Zum politischen Klima in Deutschland und den Niederlanden in der Zwischenkriegszeit
In: Auf dem Weg zum modernen Parteienstaat: zur Entstehung, Organisation und Struktur politischer Parteien in Deutschland und den Niederlanden, S. 285-302
Auf dem Hintergrund des offensichtlichen und großen Kontrastes zwischen den Niederlanden und Deutschland in der Zwischenkriegszeit fragt der Verfasser nach der Gültigkeit der These vom deutschen Sonderweg in der jüngeren Geschichte, der im NS-Staat gipfelte: Nicht Aufklärung, Vernunftrecht, bürgerlicher Verfassungsstaat, Liberalismus und Demokratie westeuropäischer Länder hätten Deutschland geprägt, sondern Romantik, Individualitätsdenken, Irrationalismus, feudale Herrschaftsstrukturen, Konservatismus. Der Autor stellt fest und legt im einzelnen dar, daß auch in den westlichen Demokratien und sogar in den politisch so stabilen Niederlanden entschiedene Kritik aus unterschiedlichen politischen und kulturellen Richtungen an der parlamentarischen Demokratie geübt wurde, die er unter der Bezeichnung "antibürgerlich" zusammenfaßt. Diese Stoßrichtungen hätten aber keine so starke Wirkungen ausüben können wie in Deutschland. Nicht schon das Entstehen des Nationalsozialismus gilt dem Autor als Beweis für den deutschen Sonderweg - er verweist hier auf andere europäische Länder -, sondern erst der Durchbruch Hitlers zur Macht und die folgenden Ereignisse. Im übrigen hält er die These für vertretbar, daß der Nationalsozialismus die europäische parlamentarische Demokratie gerettet habe, indem er aller Welt die Konsequenzen einer totalitären Alternative vor Augen führte. (BU)