Der Beitrag erörtert im Kontext der Auseinandersetzung mit N. Fraser die Ausgestaltung der kritischen Gesellschaftstheorie bei A. Honneth. Fraser will die sozialen Bewegungen als angeblich neue kulturelle Kämpfe mit den alten Distributionskämpfen zusammenbringen. Ebenso wie Honneth schwebt ihr eine anerkennungstheoretische Wende vor, die sie jedoch gleichsetzt mit den Ansprüchen der Neuen Sozialen Bewegungen. Honneth hingegen lehnt gerade die ausschließliche Gleichsetzung der alten Widerstandskämpfe mit ökonomischen Umverteilungskämpfen ab, ebenso wendet er sich gegen Frasers Gleichsetzung der neuen kulturellen, identitätspolitischen Kämpfe mit dem Kampf um Würde und Anerkennung. Die Kritik an Honneths Ansatz umfasst drei Punkte: (1) Gesellschaftlich bedingte Gewalt wird nicht unbedingt von den Betroffenen als solche wahrgenommen. (2) Honneth spricht immer wieder von 'der Gesellschaft' als einheitlichem Ganzen. Die sozialen Interaktionszusammenhänge stellen aber nur Teile der Gesellschaft dar. (3) Honneths Auflistung der Forschungsarbeiten zum Thema Anerkennung und Demütigung müsste ergänzt werden um die bahnbrechenden und politisch brisanten Forschungen zu traumatisierender Gewalt ab Anfang der 1960er Jahre. (ICG2)
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 3687-3699
"Die Geschlechterpolitik der Europäischen Union befindet sich derzeit in einer Phase der Neukonsolidierung, die insbesondere vor dem Hintergrund der Diskussion um ein 'Sozialmodell Europa', wie sie im Zusammenhang mit der Lissabon-Strategie geführt wird, von Bedeutung ist. Die Diskussion um ein wie auch immer gelagertes transnationales Sozialmodell wirft zentrale Fragestellungen hinsichtlich der Verortung und Anerkennung der Geschlechter auf. Zunächst soll in dem Beitrag die Geschlechterpolitik der Europäischen Union einem kritischen Resümee hinsichtlich ihrer normativen Grundlagen unterzogen werden. In einem zweiten Schritt soll dann das Instrument des Gender Mainstreaming als vorläufig konkretestes Ergebnis europäischer Geschlechterpolitik in den Fokus gerückt werden. Dabei steht hier als geschlechterpolitisches Paradigma die Verteilungsgerechtigkeit im Vordergrund, insofern die Analyse der Auswirkungen von Maßnahmen auf Geschlechter im Zentrum steht und in der Folge gegebenenfalls eine Umverteilung zugunsten des benachteiligten Geschlechts stattzufinden hat. Gleichzeitig inhärieren dem Ansatz des Gender Mainstreaming noch weitere Konzepte, die in der Geschlechterpolitik der Europäischen Union bislang weniger zum Tragen kamen, insbesondere Ansätze der Repräsentation sowie komplexer Gleichheit, die Raum für anerkennungstheoretische Überlegungen lassen. In einem dritten Schritt gilt es dann, die geschlechterpolitische Relevanz des 'Sozialmodells Europa' einer Kritik zu unterziehen, insbesondere vor dem Hintergrund der Fragestellung, inwieweit hier Gerechtigkeitsvorstellungen zum Tragen kommen. Dabei gilt es zu überprüfen, inwieweit hier ein Nebeneinander von Verteilung, Anerkennung und Repräsentation angedacht ist und wie dies umgesetzt werden soll. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die exemplarische Betrachtung der Einflussnahme der EU auf die Sozialpolitik mittels der 'Offenen Methode der Koordinierung' in immer mehr Politikfeldern, die in den Bereichen der Beschäftigungspolitik sowie der Bekämpfung von Armut und Ausgrenzung schon weit voran geschritten ist und beispielsweise in den Bereichen Alterssicherung, Gesundheitsvorsorge und Langzeitpflege derzeit eingeführt wird. Hier werden in bislang nicht gekannter Weise Positionierungen der Geschlechter vorgenommen, die hier exemplarisch und vergleichend diskutiert werden sollen. Abschließend werden einige Überlegungen dazu angestellt, inwieweit die Europäische Union als Anerkennungsordnung zu denken sein könnte - beispielsweise als 'Europa der BürgerInnen'." (Autorenreferat)
Dieser Band untersucht gesellschaftliche Anerkennungsverhältnisse in Paarbeziehungen, Arbeitsorganisationen und im Sozialstaat. Dabei wird insbesondere der Frage nachgegangen, inwieweit sich eine solche ""institutionalisierte Anerkennungsordnung"" feststellen lässt und welche Ungleichheiten, beispielsweise zwischen den Geschlechtern, daraus resultieren. Darüber hinaus berücksichtigen die Beiträge dieses Sammelbandes den Einfluss gesellschaftlicher Wandlungsprozesse und sozialstaatlicher Reformen auf diese ""gesellschaftliche Anerkennungsordnung"". Aus dem Inhalt: Theoretischer Rahmen und Fragestellung Subjekt- bzw. handlungstheoretische Perspektive Gesellschafts- und institutionentheoretische Perspektive Mit Beiträgen von: Kai Dröge, Markus Gottwald, Annette Henninger, Stephan Lessenich, Kai-Olaf Maiwald, Marion Möhle, Joachim Renn und Christine Wimbauer.
