CSR 2.0: soziale Online-Spendenplattformen als neues Instrument für Corporate Giving : eine Untersuchung am Beispiel www.betterplace.org
In: Magisterarbeit
Inhaltsangabe: Einleitung: Das Internet ist sozial – und das in vielerlei Hinsicht. Diesen Eindruck vermitteln zum einen die technischen Entwicklungen des Web 2.0 und deren rasante Ausbreitung zu Beginn des Jahres 2010. Die Nutzung von Blogs, Wikis und Media-Sharing-Plattformen ist zum Internet-Alltag geworden. Insbesondere soziale Netzwerke sind aufgrund ihrer weltweit wachsenden Nutzerschaft und der entsprechenden medialen Begleitung in aller Munde. Das mobile Internet breitet sich aus und verbindet soziale Anwendungen immer stärker in dem alltäglichen Leben ihrer Nutzer. Dabei haben sogenannte Social-Media-Anwendungen das Ziel, Interaktion, Zusammenarbeit und das Teilen von Inhalten über das Internet zu erleichtern (Kap. 3.2). Zum anderen finden die sozialen Ausprägungen der neuen online-Technologien nunmehr auch im Bereich des sozialen Engagements ihre Anwendung. Seit 2007 haben sich im deutschsprachigen Raum Online-Spendenplattformen entwickelt, die Funktionen von Social Media in den Spendenprozess integrieren und diesen damit sozialisieren. Auf Sozialen Online-Spendenplattformen (SOS), ein für diese Arbeit neu eingeführter Begriff, entstehen Orte im Internet, die zum Treffpunkt und zur Artikulationsplattform sozial engagierter Menschen, Organisationen und Unternehmen werden und sich zu Beginn des Jahres 2010 eines großen Wachstums erfreuen. Der Anspruch der neuen Spendenplattformen auf ein transparenteres und effizienteres Spendensystem ist dabei groß. Die Aktivität der Nutzer selbst soll zu einem schlaueren Geben über die Plattformen führen und neue, junge Zielgruppen ins Spendenboot holen. Die Organisation, Überwachung und Bewertung sozialer Aktivitäten wird auf SOS weitgehend von der Community übernommen. Im Sinne einer bottom-up Philosophie kann jeder Nutzer auf SOS (reale) soziale Projekte präsentieren und sich um Spendengelder bemühen. Dabei reicht die Bandbreite der auf den Plattformen präsentierten sozialen Aktivitäten von persönlichen Fundraisingeinsätzen über regionale Initiativen und Nachbarschaftshilfe bis hin zu internationalen Hilfsprojekten. Doch gerade kleine Hilferufe finden auf SOS immer öfter Gehör und damit neue Möglichkeiten der Finanzierung. Das Prinzip des Long Tail, dem zufolge Nischenthemen und -produkte im Internet immer stärker an Bedeutung gewinnen, greift somit über SOS auch im sozialen Internetsektor (Kap. 3.4). Da bisher wenig Literatur über die Verbindung von Social Media mit Online-Spenden besteht, wird in der vorliegenden Arbeit zunächst das Forschungsobjekt der SOS definiert und abgegrenzt. Dafür befassen sich die ersten Kapitel mit jenen Trends, die zur Entstehung von SOS geführt haben, sowie jenen Social-Media-Charakteristika, die einen Großteil der Innovation der neuen Spendenplattformen ausmachen. In einem ersten Resumee wird der Nutzen von SOS für Organisationen und Einzelpersonen festgehalten, da es die Aktivität jener Akteure ist, welche die Funktionalität der Plattformen bedingen und begründen. Der Fokus der Arbeit liegt im weiteren auf dem Nutzen von SOS für den Einsatz im sozialen Tätigkeitsbereich von Unternehmen. Dabei wird das Augenmerk zum einen auf den unternehmerischen Mehrwert eines Einsatzes von SOS im Corporate Giving gelegt, zum anderen werden SOS aus philanthropischer Perspektive als Instrument für die Wahrnehmung und Umsetzung unternehmerischer gesellschaftlicher Verantwortung kritisch hinterfragt. Die einzelnen Abschnitte der Arbeit behandeln folgende Themenbereiche. Kapitel 2 gibt eine kurze geschichtliche Einführung in das Thema Spenden und reflektiert deren gesellschaftliche Funktion im Laufe der vergangenen Jahre und Jahrhunderte. Es folgt eine Zusammenfassung über das Ausmaß und die Funktionen heutiger privater und unternehmerischer