Die afghanische Regierung wertet das Ende September geschlossene Friedensabkommen mit Gulbuddin Hekmatyar, dem Oberhaupt der islamistischen Hizb-e-Islami, als innenpolitischen Erfolg. Es ist ein sichtbares Ergebnis ihrer Friedensbemühungen und soll die Taliban motivieren, sich ebenfalls an den Verhandlungstisch zu setzen. Die Regierung wirbt über das Abkommen indirekt mit Amnestie und politischer Beteiligung. Bislang haben Regierung und Talibanführung nur Gespräche über Friedensgespräche geführt. Gleichzeitig wird der Kampf fortgesetzt, der eine hohe Zahl an Opfern unter Zivilist/innen, Soldat/innen und Taliban fordert. Die afghanische Regierung arbeitet daran, politische und institutionelle Rahmenbedingungen für einen Friedensprozess zu schaffen. Die Talibanführung versucht, durch militärische Erfolge ihren Einfluss auszudehnen und ihre Verhandlungsposition zu verbessern. Gleichzeitig ist sie bemüht, die eigenen Reihen zusammenzuhalten und Möglichkeiten für Friedensverhandlungen auszuloten. (SWP-Aktuell)
Die Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung unter Präsident Juan Manuel Santos und der aufständischen FARC-Guerilla treten nach zweieinhalb Jahren in eine kritische Phase ein. Neben den Verhandlungsfortschritten - in drei von fünf Punkten ist man sich bereits einig - unterstreichen beide Seiten ihre Kompromissbereitschaft durch Zeichen des guten Willens. Gleichzeitig aber wächst die Unsicherheit, ob angesichts der noch umstrittenen Grundsatzfragen der Durchbruch zu einem umfassenden Friedensabkommen gelingen kann. Die Gespräche werden von der internationalen Gemeinschaft unterstützt, doch innenpolitisch zeigt sich das Land stark polarisiert. Der bisherige Verhandlungsverlauf sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Kolumbien nach 50 Jahren gewaltsamer Auseinandersetzungen noch einen weiten Weg zu einem stabilen Frieden vor sich hat. Selbst eine erfolgreiche Verhandlungslösung wäre nur der Anfang eines schwierigen Friedensprozesses mit weitreichendem Reformbedarf. Diesen Prozess sollte die internationale Gemeinschaft mit technischer und finanzieller Unterstützung begleiten. (SWP-Aktuell)
Die Notwendigkeit, sich im Nahen Osten politisch zu engagieren und nach Möglichkeit auf den Friedensprozess einzuwirken, wird in der EU klar erkannt. Daraus abgeleitet wird in der Dissertation folgende Frage zugrunde gelegt: Warum ist die EU bei der Lösung des Nahostkonflikts bisher aus der Rolle eines Außenseiters nicht hinausgekommen? Wie determiniert die intergovernmental-oriented GASP die EU-Politik in der Region? Um diese Frage zu beantworten, werden in der Dissertation zunächst die Probleme heraus gearbeitet, die sich im Zusammenhang mit der EU-Rolle im Nahen Osten als relevant erweisen und dann praktisch auf das Gesamtbild übertragen. Es muss hauptsächlich auf drei Hauptfaktoren hingewiesen werden: 1. Den Mangel an Konsens innerhalb der EU bezüglich einer politischen Einstellung gegenüber dem Nahen Osten 2. Die Abgrenzung des politischen Handlungsspielraums der EU angesichts der schon aktiven politischen Rolle der USA im Nahost-Friedensprozess. 