Die Inhalte der verlinkten Blogs und Blog Beiträge unterliegen in vielen Fällen keiner redaktionellen Kontrolle.
Warnung zur Verfügbarkeit
Eine dauerhafte Verfügbarkeit ist nicht garantiert und liegt vollumfänglich in den Händen der Blogbetreiber:innen. Bitte erstellen Sie sich selbständig eine Kopie falls Sie einen Blog Beitrag zitieren möchten.
Ein Untersuchungsausschuss und eine Enquete-Kommission des Bundestages arbeiten noch daran, das Scheitern des internationalen Engagements in Afghanistan aufzuarbeiten. Die akademische Diskussion zu den Hintergründen der desaströsen Bilanz ist schon weiter. Der Beitrag skizziert einige Kontroversen dieser Ursachenforschung und warnt vor einem prominenten Erklärungsangebot, welches das Scheitern in Afghanistan auf die Beendigung des Einsatzes verkürzt.
Die Inhalte der verlinkten Blogs und Blog Beiträge unterliegen in vielen Fällen keiner redaktionellen Kontrolle.
Warnung zur Verfügbarkeit
Eine dauerhafte Verfügbarkeit ist nicht garantiert und liegt vollumfänglich in den Händen der Blogbetreiber:innen. Bitte erstellen Sie sich selbständig eine Kopie falls Sie einen Blog Beitrag zitieren möchten.
Die Inhalte der verlinkten Blogs und Blog Beiträge unterliegen in vielen Fällen keiner redaktionellen Kontrolle.
Warnung zur Verfügbarkeit
Eine dauerhafte Verfügbarkeit ist nicht garantiert und liegt vollumfänglich in den Händen der Blogbetreiber:innen. Bitte erstellen Sie sich selbständig eine Kopie falls Sie einen Blog Beitrag zitieren möchten.
Ein Beitrag von Cosima Werner zur Blogreihe #1: Zukunftsstadt. Martin Luther King hielt während des "Detroit Walk of Freedom" die erste Version seiner berühmten Rede: "I have a Dream!". Manch einer würde argumentieren, dass mit der Beendigung der Rassentrennung in den USA der Traum erfüllt sei, doch die Ausschreitungen in...
Die Inhalte der verlinkten Blogs und Blog Beiträge unterliegen in vielen Fällen keiner redaktionellen Kontrolle.
Warnung zur Verfügbarkeit
Eine dauerhafte Verfügbarkeit ist nicht garantiert und liegt vollumfänglich in den Händen der Blogbetreiber:innen. Bitte erstellen Sie sich selbständig eine Kopie falls Sie einen Blog Beitrag zitieren möchten.
In diesem Beitrag stellt Simon Casacchia folgenden Text vor:Märker, Alfredo / Wagner, Beate (2005): Vom Völkerbund zu den Vereinten Nationen; in: Aus Politik und Zeitgeschichte 22/2005, S. 3-10, online unter: https://www.bpb.de/apuz/29015/vom-voelkerbund-zu-den-vereinten-nationen.Alfredo Märker und Beate Wagner stellen in ihrem Aufsatz die Entstehungsgeschichte der UNO dar. Dabei wird zunächst die Organisation des Völkerbundes skizziert, anschließend der Weg zu den Vereinten Nationen. Es werden sowohl Aufgaben als auch Probleme beider Organisationen erläutert. Dieser Beitrag fasst die wesentlichen Punkte des Aufsatzes zusammen und geht dabei auf einige, essenzielle Zitate ein.Gleich zu Beginn des Aufsatzes stellen die Autoren einen Zusammenhang zwischen dem Völkerbund und den Vereinten Nationen her (vgl. S .3). So wird beschrieben, die am 24. Juni 1945 gegründeten Vereinten Nationen seien eine Antwort auf das Scheitern des Völkerbundes (ebd.). Der Völkerbund wird dabei als ein "großes Experiment" bezeichnet, welches als "Pionierleistung" der erste Versuch war, den globalen Frieden im bisher durch Anarchie geprägten internationalen System zu etablieren (ebd.).Hier wird bereits klar: Die Vereinten Nationen versuchen das, wozu der Völkerbund nicht in der Lage war, fortzuführen, besser zu machen. Die Kernaufgabe beider Organisationen ist die globale Friedenssicherung. Im Anschluss wird deutlich gemacht, dass jedoch auch die Vereinten Nationen sich gegenwärtig in einer Krisensituation befinden, in welcher der Ruf nach Reformen omnipräsent ist (vgl. S. 3). Es wird aber auch herausgearbeitet, dass die Organisation von den Mitgliedstaaten als relevant betrachtet wird (vgl. S. 4). Als Beispiel wird hierbei der Rechtfertigungsversuch seitens der USA im Bezug auf den Irakkrieg genannt:"Dass sich die USA schließlich sogar vor den Augen der weltweiten Fernsehöffentlichkeit mit Täuschungsmanövern um eine Legitimation ihres völkerrechtswidrigen Feldzugs bemühten, mag ein weiteres Anzeichen dafür sein, dass von Irrelevanz der Vereinten Nationen oder Desinteresse an ihnen - wie in der Endphase des Völkerbunds - nicht gesprochen werden kann" (S. 4).Nach der Einleitung des Aufsatzes folgt ein Kapitel über den Völkerbund von der Gründung bis zum Scheitern (vgl. S. 4). Hierbei ist die Gründungsidee seitens von Woodrow Wilson im Jahr 1920 hervorzuheben (ebd.). Ebenfalls essenziell erscheint der damalige Widerspruch zwischen einer verfassten Weltgemeinschaft und dem Ideal der Freiheit seitens den USA (ebd.).Hier lässt sich ein Spannungsverhältnis zwischen Sicherheit und Freiheit erkennen: Um mehr Sicherheit zu erlangen, müssen Staaten einen Teil ihrer Freiheit aufgeben. Die Autoren führen weiter aus, dass die Satzung des Völkerbundes am 28. April 1919 von den 32 Siegerstaaten des Ersten Weltkrieges einstimmig angenommen wurde (vgl. S. 5). Hier ist es bedeutsam, dass die USA selbst niemals Mitglied des Völkerbundes wurde.Zur Frage, weshalb der Völkerbund letztendlich scheiterte, wird ausgeführt, dass die Organisation keine Druckmittel hatte, um die beschlossenen Regelungen tatsächlich umzusetzen (vgl. S. 5). "Hinzu kam, dass seine Satzung ohnehin kein generelles, sondern nur ein eingeschränktes Gewaltverbot begründete" (S. 5). Hier wird deutlich, dass Mitgliedsstaaten durch eine Gewaltanwendung nicht die Satzung des Völkerbundes verletzten, da dieser zur Sicherung des Friedens lediglich einen Mechanismus zur Streitschlichtung vorsah und Staaten somit ein Recht auf Krieg gewährte (vgl. S. 5).Als größte Schwäche des Völkerbundes nennen die Autoren die mangelnde Universalität, welche sich durch die Tatsache ausdrückt, dass zur Hochphase lediglich zwei Drittel der Staaten Mitglied der Organisation waren (vgl. S. 5f.). Als die Sowjetunion im Jahr 1934 dem Völkerbund beitrat, hatten Deutschland, Italien und Japan ihn bereits wieder verlassen, und so führen die Autoren aus, dass die Genfer Liga machtlos dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zusehen musste (vgl. S. 6). Der Völkerbund wurde am 18. April 1946 aufgelöst, dieses Ereignis wurde von einem britischen Diplomaten mit der Aussage "Der Völkerbund ist tot, es lebe die UNO" kommentiert. (ebd.).Im anschließenden Abschnitt des Aufsatzes "Gründung und Entwicklung der VN" wird spezifischer auf die UNO als internationale Organisation eingegangen. Hierbei ist hervorzuheben, dass die UNO am Ende des Zweiten Weltkrieges auf amerikanische Initiative, genauer von Franklin Delano Roosevelt, gegründet wurde (vgl. S. 6). Dieser hatte aufgrund der zunehmenden Bedrohung durch Japan, Italien und Deutschland eine Beendigung des amerikanischen Isolationismus gefordert und sich für eine "konzertierte Anstrengung" der "friedliebenden Nationen" ausgesprochen, um all jene Prinzipien aufrechtzuerhalten, die zum nachhaltigen Frieden führen (ebd.).Roosevelt wollte dabei jedoch nicht den Völkerbund wiederbeleben, sondern eine Organisation schaffen, welche legitimiert und handlungsfähig sein würde (vgl. S. 7). Die Charta der Vereinten Nationen wurde unter Trumans Führung am 26. Juni 1945 unterschrieben, Bedingungen dabei waren das Veto-Recht und die Einbeziehung der Sowjetunion und weiterer Verbündeter (ebd.).Die Autoren gehen drauf ein, dass auch innerhalb der Vereinten Nationen ein Spannungsverhältnis existiert. Dieses besteht aus der Gegenüberstellung der privilegierten Vetomächte auf der einen Seite und dem Prinzip der souveränen Gleichheit aller Staaten auf der anderen (vgl. S. 7f.). Zu den Funktionen der Vereinten Nationen führen sie aus, dass diese eine Plattform der täglichen Kooperation seien (ebd.). Weiter werden einige erreichte Ziele der UNO genannt, unter anderem die Verhinderung eines dritten, nuklearen Weltkrieges und die Beendigung der Kolonialzeit (ebd.). Dennoch hätte die Organisation gegenwärtig mit einigen Problemen zu kämpfen, darunter beispielsweise der große Anstieg auf 191 Mitgliedsstaaten und der internationale Terrorismus (vgl. S. 9).
Die Inhalte der verlinkten Blogs und Blog Beiträge unterliegen in vielen Fällen keiner redaktionellen Kontrolle.