Spendentätigkeiten. Abschließend wird der Online-Spendenmarkt als Grundlage für die weitere Arbeit einer genauen Analyse unterzogen. Kapitel 3 beschreibt aktuelle Online-Trends und insbesondere das Thema Social Media am vertiefenden Beispiel der sprunghaften Ausbreitung von sozialen Netzwerken. Ein theoretischer Teil gibt Überblick über positive und negative Ansätze der sozialen Internet-Studien, sowie über die Auswirkungen von Web 2.0 und Social Media auf die Unternehmenskommunikation. Kapitel 4 kommt nach einer Kurzbeschreibung über bisherige soziale Initiativen im Internet auf das Thema SOS zu sprechen und beschreibt deren Funktionsweise am Beispiel der Plattform www.betterplace.org. In einer ersten Conclusio wird der Nutzen von SOS für Privatpersonen und Organisationen zusammengefasst. Kapitel 5 bildet die theoretische Grundlage für den Forschungsschwerpunkt über den Einsatz von SOS im Unternehmensumfeld. Dafür werden vorab die Instrumente und Motive philanthropischer Tätigkeiten von Unternehmen analysiert und in die Konzepte Corporate Social Responsibility (CSR) und Corporate Citizenship (CC) verortet. Dabei wird auf wissenschaftliche Literatur ebenso zurückgegriffen wie auf privatwirtschaftliche Studien, welche die praktische Sichtweise unternehmerischen Engagements in die Arbeit mit einbringen. Kapitel 6 untersucht schließlich auf Basis der in der Arbeit gewonnenen Erkenntnisse die Plattform www.betterplace.org, die aktuell "größte deutsche Internet-Plattform für soziales Engagement" (Betterplace 2009). Auf der einen Seite werden hierbei die Vor- und Nachteile eines Einsatzes von SOS für die interne sowie externe Unternehmenskommunikation abgewogen, auf der anderen Seite wird unter philanthropischen Gesichtspunkten ihr Potential als Instrument zur Übernahme unternehmerischer gesellschaftlicher Verantwortung im Rahmen des CC-Konzepts und im Sinne eines nachhaltigen Strategic Giving hinterfragt. In der abschließenden Conclusio werden die wichtigsten Erkenntnisse der Arbeit zusammengefasst und kritisch diskutiert. Die Arbeit schließt mit einem Ausblick auf weitere Forschungsansätze.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: Inhaltsverzeichnisii Abbildungsverzeichnisv Abkürzungsverzeichnis1 1.Einleitung2 2.Spenden5 2.1Historische Einführung5 2.2Spendenfunktionen in modernen Gesellschaften7 2.2.1Definitionen10 2.3Online-Spendenmarkt11 2.3.1Daten und Fakten11 2.3.2Demografische Entwicklungen12 2.3.3Online-Spenden in den USA14 3.Internet Trends16 3.1Web 2.019 3.2Social Media22 3.2.1Social-Media-Anwendungen24 3.2.2Social-Media-Trends29 3.2.3Die Ausbreitung von sozialen Netzwerken30 3.2.4Gründe für die Ausbreitung von sozialen Netzwerken33 3.3Die Auswirkungen von Web 2.0 und Social Media auf die Unternehmenskommunikation38 3.4Positive Ansätze der sozialen Internetstudien42 3.4.1Vernetzung, Partizipation und Transparenz42 3.4.2Long Tail Approach Möglichkeit von Basisdemokratie43 3.5Kritische Ansätze der sozialen Internetstudien44 3.6The Googlization of Philanthropy46 4.Online-Spendenplattformen48 4.1Bisherige Forschung49 4.2Soziale Projekte im Internet50 4.2.1Kreditplattformen52 4.2.2Ideen-, Projekt- und Aktionsplattformen53 4.2.3Online-Spendenportale54 4.3Soziale Online-Spendenplattformen (SOS)56 4.3.1Allgemeine Merkmale von sozialen Online-Spendenplattformen61 4.3.2Fallbeispiel betterplace.org62 4.3.3Finanzierungsmodelle weiterer SOS71 4.4Gründe für die verstärkte Nutzung von SOS73 4.4.1Statistische Faktoren73 4.4.2Nutzen für Organisationen und Privatinitiativen74 4.4.3Nutzen für spendende Privatpersonen82 5.Unternehmensspenden85 5.1Philanthropie im Kontext des Corporate Citizenship85 5.1.1Corporate Giving: Spenden und Sponsoring87 5.1.2Corporate Volunteering: Freiwilliger Arbeitseinsatz91 5.1.3Corporate Foundations: Stiftungen92 5.2Ausmaße und Trends von Corporate-Citizenship-Aktivitäten92 5.2.1Zunehmende Aufwertung von Corporate Social Responsibility und Corporate