In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 2944-2957
"Ziel des Vortrages ist es, das vorherrschende Menschenbild in der Soziologie zu untersuchen und das Problem einer kritischen Begrenzung des Sozialen aufzuwerfen. Als Bezugspunkt soll dabei die Theorie von Plessner dienen, deren Nutzen sich dadurch für die soziologische Theorie erschließen lässt. Obwohl die Soziologie, die Weber entworfen hat, zumeist als Humansoziologie verstanden wird, die allein menschliche Handlungen und Interaktionen zu untersuchen hätte, wird bei genauerer Betrachtung die Gewissheit, dass der Bereich des Sozialen mit dem Menschen zusammenfällt, problematisch. Wenn man zugrunde legt, dass Sozialität nur als historisch kontingent verstanden werden kann, wird fraglich, wie der Bereich des Sozialen begrenzt ist und welche Wesen als soziale Subjekte infrage kommen können: Denn es mag für moderne Gesellschaften zutreffend sein, dass nur Menschen soziale Personen sein können; anzunehmen, dies wäre ein generelles überzeitliches Charakteristikum von Gesellschaft, spräche gegen zahlreiche empirische Belege. Neben dem Argument der historischen und kulturellen Bedingtheit fordern verschiedene soziologische Ansätze die Frage heraus, ob Menschen tatsächlich einen exklusiven Akteursstatus besitzen und ferner Tieren oder Techniken nicht ebenso Akteursqualitäten zukommen. Weber selbst hat es als ein offenes Problem aufgefasst, ob nur Menschen oder auch Tiere (oder nur bestimmte Tiere) sozial handelnde Subjekte sind. Das Problem, das Weber skizziert hat, macht die Notwendigkeit deutlich, den Gegenstandsbereich des Sozialen in den Blick zu nehmen und die konsensuelle und implizit wirksame Begrenzung auf Menschen in Zweifel zu ziehen. Sofern menschliche Handlungssubjekte nicht von vornherein (unkritisch) als die einzig möglichen postuliert sind, wird es erforderlich, in einer sozialtheoretischen Grundlagenreflexion zu untersuchen, was unter Sozialität zu verstehen ist. Mit der Weiterentwicklung des Ansatzes von Plessner als Theorie personaler Vergesellschaftung kann das Problem der Intersubjektivität aufgegriffen werden. Fasst man die Theorie der exzentrischen Positionalität nicht als positive Anthropologie auf, besteht die Möglichkeit, eine allgemeine Reflexion auf die Bedingungen vorzunehmen, die gegeben sein müssen, damit ein soziales Verhältnis zustande kommen kann." (Autorenreferat)
Der Anteil der Personen in Deutschland, die das Internet nutzen, nimmt stetig zu, vor allem durch eine häufigere Internetnutzung bei den Älteren. Immerhin jede/r Siebte ab 14 Jahren ist jedoch "offline", darunter vor allem ältere Personen, und damit einhergehend Personen mit geringer formaler Bildung und mehr Frauen als Männer. Zudem lassen sich räumliche Unterschiede in der Internetnutzung erkennen, z. B. nach Gemeindegröße und Bundesländern. Die Gründe für die Nicht-Nutzung bestehen weitergehend aus einer Wechselwirkung von geografischer Lage und demografisch-struktureller Komposition der Bevölkerung, denn in dünn besiedelten Räumen mit geringen Anschlussraten leben überdurchschnittlich viele ältere Menschen, die mangelndes Interesse, fehlenden Nutzen sowie mangelnde Kompetenzen bekunden. Eine Nicht- Nutzung bzw. Wenig-Nutzung erschwert die Teilhabe am öffentlichen Leben, das zunehmend digitaler wird, und führt zu einer digitalen Spaltung der Gesellschaft.
