Inschriften am und im Reichstag, am Westgiebel und im wuchernden Grün des Kunst-Troges im Hof: Muss es "Dem Deutschen Volke" heißen? - Oder geht auch "Der Bevölkerung"?Rainer Wahl umreißt das Verfassungsdenken jenseits des Staates, die Konstitutionalisierung, und Christian Hillgruber die Integration Deutschlands in das zusammenwachsende Europa: Hintergrundfolien zu dem vielschichtigen Lissabon-Urteil, das Dietrich Murswiek in den Wochen der Tagung gerade erstritt.Von zahlreichen Rechtstatsachen schreiben Dieter Dörr und Heinrich Wilms. Dörr stellt die blutige Geschichte des derzeitigen Selbstbestimmungsrechts der US-Indianer und seine Verschlechterungen unter George Bush jr. dar und hofft auf Barack Obamas neue Politik. Die Überlegungen von Wilms über den Persönlichkeitsschutz im Zeitalter des Internet berühren drei Ebenen. Zunächst veranschaulichen sie Bedrohungen oder Schädigungen des Persönlichkeitsschutzes im Internet. Sodann folgern sie dogmatisch und strukturieren das - möglicherweise angesichts seines Entwicklungstempos niemals gänzlich zu beherrschende - Gebiet, das vom Polizei- bis zum Welthandelsrecht reicht. Drittens erhebt Wilms rechtspolitische Forderungen aus seiner Anwaltserfahrung.Ebenfalls aus ihrer eigenen Praxis heraus durchleuchtet die Bundesverfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff die immer zahlreicheren Unstimmigkeiten zwischen "Straßburg" und "Karlsruhe", d. h. zwischen dem EGMR und BVerfG. Sie klärt sie mit Hilfe eines Korridor-Modells, das sie in der neuesten Rechtsprechung des BVerfG zu den Caroline-Fällen, ähnlich wie auch in der neuesten Rechtsprechung des EGMR, nachweist.Philosophisch sind die Artikel von Kurt Seelmann und Hartmut Schiedermair sowie die kurze Einführung des Herausgebers Martin Hochhuth. Auch bietet Schiedermair zwar, wie seine Schüler Wilms und Dörr, anschauliche und dramatische Rechtsfälle. So nimmt er etwa zum Folterstreit, zum Dissens um die Abschießbarkeit entführter Flugzeuge oder zur immer umfangreicheren technischen Überwachung durch polizeiliche Institutionen Stellung. Doch ist all dies staatsphilosophisch nicht etwa nur garniert, sondern tief durchdrungen. Aristoteles, Hobbes und Bodin, Leibniz, Pufendorf und Kant werden in Schiedermairs Überlegungen zur Totalität des Staates fruchtbar.Seelmann schreibt über "Hegel und den Staat als Vertrag", weil die Vertragstheorien seit Rawls wieder mehr beachtet werden, ohne dass die von Hume und Hegel vorgebrachten Einwände umfassend abgearbeitet wären. Hochhuth schließlich behauptet eine Nähe zwischen Juristenhandwerk und Postmoderne. Beide hätten es mit den Oberflächen zu tun, und blendeten die Frage nach dem "Eigentlichen" aus. Das Recht sei die Benutzeroberfläche, die dem reibungslosen Funktionieren gerade dort diene, wo letzte Fragen, etwa weil sie strittig sind, offenblieben. Während das Recht also in mancher Hinsicht durchaus "postmodern" sei, dürfe es die Wissenschaft - auch die des Rechts - niemals sein. Wissenschaft bleibe vielmehr der aufklärerischen Gründlichkeit der Moderne verpflichtet. Der Jubilar stehe für diese im guten Sinne nunmehr "altmodische" Universitätskultur.
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"Das europäische Projekt steht noch am Anfang. Obwohl Europa doch auf eine etliche Tausende Jahre umfassende Geschichte zurückschaut. Wie hatte die erste Europa, ursprünglich wohl eine phönizische Sonnengöttin, in den Sagen des klassischen Altertums ihren ersten Auftritt? 'Im Lande Tyrus und Sidon erwuchs die Jungfrau Europa, die Tochter des Königs Agenor, in der tiefen Abgeschiedenheit des väterlichen Palastes', heißt es im Europa-Mythos. Am Ende stehen ein heißblütiger, verschlagener Gott, eine Entführung aus dem heutigen Libanon, Liebe und Kopulation - bei der bis heute über den Grad der Freiwilligkeit gegrübelt wird - und schließlich die Begründung des kretischen Geschlechts. Prominenz ist der Ur-Europa sicher. 