Roger Mac Ginty: Everyday Peace: How So-called Ordinary People Can Disrupt Violent Conflict. Studies in strategic peacebuilding. Oxford: Oxford University Press 2021. 978-0-19-756339-7
Der vorliegende Beitrag informiert über den methodologischen Ansatz der Projektgruppe Friedensforschung Konstanz und stellt textanalytische Verfahren in den Kontext konstruktiver Konfliktbewältigung im weitesten Sinne. Ausgehend vom Primat des Gegenstandes vor der Methode zielt dieser Ansatz auf die Entwicklung einer integrativen Methodologie ab, welche quantitative und qualitative Methoden miteinander verbindet. Die Sozialpsychologische Rekonstruktion versteht sich dementsprechend nicht als eine spezifische Methode der Textanalyse, sondern als eine Familie von kommunikationsanalytischen Verfahren, die durch eine gemeinsame theoretische Konzeption miteinander verbunden sind und ein breites Methodenspektrum abdecken, welches von textinterpretativen bis hin zu inhaltsanalytischen Verfahren reicht.
'Internationale Organisationen genießen als Friedensstifter einen guten Ruf. Ihnen wird nachgesagt, dass sie ihre Mitgliedsstaaten davon abhalten, gegeneinander Kriege zu führen, und dass sie bei Konflikten deeskalierend auf sie einwirken. Nun sind Griechenland und die Türkei beide seit 1952 Mitglieder der NATO. In der EU ist Griechenland Vollmitglied und die Türkei assoziiertes Mitglied mit Perspektive auf einen Beitritt. Dennoch konnte der griechisch-türkische Konflikt nicht beigelegt werden und in den 1990er Jahren eskalierte er mehrmals gefährlich. Erst nach 1999 gelang eine Entspannung im Verhältnis zwischen Griechenland und der Türkei. Vor diesem Hintergrund muss die Annahme, internationale Organisationen wirkten friedensstiftend, neu überprüft werden. Weshalb haben sich NATO und EU vor 1999 als so wenig konfliktreduzierend gezeigt? Wovon hängt es ab, dass sich seitdem eine friedensfördernde Wirkung entfaltet? Besonders die Antwort auf die letzte Frage ist aktuell wichtig. Der Autor kommt in seiner Studie zu dem Ergebnis, dass beide Institutionen, gekoppelt mit der Demokratisierung Griechenlands und der Türkei, eine stabile Friedensordnung stiften können. Dieser Prozess ist aber noch nicht selbsttragend. Sein Fortgang hängt von Anreizen ab - wie im Fall der Türkei von einem möglichen EU-Beitritt. Versuche einiger EU-Mitglieder, diese Beitrittsperspektive wieder zu schließen oder sie an kaum erfüllbare Bedingungen zu knüpfen, sieht der Autor daher kritisch. Er warnt davor, den Anreiz eines EU-Beitritts für die Türkei vorschnell zurückzunehmen und den Konflikt langfristig erneut anzufachen.' (Autorenreferat)
Am 23. September 2005 wurde von der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft e.V. (FEST) in Kooperation mit den Evangelischen Akademien in Deutschland e.V. (EAD) in Berlin ein erster Workshop zum Verhältnis von "Religion und Konflikt" durchgeführt, der von der Deutschen Stiftung Friedensforschung (DSF) gefördert wurde. Beteiligt waren rund 20 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Disziplinen Politikwissenschaft, Soziologie, Religionswissenschaft und Theologie, die sich mit den Wechselwirkungen zwischen Religion und Konflikt beschäftigen. Unter den Teilnehmern bestand Übereinstimmung darin, dass die deutsche Friedens- und Konfliktforschung den Zusammenhang zwischen religiösen Motiven und Konflikteskalationen bzw. -deeskalationen bisher nur unzureichend behandelt und vornehmlich den eskalierenden Einfluss untersucht, obwohl das Thema in hohem Maße aktuell ist. Am 12. und 13. Mai 2006 fand ein zweiter, ebenfalls von der DSF geförderten Workshop in der Evangelischen Akademie Loccum statt. Das Thema des Workshops lautete "Wissenschaftliche Leitlinien zur Analyse konflikteskalierender und -deeskalierender Wirkungen von Religionen im Rahmen eines Forschungsverbundes". Die Diskussion fand in einem erweiterten Kreis statt, der etwa zur Hälfte aus Teilnehmern des ersten Workshops und zur Hälfte aus neuen Personen bestand, die zum einen weitere Disziplinen wie die Rechtswissenschaft und zum anderen in Konfliktländern tätige kirchliche Akteure vertraten. Der vorliegende Beitrag fasst die Diskussionen und zentralen Ergebnisse dieses zweiten Workshops zusammen. (ICD2)
"Ende November 2008 kamen im nigerianischen Jos bei Unruhen zwischen Christen und Muslimen etwa 400 Menschen ums Leben; Ende Februar 2009 forderten weitere Zusammenstöße in Bauchi elf Todesopfer. Im Anschluss an die unerwartet blutige Orgie der Gewalt in Jos, die durch den umstrittenen Ausgang einer Local-Government-Wahl ausgelöst wurde, rief der Nigeria Inter-Religious Council zum friedlichen Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit auf. Die Unruhen in Jos zeigen exemplarisch, dass Religion im subsaharischen Afrika nicht nur bei der gewaltsamen Eskalation von Konflikten, sondern - was oft übersehen wird - dass sie auch bei den Anstrengungen eine Rolle spielt, Konflikte zu befrieden und einzudämmen. Mit Religion allein können gewaltsame Konflikte im subsaharischen Afrika (und anderswo) nicht erklärt werden. Gewaltkonflikte werden primär durch sozioökonomische und politische Faktoren verursacht. Jedoch kann Religion die Gewaltdynamik sowie die Intensität und die Dauer von Konflikten nachhaltig beeinflussen. Religion kann in Konflikten Legitimationsgrundlage für das Verhalten von Akteuren sein. Einerseits kann Gewalt durch religiöse Ideen gerechtfertigt werden, andererseits fördern religiöse Werte das Engagement für den Frieden. So werden in manchen Fällen Konflikte durch die Mobilisierung religiöser Identitäten verschärft, in anderen Fällen wirken interreligiöse Initiativen an der Entschärfung von Konflikten mit. Um belastbare Aussagen über die Rolle von Religion in Gewaltkonflikten im subsaharischen Afrika zu erlangen, sind noch zahlreiche Forschungsfragen zu beantworten: Dazu gehört vor allem, unter welchen konkreten allgemeinen Bedingungen und auf welche Weise religiöse Faktoren zu Eskalation oder Deeskalation beitragen. Erst das Wissen über diese Bedingungen wird ermöglichen, die eskalierende Wirkung religiöser Faktoren in Afrika und anderswo zu vermeiden und Religion als Friedensressource nutzbar zu machen." (Autorenreferat)
In: Kirchliche Zeitgeschichte: KZG ; internationale Zeitschrift für Theologie und Geschichtswissenschaft = Contemporary church history, Band 31, Heft 1, S. 58-80