Freiheit im Blick: 1989 und der Aufbruch in Europa
In: Osteuropa, Band 59, Heft 2/3, S. Sonderheft, S. 1-400
ISSN: 0030-6428
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In: Osteuropa, Band 59, Heft 2/3, S. Sonderheft, S. 1-400
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In: Kultur und Kollektiv, Band 4
Die Schweizerische Volkspartei ist binnen 25 Jahren von einer braven Klientelpartei zum politischen Taktgeber avanciert. Sie ist nicht nur die stärkste politische Kraft des Landes, sondern auch ein Vorbild des europäischen Rechtspopulismus. Marius Hildebrand beleuchtet die Karriere der SVP mithilfe der formalen Populismustheorie Ernesto Laclaus. Im Unterschied zu sozialstrukturellen und ideologiekritischen Analysen, die den Populismus als Anomalie perspektivieren, wird er hier als Effekt einer diskursiven Transformation der politischen Schweiz betrachtet.
In: Deutschland Archiv, Band 34, Heft 5, S. 816-826
ISSN: 0012-1428
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In: Neue Gesellschaft, Frankfurter Hefte: NG, FH. [Deutsche Ausgabe], Band 47, Heft 3, S. 150-170
ISSN: 0177-6738
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Das postjugoslawische Dokumentarfilmschaffen hat, entgegen der Spielfilme und abgesehen von ein paar wenigen Beiträgen in Fachzeitschriften, bislang nur wenig filmwissenschaftliche Aufmerksamkeit erfahren. Dies ändert sich nun mit Andrea Reiters als Monografie publizierter Dissertationsschrift. Sie geht von der Annahme aus, dass sich in den dokumentarischen Arbeiten, die während und unmittelbar nach den jugoslawischen Zerfallskriegen produziert wurden, divergierende Strategien des politischen Widerstands finden lassen. Diese ortet sie nicht in einer etwaigen Haltung pazifistischer Narrative und Themen der Filme, sondern in deren formalästhetischer Umsetzung. In diesen Filmen liege, so die Argumentation, nicht nur ein politisch-aktivistisches Potenzial, sondern eben auch ein politisch-aktivierendes, mit dem Anspruch, einen gesellschaftlichen demokratischen Wandel mitzugestalten. Unter dem "politisch-aktivistischen" Charakter wird auf ein Verständnis von Aktivismus als politisches Handeln oder auf die Agitation innerhalb politischer Bewegungen referenziert, welche Filme als Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele nutzen. Das "politisch-aktivierende" Vermögen wiederum ist ein diskurstheoretischer Begriff, mit dem eine Aktivierung eines kritischen, dem dirigistischen Mainstream entgegengesetzten Denkens erfasst wird. Um das Potential eines aktivistischen Filmschaffens im postjugoslawischen Dokumentarfilm jener Zeit zunächst zu kontextualisieren, leitet die Autorin 70 Seiten lang in die historischen Parameter der Jugoslawienkriege ein. Die historischen Voraussetzungen für das Ende der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawiens werden auch für eine balkanhistorisch wenig bewanderte Leser*innenschaft verständlich und präzise zusammengefasst. Besondere Aufmerksamkeit erhalten dabei die Umbrüche in den dokumentarfilmproduzierenden Medienlandschaften Serbiens, Kroatiens und Bosnien und Herzegowinas, welche weitgehend dem jeweiligen dominanten Politdiskurs im Land gleichgeschalten waren und – nach der Liquidation und (Teil-)Privatisierung der staatlich geförderten Produktionsgesellschaften, Filmzentren sowie Fernsehanstalten in den frühen 90er-Jahren – durch direkten politischen Einfluss gesteuert wurden. Hierbei seien die Grenzen "zwischen 'objektiver' Berichterstattung und interessensgesteuerter Kommunikation" fließend: "Was wahr ist und was falsch, was Informationen oder Deutung, tendenziös oder manipulativ, lässt sich für den Einzelnen oder die Einzelne oft schwer entschlüsseln, da er oder sie auf die Informationsvermittlung durch die Medien angewiesen ist, um sich ein Bild machen zu können" (S. 44). An diese Beobachtung schließen die Analysen der Dokumentarfilme an, welche "Denkanstöße liefern und so auf ein Zukünftiges verweisen, was aufseiten der Zuschauer*innen zu einer spezifischen filmischen Erfahrung führt, welche die Vision eines demokratischen Wandels der Gesellschaft anregt" (S. 20). Die Frage nach Gattungen des Dokumentarfilms und insbesondere der Aspekt objektiver oder objektivierbarer Fakten und 'Wahrheiten' in dokumentarfilmischen Praktiken wird in einer film- und medienwissenschaftlichen Vielstimmigkeit problematisiert, wobei die Autorin insbesondere auf den vielzitierten US-amerikanischen Dokumentarfilmtheoretiker Bill Nichols zurückgreift. In der theoretischen Verortung des Dokumentarfilmbegriffs und dessen Verfahren wird aufgezeigt, dass sich filmische Aktivierung nicht in einem einheitlichen Konzept zusammenfassen lässt. Je nach Film würden filmische Agitation, Vision und Reflexion facettenreich ineinander verwoben. Somit müsse jeder Film auch als Einzelfall erörtert und in seinen Spezifika betrachtet werden. Reiter betont in ihrem Verständnis des politisch-filmischen Aktivismus mit Nachdruck, dass die Dokumentarfilme des Forschungskorpus weder als propagandistisch noch als gegenpropagandistisch einzustufen sind. Sie greift dabei auf die zehn Kriterien des funktionalen Analysemodells von Garth S. Jowett und Victoria O'Donnell in Propaganda & Persuasion (2012) (Jowett/O'Donnel 2012) zurück, das propagandistische Tendenzen von Filmen prüft, um anhand dieser Konzeptualisierung aufzuzeigen, dass es sich bei ihren Analysebeispielen nicht um Propaganda handelt. Propaganda sei, jenen Konzepten folgend, stets um Überzeugung und emotionale Lenkung bemüht, während die politisch-aktivistische Perspektive gegenteilige Ziele verfolge. Diese stelle eine Form dar, welche an das natürliche Urteilsvermögen der Zuschauer*innen appelliert, Widersprüche zulässt und das kritische Hinterfragen fördert: "Der politisch-aktivierende Dokumentarfilm wird vielmehr als eine Kommunikationsform verstanden, der es maßgeblich um die Aufforderung zur politischen Reflexion geht" (S. 96). Demnach ist Reiters Dokumentarfilmverständnis, nicht unähnlich demjenigen von Bill Nichols, eines, welches bei den Zuschauer*innen eine individuelle Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Thema anstoßen soll und somit Ideologiekritik als ästhetische Praxis begreift. Das Politische kritischer Dokumentarfilme liege demzufolge nicht in den etwaigen Zielsetzungen der Werke selbst, sondern in einer Bedeutungszuschreibung, die sich erst in der Rezeption vollzieht. Dieses Denkmodell behält Reiter auch im Auge, wenn sie von den konkreten Filmen spricht, denn diese werden von ihr stets in den jeweiligen Rezeptionskontext gebettet, welcher von internationalen Festivalkarrieren bis hin zu klandestinen Vorführungen in kleinen Filmclubs reicht. Somit würden die Dokumentarfilme Gegendiskurse erzielen, welche "[aufdecken und konterkarieren], was ihr Widerpart zu verbergen sucht" (S. 138). Die aktive Rolle der Zuschauer*innen in der Rezeption dieser zum Nachdenken anregenden Filme bezeichnet die Autorin als "Prospektivität" (S. 19f). Dieser geht sie in den Filmanalysen anhand der Frage nach, wie die Filme ein Bewusstsein