Warnung zur Verfügbarkeit
Eine dauerhafte Verfügbarkeit ist nicht garantiert und liegt vollumfänglich in den Händen der Blogbetreiber:innen. Bitte erstellen Sie sich selbständig eine Kopie falls Sie einen Blog Beitrag zitieren möchten.
In diesem Beitrag stellt Jonathan Hörtkorn folgenden Text vor:Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. (2005): Gründungsgeschichte der Vereinten Nationen; UN Basis Informationen, online unter http://edoc.vifapol.de/opus/volltexte/2009/1043/pdf/BI_UN_Gruendung.pdf. Der Text stammt aus dem Jahr 2005 und wurde von Dr. Hermann Weber verfasst und listet verschiedene Prozesse und Ereignisse auf, die maßgeblich zur Gründung der Vereinten Nationen beigetragen haben. Hintergrund des Erscheinens war das sechzigjährige Bestehen der Vereinten Nationen.Wenn über die Entstehungsgeschichte der Vereinten Nationen geredet wird, ist es nahezu unmöglich, zwei Begrifflichkeiten nicht zu nennen. Das ist zum einen der Völkerbund und zum anderen sind das die Weltkriege. Auch wenn dieser Artikel nicht im Detail auf den Völkerbund eingeht, wird dieser zu Beginn erklärt und zusätzlich erläutert, welchen Einfluss er auf die Entstehung der Vereinten Nationen hatte. Außerdem wird dargestellt, was diese zwei Organisationen, welche beide mit dem gleichen Ziel gegründet wurden, unterscheidet. Auch der Einfluss, den die beiden Weltkriege auf die Gründung der Vereinten Nationen hatte, wird in dem Artikel deutlich.Besonders interessant dargestellt ist der Prozess des Zueinanderfindens zwischen anfangs einzelnen Staatschefs, welcher letztendlich in einer internationalen Staatenorganisation mündete. Es wird beschrieben, welche Intentionen und Interessen, besonders bezogen auf die zwei Hauptakteure des Entwicklungsprozesses, USA und Großbritannien, anfangs verfolgt wurden und auf was die einzelnen Nationen im Endeffekt doch verzichten mussten.So wird von Franklin Roosevelts ersten Vorstellungen einer internationalen Organisation berichtet, die von den Vereinigten Staaten und Großbritannien hätte angeführt werden sollen. Diese zwei Mächte sollten in der Organisation die Rolle der "Weltpolizisten" einnehmen. Zwar setzte sich Roosevelts Vorstellung nicht genau so durch, jedoch kann deutlich die Bevorzugung dieser zwei Mächte gesehen werden. Hier ist beispielsweise zu nennen, dass beide Nationen immer noch zu den "Permanent 5" gehören und somit im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen über ein Veto-Recht verfügen.Besonders interessant wird in diesem Artikel die alles entscheidende Rolle Amerikas vor und während der Gründungsphase der Vereinten Nationen dargestellt. Dabei geht der Artikel nicht nur auf den Vorteil in Bezug auf Ressourcen ein, welchen Amerika unter anderem zur Beendigung des Weltkriegs nutzte. Es wird auch eindeutig auf die Rolle als Vermittler und Initiator hingewiesen. So ist oft zu lesen, dass Amerika unter der Führung Roosevelts andere Nationen aufforderte und animierte, Teil eines neuen Staatenbundes zu werden.Als einen entscheidenden Faktor für den Erfolg dieses Vorhabens ist Roosevelts Offenheit gegenüber allen Nationen zu nennen. Aus heutiger Sicht und nach den weiteren politischen Entwicklungen ist es umso beeindruckender, dass der amerikanische Präsident den britischen, russischen und chinesischen Staatschef zur Bildung einer internationalen Organisation einlud. Auch unter Berücksichtigung der damals herrschenden Umstände ist dies sehr beeindruckend und einer, wenn nicht der entscheidende Faktor für die gelungene Gründung der Vereinten Nation.Des Weiteren verdeutlicht der Text, dass zur Gruppe der Gründungsstaaten fünfzig Staaten zählen. Allerdings sind dies nur die Staaten, welche den Entwurf zur Gründung der Vereinten Nationen am 26.06.1945 unterzeichneten. Zwar gehen dieser Unterzeichnung ungefähr drei Monate voraus, in denen die Staaten gemeinsam die Punkte der UN-Charta beschlossen. Zu beachten ist jedoch, dass diesen Monaten schon ein langer Prozess der Weltmächte (China, USA, UdSSR und Großbritannien) zugrunde liegt, in dem diese bereits wichtige Punkte untereinander geklärt haben. Hierbei musste jeder Staat Kompromisse eingehen. Inwieweit die anderen Gründungsstaaten die Möglichkeit hatten, ihre Vorstellungen und Ideen einzubringen, und diese von den Supermächten realisiert wurden, kann nach Lesen des Artikels durchaus in Frage gestellt werden. Fakt ist jedoch, dass nicht nur die fünfzig Gründungsstaaten mittlerweile Teil der Vereinten Nationen sind, sondern über einhundert weitere im Laufe der Zeit folgten.Der Artikel ist äußerst empfehlenswert, da er einen kurzen und doch fundierten Überblick über die Entstehungsgeschichte der Vereinten Nationen gibt. Er listet dabei Kernmomente, Konferenzen und andere Ereignisse auf, die essenziell zur Entstehung der Vereinten Nationen beigetragen haben. Dabei überzeugt dieser Artikel mit einer für den Leser angenehmen Sprache und wirkt trotz zeitweisem Detailreichtum sehr gut strukturiert und übersichtlich.Des Weiteren ist positiv anzumerken, dass er neutral geschrieben ist. Die Vereinten Nationen werden nicht als eine durch und durch makellose Staatenorganisation dargestellt. Es werden auch Kritikpunkte genannt, wie zum Beispiel die immer lauter werdende Forderung nach Reformen. Als besonders geeignet erscheint dieser Artikel, um das Wissen zur Geschichte der Vereinten Nationen aufzubessern oder Vergessenes erneut in das Bewusstsein des Lesers zu rufen.
Die Inhalte der verlinkten Blogs und Blog Beiträge unterliegen in vielen Fällen keiner redaktionellen Kontrolle.
Warnung zur Verfügbarkeit
Eine dauerhafte Verfügbarkeit ist nicht garantiert und liegt vollumfänglich in den Händen der Blogbetreiber:innen. Bitte erstellen Sie sich selbständig eine Kopie falls Sie einen Blog Beitrag zitieren möchten.
Die Kanzlerin der Freien Universität Berlin darf schon lange ihre Amtsgeschäfte nicht mehr führen. Doch das Verfahren um die Personalie läuft noch immer – mit Folgen für alle Beteiligten.
SEIT 15 MONATEN ist die Kanzlerin der Freien Universität (FU) Berlin nicht im Dienst. Doch ganz weg ist sie auch nicht, denn bezahlt wird sie offenbar weiterhin. Der Fall ist schwebend – die ungeklärte Lage belastet alle Beteiligten.
Wie ist es dazu gekommen? Die damalige Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote (Grüne) hatte Ende Februar 2022 verfügt, dass Kanzlerin Andrea Bör, seit 2016 an der FU, "mit sofortiger Wirkung für die kommenden drei Monate" ihre Amtsgeschäfte nicht wahrnehmen dürfe. Vorangegangen war ein jahrelanger Streit mit FU-Präsident Günter M. Ziegler, der im Herbst 2021 eskalierte.
Damals stand die Präsidentschaftswahl im Februar 2022 an. Ziegler wollte eine zweite Amtszeit, was Bör und eine Gruppe von Professoren unbedingt verhindern wollten. Recherchen des Tagesspiegel ergaben, dass Bör an allen Unigremien vorbei eine Personalagentur damit beauftragt hatte, Gegenkandidaten zu finden. Das Manöver führte zu tiefen Verwerfungen an der FU – auch wenn der Auftrag später zurückgezogen wurde. Da war jedoch bereits eine fünfstellige Honorarsumme aus FU-Haushaltsmitteln geflossen.
Akademischer Senat sprach Misstrauen aus
Der Akademische Senat sprach Bör seine Missbilligung und mit knapper Mehrheit sogar das Misstrauen aus, das Verhältnis war auch aus anderen Gründen zerrüttet. Zunächst leitete die Wissenschaftsverwaltung ein Disziplinarverfahren gegen Bör ein. Nach einigem Hin und Her untersagte schließlich Senatorin Gote der Kanzlerin die Ausübung ihrer Amtsgeschäfte. Kurz zuvor war Ziegler deutlich wiedergewählt worden. Spätestens damit war Börs Rückkehr kaum vorstellbar.
Doch rechtlich scheint sich die Sache anders darzustellen. Im Mai 2023 steht auf der FU-Homepage zwar unter Kanzlerin: „Andrea Güttner“. Doch in Klammern heißt es: "mdWdAb", die amtliche Abkürzung für "mit der Wahrnehmung der Geschäfte betraut". Weiter ist zu lesen, Bör nehme ihre "Amtsgeschäfte zurzeit auf Veranlassung der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung nicht wahr".
Das "Zurzeit" dehnt sich
Das "Zurzeit" dehnt sich an der FU immer weiter – und kostet. Die Kanzlerin bezieht offenbar weiter ihr Gehalt, Stufe B5, was knapp 10.000 Euro monatlich entspricht. Noch schlimmer aber ist die Ungewissheit, in der sich die FU-Verwaltung, das Präsidium, aber auch die Kanzlerin selbst befinden. Wie lange wird das so weitergehen?