3. Die kritische Position, die andere politische Akteure gegenüber einer EU-Vermittlungs- Rolle im Friedensprozess einnehmen. Die zwei theoretischen Ansätze, auf die ich mich beziehe, sind Neofunktionalismus und Intergovernmentalismus. Eine der zentralen Aussagen der Dissertation lautet, dass die EU-Außenpolitik ein äußerst kompliziertes Gebilde mit vielen Gesichten, vielen Stimmen und unterschiedlichen Interessen ist. Die Problematik wird auf Grund von 3 Beispielen erläutert: der Israelisch-palästinensische Konflikt, die EU-Mittelmeer Partnerschaft und die Beziehungen zum Iran. ; A strong consensus exists amongst EU policy makers that Europe needs to play a more prominent role in the Middle East peace process. Yet, despite Europe´s efforts, its role in the region remains largely sidelined and is concentrated mainly on the economical domain, whereas the United States still plays the main political role in the conflict. The aim of the dissertation was to examine the reason for that. The research question was the following: How come the EU has not managed to become a key player in the Middle East Peace Process? How does the Intergovernmental-oriented CFSP determine the EU behaviour in the region? The answer to this question was supported through competing theoretical approaches to the problematic nature of CFSP mechanism. The two theoretical approaches I referred to were Neo- Functionalism and Intergovernmentalism. These approaches set the theoretical framework of the thesis and helped to reach an in-depth understanding of the EU policy in the region. The research was limited to a period of 10 years, from 1993 (the launching of CFSP) to 2003. In regard to the Israeli-Palestinian conflict the time period under research was mostly 2001-2003 - the years in which the Intifada raged in fullpower in Israel and Palestine. The Dissertation maintains that the nature of the CFSP policy-making in the Middle East is intergovernmental. This is pointed out in a number of examples: the Israeli-Palestinian conflict, the Irak issue, the Euro-Med Agreement and the policy towards Iran.
In Nepal sind sämtliche Last-Minute-Versuche gescheitert, doch noch zum 27. Mai 2012 eine neue Verfassung zu verabschieden. Die Verfassungsgebende Versammlung (Constituent Assembly – CA), vor vier Jahren mit dem Auftrag gebildet, innerhalb von zwei Jahren eine neue Verfassung zu erarbeiten und den Friedensprozess zum Abschluss zu bringen, wurde am Abend des 27. Mai 2012 aufgelöst. Die Abgeordneten wurden unzeremoniell nach Hause geschickt. Ministerpräsident Bhattarai kündigte in einer Ansprache an die Nation für den 22. November Neuwahlen an. Die Opposition sieht darin den Versuch, illegal an der Macht zu bleiben. Sie hat eine Kampagne zum Rücktritt der Regierung und zur Bildung einer Regierung der nationalen Einheit gestartet. Die maoistische UCPN-M steht kurz vor der Spaltung. Das politisch gebeutelte Land befindet sich in Krisenstimmung und Konfusion. Jetzt drohen eine weitere Krisenschleife und die Gefahr, in ethnisch motivierte Gewalt abzugleiten.
Trotz aller politischen Versuche, den kolumbianischen Friedensprozess und die inneren Verwerfungen in Venezuela voneinander zu isolieren, deuten viele Anzeichen darauf hin, dass sich beide Entwicklungen zunehmend verknüpfen. Krisenkonstellationen eines prekären Friedens in Kolumbien und einer autoritären Erstarrung in Venezuela drohen ineinander überzugehen. Es gibt die begründete Sorge, dass dadurch neue Gewaltdynamiken entstehen. Die beiden Nachbarländer in den Anden sind durch ideologische Konfrontation, Grenzkonflikte, illegale Gewaltakteure, Migrationsströme, Drogenökonomie und wirtschaftlichen Austausch so eng miteinander verbunden, dass sich die einzelnen Probleme sowohl innerhalb der beiden Länder als auch grenzüberschreitend kaum mehr voneinander trennen lassen. Dabei werden die Friedensbemühungen in Kolumbien durch die politische und wirtschaftliche Krise in Venezuela erheblich beeinträchtigt. Um nachhaltigen Schaden zu vermeiden, sind integrale Lösungen gefragt. Gestützt werden müssten sie nicht nur von den beiden Staaten selbst, sondern auch von der internationalen Gemeinschaft.