für das Werden der Wirklichkeit im Allgemeinen sowie für einen gesellschaftlichen Wandel im Konkreten schaffen. Formalästhetische Parameter etwa würden die Zuschauer*innen dazu anregen, über die thematisierten Fragen zu reflektieren, wodurch diese sich selbst in weiterer Folge als handlungsmächtige politische Subjekte begreifen würden, die sich dominanten politischen Diskursen durch konkrete politische oder ästhetische Intervention widersetzen können. Dieses prospektive Moment der Dokumentarfilme sucht Andrea Reiter in den filmischen Strategien selbst. Um die jeweiligen Filme spezifisch zu kontextualisieren, sind die Analysekapitel nach Ländern geordnet, was angesichts der zentralen Forschungsfrage zwar sinnvoll erscheint, sich jedoch zugleich den Potenzialen komparatistischer Betrachtungen (bewusst) entzieht. Dokumentarfilme aus Serbien etwa seien in einer weitgehend gleichgeschalteten Medienlandschaft unter der autokraten Herrschaft Slobodan Miloševićs primär unter der Ägide des unabhängigen Radios B92 entstanden. Reiter beginnt hier mit einem besonders prominenten, international aufgrund der Bekanntschaft des Filmemachers breit rezipierten Beispiel: In Želimir Žilniks Tito po drugi put među Srbima (Tito zum zweiten Mal unter den Serben, BRJ 1994) begleitet der Regisseur den als Josip Broz Tito verkleideten Mimen Dragoljub S. Ljubičić auf den Straßen Belgrads und beobachtet dabei die spontanen Gespräche zwischen den Bürger*innen und dem Darsteller des verstorbenen ehemaligen Anführers der bereits zerfallenen sozialistischen Republik. Die gefilmte öffentliche Performance zeichnet ein kaleidoskopisches Bild der damaligen serbischen Gesellschaft, welches von der Staatsseite gänzlich negiert wurde: Hier begegnen wir Bürger*innen, die die dominanten politischen Diskurse hinterfragen und sich gar in der Öffentlichkeit kritisch und reflektiert zur aktuellen Lage ihres Landes äußern – es zeigt sich somit ein gänzlich konträres Bild zu der in Mitteleuropa wahrgenommenen, vermeintlich mehrheitlichen Unterstützung der serbischen Bevölkerung für die nationalistische Agenda ihrer Regierung: Ein Misstrauen gegenüber Milošević kommt in den Gesprächen zwischen dem Tito-Mimen und den Passant*innen ebenso zum Ausdruck wie auch Distanzierungen zur sozialistischen Vergangenheit. Der Dialog, welchen der Tito-Imitator provoziert und befördert und welcher in Žilniks Film mitdokumentiert wird, zeigt eine Polyphonie an Meinungen und politischen Haltungen, welche im Mainstreamdiskurs häufig negiert wird. Janko Baljak wiederum, der zu den Gründungsmitgliedern des Video-Departments des B92-Senders gehörte, widmet sich in seiner Dokumentarfilmreihe Kosovska Trilogija (Kosovo Trilogy: The Parallel Worlds of Kosovo, BRJ 1994) der Parallelgesellschaft der serbischen und albanischstämmigen Bevölkerung im Kosovo. Seine Filme, die Reiter als nächstes inspiziert, konfrontieren die Zuschauer*innen mit der harten sozialen Realität der beiden Minderheiten. Doch durch einen politisch nicht zuzuordnenden Off-Kommentator entzieht sich der Film einer 'proserbischen' oder 'prokosovarischen' Lesart – vielmehr liegt der Referenzpunkt der Kritik, laut Reiter, "in einem allgemeinen gesellschaftlichen Normen- und Wertekanon und weist über ethnische Differenzierungen zwischen den beiden Parteien [.] hinaus" (S. 170). Ebenso von Baljak stammt Vidimo se u Čitulji (The Crime that changed Serbia – See you in the Obituary, BRJ 1995), ein kontrovers diskutierter Dokumentarfilm, welcher sich der während des Krieges ausbreitenden 