Zieglers Sprecher Goran Krstin sagt auf Anfrage, das Verbot der Amtsführung, gesetzlich zunächst auf drei Monate begrenzt, sei per Mitteilung der Wissenschaftsverwaltung auch über den 23. Mai 2022 verlängert worden. "Aus Gründen des Persönlichkeits- und Datenschutzes können wir uns zu weiteren Details in dieser Personalangelegenheit nicht äußern", fügt Krstin hinzu. "Sämtliche Verfahren bezüglich der Tätigkeit von Bör" würden durch die zuständige Senatsverwaltung geführt. "Verfahren" wohlgemerkt im Plural. Welche das im Einzelnen sind?
Die Senatsverwaltung teilte am 26. April mit, zur Causa Bör "im Einzelnen keine Auskunft" geben zu können, "da es sich um eine Personaleinzelangelegenheit handelt und das Verfahren noch läuft".
Allerdings befindet sich seit dem 27. April die neue Senatorin Ina Czyborra (SPD) im Amt. Wird sie die Beendigung des Schwebezustands zur Chefinnensache machen? Wissenschaftspolitisch wird die Angelegenheit auch deshalb immer brisanter, weil nach dem Regierungswechsel jetzt kurzfristig die Verhandlungen um die neuen Hochschulverträge abgeschlossen werden müssen. Dabei spielen die Kanzler eine wichtige Rolle, denn es geht um die Finanzierung der Unis. Ein strategisches Handicap kann sich die FU insofern schon jetzt nicht mehr leisten.
Andrea Bör würde sich wohl gern äußern, darf aber nicht. Auf Anfrage verwies sie darauf, dass ihr für eine öffentliche Stellungnahme keine Zustimmung der Senatsverwaltung vorliege.
Die Inhalte der verlinkten Blogs und Blog Beiträge unterliegen in vielen Fällen keiner redaktionellen Kontrolle.
Warnung zur Verfügbarkeit
Eine dauerhafte Verfügbarkeit ist nicht garantiert und liegt vollumfänglich in den Händen der Blogbetreiber:innen. Bitte erstellen Sie sich selbständig eine Kopie falls Sie einen Blog Beitrag zitieren möchten.
Reallabore haben das Potenzial, den Weg zu marktfähigen Innovationen spürbar zu verkürzen. Dafür braucht es aber eine passende gesetzliche Grundlage. Ein Gastbeitrag von Irene Bertschek.
Ein Beispiel aus dem Reallabor: Der autonome Lieferroboter am EfeuCampus Bruchsal. Foto: EfeuCampus.
BIS ZUM 29. SEPTEMBER läuft eine Online-Konsultation zum geplanten Reallabore-Gesetz der Bundesregierung. Doch was sind Reallabore überhaupt?
Ein Beispiel: Im Reallabor Lastmilecitylab wurde in der Stadt Bruchsal ein autonom fahrender Lieferroboter getestet. Eigens erteilte Ausnahmegenehmigungen ermöglichten, was im öffentlichen Verkehr normalerweise nicht möglich ist. Ein weiteres Beispiel ist das Reallabor LANDNETZ, bei dem sechs landwirtschaftliche Betriebe in Sachsen mit mobilen Campusnetzen ausgestattet wurden, um eine 5G-Versorgung sicherzustellen. Voraussetzung dafür sind Versuchsfunklizenzen. Über das Netz lassen sich cloudbasierte Anwendungen erproben und verbessern. Die Landwirte können ihre Daten selbständig und sicher verwalten und untereinander austauschen.
Reallabore ermöglichen also, innovative Lösungen in zeitlich und räumlich begrenztem, aber realem Umfeld zu testen. Insbesondere dann, wenn aktuell gültige Verordnungen und Gesetze den breiten Einsatz solcher Lösungen noch einschränken. Die getestete Innovation lässt sich auf Basis der Praxiserfahrungen verbessern. Gleichzeitig zeigt sich dabei, wie der regulatorische Rahmen angepasst werden sollte, damit sich die Innovation breitflächig einsetzen lässt. Damit stellt das Reallabor ein wichtiges innovationspolitisches Instrument dar, mit dem sich Innovationspotenziale durch rechtliche Flexibilität und regulatives Lernen heben lassen.
Das von der Bundesregierung geplante Reallabore-Gesetz ist der nächste und notwendige Schritt, um einheitliche Rahmenbedingungen für Reallabore zu schaffen und in Zukunft systematischer zu nutzen. Die Vorarbeiten und die Konzeption des Gesetzes wurden maßgeblich vom Bundeswirtschaftsministerium vorangetrieben. Zentrales Element des Gesetzes sollen allgemeingültige Standards sein, die die Zulassung, Durchführung und Evaluation von Reallaboren regeln. Hinzu kommen fachspezifische Experimentierklauseln, um Ausnahmen von fachrechtlichen Vorgaben zu ermöglichen.
Die Bedeutung einer systematische Evaluation
Wesentlicher Bestandteil von Reallaboren sollte ihre systematische Evaluation sein, also die wissenschaftliche Validierung ihrer jeweiligen Wirkungsweise und der notwendigen regulatorischen Anpassungen. Da dies methodisch anspruchsvoll ist, sollte die Evaluation bereits beim Aufsetzen des Reallabors konzipiert und die dafür notwendigen Daten sollten von Anfang an erhoben werden – ein Punkt, auf den auch die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) in ihrem Jahresgutachten 2023 ausdrücklich hinweist. Um Anreize dafür zu setzen, Reallabore in Anspruch zu nehmen, sollten die gewerblichen Schutzrechte der Innovatoren gewahrt bleiben, sprich ihr durch das Reallabor gewonnene Innovationswissen sollte nicht ungewollt an Wettbewerber abfließen.
Ein entscheidender Faktor für den Erfolg von Reallaboren als innovationspolitisches Instrument wird sein, dass sie nach erfolgreicher Evaluation den Weg zu marktfähigen Produkten und Diensten aufzeigen. Was wir sicher nicht brauchen, ist ein Instrument, das zwar eingesetzt wird, über das dann aber kein Transfer in die Anwendung stattfindet.
Damit sind die vier idealtypischen Stufen einer Innovation in einem Reallaborprozess beschrieben: vom Zugang zum Reallabor über die Ausgestaltung der Experimentierklauseln zur Evaluation und regulativen Reflexion – bis hin zum Markzutritt nach Beendigung des Reallabors.
Quelle: acatech (2023).
Einen Flickenteppich verhindern
Die Umsetzung des Reallabore-Gesetzes soll laut Konzept des Bundeswirtschaftsministeriums durch einen "One-Stop-Shop" unterstützt werden, der Innovatoren informiert und bei der Durchführung begleitet. Das wird nur funktionieren, wenn er auf Bundesebene angesiedelt ist. Denn nur so wird verhindert, dass jedes Bundesland sein eigenes Süppchen kocht und ein Flickenteppich an Genehmigungsverfahren und Gesetzesauslegungen entsteht. Vorgesehen ist laut Konzept, dass der One-Stop-Shop durch einen Projektträger oder die Agentur für Sprunginnovationen (SPRIND) übernommen wird.
Eine weitere begleitende Maßnahme ist ein Experimentierklausel-Check, der zukünftig bei jeder Gesetzgebung verbindlich durchgeführt werden soll. Das würde die Durchführung von Reallaboren erleichtern – doch muss bei der Umsetzung darauf geachtet werden, dass die Verabschiedung von Gesetzen nicht unnötig hinausgezögert wird.
Reallabore können von Unternehmen, Forschungsinstitutionen und Kommunen durchgeführt werden. Eine gezielte Informationskampagne sollte insbesondere KMU und Start-ups ansprechen, die sich oftmals schwerer damit tun, den Überblick über mögliche Fördermaßnahmen zu behalten. Für Start-ups, die innovative Lösungen entwickeln und ausprobieren möchten, ist ein entsprechendes Handlungsfeld in der Start-up-Strategie der Bundesregierung angelegt.
Reallabore sind bislang auf digitale Innovationen fokussiert, insbesondere, weil sich die Regulatorik in diesem Bereich noch im Entwicklungs- oder Anpassungsprozess befindet. Grundsätzlich sollte der Zugang zu Reallaboren aber themenoffen sein.
Mit der Verabschiedung des Reallabore-Gesetzes wäre Deutschland anschlussfähig an die europäische Regulatorik. So ist beispielsweise geplant, den Einsatz von Reallaboren im kommenden AI Act zu verankern, um KI-basierte Innovationen zu erproben, bevor sie in die breite Anwendung kommen. Wenn Deutschland also auf dem wichtigen Gebiet der Künstlichen Intelligenz mithalten will, ist auch hierfür die zügige Verabschiedung und Umsetzung des Reallabore-Gesetzes ratsam.
Bis zum 29. September besteht noch die Möglichkeit, sich dabei konstruktiv über die Online-Konsultation einzubringen.
Irene Bertschek ist Professorin für Ökonomie der Digitalisierung an der Universität Gießen und leitet den Forschungsbereich "Digitale Ökonomie" am ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Sie ist Mitglied der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) und des Zukunftsrat der Bundeskanzlers.
Die Inhalte der verlinkten Blogs und Blog Beiträge unterliegen in vielen Fällen keiner redaktionellen Kontrolle.
Warnung zur Verfügbarkeit
Eine dauerhafte Verfügbarkeit ist nicht garantiert und liegt vollumfänglich in den Händen der Blogbetreiber:innen. Bitte erstellen Sie sich selbständig eine Kopie falls Sie einen Blog Beitrag zitieren möchten.
Fachgesellschaften und Wissenschaftler aus aller Welt schreiben Protestbriefe an die Max-Planck-Gesellschaft, nachdem diese sich von dem australischen Ethnologen getrennt hatte.