'Jupiter ist es, der dich geraubt hat; du bist die irdische Gattin des unbesiegten Gottes: unsterblich wird dein Name werden, denn der fremde Welttheil, der dich aufgenommen hat, heißt hinfort Europa!' (Schwab 1877: 26, 33) Am Beginn Europas stand also nicht ein Gründungsakt integrationswilliger Politiker, wie die EU vermuten ließe, sondern ein Mythos, der in der Sphäre der Geschichtenerzähler entstand und von dort weitergesponnen wurde. Europas Wurzeln liegen irgendwo in der Erzähl-Öffentlichkeit des antiken Griechenlands, wobei die Kommentatoren jener Epoche Leute waren, die als Legendenberichter, Theaterschreiber und Schauspieler, Priester oder eben auch Sagenerzähler ihr Brot verdienten. Gegenstand ihrer Geschichten waren Götter, Helden, Sterbliche in tragischen oder komischen Situationen. Wie damals begonnen, wird Europa auch heute erst dann lebendig, wenn es von den Menschen erlebbar und gelebt wird. Das moderne Europa ist weit mehr als ein Konstrukt der Politik, mehr als eine Bürokratie in Brüssel und mehr als Bündel bunter PR-Broschüren. Dieses Europa muss erst einmal in den Köpfen seiner Bürger wachsen, die sich ihren eigenen Reim auf ihren zusammenwachsenden Kontinent machen können. Sie müssen sich untereinander von ihrem Europa erzählen, weil nur dadurch eine funktionierende Öffentlichkeit entstehen wird. Und die europäischen Medien müssen dabei eine zentrale Rolle spielen, denn nur sie schaffen das Wissen zu den Realitäten Europas und sie fungieren heute als die großen Erzähler. Wer das vielfach beklagte Öffentlichkeitsdefizit im europäischen Einigungswerk betrachtet, wird als erstes fragen müssen, was denn diese Öffentlichkeit überhaupt so relevant macht. Europa hält eine klare Antwort bereit. Die weltweit erste bürgerliche Öffentlichkeit entstand in Europa (Abschnitt 1). Dies zugrunde gelegt, erscheint es umso drängender zu fragen, worin dieses Öffentlichkeitsdefizit besteht und warum es das europäische Projekt belastet (Abschnitt 2). Unverkennbar ist, dass es kaum europäische Medien gibt; umso wichtiger erscheint es deshalb, die Akteure auszumachen, die in der Lage sind, hier in den nächsten Jahren in die Bresche springen und glaubwürdige Impulse zu geben. Diese werden vor allem öffentliche und zivilgesellschaftliche Akteure sein (Abschnitte 3+4), die wenig Unterstützung von den etablierten Kräften der EU erwarten können. Sie werden ihren eigenen Weg finden müssen." (Textauszug)
Im Zuge der von der Bundesregierung eingeleiteten Energiewende wird zunehmend die Frage diskutiert, wie bei einem forcierten Ausbau der erneuerbaren Energien und der dadurch zunehmenden Fluktuation der Stromerzeugung die Versorgungssicherheit gewährleistet werden kann. Zur Diskussion steht die Einführung von Kapazitätsmechanismen zur Ergänzung oder sogar als vollständiger Ersatz klassischer Energy-Only-Märkte. Da es fraglich ist, ob Energy-Only-Märkte langfristig die Versorgungssicherheit garantieren können, sollen Kapazitätsmechanismen sicherstellen, dass es zu ausreichenden Investitionen in den Kraftwerkspark kommt. Auch wenn es bisher keinen stichhaltigen Beleg dafür gibt, dass das derzeitige deutsche Marktsystem den Anforderungen an die Versorgungssicherheit nicht gerecht werden kann, verändert sich durch den massiven Ausbau fluktuierender erneuerbarer Energien die Profitabilität von Investitionen in konventionelle Kraftwerke. Wir stellen deshalb ein mögliches Kapazitätsmarktmodell für Deutschland vor, weisen aber zugleich darauf hin, dass ein derartiges System kurzfristig weder notwendig ist noch für Deutschland isoliert eingeführt werden sollte. Ein umfassender Kapazitätsmechanismus kann, wenn überhaupt, bei zusammenwachsenden Märkten nur auf europäischer Ebene sinnvoll implementiert werden. Für die Übergangsperiode sollte daher das bestehende Marktsystem gegebenenfalls um eine Kaltreserve für Notfälle ergänzt werden. ; The fundamental change of energy policy in Germany (the so-called Energiewende) has lead to a discussion how the security of electricity supply will be affected by the heavily subsidised expansion of electricity