'Unterwelt' des Landes widmet. Mitglieder gewaltbereiter Gangs kommen zu Wort und prahlen teilweise über ihre Taten. Die Kamera folgt auch Polizeibeamt*innen an Tatorte und zeigt dabei Spuren von Gewalt und Tod. Der Film problematisiert somit eine neue, besonders zu hinterfragende Schatten-Elite und ihre Einflusssphären innerhalb der postjugoslawischen serbischen Gesellschaft. Die Filme der B92-Bewegung, welche weitgehend innerhalb geschlossener Filmvorführungen in oppositionellen Zirkeln Belgrads zur Aufführung kamen, sieht Reiter als "eine Komponente [der] sich aus unterschiedlichen Bevölkerungsschichten langsam konsolidierenden Bewegung [.], die im Laufe der 1990er-Jahre eine immer breitere Basis erreichte, bis Milošević im Jahr 2000 endgültig von der Bevölkerung gestürzt wurde" (S. 165). Die B92-Filme seien, so die Schlussfolgerung, nicht auf Belehrung aus, sondern würden die Zuschauer*innen dazu anleiten, die neuen Verhältnisse in ihrem Land kritisch zu hinterfragen, indem sie politisch Verleugnetes oder Verdrängtes bezeugen. Die Suche nach politisch-aktivierenden Dokumentarfilmen in Kroatien wiederum gestaltete sich dabei für die Autorin besonders schwierig. Anders als in Serbien hatte sich unter den Dokumentarfilmer*innen der jungen Republik kein Kommunikationsraum eines engagierten Gegendiskurses etablieren können – finanzielle Unterstützung für Dokumentarfilme gab es unter der rechten HDZ-Regierung Franjo Tuđmans kaum. Umso spannender sind im entsprechenden Kapitel Reiters Analysen zu lesen, denn sie fokussiert sich auf para- und metapolitische Aspekte in zuteil staatlich mitproduzierten, doch politisch nicht klar verortbaren Dokumentarfilmen. Die drei Beispiele – Petar Kreljas Na Sporednom Kolosijeku (At the Railway Siding, HR 1992), Ivan Saljas Hotel Sunja (HR 1992) und Zvonimir Jurićs The Sky Below Osijek (HR 1996) – lassen Kriegsbeteiligte mit unterschiedlichen Erfahrungen zu Wort kommen und entziehen sich dabei, entgegen der meisten kroatischen Dokumentarfilme jener Zeit, einer eindeutigen Schwarzweiß-Zeichnung von Freund*in-Feind*in bzw. Opfer-Täter*in-Narrativen. Somit wird die dominante patriotisch-heroische Perspektive in Frage gestellt. Die Kroatienstudie schließt mit einem Kapitel zu Lordan Zafranovićs essaystischem Dokumentarfilm Zalazak Stoljeća: Testament L.Z. (Decline of the Century: Testament L.Z., 1993), dessen Produktion mit 1986 schon deutlich vor dem Kroatienkrieg begann und der die Ustaša-Vergangenheit des Staates zum Thema hat. Zafranović verwendet filmische Strategien, die seinen Arbeitsprozess als Regisseur mitreflektieren, beispielsweise indem er sich selbst am Schneidetisch filmt. Dies akzentuiert nicht nur die Konstruktion des Films als Kunstwerk, sondern reflektiert zugleich die Gestaltung und Konstruierbarkeit von Geschichte. Die behandelten Filmbeispiele, die in Bosnien und Herzegowina während des Kriegs produziert wurden, sind allesamt innerhalb des belagerten Sarajevos entstanden. Hier findet man den mit über 50 kürzeren und längeren Dokumentarfilmen quantitativ größten Korpus eines regionalen Dokumentarfilmschaffens vor – was keineswegs eine Anomalie ist, denn auch in Theater, Literatur und anderen Künsten zeigt sich ein äußerst reges Schaffen während der Belagerung der bosnischen Hauptstadt. Die Filme handeln vom Alltag der von serbischen Streitkräften umzingelten Zivilbevölkerung. Sie entziehen sich jeglicher Spaltung der Ethnien und inszenieren Sarajevo als multiethnische und -kulturelle Stadt. Da Reiter hier natürlich auch mit Filmen