In: Soziale Ungleichheit, kulturelle Unterschiede: Verhandlungen des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München. Teilbd. 1 und 2, S. 1118-1125
Die Frage nach der Zugehörigkeit der Türkei zu Europa ist eigentlich längst entschieden - niemand behauptet ernsthaft, die Türkei sei ein afrikanisches oder asiatisches Land. Das grundlegende Charakteristikum der Türkei ist heute ihre interne politische, soziale und kulturelle Gespaltenheit in Verbindung mit einem für europäische Verhältnisse rasanten sozialen Wandel. Nach dem gegenwärtigen Stand soziologischer Theoriebildung und Indikatorenentwicklung für die systematische Beobachtung des "Europäisierungsprozesses" der Türkei - wie auch der europäischen Integration insgesamt - sind die Sozialwissenschaften weit davon entfernt, wissensbasierte Prognosen über den Verlauf dieser Prozesse abgeben zu können. (ICE2)
Zusammenfassung Ungarn ist ein postkommunistisches Land, in dem für lange Jahrzehnte Armut oder Erwerbslosigkeit, verursacht durch eine Behinderung, neben anderen unerwünschten sozialen Problemen, in der Politik dethematisiert oder weitgehend ignoriert und mehr oder weniger als ´selbstverschuldet´ angesehen wurden. Menschen mit Behinderung waren und sind heute noch in Ungarn immer wieder stigmatisiert und ausgegrenzt. Die fehlende Wahrnehmung dieser Problematik und die geringe staatliche Unterstützung für Menschen mit Behinderung sowie deren Segregation im Bereich der Bildungs- und in der Beschäftigungspolitik hat in Ungarn eine lange Tradition. Dies kann man besser nachvollziehen, wenn man bedenkt, dass für Menschen mit Behinderung erst seit der politischen Transformation (1989) und besonders durch die neue Regelung im Hochschulsystem (2002) ein Zugang zum Hochschulstudium ermöglicht wurde. In dieser biografietheoretischen Studie beschäftige ich mich mit einem bisher kaum erforschten Thema: die Lebensgeschichten und Lebenssituationen von Menschen mit einer oder mehreren körperlichen Behinderung/-en in Ungarn, die ihre Kindheit und besonders ihre Schullaufbahn vor den politischen Transformationsprozessen (1989) erlebten und denen, gerade durch das neue politische System und insbesondere durch die geänderten Bedingungen im Bildungssystem (2002), die Teilhabe an Bildung – in diesem Fall das Studieren – ermöglicht wurde. Die bisherige Schul- und Bildungsforschung, aber auch der gesellschaftliche Diskurs in Ungarn, befasste sich vorwiegend damit, den schulischen Misserfolg von Kindern mit geistigen aber auch mit körperlichen Behinderungen zu erklären. Diese neue Erscheinung – Studierende mit Behinderung –, bot sich für mich als ein neues und spannendes Forschungsfeld an. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass bei den Student/-innen als Defizit benannte niedrige Schulqualifikation und damit ein Grund mehr für die Stigmatisierung als ´leistungsschwache Menschen´ nicht vorhanden ist, trotzdem werden sie in Interaktionen auf ihre Behinderungen reduziert und weiterhin in der Gesellschaft diskriminiert; d. h. die Behinderung (Abweichung) bleibt als Stigma erhalten. Im Fokus der vorliegenden Studie standen also das Verstehen der Prozesse der Stigmatisierungen und Diskriminierungen auf der individuellen und auf der gesellschaftlichen Ebene, die Problematik der institutionellen Einschränkung der Teilhabe und deren Aus- und Wechselwirkungen auf die Einzelbiografie. Von zentraler Bedeutung sind in den rekonstruierten Lebensgeschichten dieser Studie die Diskriminierungs- und Stigmatisierungsprozesse aufgrund einer Behinderung im Kontext von Selbsteinschätzung und Fremdzuschreibung (Selbstbild–Fremdbild). Diese Prozesse sind durch eigene biografische Erfahrungen sowie auf der kollektiven Ebene u. a. durch die historischen und politischen Traditionen des Landes geprägt. Anhand der Ergebnisse der vorliegenden Studie lässt sich festhalten, dass Student/-innen mit Behinderung im Laufe ihres Lebens ein sehr großes Entwicklungs- und Handlungspotenzial zeigen. Die persönlichen Leistungen werden aber von ihnen selber kaum positiv erlebt oder als solche wahrgenommen. Dies resultiert aus der Diskrepanz zwischen der Selbsteinschätzung und der Fremdzuschreibung, die auf starken Diskriminierungen in der Gesellschaft fußen und mit den fehlenden Möglichkeiten an gesellschaftlicher Partizipation (Teilhabe) einhergehen. In dieser Studie wurde dementsprechend auch danach gefragt, welche Erfahrungen zu welcher Strategie der Bearbeitung von Stigmatisierungen und Diskriminierungen aufgrund einer körperlichen Behinderung geführt haben. Dabei konnten Erfahrungs- und Handlungsmuster im Kontext der Gesamtbiografie nachvollzogen werden. So konnten nicht nur die Stigmatisierungsprozesse in gegenwärtigen Situationen in Ungarn analysiert werden, sondern auch, wie sich das Stigma-Management im Laufe des Lebens, aber auch durch die politischen und gesellschaftlichen Transformationsprozesse veränderte. Auf diese Fragen liefert die empirisch fundierte Typenbildung der vorliegenden Studie unterschiedliche Antworten. Bei den von mir konstruierten Typen der Bearbeitung der Behinderung – genauer gesagt, der Bearbeitung von Stigmatisierungen und Diskriminierungen – wird vom Einzelfall auf gleichartige Fälle geschlossen, die nach ähnlichen Regeln funktionieren. Dabei werden die Verallgemeinerungen nicht im numerischen, sondern theoretischen Sinne vorgenommen. Gerade die historische und politische Gegebenheit Ungarns verstärkte und