NACH ANTISEMITISMUS-VORWÜRFEN hatte sich die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) Anfang Februar von dem australischen Gastprofessor Ghassan Hage getrennt, laut MPG-Pressemitteilung im Einvernehmen. Seitdem ist es ruhiger geworden um Hage, zumindest in den deutschen Medien. In der internationalen Wissenschaftsszene verursacht der Fall dagegen weiter Aufregung. Zahlreiche Unterstützungsbekundungen für Hage in den vergangenen Wochen zeigen eine Dimension der internationalen Debatte über Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit, die im deutschen Kontext gelegentlich weniger wahrgenommen wird.
So hat die Provost der Universität von Melbourne, Hages Heimathochschule, dem forschungsstarken Ethnologen gerade erst in einem Schreiben an seine gesamte Fakultät der universitären Rückendeckung versichert. "Akademische Freiheit ist grundlegend für unsere Werte und Regeln", schrieb Nicola Phillips. "So, wie wir sie in der Vergangenheit aktiv verteidigt haben unter anderen Umständen, so tun wir es jetzt wieder in diesem Fall." Hage sei ein respektierter Kollege und Gelehrter mit internationaler Reputation.
Phillips‘ Schreiben ist auch deshalb bemerkenswert, weil die Max-Planck-Gesellschaft die Beendigung von Hages Aufenthalt am Max-Planck-Institut in Halle ebenfalls mit Verweis auf die "Grundwerte der MPG" begründet hatte, mit denen viele der "von Ghassan Hage in jüngerer Zeit über soziale Medien verbreiteten Ansichten" unvereinbar seien.
Unter anderem hatte der in Beirut geborene Wissenschaftler Israel als "sich überlegen fühlender Schläger" bezeichnet, dessen Ende als jüdischer Staat prognostiziert und laut WELT am Sonntag in einem inzwischen gelöschten Post geschrieben, "die Zionisten mit ihrer Siedlergewalt" würden zu "den wilden Bestien des Westens". Laut Zeitstempel noch am Tag des Hamas-Überfalls auf Israel schrieb Hage in seinem Blog ein Gedicht, das in der Feststellung kulminierte: "Die Palästinenser, wie alle kolonisierten Völker, beweisen noch immer, dass ihre Fähigkeit zum Widerstand endlos ist. Sie graben nicht nur Tunnel. Sie können über Mauern fliegen."
Die Erklärung der Max-Planck-Gesellschaft
Der inzwischen nach Australien zurückgekehrte Forscher bestritt, während er in Deutschland war, ein Antisemit zu sein, und betonte auf "X", die Autoren, von denen er am meisten gelernt habe, seien fast alle Juden gewesen. "Und hier lebe ich nun inmitten der Kulturen, die den Judenhass, das Verbrennen jüdischer Bücher und Geschäfte, das Einsperren von Juden in Konzentrationslager und deren massenhafte Ermordung zu einer makabren Kunstform erhöht haben, und muss mir moralische Vorträge anhören, wie man sich nicht antisemitisch verhält."
Nachdem zuerst die WELT am Sonntag über Hages Posts berichtet hatte, geriet die MPG zunehmend unter Druck. Nach tagelangem Schweigen veröffentlichte die MPG schließlich eine Mitteilung, in der sie den Abschied von Hage verkündete. "Rassismus, Islamophobie, Antisemitismus, Diskriminierung, Hass und Hetze haben in der Max-Planck-Gesellschaft keinen Platz."
Derweil hat eine vor drei Wochen gestartete Online-Petition zu Hages Unterstützung inzwischen über 3.500 Unterzeichner gefunden, viele davon aus englischsprachigen Ländern und nicht wenige, die nach eigenen Angaben Juden und sogar Verwandte von Holocaust-Überlebenden sind.
Briefe von Fachgesellschaften und Wissenschaftlern aus aller Welt
Fachgesellschaften und Wissenschaftler aus aller Welt haben sich in öffentlichen Briefen an MPG-Präsident Patrick Cramer gegen Hages "Entlassung" bzw. deren Begründung gewandt, darunter die Australische Anthropologischen Gesellschaft, die Britische Gesellschaft für Nahost-Studien und die Europäische Gesellschaft für Sozialantrophologie.
Auch der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Sozial- und Kulturanthropologie sprang Hage in einer Erklärung zur Seite und betonte die "unbedingte Notwendigkeit, Antisemitismus, Rassismus, und Islamophobie in Deutschland und weltweit zu bekämpfen". Dies lasse sich jedoch nicht durch "die Überwachung von Wissenschaftler:innen, ihrer wissenschaftlichen Arbeit und ihrer persönlichen Stellungnahmen erreichen". Auseinandersetzungen um den Israel-/Palästina-Konflikt ließen sich nicht ausschließlich mit den Mitteln der Antisemitismustheorie oder -kritik einordnen.
Über 50 israelisch-jüdische Wissenschaftler von Wissenschaftseinrichtungen in aller Welt, auch einige, die an deutschen Hochschulen und Forschungsinstituten arbeiten, schrieben ebenfalls an Cramer "in Unterstützung" Hages und "in Protest gegen die Anschuldigungen gegen ihn". Es sei bekannt, dass Hage ein Unterstützer des Boykotts israelischer akademischer Institutionen und Teil der BDS sei. "Obwohl viele von uns nicht einverstanden sind mit den Methoden dieser Bewegung, erkennen wir an, dass sie nicht die Diskriminierung individueller Juden oder Israelis vorgibt, und wir können versichern, dass Professor Hage auch nicht diese Form der Diskriminierung praktiziert."
Mehrere israelisch-jüdische Wissenschaftler hätten das "Privileg des Austausches und der Debatte" mit ihm gehabt, "und uns ist immer mit Respekt, Freundlichkeit und einer professionellen Antwort begegnet worden." Weiter schrieben die Unterzeichner an MPG-Präsident Cramer: Inmitten einer Zeit der Polarisierung, des tiefen Misstrauens, nationalistischer Radikalisierung und der Verfolgung kritischer Stimmen "appellieren wir an Sie, sich nicht auf das brutale Mundtotmachen kritischer Stimmen einzulassen und die akademischen Werte unvoreingenommener Evaluation und des fairen Umgangs aufrechtzuerhalten".
MPG-Präsident Cramer will die Diskussion in den Max-Planck-Sektionen abwarten
Die Liste an Stellungnahmen zugunsten Hages ließe sich fortsetzen, er selbst hat sie auf seinem X-Account dokumentiert. Nicht weniger lang ist – vor allem in Deutschland – die Liste seiner Kritiker und all derjenigen, die eine weitere Aufklärung von der MPG fordern, etwa seit wann sie von Hages Äußerungen gewusst habe und warum sie nicht früher eingeschritten sei. In jedem Fall aber zeigen die internationalen Wortmeldungen zu seiner Unterstützung, warum die international so stark vernetzte MPG sich so schwertut, einen kommunikativ geradlinigen Umgang mit Fällen wie dem Hages zu finden.
Entsprechend hat die MPG auch auf alle Briefe und Erklärungen zur Unterstützung Hages bislang nicht reagiert. Auf Anfrage sagte eine Sprecherin, Präsident Cramer werde erst die Diskussion in den Fächer-Sektionen der Forschungsgesellschaft in der neuen Woche abwarten "und dann entscheiden, wie wir antworten". Unterdessen kündigte Hage vor dem Wochenende an, gerichtlich gegen die MPG vorgehen zu wollen, "hier geht es um viel mehr als mich“.
Dieser Beitrag erschien heute leicht gekürzt zuerst im Newsletter ZEITWissen3.
Kostenfreien Newsletter abonnieren
In eigener Sache: Bitte die Unterstützung dieses Blogs nicht vergessen
Mehr lesen...
Antisemitismus-Streit in Halle: Max-Planck-Gesellschaft trennt sich von Gastprofessor Ghassan Hage
Nach mutmaßlich antisemitischen Äußerungen eines Wissenschaftlers geriet die Max-Planck-Gesellschaft seit dem Wochenende unter Druck, klar Stellung zu beziehen. Der Forscher selbst betonte, er sei kein Antisemit. Jetzt reagiert die Forschungsorganisation. (07. Februar 2024) >>>
Hinweis: Bitte bewahren Sie beim Kommentieren einen sachlichen Ton, unterlassen Sie persönliche Angriffe und beachten Sie, dass dieser Beitrag nur mit Klarnamen kommentiert werden kann.
Die Inhalte der verlinkten Blogs und Blog Beiträge unterliegen in vielen Fällen keiner redaktionellen Kontrolle.
Warnung zur Verfügbarkeit
Eine dauerhafte Verfügbarkeit ist nicht garantiert und liegt vollumfänglich in den Händen der Blogbetreiber:innen. Bitte erstellen Sie sich selbständig eine Kopie falls Sie einen Blog Beitrag zitieren möchten.