Angesichts der Instabilität im Nahen Osten betonten Israels Premierminister Benjamin Netanjahu und Kanzlerin Angela Merkel bei den gemeinsamen Regierungskonsultationen im Februar 2016, dass es nicht die Zeit für große Fortschritte im israelisch-palästinen-sischen Friedensprozess sei. Doch fördert das Festhalten an der Zweistaatenregelung als bloßes Mantra, bei dem konkrete Umsetzungsschritte unterbleiben, die Verfestigung der Einstaatenrealität unter israelischer Dominanz. Dies macht eine Konfliktregelung letztlich unmöglich. In den Bevölkerungen nimmt die Zustimmung zu einer Zweistaaten-regelung ab. Als Alternativen haben Einstaaten- oder Konföderationsmodelle derzeit zwar noch geringere Realisierungschancen. Deutsche und europäische Politik sollte den-noch kreative und konstruktive Aspekte solcher Modelle ausloten, die es erlauben, nationalen Identitäten sowie individuellen und kollektiven Rechten kooperativ Gel-tung zu verschaffen. Priorität muss allerdings sein, bei den Konfliktparteien durch eine Veränderung der Kosten-Nutzen-Kalküle den politischen Willen zu generieren, über-haupt eine Konfliktregelung herbeizuführen.
Nachkriegsländer gehören zu den schwierigsten politischen Arenen. Die Herausforderungen bestehen nicht nur darin, diese Länder dabei zu unterstützen Kriege zu beenden und neue Gewaltausbrüche zu verhindern, sondern vielmehr zu einem friedlichen Zusammenleben zurückzukehren. In diesem Zusammenhang ist in den letzten Jahren das Interesse vieler Wissenschaftler als auch vieler internationaler Akteure gestiegen, das mögliche Potential des nachhaltigen Managements natürlicher Ressourcen zu nutzen um Friedensprozesse zu unterstützen. Die Hoffnung liegt dabei darin, dass eine gute Regierungsführung ("Good Governance") und insbesondere die nachhaltige Entwicklung und Nutzung von Ressourcen wie Wasser, Wald oder landwirtschaftlichen Flächen, Kooperation zwischen Konfliktparteien ermöglichen und dabei zum Neustart der internen Beziehungen beitragen. Die wachsende Bedeutung des Zusammenspiels zwischen der Entwicklung von Frieden und Umweltschutz sowie der nachhaltigen Nutzung von Ressourcen wurde erst kürzlich durch die Ziele nachhaltiger Entwicklung der Vereinten Nationen bestätigt.
Angesichts der Instabilität im Nahen Osten betonten Israels Premierminister Benjamin Netanjahu und Kanzlerin Angela Merkel bei den gemeinsamen Regierungskonsultationen im Februar 2016, dass es nicht die Zeit für große Fortschritte im israelisch-palästinensischen Friedensprozess sei. Doch fördert das Festhalten an der Zweistaatenregelung als bloßes Mantra, bei dem konkrete Umsetzungsschritte unterbleiben, die Verfestigung der Einstaatenrealität unter israelischer Dominanz. Dies macht eine Konfliktregelung letztlich unmöglich. In den Bevölkerungen nimmt die Zustimmung zu einer Zweistaatenregelung ab. Als Alternativen haben Einstaaten- oder Konföderationsmodelle derzeit zwar noch geringere Realisierungschancen. Deutsche und europäische Politik sollte dennoch kreative und konstruktive Aspekte solcher Modelle ausloten, die es erlauben, nationalen Identitäten sowie individuellen und kollektiven Rechten kooperativ Geltung zu verschaffen. Priorität muss allerdings sein, bei den Konfliktparteien durch eine Veränderung der Kosten-Nutzen-Kalküle den politischen Willen zu generieren, überhaupt eine Konfliktregelung herbeizuführen. (SWP-Aktuell)