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Der Beitrag befasst sich mit der exemplarischen Rekonstruktion eines Wandels von Anerkennungsordnungen kollektiver Gewaltausübung. Dabei wird die These bearbeitet, dass es im Zuge der _GIDA-Bewegung zu einer gesellschaftlichen Öffnung gegenüber Gewalthandeln kommt, die etablierte Aversionsnormen übergeht. Eine besondere Rolle spielen hier Fußballhooligans, deren Gewaltexpertise im Lichte einer bei _GIDA-Demos als wehrlos dargestellten Volksgemeinschaft eine neue Legitimierung erfährt. Wir zeigen, inwiefern stellvertretende politische Gewalt zum Selbstverständnis rechtsextremer Hooliganszenen gehört, um dann nachzuzeichnen, wie dieses Handlungsmodell eines gewalttätigen Stellvertreteraktivismus von einflussreichen Teilen der _GIDA-Bewegung Bestätigung erhält und adaptiert wird. Ankerpunkt für diesen Argumentationsgang ist ein Ereignis, bei dem der Wandel in der Anerkennungsordnung kollektiver und politisierter Gewaltausübung prägnant sichtbar wird.
Der Beitrag befasst sich mit der exemplarischen Rekonstruktion eines Wandels von Anerkennungsordnungen kollektiver Gewaltausübung. Dabei wird die These bearbeitet, dass es im Zuge der _GIDA-Bewegung zu einer gesellschaftlichen Öffnung gegenüber Gewalthandeln kommt, die etablierte Aversionsnormen übergeht. Eine besondere Rolle spielen hier Fußballhooligans, deren Gewaltexpertise im Lichte einer bei _GIDA-Demos als wehrlos dargestellten Volksgemeinschaft eine neue Legitimierung erfährt. Wir zeigen, inwiefern stellvertretende politische Gewalt zum Selbstverständnis rechtsextremer Hooliganszenen gehört, um dann nachzuzeichnen, wie dieses Handlungsmodell eines gewalttätigen Stellvertreteraktivismus von einflussreichen Teilen der _GIDA-Bewegung Bestätigung erhält und adaptiert wird. Ankerpunkt für diesen Argumentationsgang ist ein Ereignis, bei dem der Wandel in der Anerkennungsordnung kollektiver und politisierter Gewaltausübung prägnant sichtbar wird.