vertiefte die Diskriminierungsprozesse gegenüber Menschen mit Behinderung, wobei die Auswirkungen der politischen und gesellschaftlichen Transformationsprozesse erst durch die Ergebnisse dieser interpretativen Studie näher betrachtet und in ihrer Komplexität besser verstanden werden können. Die Analyse beinhaltet also sowohl die Rekonstruktion des biografischen Verlaufs im persönlichen Umgang mit einer körperlichen Behinderung bzw. mit den Stigmatisierungen aufgrund einer körperlichen Behinderung; sie bezieht aber auch den gesellschaftlichen Umgang mit Behinderungen und dessen Wandel mit ein. Gesellschaft und Individuum werden dabei nicht als dualistische Gegensätze betrachtet, sondern in ihrem Wechselverhältnis und ihrer gegenseitigen Bedingtheit untersucht. ; Summary Hungary is a post-communist country where for long decades poverty or unemployment caused by disability, among other undesired social problems, was not made a subject of discussion or was ignored and considered self-inflicted. In Hungary people with disabilities were, and still are, repeatedly stigmatized and excluded. The lack of awareness of this problem and the low state support for people with disabilities, as well as their segregation in the field of educational and employment policies have a long tradition in Hungary. The situation is better understood when one considers that access to higher education for disabled people was first facilitated after the political changes in 1989, in particular through the new regulations of the higher education system in 2002. In this biographic-theoretical study I concern myself with a topic hardly researched to date: the life stories and situations of people in Hungary with one or more disabilites, who were brought up and in particular educated before the political transformation of 1989, and for whom, exactly through the new political system and specifically through the changed circumstances in the educational system (2002), participation in education – in this case studying – was made possible. Previous school and educational research, but also social discourse in Hungary addressed predominantly the issue of explaining the failure of children with mental or physical disabilities in school. This new phenomenon – students with disabilities – offered a new and exciting research field for me. What is interesting in this context is that these students are still reduced to their disabilities in interactions and continuously discriminated in society, although they are in fact not low-qualified, a label of deficiency that provides yet another reason for their stigmatization as "low-achieving people"; i.e. the disability (deviation) remains a stigma. This study focusses therefore on the understanding of the process of stigmatization and discrimination at an individual and social level, the problem of institutional restrictions of participation and their impact on and interaction with individual biographies. In the reconstructed life stories of this study central importance is given to the processes of discrimination and stigmatization based on disability in the context of self-assessment and assessment by others (how you see yourself – how others see you). These processes are shaped by own biographical experience, as well as on a collective level, e.g. through the historical and political traditions of the country. On the basis of the results of this study we can establish that disabled students show great potential for development and action in the course of their lives. However, they themselves rarely experience or perceive their achievements as positive. This is a result of the discrepancy between their self-image and the image of others, which are based on strong discrimination in society and are accompanied by the lack of opportunity for social participation. It was also investigated in this study what kind of a strategy of handling stigmatization and discrimination on the basis of a disability was induced by which experience, and that allowed the understanding of patterns of experience and action in the context of the full biography. Not only the stigmatization processes in current situations in Hungary could be thus analysed, but also how stigma management in the course of life, and also through the political and social transformation has changed. The empirically based typification of this study provides different answers to these questions. By the types I constructed for handling disability – to be more exact handling stigmatization and discrimination – conclusions were made from individual cases to similar cases working according to similar rules. Thereby, generalizations were made not to a numerical, but to a theoretical effect. Hungary's historical and political circumstances directly intensified and deepened the processes of discrimination against disabled people. However, only through the results of this interpretative study can the impacts of the political and social transformation really be examined and in their complexity better understood. The analysis includes therefore not only the reconstruction of the biographical course of a personal handling of physical disability, and accordingly of stigmatization on the basis of a physical disability; but also society's behaviour towards disabilities and its changes. Society and individuals are thereby not regarded as dualistic opposites, but are examined in their interaction and their interdependence.