konfrontiert ist, die sich mit explizitem Krieg und Gewalt beschäftigen, ja sogar tote Menschen zeigen, werden auch ethische Komponenten des Betrachtens des Leidens Anderer (Susan Sontag) miteinbezogen – insbesondere im Fall von Vesna Ljubićs Film Evo Čovjeka: Ecce Homo (Ecce Homo: Behold the Man, BIH 1994), welcher sich der Ausweglosigkeit der Bevölkerung in einem beobachtenden Modus nähert. In ästhetisierten Kadragen verweilt hier die Kamera auf den Straßen, Plätzen und Hügeln der Stadt und beobachtet den Alltag einer Bevölkerung in einem Belagerungszustand. Trotz der Gefahr, der die Sarajevoer*innen ausgeliefert sind, werden auch Menschen auf offener Straße beobachtet, die sich ohne Hast und scheinbar entspannt fortbewegen, während um sie herum Detonationen und Schüsse zu hören sind – die beobachtende Distanz zeigt also auch einen Gewohnheitseffekt, der sich unter der leidenden Bevölkerung einstellt – Gewalt als Alltag. Das letzte Kapitel des Buchs widmet sich Beispielen nach 1995, also folgend dem Friedensabkommen von Dayton, welches die Kriege in Kroatien und Bosnien beendete. Serbische Filmemacher*innen rücken, folgt man Reiter, in dieser Zeit die Opposition und die gegen Milošević demonstrierende Öffentlichkeit ins Zentrum ihrer Werke, während in Kroatien eine Fokussierung auf die Enttabuisierung kroatischer Kriegsverbrechen eintritt. Als eine weitere Konfiguration des politisch-aktivierenden Dokumentarfilmschaffens stellt Reiter im Schlusskapitel subjektive Erzählstrategien in den Mittelpunkt: Regisseur*innen richten hier zunehmend die Kamera auf sich selbst und gehen offenen Fragen der Nachkriegsgesellschaften nach. Dies ist eine weitere Strategie im breiten untersuchten Korpus, durch welchen einem vermeintlichen Objektivitätsparadigma des Dokumentarfilms offensiv entgegengetreten wird: Die Ausstellung der Konstruiertheit dokumentarischen Erzählens durch den je subjektiven Blickwinkel wird nicht nur zum Gegenstand des jeweiligen Films, sondern damit auch die Erzählperspektive als hinterfragbar herausgestellt. "Die Filme führen die politische Dimension persönlichen Denkens und Handelns vor Augen sowie die Wichtigkeit, einerseits unterschiedliche Diskurse zu erkennen und anzuerkennen und andererseits die Macht und Einflussmöglichkeiten dominanter Rhetoriken wahrzunehmen" (S. 321f). Ein paar wenige ungenaue, teils saloppe Formulierungen ("Die Bilder vermitteln einen dokumentarischen 'Look'", S. 159 oder "Selbst wenn [.] die serbische Unterwelt aus einem chaotischen, [.] – man kann es nicht anders sagen – Haufen intellektuell beschränkter Verbrecher besteht [.]", S. 174f) trüben den Gesamteindruck des sonst sprachlich präzisen Textes nicht. Bislang noch unerwähnt blieb der sparsame und kluge Einsatz von Interviews mit den Filmschaffenden jener Zeit, welche immer wieder in den Text einfließen. Die Verzahnung von Dokumentarfilmtheorie mit (post)jugoslawischen politischen Diskursen und dem argumentativ präzisen Close Reading des Filmmaterials macht dieses Buch zu einem unverzichtbaren Beitrag zur Grundlagenforschung des rezenten südslawischen Filmschaffens. Andrea Reiters Studie beleuchtet nicht nur bislang marginalisiertes und außerhalb der Region seitens der Filmwissenschaft wenig beachtetes Material, sondern sie regt durch die Perspektivierung auf Prospektivität und Aktivismus implizit dazu an, auch das Filmschaffen anderer Konfliktregionen unter diesem Augenmerk zu untersuchen. Literatur: Jowett, Garth/O'Donnel, Victoria: Propaganda and Persuasion. 4. Aufl.Thousand Oaks, CA 2012.
