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Middle class in Latin America
In: Journal für Entwicklungspolitik (JEP) Vol. 33, 4 (2017)
Wie autoritär ist Lateinamerika?
In: GIGA Focus Lateinamerika, Band 8
"Seit vor zwanzig Jahren die 'dritte Welle der Demokratisierung' die Militärdiktaturen Lateinamerikas zu Fall brachte, gilt Lateinamerika (mit Ausnahme Kubas) als einzige durchgängig demokratisch regierte Entwicklungsregion. Gleichwohl lassen sich auf dem Subkontinent heute nicht nur ererbte Demokratiedefizite, sondern auch neue autoritäre Tendenzen und Herausforderungen für Rechtsstaat und Demokratie feststellen. Die klassischen Militärdiktaturen Lateinamerikas gehören der Vergangenheit an und ein Comeback steht nicht zu erwarten. Gleichwohl erfahren eine Reihe von Staaten politische Deinstitutionalisierung und eine Zunahme autoritärer Tendenzen, was die Frage nach Charakter und Qualität der politischen Regime neu auf die Tagesordnung bringt. Rezentralisierung und populistische Personalisierung der Politik führen vor allem in Bolivien, Ecuador, Kolumbien, Nicaragua und Venezuela zu einem weiteren Ausbau der übermächtigen Stellung der Exekutive bzw. des Präsidenten sowie zu einem zunehmenden Unterlaufen der Gewaltenteilung und -kontrolle. Wahlerfolge von Anti-Establishment-Kandidaten und die Entstehung neuer politischer Eliten mit umfassenden Projekten politischer 'Neugründungen' sind zu verzeichnen, die im Zuge von Verfassungsreformen teilweise Partizipationsrechte ausweiten, andererseits aber auch eine weitgehende Deinstitutionalisierung der bisherigen politischen Systeme mit sich bringen. Die doppelte Bedrohung durch Gewaltakteure - organisierte und herkömmliche Kriminalität auf der einen Seite sowie repressiv-militärische staatliche Gegenmaßnahmen auf der anderen Seite - gefährdet massiv die demokratische Qualität einiger Länder. Dies betrifft insbesondere Mexiko, einige zentralamerikanische Länder und auch weiterhin Kolumbien. Im sozialistischen Kuba gelang die Ablösung Fidel Castros nach fast fünf Jahrzehnten an der Staatsspitze bemerkenswert reibungslos. Die Nachfolgeregierung unter Raúl Castro verspricht die Kontinuität des Einparteiensystems, ist jedoch viel mehr als Fidel auf Legitimierung durch Leistung angewiesen. In der Folge sucht sie den Balanceakt eines Reformwegs, der die materiellen Lebensbedingungen verbessert, ohne die politische Ordnung in Frage zu stellen." (Autorenreferat)
Geographies of Inequality in Latin America
In: Kieler Geographische Schriften Band 123
Lateinamerika - Multilateralismus ohne liberale Werte
Lateinamerika und die Karibik gelten als natürliche Verbündete der deutschen Außenpolitik, wenn es darum geht, den liberalen Multilateralismus zu stärken. Eine Analyse regionaler Zusammenarbeit in der Region zeigt allerdings ein ambivalentes Bild. Insbesondere bei den Kernelementen des liberalen Wertekanons wie Demokratie und Menschenrechte folgen die lateinamerikanischen Regierungen überwiegend den politischen Eigeninteressen.
Das erfolgreichste Element des lateinamerikanischen Multilateralismus ist die zwischenstaatliche Streitbeilegung, die seit dem Jahr 1948 im Pakt von Bogotá institutionalisiert ist. In akuten Krisen ersetzen Ad-hoc-Institutionen jedoch etablierte multilaterale Mechanismen. Ideologische Nähe ist wichtiger als Werte und Normen.
