"Seit dem Ende der 1990er Jahre sieht sich die feministische Forschung und Theoriebildung mit einem neuen 'innenpolitischen Kernproblem' (Knapp 2005) konfrontiert: Die Perspektive und die damit verbundenen methodologischen und politischen Herausforderungen von Intersektionalität fanden zunehmende Verbreitung. Heute stellt sich die Frage, ob Intersektionalität die notwendige Antwort auf die Auslassungen und blinden Flecken einer homogenisierenden Geschlechterforschung und -politik darstellt oder ob mit den Diversity-Konzepten die seit ihren Ursprüngen als Frauenforschung hin zur Geschlechterforschung zentrale Machtkritik an der bestehenden geschlechtsspezifischen Ungleichheit verloren geht. Der vorliegende Beitrag trachtet danach, eine abwägende, aber dennoch pro-intersektionelle Perspektive zu veranschaulichen, die aber - entgegen eines 'managementkompatiblen Etiketts von diversity' (Knapp 2011: 252) - auf die Notwendigkeit einer anhaltenden Macht- und Herrschaftskritik setzt, und dies nicht nur im Kontext Lateinamerika." (Textauszug)
Die Autorin thematisiert die Ursachen der negativen Auswirkungen der deutschen Vereinigung auf Frauen, die im gesellschaftlichen und historischen Kontext die Handlungsstrategien der Frauen im Vereinigungsprozeß auf unterschiedliche Weise beeinflußten. Dabei stehen zwei verfehlte Synchronisierungsprozesse im Vordergrund der Ausführungen: die getrennten Entwicklungen der ost- und westdeutschen Frauenbewegungen über 40 Jahre hindurch haben unterschiedliche feministische Identitäten erzeugt, die in der Vereinigung kollidierten und den Aufbau einer "gemeinsamen Front" gegen das hegemoniale Vereinigungsprojekt verhinderten. Des weiteren ist nicht auszuschließen, daß die Handlungsstrategien der westdeutschen autonomen Frauenbewegung und die mehr staatsbezogenen Strategien der ostdeutschen Frauenbewegung dem Umbruch von fordistischen zu post-fordistischen Institutionen zuwider liefen. Diese Divergenzen zwischen gesellschaftlichen Strukturen und feministischen Handlungsstrategien werden am Beispiel der Aushöhlung des Keynesianischen Wohlfahrtsstaates aufgezeigt. Während die Ostfrauen eine gesellschaftliche Veränderung nur mit Männer denken können -jegliches Bündnis gegen Männer wurde in der DDR als klassenfeindlich deklariert-, beruht die westliche Konzeption des Feminismus auf Selbstbestimmung und Separierung von Männern. Die autonome, feministische Strategie der westdeutschen Frauenbewegung sowie die staatsbezogene der Ostdeutschen wandten sich in der Vereinigungsphase in dem Moment dem Staat zu, in dem sich dieser in seiner Form und Funktion zu einem postfordistischen, schumpeterianischen Leistungsstaat entwickelte, in dem viele staatliche Dienstleistungen über den Markt erworben werden. "Die Entwicklung neuer Strategien der politischen 'Einmischung' ist nun eine Herausforderung für die gesamtdeutsche feministische Forschung und der frauenbewegten und -bewußten Frauen in Ost und West." (ICK)
Die Autorin zeigt in ihrem Beitrag die Leistungsfähigkeit feministischer Forschung für die Analyse internationaler Beziehungen auf. Sie verdeutlicht dies auf drei verschiedenen Ebenen, die sich jeweils mit der Theorie, der Empirie und der Praxis der internationalen Beziehungen befassen. Zunächst werden die historischen Entstehungszusammenhänge von Feminismus und internationalen Beziehungen dargestellt, die Hinweise darauf geben, warum die Entwicklung liberal-feministischer Ansätze in diesem Politikfeld vergleichsweise spät und zögerlich erfolgte. Anschließend werden verschiedene theoretische Ansätze diskutiert, die von Feministinnen für eine geschlechtersensible Analyse internationaler Politik vorgeschlagen werden. Die Autorin geht in diesem Zusammenhang insbesondere auf den