generation from renewable energies, as electricity generation from renewable energies is much more fluctuating and, therefore, less reliable than conventional electricity generation plants. The key question is whether capacity mechanisms are needed to complement or even to substitute classical energy only markets. As it is not clear whether energy only markets can guarantee the long-term security of supply, capacity mechanisms are considered to guarantee sufficient investment into generation capacity. Even though there is no solid evidence that the current market system is failing to provide sufficient investment incentives, the deployment of renewable energies changes the profitability of conventional generation plants. Therefore, we discuss a possible capacity market model for Germany, but we also stress the fact that a capacity mechanism should not be introduced in the short term nor should it be implemented in Germany in isolation. Instead, the need for a capacity market needs to be discussed at a European level as energy markets are becoming increasingly integrated. For the transition period, extensions to the current system such as a cold reserve for emergency cases may be more easily implemented.
Räumliche Mobilität ist ein konstitutives Merkmal ökonomisch hochentwickelter Gesellschaften. Hierzu zählen traditionell mobile Lebensformen innerhalb eines Nationalstaates, mit zunehmender Wichtigkeit aber auch grenzüberschreitende Mobilität (Schneider, Meil 2010; Viry, Kaufmann 2015). Während man im 20. Jahrhundert unter internationaler Migration fast ausschließlich die Zuwanderung in westliche Industriestaaten verstand, rückt zunehmend die Rolle dieser Staaten als Herkunftsländer in den Fokus (van Dalen, Henkens 2013). Die Migration zwischen den OECD-Staaten stellt heute einen zentralen Bestandteil des globalen Wanderungsgeschehens dar (OECD 2015). Auch wird internationale Mobilität und damit zusammenhängend der Aufbau von "transnationalem Humankapital" (Gerhards, Hans 2013) bzw. "interkulturellem Kapital" (Pöllmann 2013) oder "Mobilitätskapital" (Kaufmann et al. 2004) als eine wichtige Ressource für eine erfolgreiche Partizipation in einer zusammenwachsenden Welt und ihren Systemen und Institutionen gesehen. Aus dieser Perspektive hat der "mobility turn" (Grieco, Urry 2016) weitreichende Auswirkungen für die Verteilung gesellschaftlicher Ungleichheiten. Über grenzüberschreitende Kontakte und Beziehungen zu verfügen, gilt mittlerweile als ein wesentlicher Faktor zur Bestimmung sozialer Positionen (Beck 2008; Weiß 2005). Im europäischen Kontext bestehen bereits erste Hinweise, dass Mobilität einen Einfluss auf die ökonomischen und gesellschaftlichen Teilhabechancen hat (Cresswell 2006; Ohnmacht et al. 2009), ohne dass dies jedoch bislang systematisch untersucht worden ist. Während Migrationsprozesse aus ärmeren Weltregionen in ökonomisch hochentwickelte Gesellschaften und politisch gefestigte, demokratische Wohlfahrtsstaaten theoretisch und empirisch intensiv erforscht worden sind (Castles et al. 2014; Massey et al. 1999), wissen wir bislang vergleichsweise wenig über die internationale Mobilität von Bürger*innen eben jener Wohlstandsgesellschaften selbst (Favell et al. 2007). Darüber hinaus zielen die meisten der vorliegenden Studien zur Auswanderung aus ökonomisch hochentwickelten Gesellschaften auf die Rückwanderung von Migrant*innen in ihre ehemaligen Heimatländer (Constant, Massey 2003; Ghosh 2000). Im Vergleich zu anderen Bereichen in der Migrationsforschung ist die internationale Migration aus hochentwickelten Staaten vergleichsweise wenig erforscht. Vereinzelte Studien, wie zum Beispiel EU-CROSS (Recchi et al. 2019; Recchi 2014) oder PIONEUR (Recchi, Favell 2009) sind vom Design nicht darauf ausgelegt und deswegen auch nicht in der Lage, theoretisch weiterführende Fragen zu den individuellen Konsequenzen internationaler Migration für den weiteren Lebensverlauf zu beantworten. Diese befassen sich vielmehr mit spezifischen Phänomenen, wie