Kernelemente des liberalen Multilateralismus sind Demokratie und Menschenrechte. Hier haben die lateinamerikanischen Länder nicht nur die meisten internationalen Verträge unterschrieben, sondern diese Werte auch im Interamerikanischen System verankert. In der Praxis erweist sich die Umsetzung allerdings als schwierig.
Die Krise in Venezuela zeigt die Ambivalenz multilateraler Kooperation an der Schnittstelle zwischen regionaler Stabilität und politischen Eigeninteressen. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) verurteilte den zunehmenden Autoritarismus schon früh, scheiterte mit Sanktionen allerdings an der Polarisierung entlang ideologischer und parteipolitischer Spaltungen. Die UNASUR (Unión de Naciones Suramericanas) zerbrach an der Krise.
Verlässliche Partnerschaft im liberalen Multilateralismus hängt sowohl in Lateinamerika und der Karibik als auch anderswo davon ab, dass Demokratie und Menschenrechte in den Ländern selbst geschützt und umgesetzt sind. Lippenbekenntnisse reichen hier nicht aus. Dies sollte im Vordergrund der deutschen und europäischen Außenpolitik stehen. Nur wenn die Maßstäbe zwischen Innen- und Außenpolitik im Gleichklang stehen, entstehen stabile Partnerschaften.
Lateinamerika: wirtschaftlich erstarkt - politisch uneins
In: GIGA Focus Lateinamerika, Band 5
"Am 16. und 17. Mai 2008 wird in Lima (Peru) der V. EU-Lateinamerika-Gipfel stattfinden. Eine Woche nach dem Gipfeltreffen mit der EU soll am 23. Mai in Brasília das mehrfach verschobene Gipfeltreffen der südamerikanischen Präsidenten abgehalten werden, auf dem u.a. die Gründungsakte für die ein Jahr zuvor ins Lebens gerufenen Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) verabschiedet und über die Schaffung eines südamerikanischen Verteidigungsrates entschieden werden soll. Wie einig tritt Lateinamerika vor dem Gipfeltreffen der EU gegenüber? Welche Kooperationshemmnisse gibt es auf lateinamerikanischer Seite? Trotz günstiger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen präsentiert sich Lateinamerika vor dem Gipfeltreffen mit der EU uneins und zerstritten. Noch im März hatte Venezuela Truppen an die Grenze zu Kolumbien entsandt. Ecuador, Venezuela und Nicaragua brachen kurzzeitig die diplomatischen Beziehungen zu Kolumbien ab. Und die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) wie auch die Rio-Gruppe mussten nach dem kolumbianischen Angriff auf einen Guerilla-Stützpunkt der Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC) auf ecuadorianischem Gebiet vermittelnd eingreifen. Daneben gibt es aber auch Bestrebungen, neue politische Kooperationsstrukturen in Lateinamerika aufzubauen, wodurch sich einerseits das Spektrum der möglichen Kooperationspartner für die EU in Lateinamerika erweitert, sich aber andererseits die Kooperation schwieriger gestaltet. Lateinamerika ist wirtschaftlich erstarkt und profitiert vom Nachfrageboom nach Rohstoffen und Agrarprodukten, außenpolitisch haben die lateinamerikanischen Regierungen an Handlungsspielraum gewonnen. Demgegenüber stagnieren die wirtschaftlichen Integrationsprozesse in der Region, Kooperationspotenziale werden nicht ausgeschöpft. Zugleich ist es zu einer (Re-)Ideologisierung der Außenpolitik und einem Anstieg des zwischenstaatlichen Konfliktpotenzials gekommen. Parallel dazu sind neue, politisch ausgerichtete Kooperationsstrukturen entstanden, wie die UNASUR oder die Alternativa Bolivariana para las Américas (ALBA), die eine geringe Verbindlichkeit für die beteiligten Länder aufweisen und deren Zukunftsperspektiven ungewiss sind. Für die EU ist es schwierig, die richtige Mischung zwischen der Pflege der strategischen Partnerschaften mit einzelnen Schlüsselländern (vor allem mit Brasilien), der Fortführung der Verhandlungen mit den stagnierenden Integrationsbündnissen und dem möglichen Aufbau von Beziehungen zu den neuen Kooperationsstrukturen in Lateinamerika zu finden." (Autorenreferat)