Perspektivenwechsel von der Frauen- zur Geschlechterforschung ein. Anhand der empirischen Bereiche Entwicklungspolitik, internationale Wirtschaftspolitik und internationale Menschen- und Frauenrechte verdeutlicht sie ferner, dass der Zusammenhang von Feminismus und internationalen Beziehungen nicht nur theoretisch erforscht werden kann. Am Beispiel konkreter Policy-Maßnahmen, wie der WID-Programme (Women in Development), kann darüber hinaus gezeigt werden, welche politischen Antworten eine gender-sensitive Analyse bietet. Abschließend wird danach gefragt, welche Maßnahmen auf der Ebene der politischen Praxis ergriffen werden können, um die internationale Politik von hierarchischen Geschlechtsrollen zu befreien und der Emanzipation von Frauen zugänglich zu machen. (ICI2)
Anke Graneß, Martina Kopf und Magdalena Kraus legen eine gut lesbare und übersichtlich gegliederte Einführung in "nicht-westliche" feministische Theorien der zweiten Hälfte des 20. und des Beginns des 21. Jahrhunderts vor und regen dazu weitere Forschungen an. Vorgestellt werden ausgewählte Theoretiker*innen und ihre Konzepte sowie zentrale Debatten, die zum Teil nach Regionen – Schwerpunkte sind Subsahara-Afrika, der Nahe und Mittlere Osten sowie das spanischsprachige Lateinamerika – und zum Teil nach Themen – Postkoloniale Theorie und Kritik, Feminismus im Islam und Ökofeminismus – gegliedert sind. Dabei wird der Eurozentrismus im Denken und in Begrifflichkeiten reflektiert und daran erinnert, dass feministische Theorie im Wechselspiel mit gelebter sozialer und politischer Praxis steht. ; Anke Graneß, Martina Kopf and Magdalena Kraus present a readable and clearly structured introduction to "non-Western" feminist theories of the second half of the 20th century and the beginning of the 21st century and encourage further research. The book presents selected theorists and their concepts as well as central debates, which are divided partly by region - the focus is on sub-Saharan Africa, the Middle East and Spanish-speaking Latin America - and partly by topic - postcolonial theory and criticism, feminism in Islam and ecofeminism. In the process, Eurocentrism in thought and terminology is reflected upon and it is reminded that feminist theory is in interplay with lived social and political practice.
Das Themenheft enthält folgende Beiträge: Felder, Gabriele: Phänomene wirtschaftlicher Globalisierung und deren Auswirkungen auf territorial verfaßte Gesellschaften und Politik; Sauer, Birgit: Globalisierung oder das Ende des maskulinistischen Wohlfahrtskompromisses? Schunter-Kleemann, Susanne: Globalitäre Regime, Neoliberalismus und Europäische Union; Bongert, Elisabeth: Über den Zusammenhang von Globalisierung und Demokratie; Hänel-Ossorio, Gisela: Globalisierung und ihre Folgen für Frauen in der Dritten Welt; Ruppert, Uta: Die Kehrseite der Medaille? Globalisierung, global governance und internationale Frauenbewegung; Hoffmanns-Honnef, Gudrun; Nikodem, Claudia: Die Folgen der Globalisierung für die Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Unternehmerinnen: Initiatorinnen des dritten Wirtschaftswunders oder Jeanne d'Arcs gegen grassierende Erwerbslosigkeit? Schwan, Marianne: Finanzpolitik ist Frauensache - Anmerkungen zu den Steuerreformdebatten; Bentlage, Kirsten: Gesetzliche Frauenalterssicherung vor dem Hintergrund von sozialem Abbau und Globalisierung; Ruf, Anja: Das Au-Pair-Mädchen und die Globalisierung der Medien; Pirpamer, Nicole: Globale Information und Kommunikation? Hess, Sabine: Identitäten im Spannungsfeld der Differenz. Identitätstheoretische Anmerkungen zur Globalisierungsdebatte; Thürmer-Rohr, Christina: Die unheilbare Pluralität der Welt - von der Patriarchatskritik zur Totalitarismusforschung. Diskussion (LSW).