Die knappen Unterschiede in den Umfragewerten zwischen der regierenden PiS-Partei (Prawo i Sprawiedliwość, Recht und Gerechtigkeit) und der Opposition vor den polnischen Parlamentswahlen am 15. Oktober veranlasst die beiden Lager zum Kampf um jede Stimme. Eine zahlreiche Gruppe der Wählerschaft bilden die Frauen – die Wahlbeteiligung der Polinnen war bei den letzten Präsidentschaftswahlen beinah um 7 Prozentpunkte höher als die der Männer. Die Fähigkeit ihre Kräfte zu mobilisieren, hat sich bei den seit 2016 immer wieder organisierten Protesten deutlich gezeigt. Auch deswegen kämpft jede Seite des politischen Spektrums in Polen um das weibliche Elektorat, in dem sie aufzeigen, was für Frauen ihrerseits getan wurde bzw. wird. Die Maßnahmen und Versprechen sind unterschiedlich und wirken sich dementsprechend unterschiedlich auf die Wahlstimmung der Frauen aus.Wie entscheiden sich die Polinnen?Abbildung 1: Wie wollen die Polinnen wählen?Quelle: Sondaż Ipsos (CATI) dla OKO.press i TOK FOM 19-22.06.2023: https://oko.press/polki-sa-zupelnie-inne-niz-polacy Stand: 18.07.2023 Abbildung 2: Die Stimmen der Polinnen zwischen 18 und 39 Jahren. Quelle: Sondaż Ipsos (CATI) dla OKO.press i TOK FOM 19-22.06.2023: https://oko.press/polki-sa-zupelnie-inne-niz-polacy Stand: 18.07.2023 (Abbildung 1) Rund 37 % aller befragten Frauen würden bei der bevorstehenden Wahl die Koalicja Obywatelska (KO, Bürgerkoalition) bevorzugen. An zweiter Stelle, mit 29 % der Stimmen, steht für die Polinnen die aktuell regierende PiS-Partei. Für die Koalition von Polskie Stronnictwo Ludowe (PSL, Polnische Volkspartei) und Polska 2050 (Polen 2050) sowie die Konfederacja (Konföderation) würden sich hingegen jeweils 7 % aller Befragten entschieden. Die Untersützung für Lewica (Linke) liegt bei 10 % und Agrounia (dessen Spitzenkandiat Michał Kołodziejczak nun auf den Listen der KO kandidiert, wie kürzlich verkündet) liegt weit außerhalb des Interesses der Polinnen mit nur 1 % der Stimmen.Ein wenig anders gestaltet sich die Situation, wenn man die altersbedingten Unterschiede in die Analyse miteinbezieht und auf die jüngeren Wähler zwischen 18 und 39 Jahren blickt (Abbildung 2). Während die Unterstützung für die KO bei stabilen 38 % liegt, würden nur 7 % der Befragten im Alter zwischen 18 und 39 Jahren für die PiS stimmen. Einen Anstieg der Stimmen um rund 11 Prozentpunkte könnte die Konfederacja und um 7 Prozentpunkte die Lewica verzeichnen. Für die Koalition PSL/Polska 2050 würden sich 2 % weniger Frauen entschieden und Agrounia bliebe bei einprozentiger Unterstüzung. In dieser Altersgruppe lässt sich aber ein eindeutiger Anstieg der Zahl der Unentschiedenen beobachten – rund 13 % der Polinen zwischen 18 und 39 wüssten nicht, für wen sie stimmen würden. Die Parteien und FrauenPiS-Chef Jarosław Kaczyński betonte kürzlich in einem Interview, wie viel in der Amtszeit seiner Regierung für die Frauen getan wurde: die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen seien geringer geworden, es gebe einen besseren Schutz für die Opfer von häuslicher Gewalt, und Frauen, die bereits Mütter sind oder es werden wollen, würden besser unterstützt. Die Meinung des Parteichefs und seines Lagers ist eindeutig: Die Lage der Frauen ist besser geworden. Einer anderen Auffassung sind jedoch die Frauen selbst. Die Stimmen eines Teils des weiblichen Elektorats verlor die PiS aufgrund der Verschärfung des Abtreibungsrechts im Jahr 2020. Das Urteil des polnischen Verfassungsgerichts, wonach ein Schwangerschaftsabbruch im Fall einer unheilbaren Krankheit des Fötus verboten wurde, mobilisierte die Polinnen zu massenhaften Protesten – bekannt als Czarny Protest (Schwarzer Protest). Die Prüfung des Gesetzes auf Verfassungsmäßigkeit geschah auf Initiative der PiS und mit Unterstützung der wertkonservativen und rechtsextremen Konfederacja. Auch die Äußerungen von PiS-Chef Kaczyński über den Zusammenhang zwischen dem Alkoholkonsum junger Frauen und dem Phänomen der Kinderlosigkeit erzeugten ein breites Echo und Fassungslosigkeit in der öffentlichen Debatte. So würden sich die jungen Wählerinnen zwischen 18 und 39 Jahren nicht für diese Partei entscheiden. In diesem Fall hilft auch nicht die Erhöhung des Beitrags des Kindergelds von 500 auf 800 Zloty pro Monat, insbesondere da die Erhöhung gerade einmal die Inflation ausgleicht. Nun steht bei den Frauen an erster Stelle ihre Gesundheit, die sie durch das Urteil von 2020 gefährdet sehen. Es häufen sich Fälle, bei denen der Abbruch der Schwangerschaft so lange hinausgezögert wurde, dass es für die Schwangere tödliche Folgen hatte. Die Opposition sieht die Ursache hierfür hauptsächlich in der Angst der zögernden Ärzte und Ärztinnen, die für vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft rechtlich belangt werden könnten. Die Regierung weist als Gegenargument auf die Notwendigkeit, jeden dieser Fälle individuell untersuchen zu müssen.Nicht alle Parteien versuchen jedoch die Polinnen mit liberalen Lösungen zu überzeugen: die bereits erwähnte Konfederacja bleibt in ihrer Rhetorik noch konservativer als PiS. In den Führungskreisen und auf den Wahllisten der Partei finden sich nur wenige Frauen – bis auf eine Ausnahme in Person Anna Bryłkas kandidiert keine andere Frau von einem ersten Listenplatz. Die Äußerungen der Parteimitglieder über die weibliche Psyche, die Legitimität des Wahlrechts für Frauen oder die Aussagen zu noch restriktiveren Verschärfungen des Abtreibungsgesetzes können als frauenfeindlich und abwertend bezeichnet werden. Deswegen können die Ergebnisse der letzten Umfrage verwundern: Immerhin 18 % der jungen Polinnen der Altersgruppe 18 bis 39 würden der Partei ihre Stimme geben. Bis vor Kurzem noch galt das Elektorat der Konfederacja zwar als "jung", aber hauptsächlich "männlich". Woher kommt also diese Wandlung? Die Gruppierung hat es geschafft, in der öffentlichen Debatte durchaus präsent zu werden und das Gefühl zu vermitteln, neu und gegen alle etablierten Parteien zu sein. So bietet sie manchen Wählerinnen eine Alternative zu dem eingefahrenen Duopol von PiS und PO. Mit zugänglichen Slogans und einem modernen Auftritt wirkt die Partei ansprechend für diejenigen, die einerseits gegen das bestehende System sind, andererseits für die, die die traditionalistischen Werte vertreten.Durch die konservative Rhetorik des rechten Flügels ist die Thematik rund um die Frauenrechte zu einem wichtigen Gegenstand der politischen Machtspiele geworden und dies ist auch den anderen Akteuren durchaus bewusst.Doch auch die Opposition weiß um die weibliche Wählerschaft zu kämpfen. Bereits im Mai verkündeten KO-Vertreterinnen die frauenbezogene Postulate ihrer Partei. Die wichtigsten Punkte lassen sich folgend zusammenfassen: Liberalisierung des Abtreibungsgesetzes (Donald Tusk, der KO-Chef, betonte sogar, dass für Gegner dieser Idee kein Platz auf seinen Wahllisten gebe), Aufklärungsarbeit, vereinfachter Zugang zu Verhütungsmitteln und die Bekämpfung häuslicher Gewalt. Dabei hat die KO nicht vergessen, was viele immer noch anspricht – die Sozialleistungen. Eine neue Idee der Partei wurde babciowe genannt (dt. Oma-Programm) – unter dem kryptischen Namenversteckt sich eine monatliche Hilfe in Höhe von 1500 Złoty für alle Mütter, die in das Berufsleben zurückkehren und ihre Kinder in die Kita (der Zugang im ländlichen Raum soll vereinfacht werden) schicken oder in der Obhut der Oma lassen möchten. Darüber hinaus versprach die Partei in dem kürzlich beim Parteitag in Tarnów vorgestellten Programm "100 konkretów na 100 dni" (100 Punkte für 100 Tage) eine bessere Vorsorge rund um die Schwangerschaft und die Gesundheit der Frauen sowie eine Steuerermäßigung in der breit verstandenen Beauty-Branche, inder vorwiegend Frauen tätig sind. Außerdem achtete die Koalition auf eine gerechte Aufteilung (48% der Frauen und 52% der Männer) der Listenplätze. Das bedeutet, dass in 17 Wahlkreisen der erste Listenplatz mit einer weiblichen Kandidatin besetzt ist.Eine paritätische Vertretung der Frauen und der Männer sichert ebenfalls die Lewica. Diese hat bereits im Juni auf einer Konferenz in Warschau ihr Programm "Bezpieczna Polka" (dt. sichere Polin) vorgestellt. Zu den Forderungen gehören: Kostenloser Zugang zu In-vitro-Befruchtung; Legalisierung der Abtreibung bis zur 12. Schwangerschaftswoche; Kostenerstattung für Verhüttungsmittel; Frauenquote in der polnischen Regierung; Ausgleich des Gender Pay Gaps und zwei zusätzliche arbeitsfreie Tage im Monat aufgrund der Menstruation. Hinzu kommen die Wiedereinführung des Unterhaltsfonds, damit Frauen sich im Fall der Zahlungsweigerung des Vaters auf diese Mittel verlassen können und die Abschaffung der Gehaltskürzung im Fall von Krankheit (der eigenen oder aber auch des Kindes). Wieso gilt Lewica also erst als die dritte Kraft unter den Frauen? Es fehlt an dem Glauben an einen möglichen Wahlerfolg. So entscheidet man sich häufiger für den "sicheren Weg", der zwar vielleicht einige Kompromisse abverlangt, jedoch eine höhere Erfolgsquote gegen die regierende Partei verspricht.Unabhängig des Alters befindet sich die Koalition der PSL und Polska 2050, sowie Agrounia innerhalb des weiblichen Elektorats unter der 5% (für Parteien) bzw. 8%-Hürde (für Wahlbündnisse) und würden somit, den Frauen nach, den Einzug ins Parlament verfehlen. FazitEs lässt sich kein eindeutiges Verhaltensmuster bei den polnischen Wählerinnen festhalten. Die Tendenzen sind zwar auf den ersten Blick oppositionell, die bedeutendste Phase des Wahlkampfs steht aber noch bevor. Außerdem müssten die jungen Wählerinnen erst einmal mobilisiert werden, an den Wahlen tatsächlich teilzunehmen – schließlich liegt ein tiefer Graben zwischen einer theoretischen und faktischen Stimmabgabe. Wird die PiS noch von sich überzeugen können oder schafft die Opposition die Polinnen für sich zu gewinnen? Entscheidend wird hierfür die Stimmung der letzten Wochen sein
Die Inhalte der verlinkten Blogs und Blog Beiträge unterliegen in vielen Fällen keiner redaktionellen Kontrolle.