Globalization and Austerity Politics in Latin America
In: Politische Vierteljahresschrift: PVS : German political science quarterly, Band 55, Heft 1, S. 208-210
ISSN: 0032-3470
Die neue Verortung Lateinamerikas in der internationalen Politik
In: GIGA Focus Lateinamerika, Band 8
"In Lissabon wurde am 4. Juli 2007, gleich zu Begin der portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft, eine umfassende strategische Partnerschaft zwischen der EU und Brasilien vereinbart. Der südamerikanischen Führungsmacht wird damit ein vergleichbarer Status wie China, Indien und Russland eingeräumt. Eine Woche zuvor hatte der venezolanische Präsident Hugo Chávez Russland, Weißrussland und den Iran bereist, um die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen auszubauen sowie erneut Waffenkäufe zu tätigen. Gleichzeitig drohte Chávez, das südamerikanische Integrationsbündnis Mercosur wieder zu verlassen, dem er gerade beigetreten war; während er gleichzeitig für sein eigenes Integrationsprojekt Alternativa Bolivariana para las Americas (ALBA) warb. Während Lateinamerika in der politischen Publizistik teilweise als Verlierer der Globalisierung abgeschrieben wird, gibt es Anzeichen für eine Neuverortung und einen größeren Einfluss Lateinamerikas - oder einzelner Staaten der Region - in der internationalen Politik. Zugleich ist es innerhalb Lateinamerikas zu Machtverschiebungen und neuen politischen Allianzen gekommen. Dabei spielt die Verfügung über Energierohstoffe als Machtressource eine wichtige Rolle. Es ist heute schwieriger geworden, festzustellen, wer verbindlich für Lateinamerika spricht und wer die geeigneten Ansprechpartner für externe Akteure sind. In Lateinamerika zeichnen sich die Konturen einer zukünftigen multipolaren Weltordnung ab. Lateinamerika ist politisch und ökonomisch stärker fragmentiert und gespalten als noch zu Beginn der Dekade. Zugleich hat Lateinamerika an Handlungsspielraum in der internationalen Politik gewonnen. Die internationalen Finanzinstitutionen wie die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF), aber auch die USA und die EU haben in den vergangen Jahren an Einfluss in Lateinamerika verloren, demgegenüber haben aufstrebende oder wieder aufstrebende Mächte wie China oder Russland an Einfluss gewonnen. Die EU reagiert nun - wenn auch mit Verzögerungen - auf die Veränderungen Lateinamerika." (Autorenreferat)
Innere Sicherheit in Lateinamerika: Probleme und Perspektiven
In: GIGA Focus Lateinamerika, Band 7
"Seit Jahresbeginn sind in Mexiko rund 1.000 Menschen durch Organisierte Kriminalität und ihre Bekämpfung umgekommen. In Guatemala ist die Sicherheitslage eines der wichtigsten Themen vor den Wahlen im kommenden September. Im Kampf gegen Drogenbanden haben brasilianische Sicherheitskräfte in den letzten Monaten mit hohem Personalaufwand und schweren Waffen favelas gestürmt. So gut wie überall in Lateinamerika stehen Probleme der öffentlichen Sicherheit weit oben auf der politischen Agenda. Gewalt, Kriminalität und Unsicherheit sind zu zentralen Themen in der sozialwissenschaftlichen Analyse der lateinamerikanischen Gegenwart geworden. Dabei