BASE
In: Berichte und Materialien (BM-Online), Band 10
Das Thema des Einjahresprojektes "Extremismus und Justizvollzug" erfuhr durch mehrere islamistisch motivierte Anschläge in Europa, bei denen auch Haftaufenthalte der Täter bekannt wurden, während des Projektzeitraums eine besondere Aktualität.
Der Band gibt Auskunft über drei Teilprojekte, die Einblick in den aktuellen Stand von Literatur und Praxis geben sollen. Teil I des Bandes enthält eine Darstellung der für das Projekt durchgesehenen Fachliteratur und formuliert Handlungsmöglichkeiten zum Umgang mit Extremismus im Justizvollzug. In Teil II wird über quantitative Aspekte, insbesondere über eine Befragung aller Jugendstrafanstalten in Deutschland berichtet. Teil III enthält Ergebnisse einer Befragung von Experten. Im Rahmen des Projektes wurde zudem im März 2017 ein Kolloquium mit Experten aus Wissenschaft und Praxis durchgeführt, dessen Ergebnisse an vielen Stellen in die Berichtsteile eingeflossen sind. Die Protokolle der vier Arbeitsgruppen sind ebenfalls Teil des Bandes.
Am 2. März 2021 hat die türkische Generalstaatsanwaltschaft Ermittlungen gegen die Demokratische Partei der Völker (HDP) eingeleitet, am 17. März die Klageschrift auf deren Verbot beim Verfassungsgericht eingereicht. Der Generalstaatsanwalt hat ferner beantragt, 687 Funktionären der Partei zu verbieten, sich in den nächsten fünf Jahren politisch zu betätigen. Das würde auf den Ausschluss fast aller HDP-Politiker von der Politik hinauslaufen und so die politischen Kanäle für die Diskussion und Lösung der Kurdenfrage auf Jahre verschließen. Zwar hat das Verfassungsgericht am 31. März die Klageschrift wegen verfahrensrechtlicher Mängel zurückgewiesen. Doch am 6. Juni teilte die Generalstaatsanwaltschaft mit, dass sie einen weiteren Vorstoß zum Verbot der Partei unternommen hat. Damit besteht die Gefahr, dass die Verhinderung ziviler und gewaltfreier kurdischer Politik Wasser auf die Mühlen der illegalen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ist und sich der Kurdenkonflikt erneut perpetuiert. Der Vorgang wirft ein Schlaglicht auf die Verschränkung von Politik und Justiz in der Türkei und macht strukturelle Mängel der türkischen Verfassungsordnung deutlich. (Autorenreferat)
In: Osteuropa, Band 68, Heft 3/5, S. 19-32
ISSN: 0030-6428
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In: Österreichische militärische Zeitschrift: ÖMZ, Band 20, Heft 1, S. 23-27
ISSN: 0048-1440
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In: Abhandlungen zum Ostrecht 16
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In: Politik und Kultur, Band 15, Heft 6, S. 53-68
ISSN: 0340-5869
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Blog: www.jmwiarda.de Blog Feed
Forschungsministerin will Große Anfrage der Bundestagsopposition zum weiteren Vorgehen beim WissZeitVG "spätestens bis Ende Juni 2024" beantworten. Derweil kritisiert die Unionsfraktion die Themensetzung im Forschungsausschuss.
ANFANG OKTOBER HATTE die Bundestagsopposition von CDU/CSU eine Große Anfrage an die Bundesregierung gerichtet, Überschrift: "Weiteres Vorgehen der Bundesregierung
hinsichtlich des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes" (WissZeitVG). Darin heißt es: "Aufgrund der fortschreitenden Zeit bedarf es aus Sicht der Fraktion der CDU/CSU nun dringend Klarheit, ob, wie,
und wann die Regierungskoalition eine Novellierung des WissZeitVG vornehmen wird."