transnationalen Lebensformen sowie ihren Konsequenzen für Identität, politische Einstellungen und Integration (Rother, Nebe 2009). Ein Grund für diesen unbefriedigenden Forschungsstand ist sicherlich der eher spärliche Datenbestand – ein Umstand, der eng damit zusammenhängt, dass die Erfassung international mobiler Bevölkerungsgruppen vor einigen methodischen Herausforderungen steht (Ette, Sauer 2010: 34–45). Mobile und insbesondere international Mobile sind ein Paradebeispiel für eine "hard to study population" (Lynn et al. 2018). Bisherige Versuche, diese Migrantengruppe im Rahmen bestehender harmonisierter internationaler Surveys (zum Beispiel European Social Survey oder European Union Labour Force Survey) zu untersuchen, werden durch unzureichend erfasste Informationen über den Migrationsprozess erschwert (Erlinghagen 2011; Ette, Sauer 2010). Auch bestehende sozialwissenschaftliche Panelstudien stoßen bei solchen Fragestellungen räumlich an ihre Grenzen. Diese orientieren sich nämlich in der Regel an den Grenzen der Nationalstaaten. Für Zuwander*innen und Rückwander*innen resultiert daraus, dass sie erst ab dem Grenzübertritt in ihrem Zielland untersucht werden können und somit meist als "Personen ohne Vorgeschichte" (Vermeulen 2010, S.1224) in diesen Datensätzen erscheinen. Umgekehrt können Auswander*innen in Panelstudien ihres Herkunftslandes nur bis zum Auswanderungsereignis 'verfolgt' werden, da sie anschließend den nationalstaatlichen Beobachtungsraum verlassen und dieses Ereignis mit einem Ausscheiden und somit faktischer Panelmortalität verbunden ist. Auch die Erweiterung bestehender Panelstudien um diese international mobile Bevölkerungsgruppe scheitert bisher aufgrund geringer Fallzahlen (Schupp et al. 2008). In der Konsequenz fehlen in Deutschland, aber auch den anderen OECD-Staaten, adäquate Datengrundlagen zur Untersuchung der Dynamik von Wanderungsprozessen und ihren individuellen Konsequenzen. Hier setzt die "German Emigration and Remigration Panel Study" (GERPS) an und untersucht die Prozesse internationaler Migration anhand eines völlig neuen theoretisch konzeptionellen Ansatzes, dem "Destination-Origin-Migration-Ansatzes" (DOM-Ansatz; vgl. Erlinghagen, Ette 2019 sowie den folgenden Abschnitt). Im nächsten Abschnitt werden zunächst die Grundüberlegungen dieses DOM-Ansatzes skizziert. Anschließend wird die neu zu konzipierende Längsschnittstudie GERPS näher vorgestellt. Der Beitrag endet mit einer zusammenfassenden Schlussbetrachtung.
Inhaltsangabe: Nach einer Schätzung der Internationalen Handelskammer sind rund zehn Prozent des Welthandels Plagiate . Den Unternehmen rund um den Globus entsteht ein Schaden von rund 600 Milliarden Euro jährlich . Allein die durch die Fälschungen verursachten Steuerverluste betragen circa 70 Milliarden Euro. Während der globale Umsatz um das etwa 17 – fache zugenommen hat, ist das Weltbruttosozialprodukt in derselben Zeit lediglich um ein Drittel gewachsen, und die Wachstumsraten der Fälscherindustrie sind nach wie vor exorbitant. Auch für Deutschland haben die Plagiate dramatische Folgen. Jedes Jahr gehen in der Bundesrepublik zwischen 70.000 und 80.000 Arbeitsplätze durch den Handel mit gefälschten Produkten verloren . Der Schaden für die deutsche Wirtschaft ist immens und wird auf 20 bis 25 Milliarden Euro jährlich beziffert. Wenn es nicht gelingen sollte, erfolgreiche Abwehrmaßnahmen zu ergreifen, könnten sich diese Einbußen bis zum Jahre 2010 vervielfachen. Daraus wird bereits deutlich, dass die Fälscherindustrie eine ernste Bedrohung darstellt und zudem längst als globale Industrie agiert . Das explosionsartige Wachstum der Fälscherindustrie in den letzten 15 Jahren ist Folge des rasanten Aufstiegs der VR China und – zum Teil – der Öffnung der Märkte in Mittel- und Osteuropa. China gilt heutzutage als Hochburg der Fälscherindustrie – aus der Volksrepublik stammen rund 2/3 aller Nachahmungen weltweit. Vor diesem Hintergrund und in Zeiten immer schneller zusammenwachsender Marktwirtschaften