Der gesellschaftliche Modernisierungsprozess (gesellschaftlicher Wandel) nimmt gegenwärtig weltweit an Intensität zu. Wesentliche Treiber sind technologische Entwicklungen, welche neue Produkte und Dienstleistungen erzeugen sowie Arbeitsverhältnisse, Kommunikation und Medienkonsum verändern und auf vielfältige Weise das berufliche und private Leben und damit auch die Mobilität neu prägen. Diese Trends verstärken zudem die seit den 1970er Jahren bestehenden wirtschaftlichen und geografischen Disparitäten (wachsen vs. schrumpfen) auf allen räumlichen Maßstabsebenen. In diesem Kontext werden darüber hinaus die Schieflagen zugunsten der Zentren und zulasten der regionalen und ökonomischen Peripherien durch politisch-planerische Entscheidungen zum Aus- und Rückbau von Verkehrsinfrastrukturen und -angeboten meist verstärkt. Für die Entwicklung der Verkehrsträger und der Mobilität sind ein weiterer wesentlicher Treiber die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse über die Klima- und Umweltentwicklung, welche aktuell die politische Steuerung hinsichtlich des Ressourcenverbrauchs und der Menge der Emissionen von Treibhausgasen neu bestimmen. Die Folge sind zum einen verstärkte Anstrengungen, den technologischen Wandel im Sinne einer höheren Energieeffizienz zu forcieren, und zum anderen wird - noch zögerlich - auf Verhaltensänderungen und neue umweltfreundliche Mobilitätsund Lebensstile gesetzt. Um nachhaltigere Lebensweisen forcieren und Rebound- Effekte minimieren zu können, bedarf es allerdings vertiefter Forschungen in den Bereichen der Sozialpsychologie (Motivation und Coping-Strategien) sowie der Segmentierung unterschiedlicher Zielgruppen im Bereich der Soziologie und Sozioökonomie.
In der Arbeit geht es um den Zusammenhang der politischen Entwicklung und des Sprach- und Kulturkontakts. Sie orientiert sich an einer mikrohistorischen und alltagsgeschichtlichen Perspektive und hinterfragt nationale Zuschreibungen. Die These, dass Mehrsprachigkeit bis in kleinste Einheiten hinein ein grundsätzliches Alltagsphänomen war, wird mit der Rekonstruktion der sprachlichen Verhältnisse in Chełmno/Culm überprüft. In einem interdisziplinären Ansatz versucht die Arbeit in sprachlichen Phänomenen sozial- und politikgeschichtliche Bedeutung zu erkennen, die einen substantiellen Beitrag zur Bewertung der Teilungen Polens liefert. Erstmals werden der Übergang der Stadt unter die preußische Herrschaft unter Einbeziehung der russischen Besetzung während des Siebenjährigen Krieges und die sprachlichen Verhältnisse in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts untersucht. Hierfür werden insbesondere die Theorien und Erkenntnisse der Kulturtransferforschung und der Histoire croisée aufgegriffen. Diversität ist kein Charakteristikum einzelner Regionen oder einer transnationalen Ebene sondern eine grundsätzliche soziale Qualität. Der Arbeit liegt das Verständnis zu Grunde, dass "Sprache" die menschliche Fähigkeit und Tätigkeit sprachlicher Kommunikation ist und "Sprache(n)" im Sinne von Einzelsprachen wie Polnisch, Deutsch und Latein Abstraktionen aus den konkreten Formen sprachlicher Kommunikation sind. Ausgewertet werden die in den Quellentexten zu findenden unterschiedlichen sprachlichen Elemente. Die Arbeit gliedert sich in die Einleitung, die drei Kapitel "Chełmno/Culm 1750-1800", "Sprachliche Vielfalt" und "Zwischen Polen und Preußen" sowie ein Ergebniskapitel. Beigefügt ist ein Anhang mit umfangreichen sprachlichen Belegen sowie je eine Zusammenfassung in deutscher, englischer und polnischer Sprache. In der Arbeit wird festgestellt, dass der Herrschaftswechsel sowohl durch gravierende Veränderungen als auch deutliche Kontinuitäten gekennzeichnet ist. Die sprachliche Untersuchung führt zu der Erkenntnis, dass ...