Warnung zur Verfügbarkeit
Eine dauerhafte Verfügbarkeit ist nicht garantiert und liegt vollumfänglich in den Händen der Blogbetreiber:innen. Bitte erstellen Sie sich selbständig eine Kopie falls Sie einen Blog Beitrag zitieren möchten.
(Dieser Text erscheint in Zusammenarbeit mit Dialog Forum, wo er zeitgleich auf Deutsch und Polnisch veröffentlicht wird.)Viele Staaten Europas begehen den 8. oder 9. Mai als Feiertag für Kriegsende und Sieg über NS-Deutschland. Das ist auch in Polen so, doch kommt diesem Datum hier eine wesentlich geringere Bedeutung zu, auch weil der "Siegestag" bis heute ein Datum ist, an dem sich in Polen die Geister scheiden und der irgendwie im Schatten der sowjetischen Geschichte steht. Daran wird sich auch 2020, zu seiner 75. Wiederkehr, nichts ändern.Ein Blick in die Geschichte des FeiertagsDer 9. Mai wurde durch ein von Bolesław Bierut unterzeichnetes Dekret des Landesnationalrats vom 8. Mai 1945 eingeführt, womit Polen einer Weisung aus Moskau folgte, das den 9. Mai im gesamten Ostblock zum Siegestag erklärte. In dem Dekret hieß es: "Um für alle Zeiten des Siegs der Polnischen Nation und Ihrer Großen Verbündeten über den germanischen Aggressor, der Demokratie über Hitlerismus und Faschismus, der Freiheit und Gerechtigkeit über Unfreiheit und Gewalt zu gedenken, wird der 9. Mai als Tag der Beendigung der Kriegshandlungen der Nationalfeiertag für Sieg und Freiheit sein."[1] Eine große Kundgebung in Warschau, ein Umzug und verschiedene Festveranstaltungen füllten den Tag.[2] Im Jahr darauf fand zusätzlich eine große Militärparade statt (hier die polnische Wochenschau von damals: https://www.youtube.com/watch?v=oFO_ccx2tQk), und auch in vielen anderen Städten gab es Aufmärsche und Paraden, aber schon 1947 verzichtete man auf größere Kundgebungen.[3] Dennoch blieb der 9. Mai ein wichtiger Tag im Gedenkkalender, zusätzlich auch als "Tag des Kriegsveteranen" (Dzień Kombatanta). Bis zum Ende der kommunistischen Zeit wurde der 9. Mai nun vor allem als ein Tag begangen, an dem bei diversen Veranstaltungen, etwa in Schulen oder Militäreinheiten, an die Verbundenheit mit der Sowjetunion und der Roten Armee erinnert wurde, vor allem zu runden Jahrestagen (hier sieht man zum Beispiel, wie es bei der Feier 1975 in der Kleinstadt Przasnysz zuging: https://www.youtube.com/watch?v=sgQsv6AjKYw). Briefmarken oder Plakate gehörten zu den beliebtesten Formen des Gedenkens. Doch auch in der Volksrepublik Polen war das bei weitem wichtigere "Siegesdatum" der 22. Juli, jener Tag, an dem im Jahre 1944 das Manifest des Komitees der Nationalen Befreiung und damit der Beginn einer neuen – Moskau-hörigen – polnischen Staatlichkeit verkündet wurde; dieser Tag war bis 1990 Nationalfeiertag. In den 1980er Jahren lebten die Gedenkrituale kurzzeitig noch einmal stärker auf, etwa mit einer mehrmals vollzogenen feierlichen Wachablösung vor dem Grabmal des Unbekannten Soldaten in Warschau (hier ein Bericht des polnischen Fernsehens von 1986: https://www.youtube.com/watch?v=jcSMyAOCW3Y).Zu dieser Zeit war jedoch schon längst eine Debatte im Gange, welche Rolle dem "Sieg" von 1945 in der polnischen Geschichte überhaupt zukam: War es die Befreiung vom NS-Terror (die polnischen Gebiete waren am 9. Mai 1945 allerdings längst schon fast vollständig befreit) oder nur der Beginn einer neuen Unterjochung? Auch hatte die Opposition längst den 3. Mai als inoffiziellen "Feiertag des Sieges" entdeckt, den Tag, an dem 1791 die polnische Verfassung verkündet worden war und die polnische Demokratie vermeintlich gesiegt hatte, während der 9. Mai eigentlich nur noch als sowjetischer Feiertag angesehen wurde.Die Debatte um die Rolle des 8./9. Mai setzte sich in den 1990er Jahren fort. So wurde 1995 darum gestritten, wie Polen dieses Datum erinnern sollte – Staatspräsident Lech Wałęsa kritisierte damals Ministerpräsident Józef Oleksy von der postkommunistischen Linken vehement dafür, zu den Feierlichkeiten nach Moskau zu fahren. Auch als Präsident Aleksander Kwaśniewski 2005 zur feierlichen Parade nach Moskau reiste, hagelte es Protest. Angesichts der immer bombastischeren Inszenierung des 9. Mai durch die russische Regierung blieb der Tag ein zunehmend problematischer Teil des offiziellen polnischen Gedenkkalenders. In Warschau fand er meist unter Ausschluss einer größeren Öffentlichkeit auf dem Sowjetischen Soldatenfriedhof statt, immerhin unter Beteiligung von Repräsentationseinheiten des polnischen Militärs sowie Vertretern der sowjetischen Nachfolgestaaten (hier ein Videobericht von 2009: https://www.youtube.com/watch?v=q5564jjpSbs).Sejm-Debatten und ein neues Datum2014 schließlich begann, angestoßen vom Institut für Nationales Gedenken, eine neue Debatte über den 9. Mai, die sich rasch in den Sejm verlagerte. Im Herbst 2014 beantragte die damals oppositionelle Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) im Sejm die Aufhebung des formal immer noch bestehenden "Nationalfeiertags für Sieg und Freiheit". Das Demokratische Linksbündnis (SLD) wiederum sprach sich dafür aus, den Feiertag als "Nationalen Siegestag" auf den 8. Mai zu verlegen, weil an diesem Tag ganz Westeuropa den Sieg begehe. Der PiS-Abgeordnete Bartosz Kownacki gab jedoch zu bedenken: "Schon damals saßen zehntausende Soldaten der Heimatarmee, unschuldige Menschen, in den Gefängnissen des kommunistischen Sicherheitsdienstes UB. Auch daran müssen wir erinnern." Das Projekt wurde an den Gesetzgebungsausschuss überwiesen.[4]In diesem Ausschuss setzte sich die Diskussion fort. So erklärte etwa der PiS-Abgeordnete Stanisław Pięta: "Dieses Gesetz hat einfach keinen Sinn, da es nie irgendeinen Sieg gegeben hat. Wir müssen die Geschichte vom Standpunkt unserer Interessen interpretieren. Dass ein Barbar einen anderen Barbaren bezwungen hat, ist für die Polen kein Grund zum Feiern, da das für uns [nur] ein Wechsel der Besatzung war. Dieser Feiertag sollte weder am 9. noch am 8. Mai begangen werden."[5] Diese Auffassung konnte sich jedoch nicht durchsetzen, schließlich galt auch, was Stefan Niesiołowski von der damals noch regierenden Bürgerplattform (PO) in der Sejm-Sitzung vom 24. April 2015 sagte: "Die Behauptung, dass das kein Sieg war, ist eine Fälschung der Geschichte. Das war doch ein großer Sieg. Die polnischen Soldaten, die Flieger in England, die Heimatarmee, Monte Cassino, Lenino? Waren das keine heldenhaften Taten polnischer Soldaten?" Dagegen konnte die PiS nichts einwenden, sie sträubte sich nur noch gegen das Wort "National" im Namen des Feiertags, da die Nation ja unter Stalin gelitten habe, und setzte im Wortlaut des Gesetzes durch, dass explizit an den Sieg "über NS-Deutschland" erinnert wurde. Der Sejm nahm das Gesetz schließlich bei fünf Gegenstimmen und 14 Enthaltungen mit großer Mehrheit an.[6]Der "Nationale Siegestag" wurde daraufhin am 8. Mai 2015 in Warschau unter Beteiligung der polnischen Armee und zahlreicher Honoratioren, aber offensichtlich ohne größeres Publikum begangen (hier ein Videobericht: https://www.youtube.com/watch?v=zuR-67vkyQQ). Er gehört heute – wie auch schon in der Vergangenheit – eher zum Gedenkritual kleinerer Städte, wo die Feierlichkeiten meistens von den Stadtverwaltungen organisiert werden, teils auch zusammen mit vor Ort stationierten polnischen Militäreinheiten, allerdings bei meist geringem Interesse der Öffentlichkeit (hier der Verlauf der Feierlichkeiten 2017 in Allenstein/Olsztyn: https://www.youtube.com/watch?v=3GdZrKSZFMs). Die Regierung in Warschau unternimmt derzeit nichts, um den Feiertag auf zentraler Ebene öffentlich sichtbar zu würdigen.Gegen die Popularität des Feiertags spricht auch der Kalender: Am 1. Mai begeht Polen den Tag der Arbeit sowie Polens Beitritt zur Europäischen Union, am 3. Mai ist Nationalfeiertag und am 9. Mai der Europatag, der in Warschau mehrmals mit einer großen Schumann-Parade begangen wurde. Während 1. und 3. Mai (sowie der 11. November) arbeitsfrei sind, ist es der 8. Mai nicht. Und so wird der "Siegestag" auch im Jahr 2020 ohne größeres Aufheben vergehen, nicht nur wegen der Corona-Krise. Die zwölf polnischen staatlichen Feiertage und GedenktageÜber den tatsächlichen Status dieser Feiertage und Gedenktage herrscht allerdings juristisch Unklarheit , etwa was die Notwendigkeit betrifft, aus diesem Anlass zu beflaggen (in Klammern Datum der Ausrufung): 19.2. – Tag der Polnischen Wissenschaft (2020)1.3. – Nationaler Gedenktag an die "Verfemten Soldaten" (2011)24.3. – Nationaler Gedenktag an die polnischen Judenretter unter deutscher Besatzung (2018)14.4. – Feiertag der Taufe Polens (2019)1.5. – Tag der Arbeit (1950) – arbeitsfrei 3.5. – Nationalfeiertag des Dritten Mai (1919, 1990) – arbeitsfrei8.5. – Nationaler Siegestag (2015)12.7. – Tag des Kampes und des Martyriums des Polnischen Dorfes (2017)1.8. – Nationaler Gedenktag an den Warschauer Aufstand (2009)31.8. – Tag der Solidarität und der Freiheit (2005)19.10. – Nationaler Gedenktag für die Unbeugsamen Geistlichen (2018)11.11. – Nationaler Unabhängigkeitstag (1937, 1989) – arbeitsfrei Daneben gibt es mehr als 30 vom Sejm ausgerufene Gedenk- und Feiertage von geringerem Rang, die jedoch teils aufwändig gefeiert werden, wie zum Beispiel der Tag der Polnischen Armee am 15.8., der auf einen arbeitsfreien religiösen Feiertag fällt (Mariä Himmelfahrt). LiteraturMarek Henzler: Jak Moskwa narzuciła nam 9 maja jako Dzień Zwycięstwa i jak świętowaliśmy ten dzień tuż po wojnie. In: Polityka vom 9.5.2015.Izabella Main: Political Rituals and Symbols in Poland, 1944-2002. A Research Report. Leipzig 2003.Krzysztof Pilawski: Kalendarz Polski. Przewodnik po świętach. Warszawa 2010.https://pl.wikipedia.org/wiki/Święta_państwowe_w_Polsce [1] Wortlaut des Dekrets in: http://prawo.sejm.gov.pl/isap.nsf/download.xsp/WDU19450210116/O/D19450116.pdf
[2] Vgl. die Berichterstattung in Życie Warszawy, 10.5.1945 (Nr. 128).