wird der Schutz der geistigen Eigentumsrechte für Unternehmen zu einer immer größeren Herausforderung. Mit den Mitteln des gewerblichen Rechtsschutzes können neben den klassischen Attributen des Wettbewerbes, wie Qualität, Preis und Zuverlässigkeit, die oft mit erheblichem Investitionsaufwand erarbeiteten Produkte rechtlich abgesichert und im Verletzungsfall bestehende Rechte durchgesetzt werden. In Zeiten des globalen Welthandels spielen grenzüberschreitende Handelsaktivitäten von Unternehmen eine große Rolle. Der Schutz geistiger Eigentumsrechte auch über Ländergrenzen hinweg ist daher für innovative Unternehmen unter Umständen überlebenswichtig. Im Gesamtzusammenhang der Thematik spielt das Territorialitätsprinzip eine entscheidende Rolle. Es beherrscht den Schutz der geistigen Eigentumsrechte und besagt, dass sich der Schutz dieser Rechte in jedem Staat nach dessen Rechtsordnung richtet. Viele Internationale Abkommen zum Schutz dieser Rechte haben einen der Zielrichtung nach universellen Charakter beansprucht, diesen aber sehr häufig nicht erreichen können . Der fehlende oder zu geringe Schutz geistiger Eigentumsrechte in einzelnen Staaten kann global gesehen zu Verzerrungen und Störungen des internationalen Handels führen . Im Hinblick auf die Produkt- oder Markenpiraterie wirkt sich dies dahingehend aus, dass Originalprodukte im Preis nicht mit Piraterieware konkurrieren können . Gang der Untersuchung: In Kapitel zwei der Arbeit wird in die Problematik der Produktpiraterie eingeführt. Die Begriffe der Produkt- und Markenpiraterie sind vor einem internationalen Hintergrund erläutert und problematisiert. Kapitel drei beschäftigt sich mit der Darstellung der gewerblichen Schutzrechte. Es wird auf die im Rahmen dieser Arbeit wichtigsten Schutzrechte eingegangen, wobei ein geschichtlicher Abriss über die Entstehung des gewerblichen Rechtsschutzes vorangestellt wird. Die Kapitel vier und fünf behandeln zum einen die Welthandelsorganisation (World Trade Organisation – WTO) und zum anderen das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (Agreement on Trade Related Intellectual Property Rights – TRIPS). Der Grund für die Betrachtung der WTO ist, dass zur Stärkung des Schutzes der Rechte des geistigen Eigentums der institutionelle Rahmen der WTO gewählt wurde. . Da viele Staaten dem GATT 1947 (General Agreement on Tarifs and Trade) als "Vorgängerinstitution" bisher ablehnend gegenüberstanden (VR China, Russische Föderation), wurde eine Aufnahme in die WTO mit der gleichzeitigen Anerkennung der multilateralen Abkommen innerhalb der WTO – Rechtsordnung (GATS [General Agreement on Trade in Services], GATT, TRIPS) verknüpft . Entscheidend dabei ist, dass die Mitgliedsstaaten, im Vergleich zum GATT 1947, durch die Einbindung der geistigen Eigentumsrechte in das WTO – Übereinkommen zum Schutz dieser Rechte verpflichtet werden . Vor diesem Hintergrund ist die Betrachtung des WTO – Übereinkommens als Grundlage für das Verständnis der Thematik und vor allem vor dem Hintergrund des TRIPS – Abkommens unerlässlich. In Kapitel sechs wird auf das für global agierende Unternehmen aktuell oder zumindest in naher Zukunft unverzichtbare Schutzrechtsmanagement eingegangen. Anhand des mit Abstand bedeutsamsten gewerblichen Schutzrechts, dem Patent, werden Strategien aufgezeigt, die diverse Möglichkeiten des Einsatzes dieses stärksten aller Schutzrechte deutlich machen sollen. Hierbei werden sowohl defensive als auch offensive und sonstige innovative Patentverwertungsstrategien berücksichtigt. Kapitel sieben beschäftigt sich abschließend mit einer Betrachtung des Landes, das auf der einen Seite für den überwältigenden Anteil aller Piraterieware weltweit verantwortlich ist, auf der anderen Seite aber auch in puncto Attraktivität bei vielen Unternehmen auf Platz eins steht: Die Volksrepublik China. Nach den strategischen Einsatzmöglichkeiten für Unternehmen, die in Kapitel sechs vorgestellt wurden, soll hier nun auf rechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten von bestehenden Schutzrechten im Verletzungsfall eingegangen werden. Betrachtet werden dabei Patent- und Markenverletzungen und damit verbundene zivilrechtliche-, behördliche- und strafrechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten.