Jetzt ist bekannt geworden, welchen Zeitraum Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) gegenüber dem Bundestag für die Beantwortung in Aussicht gestellt hat. "Die Antwort
wird ihnen spätestens bis Ende Juni 2024 zugehen", schrieb sie an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD). Acht Monate nach Fragestellung. 12 Monate nach Vorstellung des
BMBF-Referentenentwurfs.
Rechtlich ist das nicht zu beanstanden. Die Bundesregierung muss Große Anfragen gar nicht beantworten. Und wenn sie es möchte, hat sie bis zu ein Jahr lang Zeit dafür. Politisch aber ist die
Rückmeldung aus dem BMBF bemerkenswert – bedeutet sie doch, dass Stark-Watzinger die Frage nach dem weiteren Fahrplan zur Novelle erst beantwortet will, wenn sie nach den ursprünglichen
Planungen längst da sein sollte.
"Bis Ende 2023", hatte etwa Stark-Watzingers parlamentarischer Staatssekretär Jens Brandenburg einst als Ziel genannt. Das war allerdings vor dem Hin und Her um die WissZeitVG-Eckpunkte im
Frühjahr. Im April 2023 hatte Brandenburg dann zu Protokoll gegeben, das Jahresende 2023 sei immer nur "der frühestmögliche Zeitpunkt" gewesen, ein Gesetzesbeschluss hielt er hier im Blog nun "voraussichtlich im ersten Quartal 2024" für "erreichbar". Das allerdings war wiederum, bevor die Ampel-Fraktionen öffentlich einräumen mussten, bei einer
zentralen Frage, der Postdoc-Befristung, keinen Konsens gefunden zu haben. Zuletzt sagte Brandenburg im Newsletter Research.Table, der Gesetzentwurf befinde sich weiter in Ressortabstimmung.
Und nun also eine Antwort zum weiteren Vorgehen bis spätestens Ende Juni 2024? Diese Fristangabe führte dazu, dass die Union das Thema der Großen Anfrage umgehend auf die Tagesordnung des
Bundestages setzen ließ. Das wiederum ist ihr Recht, wenn die Bundesregierung nicht innerhalb von drei Wochen inhaltlich antwortet. Die Plenardebatte sollte eigentlich am Mittwoch, den
8. November stattfinden, wurde jedoch kurzfristig von der Agenda genommen. Das sei allerdings nur der aktuellen innen- und außenpolitischen Lage geschuldet, heißt es aus der
CDU-/CSU-Fraktion, man werde die Aussprache bei nächster Gelegenheit nachholen.
Ampel-Ausweichmanöver
im Forschungsausschuss?
Den Druck auf Stark-Watzinger versucht die Union derweil auch anderswo zu erhöhen. In einem Brief an Kai Gehring (Grüne), den Vorsitzenden des Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung, haben sich führende Unions-Wissenschaftspolitiker jetzt über die Themensetzung in dem Gremium beklagt.
Die großen aktuellen Debatten zum inhaltlichen Kernbereich des Ausschusses fänden "zu oft und zu lange" anderswo statt, kritisierten Thomas Jarzombek und Stephan Albani am 31. Oktober. "Über
Aktivitäten des BMBF erfahren die Ausschussmitglieder zu oft erst aus der Presse." Der Ausschuss komme seiner parlamentarischen Kontrollfunktion gegenüber der Bundesregierung "nicht in dem
gebotenen Maße" nach. "Zentrale bildungs- und forschungspolitische Vorhaben der Bundesregierung, die bereits öffentlich angekündigt wurden, finden sich in den aktuell in Abstimmung befindlichen
Planungen nicht wieder."
Schützt die Ampel-Mehrheit bei der Themenplanung im Ausschuss die Bundesforschungsministerin, damit sie nicht mit ihrer – aus Sicht der Union – mageren Arbeitsbilanz öffentlich bloßgestellt wird?