sind drei Ebenen zu unterscheiden: die Ebene der Gewalt- und Kriminalitätsphänomene selbst, die Ebene der Wahrnehmung dieser Phänomene in der Gesellschaft und die Ebene der politischen und gesellschaftlichen Reaktionen auf die wahrgenommenen Sicherheitsdefizite. Insgesamt wird das Thema heute vor allem im Rahmen des Konzepts der seguridad ciudadana ('Bürgersicherheit') diskutiert. Dieses sollte kritisch hinterfragt werden. In den einzelnen lateinamerikanischen Ländern ist eine Reihe sehr unterschiedlicher Phänomene von Gewalt und Kriminalität zu beobachten: von Express-Entführungen (vor allem Mexiko, Kolumbien) über Jugendbanden (vor allem Guatemala, El Salvador, Honduras) bis hin zu vielfachen Frauenmorden (vor allem Mexiko, Guatemala). In der Bevölkerung und in der öffentlichen Auseinandersetzung haben die Themen Gewalt, Kriminalität und Unsicherheit fast überall große und wachsende Bedeutung. Die Kritik an rein repressiven Anti-Kriminalitätsmaßnahmen ist in letzter Zeit gewachsen. Regierungen und Sicherheitskräfte setzen unterschiedliche Politiken im Hinblick auf die Unsicherheitsphänomene um. Derzeit werden vermehrt auch präventive oder partizipative Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit eingeführt. Vielerorts ist die Neigung zu einer (weiteren) Militarisierung der Inneren Sicherheit jedoch ungebrochen." (Autorenreferat)
Verfassungspopulismus und Verfassungswandel in Lateinamerika
In: GIGA Focus Lateinamerika, Band 2
"Am 15. Februar 2009 stimmten knapp 55 Prozent der Venezolaner für eine Verfassungsreform, mit der dem amtierenden Präsidenten Hugo Chávez die unbegrenzte Wiederwahl ermöglicht wird. Nur drei Wochen zuvor war in Bolivien gleichfalls mittels eines Referendums eine neue Verfassung angenommen worden. Bereits am 28. September des Vorjahres hatten die Ecuadorianer in einer Volksabstimmung dem Entwurf für eine neue Verfassung zugestimmt. Verfassungsreformen sind in Lateinamerika zurzeit in Mode: Seit 1990 wurden insgesamt sieben neue Verfassungen und 239 einfache Verfassungsänderungen verabschiedet. Die jüngsten Reformen spiegeln allgemeine Trends wider, weisen aber auch einige spezifische Merkmale und Neuerungen auf. Dazu gehört, die Rechte der indigenen Bevölkerung zu stärken und den 'plurinationalen' Charakter der Staaten hervorzuheben. Die beiden neuen Verfassungen von Bolivien und Ecuador sind mit jeweils mehr als 400 Artikeln die bei weitem umfangreichsten Verfassungen in Lateinamerika. Sie enthalten eine Vielzahl von Versprechungen (wie das Anrecht auf ein 'gutes Leben') und legen wichtige Politikinhalte (vor allem in der Wirtschafts- und Sozialpolitik) fest. Verfassungen werden in Lateinamerika relativ häufig reformiert, sei es durch die Verabschiedung neuer Verfassungen, sei es durch einfache Verfassungsreformen. Dieser Trend hat sich in den vergangenen Jahren verstärkt. Die Verfassungstexte werden immer umfangreicher und führen zu einer Konstitutionalisierung von Politikfeldern. Viele der gegenwärtigen Verfassungsreformen weisen eine starke machtpolitische Komponente auf. Sie wurden von den amtierenden Präsidenten initiiert und festigen deren Position. Teilen der Verfassungsreformen kommt hingegen symbolischer Charakter zu, indem sie den Bürgern weitreichende Versprechungen machen ('Verfassungspopulismus'), deren Umsetzbarkeit jedoch zweifelhaft erscheint. Die Wahrscheinlichkeit immer neuer Verfassungsreformen ist mit den letzten Referenden gerade in den drei genannten Ländern eher größer als kleiner geworden." (Autorenreferat)