Citizenship98 5.3Motive für unternehmerische Philanthropie100 5.3.1Kriterien für die Spendenvergabe106 5.4Zusammenfassung und Untersuchungsgrundlage107 6.Praxisbeispiel: Unternehmen auf betterplace.org110 6.1Präsentationsmöglichkeiten auf betterplace111 6.2Unternehmensbezogene Spendenformen über betterplace114 6.2.1Fallbeispiele Pennergame, eBay-LIMAL PAYBACK117 6.3Corporate Giving über betterplace120 6.3.1Der wirtschaftliche Mehrwert der Spendentätigkeit120 6.3.2Die Übernahme unternehmerischer gesellschaftlicher Verantwortung124 6.3.3Greenwashing und Astroturfing126 6.4Unternehmensbezogene Ausbaumöglichkeiten der Plattform betterplace127 6.5Fazit: CSR 2.0 über betterplace130 7.Zusammenfassung und Conclusio134 7.1Online-Spenden + Social Media = SOS134 7.2Der Mehrwert von SOS für Organisationen und Privatpersonen137 7.3SOS im sozialen Tätigkeitsbereich von Unternehmen140 7.3.1Vor- und Nachteile des Einsatzes von SOS im Corporate Giving142 7.4Schlussbemerkung und Ausblick144 Literaturverzeichnis145 Anhang157 Lebenslauf161 Abstracts162Textprobe:Textprobe: Kapitel 5.2, Ausmaße und Trends von Corporate-Citizenship-Aktivitäten: Haibach beziffert den Umfang der im Jahr 2006 in Deutschland getätigten Geld- und Sachspenden von Unternehmen auf 4,6 Milliarden Euro. Dazu kommt eine Milliarde Euro als Ertrag aus Stiftungen, sowie 3,1 Milliarden Euro für ehrenamtliche Tätigkeiten der Unternehmer, weswegen der Gesamtwert von (in ihrem Falle) CSR-Maßnahmen jährlich auf 10,3 Milliarden Euro geschätzt wird. Mecking zufolge können derzeit jedoch keine genauen Aussagen zum Umfang und zur zahlenmäßigen Bedeutung der verschiedenen Formen des Corporate Giving gemacht werden, da es an einer zentralen Statistik zum Spendenaufkommen fehlt. So gehen die Schätzungen zu Unternehmensspenden seiner Recherche zufolge für das Jahr 2006 von 400 bis 800 Millionen Euro und die Schätzungen für kommerzielles Sponsoring von 2,7 bis 4,3 Milliarden Euro auseinander. Die durchschnittliche Höhe der Unternehmensspenden in Österreich betrug einer Befragung des Instituts für Sozialforschung Linz zufolge im Jahr 2008 durchschnittlich 852 Euro, hochgerechnet ergab dies ein Volumen von ca. 180 Millionen Euro an Geldspenden für das Jahr 2008 in Österreich (Public Opinion 2008). Der durchschnittliche Sponsoring-Betrag belief sich auf 320 Euro, was der weit verbreiteten Meinung, dass Unternehmen eher sponsern als spenden, entgegen spricht (zumindest für Unternehmen bis 249 Beschäftige für das Jahr 2008 in Österreich; Public Opinion 2008). Neben absoluten Zahlen ist der prozentuelle Anteil der philanthropisch tätigen Unternehmen ein Indikator für die Verankerung sozialer Werte in der Unternehmenskultur. Einer Studie des Centrum für Corporate Citizenship Deutschland (CCCD) zufolge waren im Jahr 2007 91 Prozent der deutschen Unternehmen im Corporate Giving aktiv. Eine Studie des Consulting-Unternehmens PricewaterhouseCoopers (PwC) aus demselben Jahr besagt, dass sogar 98 Prozent der Unternehmen zumindest gelegentlich Einzelspenden vergeben. 95 Prozent der Unternehmen haben der Studie zufolge darüber hinaus eine unternehmensinterne Spendensystematik und in der Regel auch ein festes Budget, von dem im Durchschnitt 62 Prozent für Einzelspenden und 38 Prozent für wiederkehrende Spenden verwendet werden. In Österreich zählen sich laut der bereits zitierten Studie des Instituts für Sozialforschung Linz im Jahr 2008 74 Prozent der KMUs zu Spendern. 9 Prozent bezeichneten sich als Nichtspender, 17 Prozent machten keine Angaben. Nur 23 Prozent der Unternehmen gaben an, im Sponsoring aktiv zu sein. Im Jahr 2007 hatten nach gleicher Befragungsmethode noch 82 Prozent der österreichischen Klein- und Mittelunternehmen gespendet. Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse der umfassenden Studie des CCCD zum gesellschaftlichen Engagement deutscher Unternehmen aufgezählt. Die Studie geht neben dem Länderschwerpunkt Deutschland besonders auf den transatlantischen Vergleich von CC-Maßnahmen deutscher mit US-amerikanischer Unternehmen ein, worauf im nächsten Unterpunkt der Arbeit Bezug genommen wird. - 95,6% der deutschen Unternehmen engagieren sich gesellschaftlich. - 59% der gesellschaftlich engagierten Unternehmen kooperieren mit anderen Partnern (in der Regel NGOs). - Bei mehr als drei Viertel der Unternehmen gehört das gesellschaftliche Engagement zum unternehmerischen Selbstverständnis und ist Bestandteil der Unternehmenskultur. Gleichwohl betreibt die Mehrheit der deutschen Unternehmen CC-Aktivitäten nicht aus eigener Initiative. - Corporate Giving ist die bevorzugte Form für deutsche Unternehmen sich gesellschaftlich zu engagieren (91% der Unternehmen). 83% vergeben Geldspenden, 60% Sachspenden. - Es besteht ein starker lokal-räumlicher Bezug. Geld- und Sachspenden im regionalen Umfeld dominieren das gesellschaftliche Engagement deutscher Unternehmen. - Lediglich 16% der großen deutschen Unternehmen binden ihr gesellschaftliches Engagement kommunikativ in ihre Marketing- und Vertriebsaktivitäten ein. - Weniger als 40% der befragten Firmen suchen aktiv nach eigenen Handlungsfeldern und Einsatzmöglichkeiten. Die meisten Unternehmen in Deutschland betrachten Corporate Citizenship als Feld für Philanthropie und Wohltätigkeit. Vergleich Deutschland – USA: Laut CCCD können einige Unterschiede in der Auffassung und Anwendung von CC-Aktivitäten zwischen Unternehmen in Deutschland und den USA festgestellt werden. Im Verständnis von CC als Geschäftsstrategie bestehen dabei die größten Unterschiede. In Deutschland erwarten den Ergebnissen der Studie zufolge nur 40 Prozent der Unternehmen, unabhängig von ihrer Unternehmensgröße, einen unmittelbaren geschäftlichen Nutzen von ihrem gesellschaftlichen Engagement. Auf US-amerikanischer Seite sind dies 63 Prozent, unter den Großunternehmen sogar 84 Prozent. Mehr als ein Drittel der Unternehmen in Deutschland gehen außerdem davon aus, dass ihr gesellschaftlicher Einsatz keine Bedeutung für die Zufriedenheit ihrer Kunden hat. Knapp die Hälfte misst der sozialen Aktivität auch keine Bedeutung für die Steigerung der Attraktivität gegenüber Mitarbeitern oder für die Bindung ebendieser bei. Die Werte der US-amerikanischen Unternehmen liegen bei diesen Aussagen bei 11 bzw. 15 Prozent. Es wird jedoch auch festgehalten, dass deutsche Unternehmen die Umsetzungsqualität ihrer CC-Maßnahmen deutlich selbstkritischer beurteilen als ihre US-amerikanischen Pendants. Gemeinsam haben Vertreter beider Länder, dass sie staatliche Einflussnahme auf ihr Engagement gleichermaßen stark ablehnen. Insgesamt zeigt der Vergleich in großer Deutlichkeit, dass das Verständnis von gesellschaftlichem Engagement als Teil der Unternehmensstrategie und -kultur in Deutschland erst bei wenigen Unternehmen angekommen ist. Vor allem fehlt bei vielen deutschen Unternehmen noch die Überzeugung, dass gesellschaftliches Engagement auch wirtschaftlichen Nutzen bringt. Haibach merkt in diesem Zusammenhang an, dass auch die Zivilgesellschaft in Deutschland gefordert ist, selbstbewusster ihre Nutzererwartungen und Ansprüche an Unternehmen zu formulieren. Die Öffentlichkeit und Kunden deutscher Unternehmen haben bislang kaum besondere Erwartungen an deren gesellschaftliches Engagement gestellt, obwohl diese Erwartungen ihrer Ansicht nach tendenziell im Steigen begriffen sind. Strategic Giving: Aus den USA lässt sich ein Trend ablesen, der sich verstärkt auch in Europa unter der Bezeichnung Strategic Giving verbreitet. Der Begriff beschreibt das professionell gemanagte und unter strategischen Gesichtspunkten ausgerichtete soziale Engagement von Unternehmen, das regelmäßig ausgewertet und revidiert wird. Das Konzept ist dabei nicht ausschließlich auf unternehmerische Philanthropie beschränkt und kann ebenso auf philanthropische Tätigkeiten bspw. reicher Stifter und Mäzene seine Anwendung finden.