Die gesamte Anerkennungsordnung einer Gesellschaft als Verhältnis zwischen Liebe, Recht und Leistung (und daher als Verhältnis zwischen differenzierten Kommunikationsmedien) wird in ihrer objektiven und perspektivisch unverzerrten Realität, nirgendwo sichtbar, sondern sie verteilt sich in den polykontexturalen Perspektiven gesellschaftlicher Teilsysteme und kultureller Milieus, in denen sie als Einheit der Differenz pluraler Versionen dieser Ordnung repräsentiert wird. Der politisch-moralische Konflikt, der über die Struktur einer solchen, in gebrochenen Facetten eher übersetzten als repräsentierten Ordnung geführt wird, macht zuerst eine Aushandlung oder einen Abgleich zwischen verstreuten und differenten Versionen einer umfassenden Anerkennungsordnung erforderlich. Das Problem dabei ist nur: Die Preisgabe einer jeweils "eigenen" Übersetzung der Anerkennungsordnung kann jenen kulturellen Horizont verletzen, um dessen Anerkennungswürdigkeit es bei der Einigung auf eine gemeinsame Anerkennungsordnung letztlich geht. (ICF)
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 3665-3670
"Axel Honneth begreift das 'Wesen der Gesellschaft' als ein System von gestaffelten Anerkennungsverhältnissen sowie als eine 'institutionalisierte Anerkennungsordnung'. Die Erwartung sozialer Anerkennung fasst er der Form nach als menschliche Invariante, während sich die Inhalte der Anerkennung durch historische Variabilität und strukturelle Geprägtheit auszeichnen. Mit 'Liebe', 'Recht' und 'Leistung' arbeitet Honneth für moderne Gesellschaften theoretisch drei distinkte Formen von Sozialbeziehungen (Anerkennungssphären) heraus, in denen Individuen soziale Anerkennung erzielen können. Im Zuge von Modernisierungsprozessen, so etwa Voswinkel (2001), komme es zu einer Pluralisierung und Egalisierung von gesellschaftlichen Anerkennungsforen. Mit Blick auf Paarbeziehungen, die im Mittelpunkt unseres Vortrags stehen, gibt es empirische Hinweise darauf, dass durch die steigende Erwerbstätigkeiten von Frauen die Gültigkeit des männlichen Familienernährermodells samt damit einhergehender Sphärentrennung und geschlechtsspezifisch ungleicher Anerkennungsordnung in Frage gestellt wird. Dies gilt besonders in Doppelkarriere-Paaren, in denen beide PartnerInnen hohe Bildung und ein hohes berufliches commitment aufweisen und sich gemäß einem normativen Idealbild als (zumindest beruflich) Gleiche gegenüberstehen. In der Ad-hoc-Gruppe stellen die Verfasser ein empirisches Forschungsprojekt vor, das sich vor dem Hintergrund der Honneth'schen Anerkennungstheorie der Rekonstruktion von (un-)gleichen Anerkennungschancen und -strukturen in Doppelkarriere-Paaren widmet. Dabei nehmen sie die drei Analyseebenen 'Paare' (Liebe), 'Arbeitsorganisationen' (Leistung) und 'Sozialstaat' (Recht) in den Blick. Ihre empirischen Fragen lauten: Geht mit den genannten Wandlungstendenzen eine Pluralisierung und vor allem eine Egalisierung intersubjektiver Anerkennungschancen innerhalb von Doppelkarriere-Paaren einher? Lässt sich tatsächlich die postulierte Pluralisierung und Egalisierung von gesellschaftlichen Anerkennungsforen feststellen? Finden sich bei Doppelkarriere-Paaren Hinweise auf einen Wandel von (geschlechtsspezifischen) Ungleichheiten, und kommt es zu Veränderungen in der 'institutionalisierten Anerkennungsordnung'?" (Autorenreferat)
Gesellschaftliche Krisenlagen - etwa des Arbeitsmarktes oder der Familie - werden in diesem Buch als Sinnkrisen interpretiert. In Biografien von Männern und Frauen spürt die Untersuchung den sinnstiftenden Momenten der persönlichen Lebensführung nach. Die hier verfolgte subjekttheoretische Wendung der Geschlechterdifferenzforschung zeigt geschlechtsspezifische biografische Widersprüche vor allem als Effekt der Anerkennungsordnung. Mit ihrem Ausblick auf eine »Kultur der Bewährung« wirft die Autorin ein neues Licht auf das aktuelle und brisante Thema der Integration
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Gesellschaftliche Krisenlagen - etwa des Arbeitsmarktes oder der Familie - werden in diesem Buch als Sinnkrisen interpretiert. In Biografien von Männern und Frauen spürt die Untersuchung den sinnstiftenden Momenten der persönlichen Lebensführung nach. Die hier verfolgte subjekttheoretische Wendung der Geschlechterdifferenzforschung zeigt geschlechtsspezifische biografische Widersprüche vor allem als Effekt der Anerkennungsordnung. Mit ihrem Ausblick auf eine »Kultur der Bewährung« wirft die Autorin ein neues Licht auf das aktuelle und brisante Thema der Integration.
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Gesellschaftliche Krisenlagen - etwa des Arbeitsmarktes oder der Familie - werden in diesem Buch als Sinnkrisen interpretiert. In Biografien von Männern und Frauen spürt die Untersuchung den sinnstiftenden Momenten der persönlichen Lebensführung nach. Die hier verfolgte subjekttheoretische Wendung der Geschlechterdifferenzforschung zeigt geschlechtsspezifische biografische Widersprüche vor allem als Effekt der Anerkennungsordnung. Mit ihrem Ausblick auf eine "Kultur der Bewährung" wirft die Autorin ein neues Licht auf das aktuelle und brisante Thema der Integration.