Zumindest ist das der Vorwurf, der kaum verhohlen aus dem Schreiben an den Ausschussvorsitzenden Gehring spricht.
Als Themen, die nicht in der Themenplanung auftauchten, aber dahin gehörten, nennen die CDU-Politiker Jarzombek und Albani in ihrem Brief als erstes: "das für die Zeit nach der parlamentarischen
Sommerpause angekündigte Gesetzgebungsverfahren zur Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes", außerdem: "die Gründung der DATI inklusive inhaltlichem Konzept, die angekündigte große
Strukturreform des BAföG und die inhaltliche Ausgestaltung der anstehenden Bund- Länder-Verhandlungen zu einem Nachfolgeabkommen zum DigitalPakt Schule."
Und sie fügen hinzu, es handle sich bei diesen und weiteren Themen "um zentrale Themen des Regierungshandelns im Bereich unseres Ausschusses. Insofern müsste die Auseinandersetzung mit diesen
Themen im Interesse aller demokratischen Parteien sein." Auch an den Ausschussvorsitzenden persönlich richten sich die beiden. "Wir wären Ihnen dankbar", schreiben sie Gehring, "wenn Sie uns
in diesem Sinne gegenüber der Bundesregierung noch stärker unterstützen und u.a. auf einen angemessenen wie tagesaktuellen Informationsfluss seitens des BMBF hinwirken würden."
Ausschussvorsitzender Gehring: Wünsche
der Union umfassend berücksichtigt
Kein Wunder, dass Kai Gehring in seinem nur zwei Tage später versandten Antwortschreiben angefasst reagierte. Hat er doch nach eigenem Empfinden viel Energie darauf verwendet, die
Ausschussarbeit agiler, transparenter und lebendiger zu gestalten. Die Fachausschüsse des Bundestages seien die "Maschinenräume unserer Demokratie", hatte er im Interview hier
im Blog bekräftigt. Und ausgerechnet der Maschinenraum, für den er zuständig ist, soll jetzt seine Arbeit nicht ordentlich machen?
Gehring verweist in seiner Antwort an die CDU-Parlamentarier darauf, dass die Agenda der Ausschussberatungen von ihm nur moderiert, aber von den Obleuten der Fraktionen beschlossen
werde. In den vergangenen zwei Jahren sei dies "einvernehmlich" gelungen. Übersetzt: Die Union erregt sich künstlich über eine Themenplanung, die sie selbst mitgetragen hat. Explizit fügt
Gehring hinzu: "Den Aufsetzungswünschen der Unionsfraktion wurde dabei als stärkster Oppositionskraft seit Anbeginn der Wahlperiode umfassend Rechnung getragen."
Wobei der Konflikt um die Ausschussagenda nicht neu ist und im vergangenen Herbst schon einmal öffentlich geführt wurde. Allerdings hatten sich Regierungs- und
Oppositionsfraktionen Ende November 2022 dann tatsächlich auf eine gemeinsame Planung für das erste Halbjahr 2023 verständigt.
Gehring widerspricht insofern auch dem Vorwurf, die Regierungsvorhaben kämen nicht genug vor. "Einige der von Ihnen genannten Themen", schreibt er an die Adresse von Jarzombek und Albani,
schienen "bereits mit dem Vorschlag der Koalitionsfraktionen für die kommenden Ausschusssitzungen abgedeckt zu sein". So sei beispielsweise ein Gespräch zur Lage der Studierenden
vorgeschlagen, "in dessen Rahmen ein Austausch zur BAföG- Reform oder dem KfW-Studienkredit passend erscheint. Die Thematisierung des Digitalpakts im Rahmen eines der vorgeschlagenen,
bildungspolitischen Gespräche wäre ebenfalls naheliegend." DATI sei mehrmals und erst kürzlich Beratungsgegenstand gewesen. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz erwähnt der Ausschussvorsitzende
hingegen nicht.
Die Ausschussplanung für die Monate Dezember und Januar steht derweil noch aus. Mal schauen, ob das WissZeitVG darauf auftauchen wird.
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