In ihrer so klugen wie umsichtigen Studie über Gruppenvergewaltigungen rückt Laura Wolters die Gewaltpraktiken und Interaktionen in den Mittelpunkt. Sie plädiert dafür, Fragen zur kollektiven sexuellen Gewalt stärker empirisch zu wenden und das Gewaltphänomen als soziales Geschehen ernst zu nehmen. Anhand von Gerichtsakten, autobiografischen Zeugnissen sowie Erfahrungs- und Augenzeugenberichten nimmt sie eine spezielle Form des Antuns und Erleidens in den Blick. (Verlagsinformation)
Cover -- Titelseite -- Impressum -- Inhaltsverzeichnis -- AUFTAKT -- 1 Einleitung Was wir über Gruppenvergewaltigungen wissen und was wir wissen wollen -- 1.1 »Das ›Ereignis‹ Köln« -- 1.2 Was wir wissen: Gruppenvergewaltigung in der Forschung -- Psychologische Anfänge -- Kriminologische und sozialwissenschaftliche Ansätze -- Konfliktbezogene sexuelle Gewalt -- Feministische Theorien ziviler Gruppenvergewaltigungen -- Zusammenfassung -- 1.3 Was wir wissen wollen: Über diese Studie -- 1.4 Vorgehen -- Wie erforscht man die Gewalt? -- Material, Fälle & -- Vignetten -- Analyse -- 2 Vorüberlegungen zu einer Soziologie der sexuellen Gewalt -- 2.1 Ein adäquater Gewaltbegriff? -- 2.2 Vergewaltigung zwischen gewaltsamem Sex und sexualisierter Gewalt -- 2.3 Was ist sexuelle Gewalt? Einige Definitionsversuche -- Geschlechtsbezogenheit -- Raptivität -- Definitionsmacht -- 2.4 Woran sich sexuelle Gewalt vergeht -- Verdinglichung -- Entmenschlichung -- Seelenmord -- Konsens -- 2.5 Sexuelle Gewalt als soziales Geschehen -- Zusammenfassung -- GEWALT -- 3 Warum Gewalt? -- Vignette 1 Die Kriegsreporterin -- 3.1 Konventionen des Gewalterklärens … -- 3.2 … und die gewaltsoziologische Erwiderung -- 3.3 Situative Deutungsangebote -- Vignette 2 La Tournante -- 4 Vergewaltigen und Strafen -- Vignette 3 »Beating the girl with the belt« -- 4.1 Legitimitätsempfinden -- 4.2 Strafaffekte -- Vignette 4 »He had the right to explain« -- 4.3 Sexuelle Gewalt als Regulativ sozialer Beziehungen -- Vignette 5 »Training that bitch« -- 4.4 Gewaltdeutungen: Ein Zwischenfazit -- SEXUALITÄT -- 5 Mitwirkung und Deutungshoheit -- 5.1 Evidenzerfahrungen, Situationsdeutungen und Sexualität -- 5.2 Verhandlung und Übermächtigung -- Vignette 6 Über die Harbour Bridge -- 5.3 Agency und sexuelle Skripte -- 5.4 Forcing a yes out -- Vignette 7 »You have to sleep with one of us«.
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Laura Wolters legt mit ihrer umfassenden Studie die erste Soziologie der Gruppenvergewaltigung vor und leistet damit einen wichtigen Beitrag zu einem gesellschaftlich und politisch überaus relevanten Thema. Wenn sich im Winter die Übergriffe der Kölner Silvesternacht abermals jähren, wird in den Debatten wohl auf ein Neues die Frage nach dem »Warum« im Zentrum stehen. In einem Spannungsverhältnis zur öffentlichen Aufmerksamkeit und zum Ringen um die Ursachen von Gruppenvergewaltigungen steht der Umstand, dass es zu kollektiver sexueller Gewalt bislang wenig Forschung gibt, die dazu oft auch noch einen blinden Fleck aufweist: Das Gewaltgeschehen selbst wird kaum zum Thema gemacht. In ihrer so klugen wie umsichtigen Studie über Gruppenvergewaltigungen rückt Laura Wolters die Gewaltpraktiken und Interaktionen in den Mittelpunkt. Sie plädiert dafür, Fragen zur kollektiven sexuellen Gewalt stärker empirisch zu wenden und das Gewaltphänomen als soziales Geschehen ernst zu nehmen. Anhand von Gerichtsakten, autobiografischen Zeugnissen sowie Erfahrungs- und Augenzeugenberichten nimmt sie eine spezielle Form des Antuns und Erleidens in den Blick.
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Die explanatorische Relevanz von Motiven für Gewalthandeln wird in der neueren, situative Aspekte betonenden Gewaltforschung zunehmend in Zweifel gezogen. Die Kritik läuft trotz guter Argumente jedoch Gefahr, normative und gewaltfördernde Bedürfnisse, Wünsche und Affekte aus dem Blick zu verlieren, so sie sich nicht aus der Situation allein erklären lassen. In dem Beitrag wird der Frage nachgegangen, inwiefern ein weniger teleologischer, volatilerer Motivbegriff neue Erkenntnisgewinne verspricht. An empirischen Beispielen von Gruppenvergewaltigung und dem Zusammenhang von Vergewaltigung und Strafe werden die Begriffe des Legitimitätsempfindens und der Strafaffekte entwickelt, die als motivationale Versatzstücke in Gewaltinteraktionen aufscheinen und ihre Dynamik beeinflussen, ohne sie notwendigerweise kausal zu determinieren. Am empirischen Material lässt sich nachweisen, dass sich die Verteidigung eigener Ordnungsvorstellung affektiv äußert und in gewaltförmigen Akten der Bestrafung münden kann. Damit handelt es sich dabei um ein Motiv, das ein relevanter Aspekt im Vollzug und der Dynamik insbesondere sexueller Gewalt ist.
Vorwort zu: Lee Ann Fujii: Showtime - Formen und Folgen demonstrativer Gewalt. - Mit Blick auf die Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen hat Birgitta Nedelmann schon vor fast 30 Jahren bemerkt, dass, wenn "die Beobachter beobachtet werden, das heißt, die Beifall klatschenden Rostocker Bürgerinnen und Bürger am Bildschirm beobachtet werden, […] sich alle zu Rostockern [verwandeln]. Es gibt einen auf die Beobachter der Beobachter ausgeübten Zwang zur Übernahme der Rostocker Rolle, ohne zu wissen, wie mit dieser umgegangen werden soll, weder alltäglich, noch soziologisch." Die Frage ist ungebrochen aktuell. Und Showtime eröffnet einen äußerst gut ausgebauten Weg zu ihrer Bearbeitung, vor allem indem Lee Ann Fujii mit ihrer Theorie des casting darauf abhebt, wie alle an einem Gewaltgeschehen Beteiligten leiblich involviert sind - nicht nur die Betroffenen oder die Angreifenden, sondern gerade auch die Zuschauenden -, und das bei Gewaltgeschehen, die mitunter geografisch und zeitlich weit voneinander entfernt stattfinden können. Hinzu kommt ihre theoretisch elegante Synthese eines situativ-prozessualen Forschungsansatzes und der Analyse gesellschaftlicher Ordnungsstiftung, die insbesondere durch die soziale Hierarchisierung von Personengruppen entlang von Kategorien erfolgt, deren auf- bzw. abwertende Bedeutsamkeit gewaltsam geschaffen wird. Gerade hier kann die deutschsprachige Gewaltforschung sehr von der Lektüre von Showtime profitieren, insbesondere was die klärungsbedürftige Verknüpfung von situationistischen Argumenten mit herrschaftssoziologischen Fragen betrifft.