Der "Anschluß" von 1938 und die internationalen Reaktionen
In: Aus Politik und Zeitgeschichte: APuZ, Band 1988, Heft B 9, S. 34-46
ISSN: 0479-611X
"Am 12. März 1938 rückten deutsche Truppen unter großem Jubel in Österreich ein; in den folgenden Tagen vollzogen die Nationalsozialisten den 'Anschluß'. Dieses Ereignis muß vor dem nationalen wie internationalen Hintergrund der Entwicklung Österreichs in den zwanziger und dreißiger Jahren gesehen werden. Die Verträge von Versailles und St. Germain stellten sich zwar gegen einen Zusammenschluß Österreichs mit Deutschland, doch verloren diese Beschlüsse mit der Zeit an Bedeutung, so daß zwischen den europäischen Mächten bereits 1936/37 keine wirksame Vereinbarung zum Schutze der Integrität Österreichs bestand. Vor allem Italien hatte durch den Abessinien-Krieg und die zunehmende Abhängigkeit von Hitler seine selbstgewählte Schutzmachtstellung für Österreich aufgeben müssen. Die deutschen Ultimaten, der Einmarsch der Wehrmacht und die Terrormaßnahmen in Österreich belasteten die internationalen Beziehungen Deutschlands schwer und bedingten eine französische und britische Demarche in Berlin, die aber nur deklamatorischen Charakter hatten. Nur wenige Staaten erhoben beim Völkerbund formellen Protest gegen den 'Anschluß', der schließlich als Faktum akzeptiert wurde. Die Liquidierung des autoritären österreichischen 'Ständestaates' der dreißiger Jahre fand kaum kritisch-verurteilende Beachtung - abgesehen von den Sowjets, die in Genf protestierten und kollektive Maßnahmen gegen Hitler vorschlugen. Das Verhalten der Westmächte in den Märztagen 1938 offenbarte letztlich ihr weitgehendes Desinteresse an einem unabhängigen Österreich und war u. a. eine Konsequenz ihrer Fehleinschätzung der Österreichfrage in der Zwischenkriegszeit. Neben innen- und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen war der 'Anschluß' der erste Schritt in Hitlers außenpolitischer Großmacht-Planung und Vorbereitung für den Einmarsch in Prag. Die politisch-militärische Intervention in Österreich brachte die deutsche Diplomatie zunächst in Verlegenheit und zeigte die Unfähigkeit den 'Anschluß' international glaubwürdig zu rechtfertigen. Der einsetzende Jubel und das eindeutige Abstimmungsergebnis machten dann weitere amtliche deutsche Reaktionen auf das Echo im Ausland obsolet. Der 'Anschluß' wurde international hingenommen." (Autorenreferat)