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Klappentext: Mit den Umbrüchen in den arabischen Ländern 2011 waren weltweit große Hoffnungen verbunden: Endlich sollten auch die Menschen in dieser Region ein Mindestmaß an politischer Freiheit, Frieden und sozialer Gerechtigkeit erfahren. Mehr als zehn Jahre danach haben sich diese Erwartungen größtenteils zerschlagen. Was ohnehin prekär war, hat sich in vielen Ländern verschlechtert. Zu den vielfältigen Problemen von Gewalt, sozialer Ungleichheit, Korruption und politischer Repression kam ab 2020 die Corona-Pandemie hinzu und verschärfte die Situation. Nahostexperte Rainer Hermann schildert die Ereignisse des vergangenen Jahrzehnts, die Bürgerkriege und Staatskrisen sowie die neuen Kräfteverhältnisse in Nordafrika und im Nahen Osten, wo unter anderem die Golfmonarchien an Macht gewinnen und externe autoritäre Akteure wie Russland und China ihren Einfluss ausdehnen konnten. Neben den vielfältigen Konflikten der Region beschreibt Hermann aber auch, was Europa gegen eine weitere Eskalation der Lage tun kann. Dies sei nicht zuletzt deshalb geboten, weil die Auswirkungen des Klimawandels kaum eine Region der Welt härter treffen werden als Nordafrika und den Nahen Osten.

Wie zuletzt in "Achse des Scheiterns" (ID-A 37/21) beschreibt der erfahrene Journalist und Islamwissenschaftler nachvollziehbar, kenntnisreich und profund Afghanistan als failed state nach westlichem Verständnis. Die Gründe, warum nation building auf ganzer Linie absehbar scheitern musste sind u.a.: das geschichtliche Erbe (von Alexander dem Grossen bis hin zum British Empire mit willkürlicher Grenzziehung, A. als Pufferstaat in alle Richtungen, Einmarsch der Sowjetunion sowie der Amerikaner), schwierige Topographie samt Klima (<90% Mittel- und Hochgebirge, kaum Landwirtschaft) mit idealen Bedingungen für Guerillakriege; religiöse (unterschiedliches Islamverständnis) und sprachliche Heterogenität (30 Sprachen, mehr als 200 Dialekte); höchst unterschiedliche Ethnien (Turkvölker, Perser, Zentralasiaten, Nachfahren griechischer Siedler), extreme Gegensätze Stadt-Land, eine feudale Stammesgesellschaft usw. Mit Karte, Anhang. - Uns geht Afghanistan trotz Taliban-Herrschaft weiterhin an, wie internationale Hilfe gelingen könnte, zeigt der Autor plausibel auf. Gut Lesbar. Keine aktuellen Vergleichstitel. (2) Claudia Niebel

Im April 2021 kündigte US-Präsident Joe Biden den vollständigen Truppenabzug aus Afghanistan bis September an. Bereits Mitte August nahmen jedoch Kämpfer der radikalislamischen Taliban die Hauptstadt Kabul ein. Die nun eilig vollzogenen Evakuierungsmissionen markierten das Ende des längsten Auslandseinsatzes der Bundeswehr und zugleich das Scheitern des zwei Jahrzehnte währenden, international gestützten Versuchs, stabile Regierungsinstitutionen in Afghanistan aufzubauen. Wie konnte es dazu kommen? Der Islamwissenschaftler und Journalist Rainer Hermann zeigt, wie äußere Einmischung und die geostrategischen Interessen von Großmächten die Geschichte Afghanistans seit dem 19. Jahrhundert – immer wieder auch gewaltsam – geprägt haben. Er benennt die Ursachen der Konflikte, die die afghanische Gesellschaft seit Jahrzehnten durchziehen: etwa die ethnisch-kulturelle Pluralität, aus der sich kaum ein afghanisches Nationalbewusstsein entwickelt habe, die willkürliche, traditionelle Zusammenhänge von Gemeinschaften missachtende Grenzziehung durch europäische Kolonialmächte sowie verordnete Modernisierungsversuche, die außerhalb städtischer Zentren kaum Wirkung entfalten konnten. Das Land sei auch nach der Rückeroberung durch die Taliban von massiver internationaler Unterstützung abhängig – diese solle, so Hermann, zwar gewährt, aber an strikte Bedingungen geknüpft werden, die eine förderliche Entwicklung des Landes ermöglichen.

Rezension (ekz): Das "neue Arabien" der Golfstaaten wie Dubai oder Abu Dhabi hat in den letzten Jahrzehnten eine ganz andere wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung genommen als die stagnierenden und korrupten Gesellschaften und Regime im Zentrum der alten arabischen Welt. Rainer Hermann, Islam- und Wirtschaftswissenschaftler, "FAZ"-Korrespondent für die arabische Welt mit Wohnsitz in Abu Dhabi, analysiert die historischen, wirtschaftlichen und politischen Grundlagen dieses Erfolgsmodells und zeigt auf, inwieweit es vorbildhaft für die weitere Entwicklung in den arabischen Kernstaaten sein könnte und wo es unüberbückbare Differenzen gibt. Faktenreich, verständlich und nicht in Konkurrenz zu den Büchern über den "arabischen Frühling". Vor M. Backfisch: "Die Scheich-AG" (2011). (2)

Der Islamwissenschaftler lebt seit 1991 in Istanbul und berichtet seit 1996 für die "FAZ" aus der Region. Er beschreibt im 1. Teil die Entstehung des türkischen Staates nach dem 1. Weltkrieg und die ihn bestimmenden Faktoren: kemalistische Elite, Militär, Justiz, aber auch beginnende Tendenzen zur Auflösung dieses starren Systems durch Landflucht, Industrialisierung der Provinz usw. Er analysiert das Emporkommen der Partei Erdogans, die Auseinandersetzungen zwischen alter und neuer Elite in Politik und Religion, Stichworte "Kopftuch", Außen-, Wirtschaftspolitik. Das Verständnis von und der Umgang mit Minderheiten, beispielhaft an Schulbüchern vorgeführt, die Gewalt gegen Andersdenkende, Frauen und die negativen Seiten, die Zusammenarbeit auf vielen Feldern speziell mit Deutschland und die kulturelle Öffnung zu Europa und die positiven Seiten, die der Autor im abschließenden Teil konstatiert. Als faktenreiche, gut lesbare und eher optimistische Darstellung, die keine Gefahr des Islamismus sieht und dem Leser hilft, das, was sich in der Türkei ereignet und noch ereignen wird, besser zu verstehen: (2)

Die politische Landkarte im Nahen und Mittleren Osten löst sich auf. Syrien, Irak, Libyen, Jemen, Ägypten - die Liste der zerfallenden Staaten ist lang. Dafür entstehen konfessionell legitimierte Ordnungen oder neue Entitäten, die durch lokale Milizen und Warlords beherrscht werden. (IP)