Das Dissertationsprojekt untersucht den figurativen Bauschmuck von Bahnhöfen in Westeuropa und Nordamerika über den gesamten Zeitpunkt des "Eisenbahnzeitalters". Die Frage war, welche Themen für die Dekoration des neuen Bautyps als angemessen empfunden wurden und wie sie ikonographisch umgesetzt wurden. Da das Phänomen "Eisenbahn" die gesamte westliche (industrialisierte) Welt umfasste, galt es durch Vergleich sowohl diachron die Entwicklung von Themen und Darstellungsformen zu untersuchen als auch synchron die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere nationale und kulturelle Umfelder zu überprüfen. Sowohl die Architekten und Ingenieure des 19. Jahrhunderts, als auch deren private oder staatliche Auftraggeber waren sich der repräsentativen Anforderungen ihrer Bahnhofsbauten bewusst. Dies zeigt sich neben dem Stil der Architektur vor allem in der festen und ephemeren Ausstattung – Bauskulptur, farbige Fenster, Mosaiken oder Wandgemälde spiegelten das soziale, kulturelle und politische Selbstverständnis des industrialisierten Bürgertums, das den Bahnhof zu seinem Repräsentationsbau machte. Die Dissertation bemüht sich um ein differenziertes Bild der sozial-, kultur- und technikgeschichtlichen Einflüsse auf das Dekor des Bautyps "Bahnhofs" im Laufe seiner Entwicklung. Dabei war die Gegenüberstellung der unterschiedlichen Programme der meist staatlichen Bahnhofsgebäude Kontinentaleuropas und der Ausstattungen der privat betriebenen Eisenbahngesellschaften Nordamerikas besonders aufschlussreich. Neben den klassischen Analysemethoden aus Kunst- und Architekturgeschichte nutzt die Arbeit Ansätze, Methoden und Theorien aus so unterschiedlichen Fachbereichen wie Technikgeschichte, Mobilitätsgeschichte, Tourismusgeschichte, Wirtschaftsgeschichte, Sozialgeschichte, Kulturgeschichte, Kulturwissenschaft, Religionswissenschaft, Rhetorik oder Soziologie. Die fünf Kapitel der Arbeit sind den wichtigsten Themen der Bahnhofsausstattung gewidmet: Wirtschaft, Technik, Infrastruktur, Tourismus und Politik, hier vor allem die Entwicklung der Nationalstaaten. Jedes der Kapitel führt Beispiele aus verschiedenen Regionen und Epochen als Beleg für die jeweilige Ausgangsthese an. Zugleich zeigen vertiefte Analysen von ein oder mehreren Austattungsprogrammen auf, wie die jeweiligen lokalspezifischen Umstände bei ähnlichen thematischen Aussagen zu sehr unterschiedlichen Ausformungen führten. So zeigt sich die in Kapitel 1 konstatierte Verwurzelung der Ausstattungsprogramme in der Kultur und dem Wertesystem des Industriebürgertums auch in der Darstellung der Industriearbeiterschaft (Kapitel 2) oder der weiblichen Bildungsreisenden (Kapitel 4). Diese Werte spiegeln sich auch in der Bevorzugung traditionell-allegorischer und der weitgehenden Ablehnung avantgardistischer Kunstformen für die Bahnhofsausstattung. Kapitel 2 beschäftigt sich mit der Eisenbahntechnologie als Motor der Industrialisierung, die in den Bahnhöfen, in der Selbstdarstellung der Akteure und ausgehend von der Fortschrittsgläubigkeit des 19. Jahrhunderts, selbstverständlich als durchgehend positiv vermittelt wird. Zugleich wird von der wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit – z. B. neuen technischen Standards – auf eine zukünftig zunehmend politische Zusammenarbeit geschlossen. Dieses Thema – die weltweit zusammenwachsende Infrastruktur – ist das Thema von Kapitel 3, das die Selbstpositionierung der Bahnhöfe in der Stadt und der Region, sowie innerhalb des nationalen und internationalen Eisenbahnnetzes untersucht. Es zeigt sich, dass hier sowohl wirtschaftliche und touristische, als auch nationalpolitische Aussagen vorkommen können. Kapitel 4 bringt Beispiele dafür, wie sich in der Darstellung von Reisenden die Entwicklung des Massentourismus widerspiegelt, wobei auch hier die Darstellungen von einem bürgerlichen Wertekanon beeinflusst sind. Kapitel 5 vergleicht anhand von drei Regionen in unterschiedlichen Phasen der Nationalstaatenbildung, wie sich auch eindeutig politische Propaganda in der Bahnhofsausstattung manifestiert. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zeigt die Arbeit, wie viel wir über die technischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Errungenschaften des Eisenbahnzeitalters lernen können, wenn wir uns die Zeit nehmen, die Zeitzeugen – die reich geschmückten Bahnhofsgebäude in den Zentren unserer Städte – genauer zu betrachten. ; The PhD project examines "railway age" station embellishment focusing on Western Europe and North America. The object was to determine which topics were considered appropriate for the decoration of the new building type, and which iconography emerged. Since the railway was a phenomenon common in the entire Western industrialized world, the thesis compares diachronically the development of topics and forms as well as synchronically examining if the findings were true for different national and cultural environments. Nineteenth-century architects and engineers, as well as their private and national employers were aware of the representational role of station architecture. In addition to the buildings' style, this objective was expressed by embellishment: sculpture, stained glass windows, mosaics or murals which mirrored the social, cultural and political consciousness of the industrial middle classes. The dissertation fans out the influence of social and cultural history as well as history of technology on the development of railway station embellishment. The comparison of mostly nationalized railway buildings in continental Europe with their mostly privately owned counterparts in North America was also revealing. Tools for analysis stemmed not only from history of art and architecture, but also from disciplines as diverse as history of technology, mobility, tourism, and economy, social history, cultural history, sociology, rhetorics or religious studies. The thesis consists of five chapters dealing with the most common topics in railway embellishment: economy, technology, infrastructure, tourism and politics (focusing on nation building). Each chapter cites examples from different regions and epochs to support a main hypothesis derived from more detailed analyses of one ore more decoration programs that were idiosyncratic to their respective locale. Thus, chapter 1 examines the deep roots of station embellishment in the value system of the industrial middle classes, an underlying topic repeated in depictions of industrial workers in chapter 2 or female tourists in chapter 4. Middle-class values show also in a preference for traditional allegories and the repudiation of avant-garde art in station décor. Chapter 2 examines railway technology as motor of industrialization. A strong belief in progress together with the option of economic and scientific cooperation –e.g. new technological standards - led to the hope for future political cooperation. Chapter 3 further investigates this notion of a worldwide coalescing infrastructure by examining the position of stations within their city as well as within their regional, national and international networks. Objectives proclaimed in station décor are not merely aiming at the improvement of economy or tourism but also concern nation building. Chapter 4 examines the emerging mass tourism and the influence of middle-class values in the depiction of travelers, tourists, and destinations. Chapter 5 examines the different phases of nation building and the manifestation of political campaigning in three different regions. Without making claims to be complete the dissertation shines a light on the technological, economic, social and cultural achievements of the railway age mirrored in and witnessed by the railway stations in the centers of our cities.