Die Konflikttheorie der Psychoanalyse
In: Sozialwissenschaftliche Konflikttheorien: eine Einführung, S. 447-459
Wenn man die Psychoanalyse Freuds nicht als Krankheitslehre und als therapeutische Anweisung im Hinblick auf seelische Störungen versteht, wie sie insbesondere von den Ärzten in der Nachfolge Freuds rezipiert worden ist, sondern als Anthropologie (im Sinne von Aussagen über die Conditio humana) bzw. als Kulturtheorie (im Sinne von Aussagen über das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft), so stößt man auf die Frage, die für ein Verständnis der Freudschen Theorie konstitutiv zu sein scheint: Wie vertragen sich die individuellen Ansprüche, Wünsche und Begierden, die sich für Freud aus der Leibhaftigkeit des Menschen ergeben, mit jenen Anforderungen, die das soziale Zusammenleben an den einzelnen stellt? Denn es handelt sich bei dem Verhältnis von Individuum und Gesellschaft - Freud spricht hier fast durchgängig von "Kultur" - um ein Konfliktverhältnis und nicht um ein fragloses Integrationsverhältnis. Die vorliegende Einführung in die Konflikttheorie der Psychoanalyse thematisiert den Konflikt zwischen Trieb und Kultur, den Aufstand des Sexus, das "Unbehagen in der Kultur", die Bedeutung von Aggressionen und die Überwindung des Konflikts durch Intellektualismus und Elite. Es werden ferner die Konflikte um Fremdenfeindlichkeit in Freudscher Perspektive dargestellt und die Kritik und Weiterentwicklung der psychoanalytischen Kulturtheorie nach Freud beschrieben. (ICI2)