[3] Życie Warszawy, 10.5.1946 (Nr. 128), 10.5.1947 (Nr. 127).
[4] Vgl. das Protokoll der Sitzung vom 24.9.2014, http://orka2.sejm.gov.pl/StenoInter7.nsf/0/09BD4F5A43C886D7C1257D71002F16B0/%24File/75_ksiazka_a_bis.pdf
[5] Vgl. das Protokoll der Ausschusssitzung vom 3.12.2014, http://www.sejm.gov.pl/Sejm7.nsf/biuletyn.xsp?documentId=9297DC0C93E7FD61C1257DAB00514DA0
[6] Vgl. das Protokoll der Sitzung vom 24.4.2015, http://orka2.sejm.gov.pl/StenoInter7.nsf/0/365F18A54554C470C1257E3100657C3F/%24File/91_c_ksiazka_bis.pdf; Wortlaut des Gesetzes: http://prawo.sejm.gov.pl/isap.nsf/download.xsp/WDU20150000622/O/D20150622.pdf
Die Inhalte der verlinkten Blogs und Blog Beiträge unterliegen in vielen Fällen keiner redaktionellen Kontrolle.
Warnung zur Verfügbarkeit
Eine dauerhafte Verfügbarkeit ist nicht garantiert und liegt vollumfänglich in den Händen der Blogbetreiber:innen. Bitte erstellen Sie sich selbständig eine Kopie falls Sie einen Blog Beitrag zitieren möchten.
Am Freitag, dem 28.04.2023, hat eine von der Organisation "Junge Europäer – JEF Baden-Württemberg" und der Stadt Sindelfingen organisierte Veranstaltung unter dem Titel "EU-Außenpolitik in Krisenzeiten: Diskutiere mit!" im Rathaus der Stadt Sindelfingen stattgefunden. Die "Jungen Europäer" als Jugendorganisation mit Mitgliedern im Alter von 14-35 Jahren sind ein überparteilicher, überkonfessioneller und proeuropäischer Verband und setzen sich laut ihrer Homepage für ein demokratisches, bürgernahes und föderales Europa ein.Den Auftakt der Veranstaltung leistete Dr. Martin Große Hüttmann von der Universität Tübingen mit einem Impulsvortrag. Die anschließende Diskussion mit Fragerunde wurde von zwei Workshops gefolgt: Dr. Ragnar Müller mit dem Titel "EU-Außenpolitik am Beispiel des Westbalkans" sowie der von Dr. Martin Große Hüttmann angebotene Workshop "EU-Außenpolitik am Beispiel der Ukraine". Im Folgenden werden der Impulsvortrag und die zwei Workshops sowie die daraus resultierenden Erkenntnisse zusammengefasst.Martin Große Hüttmann zitierte Henry Kissinger aus den 70er Jahren ("Wen rufe ich an, wenn ich mit Europa sprechen will") zu Beginn seines Vortrags und präzisierte, dass einem bei einem heutigen Anruf der EU der Anrufbeantworter 27 Meinungen – von jedem Mitgliedstaat jeweils die Meinung – vorschlägt, und man sich für eine entscheiden muss. Das Wort "Krise" definiert Große Hüttmann als "wenn etwas Spitz auf Knopf steht" und macht deutlich, dass man in der EU zuerst von einer "Krise", später "Polykrise" und mittlerweile von einer "Permakrise" hinsichtlich der EU spricht; das Wort "Krise" allein wird inzwischen fast inflationär verwendet.Auf die Außenpolitik der Europäischen Union bezogen, stellt Große Hüttmann drei "I" vor: Ideen, Interessen und Instrumente. Erst, wenn es eine sinnvolle Schnittmenge zwischen ihnen gibt, kann so etwas wie Außenpolitik in der EU überhaupt erst entstehen.Hinter "Ideen" stecken die Begriffe Ideen und Leitbilder, als Beispiele werden "europäische Souveränität", "strategische Autonomie" oder Resilienz genannt sowie die Mahnung, die Sprache der Macht zu sprechen."Interessen" stellen Sicherheit und Unabhängigkeit, Frieden, Sicherheit und Wohlfahrt weltweit, Umwelt und Nachhaltigkeit sowie eine regelbasierte Weltordnung dar.Das dritte "I" der "Instrumente" ist bezogen auf soft power statt hard power, den EU-Haushalt sowie die Institutionen der EU.Große Hüttmann betont auch den "Gap", die Lücke zwischen den Erwartungen, die an die EU gestellt werden, und den Kapazitäten, die die EU tatsächlich hat, diese auch zu befriedigen (expectations-capability-gap).Im weiteren Verlauf des Vortrags wird das bei wichtigen Abstimmungen geltende Prinzip der Einstimmigkeit angesprochen, wovon die Abkehr auf EU-Ebene oftmals als sinnvollste Lösung in der Diskussion angeführt wird. Hier wirft Große Hüttmann das Prinzip der doppelten bzw. qualifizierten Mehrheit, welches bereits jetzt in der Praxis Verwendung findet, in die Arena mit Verweis auf die jeweiligen Vor- und Nachteile eines solchen Abstimmungsverfahrens.Zum Ende des Impulsvortrages werden kurz Szenarien zur Zukunft der EU-Außenpolitik, vor allem hinsichtlich einer weiterhin bestehenden oder möglicherweise bröckelnden Partnerschaft mit den USA, skizziert. So wäre das Szenario der "Superpower EU" ("Zeitenwende" mit einer neuen Geschlossenheit innerhalb der EU sowie mit den USA) das beste Szenario und die "Powerless EU" (Business as usual und Zerwürfnis mit den USA; bedingt auch abhängig von den anstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA) der worst case. Zwischen diesen beiden Szenarien wären noch eine "Multipower EU" ("Zeitenwende" und Zerwürfnis mit den USA) sowie eine "Depower EU" (Einheit und business as usual) denkbar und keinesfalls abwegig.Beendet wurde der Vortrag mit dem bekannten Zitat Jean Monnets ("Europa wird in Krisen geschmiedet werden, und es wird die Summe der Lösungen sein, die man für diese Krisen erdacht hat") und dem Verweis auf heute, da wir uns als "Zeitzeugen" einer sich im Moment aufgrund der "Permakrise" neu schmiedenden EU bezeichnen können, welche wie so oft Katalysator sowie Motor für neue Innovationen ist.Europäische Außenpolitik und der WestbalkanBis heute prägen Stereotype das Bild des "Balkans" in Europa. Der Balkan-Begriff ruft eine Reihe verschiedener Assoziationen hervor. Von kulinarischen Meisterstücken – wie der Balkanplatte - über das pure Gefühl von Strand, Berge, Sonne und Meer, bis hin zu den negativen Bildern des Balkans – spätestens seit Ende des Kalten Krieges scheint die Region zum Synonym von Krieg und Armut geworden zu sein. Doch was genau ist überhaupt als Balkan zu bezeichnen und wie ist dieser im Geflecht europäischer Integration und europäischer Außenpolitik einzuordnen? Diesen Fragen ging Dr. Ragnar Müller – Dozent im Fachbereich Politikwissenschaft der PH Ludwigsburg und Europaexperte – in seinem Workshop "EU-Außenpolitik am Beispiel des Westbalkans" nach.Immer wieder ist die Rede vom "Balkan", "Westbalkan" oder "Südosteuropa". Welche Begrifflichkeit zur Bezeichnung der Länder im Südosten Europas gewählt wird, scheint verzwickt. Anzumerken ist jedoch, dass der Begriff "Balkan" als höchst problematisch in diesem Zusammenhang zu werten ist. In seinem Ursprung bezeichnet der Balkan-Begriff lediglich ein tertiäres Faltengebirge in Südosteuropa, dessen Hauptkamm in Bulgarien zu verorten ist. Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet der Balkan-Begriff jedoch einen territorial weiter gefassten Raum, zu dem die Staaten Bulgarien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Nord-Mazedonien, Albanien, Kosovo, Serbien, Kroatien und Rumänien zählen. Mit Blick auf die diversen Ethnien und Konfessionen des Balkans bietet es sich an, den geeigneteren Terminus "Südosteuropa" für diese doch sehr heterogene Landmasse anzuführen. EU-intern hält sich nach wie vor die Bezeichnung des Westlichen Balkans. Diese Bezeichnung umfasst eine Staatengruppe südosteuropäischer Staaten, welche noch keine EU-Mitglieder sind.Mit Ende des Kalten Krieges 1991 und dem Zusammenbruch des Staatssozialismus kehrt auch das Bild "Rückkehr nach Europa" in die Köpfe südosteuropäischer Staaten zurück. Wenn ein Staat nach dem Zerfall der Sowjetunion der EU beitritt, so schien Jugoslawien – mit seiner vermeintlich fähigen Produktion von Gütern und der fortgeschrittenen Emanzipation von der Sowjetunion – prädestiniert dafür. Jedoch zeigt sich, dass mit Jugoslawien in den 90er Jahren eben jenes Land zerfällt, dass sich außen- und innenpolitisch bereits im Kalten Krieg am weitesten von der Sowjetunion emanzipiert hatte. Die folgenden Kriege der 90er, mitsamt ihrer humanitären Krisen, lassen einen Beitritt südosteuropäischer Staaten in weite Ferne rücken.Nach der Beendigung des Jugoslawienkriegs und dem Tod Franjo Tudjmans (Kroatien) und dem Sturz von Serbiens Slobodan Milosevic beginnt die Zeit der langsam fortschreitenden Stabilität der Region. Auch der – auf Initiative von Joschka Fischer hin – gegründete Stabilitätspakt der Europäischen Union für Südosteuropa festigte das Ziel einer mittel- und langfristigen Stabilität der Krisenregion durch regionale und überregionale wirtschaftliche, demokratische und sicherheitspolitische Zusammenarbeit. Neben den Mitgliedstaaten der EU waren die Balkanstaaten sowie die Mitglieder der G8 beteiligt. Das Gipfeltreffen in Thessaloniki 2003 bestätigte die fortschreitende Integrationsbereitschaft der EU, westliche Balkanstaaten durch feste Beitrittsgarantien in die Europäische Union einzugliedern.Nach der Beitrittswelle von zwölf Staaten (2004, 2007) und den damit einhergehenden politischen Herausforderungen stagnieren jedoch diverse Beitrittsgesuche der noch ausstehenden südosteuropäischen Staaten. Durch vielfältige Krisen, wie der Finanzkrise 2008 oder der sogenannten "Flüchtlingskrise" 2015 sowie einer EU-Erweiterung um 12 neue Mitgliedsstaaten setzt eine Erweiterungsmüdigkeit ein, die EU scheint mit eigenen politischen Herausforderungen mehr als beschäftigt zu sein. Ein Teufelskreis setzt ein: Ohne Reformen kommt es zu keiner Annäherung an die EU, ohne Zuversicht des Beitritts kommt es zu keinen Reformbemühungen.Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine im Februar 2022 führt zu einer Zäsur und Zeitenwende in der internationalen Politik. Der russische Territorialhunger führt zu einer "Rückkehr des Krieges nach Europa". Aus Sicht südosteuropäischer Staaten kehrt der Krieg jedoch nicht erst seit 1945 zurück, sondern war in den 1990er Jahren ein stetiger Begleiter.Es zeigt sich jedoch, dass die Beitrittsperspektive des Westlichen Balkans dadurch deutlich besser geworden ist. Auch die EU muss durch die veränderte Lage verstärkt geopolitisch denken. Dieser europäische Blick auf geopolitische Gesichtspunkt lässt den Westbalkan vermutlich als Gewinner hervorgehen. Die Rückkehr der Geopolitik und die veränderte Systemkonkurrenz bieten nun die Chance einer neuen Integrationsdynamik. Diese scheint untrennbar mit sicherheitspolitischen Fragen verbunden zu sein. Der "Berlin-Prozess" wird angekurbelt, die EU scheint sich mehr um die Region zu bemühen. Eine Erweiterungspolitik anderer Art setzt ein.Europäische Außenpolitik am Beispiel der UkraineSeit dem ersten Assoziierungsabkommen, ratifiziert und begonnen zwischen 2014-2016, zwischen den Staaten der EU und der Ukraine und dem erneuten Angriff des russischen Militärs auf ukrainischen Boden im Februar 2022, strebt die Ukraine nun mit deutlichem Nachdruck eine weitere Annäherung an die EU an. Am liebsten mit einem Beitritt der Ukraine zum Bündnis. Durch das sehr öffentlichkeitswirksame Beitrittsgesuch der Ukraine durch ihren Präsident Selenskyj stellen sich verschiedene neue Fragen und Herausforderungen für die EU. Einerseits handelt es sich um politisches Neuland für die EU, da in der Vergangenheit ihre Erweiterungspolitik nur in befriedeten Räumen stattfand. Insbesondere mehrere osteuropäische EU-Staaten sprachen sich dafür aus, der Ukraine bereits kurz nach Beginn des Angriffskrieges den Status als Beitrittskandidat zu verleihen, was sich auch durchsetzte. Dadurch, dass es derzeit (Mai 2023) keine Anzeichen gibt, dass der Krieg in der Ukraine bald endet und die EU-Kommissionspräsidentin der Ukraine ein schnelles Verfahren versprach, stellt sich die Frage, wie damit verfahren werden soll, wenn es Krieg oder kriegsähnliche Zustände in einem Mitgliedsland gibt. Zusätzlich stellt sich die doppelte Herausforderung der Erweiterung und Vertiefung. Die letzte Reform des EU-Vertrages gab es 2007 in Lissabon. Seit 2007 ist die EU aber durch mehrere Krisen gegangen, welche Mängel im System aufgedeckt haben. Weiter gibt es derzeit 8 Beitrittskandidaten, die auf Fortschritte im Prozess warten und hoffen. Dieser doppelte Handlungsdruck wirft die Frage auf, welcher Prozess zuerst begonnen werden soll. Der Reformprozess oder die Erweiterungsbestrebungen.Als letzte Herausforderung stellt sich die Frage, ob die Erwartungen, die die Ukraine in den Prozess legt, von der EU erfüllt werden können. Dabei spielt natürlich auch eine Rolle, welche Versprechungen die EU der Ukraine macht. Zu nennen ist hier das Versprechen der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyens, welche der Ukraine ein beschleunigtes Verfahren versprach.Weiter befasst sich dieser Beitrag mit den Ideen, Interessen und Instrumenten, welche der EU im Umgang mit der Ukraine zur Verfügung stehen und nach denen sie handelt. Die Idee einer weiteren Annäherung zwischen der EU und der Ukraine ist klar geprägt durch eine friedensfördernde Politik. Durch den Beitritt der Ukraine zur EU würde sie noch deutlicher unter dem Schutz des "Westens" stehen und dies eine abschreckende Wirkung auf mögliche Aggressoren haben. Dies dient natürlich einem politischen und ökonomischen Interesse nach Stabilität in Europa. Erreichen möchte die EU dies durch das seit 2016 in Kraft getretene Assoziierungsabkommen und den nun verliehenen Status als Beitrittskandidat. Weiter fördert die öffentliche Unterstützung innerhalb der EU und der Ukraine für einen Beitritt den Prozess.Nach dem Vortrag von Große Hüttmanns wurde die Debatte eröffnet und es wurden verschiedene Aspekte unter den Teilnehmenden diskutiert. Abgesehen von den bisher genannten Problemen stellen sich weitere Fragen, sollte es zu einem Beitritt kommen. Einerseits über die Fairness und Konsequenz des Aufnahmeprozesses. Während mehrere südosteuropäische Staaten seit Jahren über einen Beitritt verhandeln, wurde der Ukraine ein schnelles Verfahren versprochen. Sollte dies umgesetzt werden, könnten sich diese Staaten hintergangen und unfair behandelt fühlen. Andererseits scheint es auch so, dass die Bemühungen der Ukraine größer sind als die der Länder Südosteuropas, was einen schnelleren Beitritt rechtfertigen würde.Des Weiteren gilt es zu bedenken, dass mit einem Beitritt der Ukraine diese direkt eines der größten Länder der Union wäre und einer der größten Getreideproduzenten der Welt ist. Daher könnte die Aufnahme dazu führen, dass Regeln, wie beispielsweise die Agrarsubventionen der EU, neu überdacht werden müssen. Die diskutierende Gruppe sprach sich am Ende für einen Beitritt der Ukraine zur EU aus, stellte jedoch die Bedingung, dass keine Verfahren abgekürzt werden sollten und die Ukraine das reguläre Verfahren durchlaufen sollte.