In: Glossmann, J. -P., Walshe, R., Bernschein, A. and Wolf, J. (2010). Economic aspects of lung cancer. Onkologe, 16 (10). S. 1003 - 1009. HEIDELBERG: SPRINGER HEIDELBERG. ISSN 1433-0415
The costs of systemic treatment of lung cancer are rising rapidly due to the use of new and targeted substances. Increases in survival will further add to this development. This explains the exemplary health economic relevance of the treatment of lung cancer, which can be analyzed using various economic methods and instruments. From epidemiologic and economic perspectives, prevention should be given highest priority but the formation of health political and social opinion is not yet completed. Valid evidence on the roles of screening interventions can be expected in the next years. In this article legal, institutional and cooperative approaches within the health care system to address this problem are discussed.
In: Kultur und Gesellschaft: gemeinsamer Kongreß der Deutschen, der Österreichischen und der Schweizerischen Gesellschaft für Soziologie, Zürich 1988 ; Beiträge der Forschungskomitees, Sektionen und Ad-hoc-Gruppen, S. 368-370
Bis heute wird der Tod Karls VI. und der Regierungsantritt Maria Theresias 1740 als eine einschneidende Zäsur in der österreichischen Geschichte gesehen. Doch nun stellt sich vor dem Hintergrund eines weitergefassten Schnittstellenbegriffes (Reinhart Koselleck) die Frage, ob der zweifellos grundlegende Wandel zwischen 1720 und 1780 nicht differenzierter gesehen werden muss. Ausgehend vom Raum des Wiener Hofes, an dem der Herrscherwechsel in seinen Auswirkungen am ehesten dokumentiert werden kann, wird aus der Sicht sogenannten Hofkünste versucht, Kontinuitäten und Diskontinuitäten aufzuzeigen. ; Until today, the death of Charles VI and Maria Theresia's ascending the throne 1740 is seen as a major turning point in Austrian history. But now is the question of whether in different "layers" and "rooms" without doubt fundamental change between 1720 and 1780 not differentiated must be seen against the background of the concept of interface ("Sattelzeit"/Reinhart Koselleck). On the basis of the space "Viennese court", where the change of rulers in its effects most likely can be documented, attempts from the perspective of different disciplines (the so called "Hofkünste" – literature/poetry, arts, theatre/dance, music) point out continuities and discontinuities.
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 5933-5936
Aus soziobiologischer Perspektive spricht nach Ansicht des Autors einiges dafür, die begriffliche Dichotomie zwischen traditionalen und posttraditionalen Gemeinschaften aufzugeben. Denn Gemeinschaften sind nicht deswegen traditional, weil sie seit längerem bestehen, sondern weil sie eine spezifische Funktion erfüllen, die sich im klassischen Sinne der Evolutionstheorie mit dem Stadium der Stabilisierung von Variationen erklären lässt. Diese Behauptung begründet der Autor durch drei Thesen: (1) Gemeinschaft als Universalie ist die Lösung des Reproduktionsproblems der menschlichen Gattung, d.h. des biosozialen Anschlusses. Alles Weitere ist Variation oder evolutionshistorische Marginalie. (2) Die Traditionalität von Gemeinschaften resultiert nicht primär aus überlieferten oder gewohnten Formen, sondern aus der Bewahrung ihrer reproduktiven Funktion, die jenseits des Tauschprinzips durch Vertrauen stabilisiert wird. (3) Die heutigen posttraditionalen Gemeinschaften sind - evolutionshistorisch betrachtet - Gemeinschaftsformen im Stadium der Variation. Was nach der Selektion von ihnen übrigbleibt und sozial relevant stabilisiert werden kann, ist noch offen. Aber mit der Reziprozitätsstabilisierung über Vertrauen und dem Reproduktionserfolg liegen vielleicht Ansatzpunkte vor, um diese Wahrscheinlichkeiten abzuschätzen. (ICI2)
In: Kultur und Gesellschaft: gemeinsamer Kongreß der Deutschen, der Österreichischen und der Schweizerischen Gesellschaft für Soziologie, Zürich 1988 ; Beiträge der Forschungskomitees, Sektionen und Ad-hoc-Gruppen, S. 251-253