Die Sicherheitslage in Südasien bietet im Frühjahr 1999 ein widersprüchliches Bild. Mit ihren Nukleartests von Mai 1998 haben Indien und Pakistan de internationalen Gemeinschaft demonstriert, daß Südasien auch im 21. Jahrhundert zu den wichtigsten Kriseregionen der Welt zählen wird. Andererseits scheinen die "Bus-Diplomatie" und das Treffen des pakistanischen Premierministers Nawaz Sharif und seines indischen Amtskollegen A.B. Vajpayee im Februar 1999 sowie die Unterzeichnung der Lahore-Deklaration eine neue Phase der Annäherung und Zusammenarbeit eingeleitet zu haben, die neun Monate zuvor noch undenkbar erschien. Allerdings ließe sich einwenden, daß Phasen der Konfrontation und Kooperation schon immer die mehr als fünfzigjährigen Beziehungen zwischen beiden Staaten geprägt haben, so daß für übertriebenen Optimismus kein Anlaß besteht.
Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit den Dilemmata der polnischen Außenpolitik wird gezeigt, dass die politische Elite Polens im Einklang mit den breiten Bevölkerungsschichten bemüht war, eine gewisse Vertrauensdistanz zu den "rein" europäischen Sicherheitsstrukturen zu schaffen, mit denen Polen in der Vergangenheit nur negative Erfahrungen gemacht hatte. Polen war als europäisch-kontinentale Demokratie sehr daran interessiert, das Funktionieren eines demokratischen, unabhängigen und souveränen Staates in einem sicheren Rahmen zu gewährleisten. Aus diesem Grund liegt die effiziente europäische Verwirklichung des außen- und sicherheitspolitischen Konzepts sowie eines Verteidigungsprojekts im grundlegenden Interesse des Landes. Nach der weitgehenden Erfüllung der strategischen Ziele der polnischen Außenpolitik, d.h. der Einbindung in die westlichen Strukturen, insbesondere durch die Mitgliedschaft in der NATO (12.3.1999) und in der Europäischen Union (1.5.2004) konnte sich Polen somit der außen- und sicherheitspolitischen Zukunft des europäischen Kontinents zuwenden. Um als Partner in Europa ernst genommen zu werden, musste Polen den Weg der gemeinsamen "Europäisierung" einschlagen. Dies bedeutete nicht nur, eigene Interessen durchzusetzen, sondern auch, bereit zu sein, tragfähige Kompromisse zu schließen, um nicht zu einem Enfant terrible der europäischen Politik zu werden. Die Hauptaufgabe bleibt aber, sich an einem umfassenden System globaler kooperativer Sicherheit auf der Basis des gemeinsamen Sicherheitsbegriffs zu beteiligen, und im Besonderen, einen spezifisch polnischen Beitrag zur Sicherung der östlichen Flanke der NATO und der EU sowie zur Förderung der beiden Organisationen und zur Stabilisierung der demokratischen Strukturen in diesem geopolitischen Raum zu leisten. (ICG2)