Im Juli 2016 ist das rund ein Jahr zuvor geschlossene Friedensabkommen zwischen dem südsudanesischen Präsidenten Salva Kiir und Oppositionsführer Riek Machar gescheitert. Seither verschlechtert sich die Situation im Land zusehends. Vermehrte ethnisch motivierte Gewalt sowie Hassrhetorik von Dinka (der Ethnie des Präsidenten) und Nicht-Dinka sind die Vorboten genozidärer Gewalt. Hauptaufgabe der United Nations Mission in South Sudan (UNMISS) ist der Schutz der Zivilbevölkerung. Zwar wurde im Juli 2016 beschlossen, UNMISS durch eine regionale Schutztruppe zu verstärken. Doch selbst wenn diese entsandt wird, ist zu bezweifeln, dass UNMISS Ausschreitungen gegen die Zivilbevölkerung außerhalb der Hauptstadt vereiteln kann. Die Streitkraft der Friedensmission reicht nicht aus, ihre Kommandostruktur scheint in entscheidenden Momenten zu versagen, die Regierung hindert sie an der Mandatsausübung, es gibt keinen glaubwürdigen Friedensprozess und eine Resolution über ein Waffenembargo scheiterte im VN-Sicherheitsrat. Auch wenn die Möglichkeiten äußerst begrenzt sind, die Zivilistinnen und Zivilisten zu beschützen, könnte die Mission effizienter gestaltet werden. Das gilt ebenso für internationale Sanktionen. (SWP-Aktuell)
Russland hat bisher knapp 200 000 russische Pässe an Ukrainerinnen und Ukrainer aus den 'Volksrepubliken' Donezk und Luhansk vergeben. Damit untergräbt es den Minsker Friedensprozess. Die Passportisierung des Donbas ist Teil eines erprobten außenpolitischen Instrumentariums. Mit ihm erschwert Russland gezielt die Beilegung ungelöster Territorialkonflikte im postsowjetischen Raum mittels kontrollierter Instabilität. Durch diesen demonstrativen Eingriff in die staatliche Souveränität übt Russland Druck auf die ukrainische Zentralregierung in Kyjiw aus. Innenpolitisch verfolgt Russland das Ziel, durch Zuwanderung dem natürlichen Bevölkerungsschwund im eigenen Land entgegenzuwirken. Wegen des Krieges in der Ostukraine migrierten immer mehr Ukrainerinnen und Ukrainer nach Russland; dies war einer der Gründe für die Neufassung der russischen Migrationsstrategie im Jahr 2018. Die Liberalisierung der Gesetzgebung über Staatsangehörigkeit zielt insbesondere auf die Ukraine ab. Indem Russland die Lösung des Konflikts verschleppt, erreicht es zwei Ziele auf einmal: Erstens behält Moskau über den Donbas dauerhaft Einfluss auf die Ukraine, zweitens wird Russland für viele Ukrainerinnen und Ukrainer als Einwanderungsland attraktiver.
In this report, Boas Lieberherr looks at the 37 ceasefires in Liberia between 1990 and 2018, all related to the conflict fought over the government incompatibility. Key insights include that 1) 29 ceasefires were related to peace processes, 2) 16 ceasefires were declared unilaterally, 8 were bilateral and 13 multilateral, and 3) 28 out of the 37 ceasefires involved various external mediators. ; In diesem Bericht geht Boas Lieberherr auf die 37 Waffenstillstände in Liberia zwischen 1990 und 2018 ein, die alle im Zusammenhang mit einem Konflikt um die legitime Regierungsgewalt stehen. Zu den wichtigsten Erkenntnissen gehört, dass 1) 29 Waffenstillstände im Zusammenhang mit Friedensprozessen standen, 2) 16 Waffenstillstände unilateral erklärt wurden, 8 bilateral und 13 multilateral waren und 3) 28 der 37 Waffenstillstände von verschiedenen externen Vermittlern geschlossen wurden.
Die erste Phase des im Dezember 2016 in Kraft getretenen Friedensabkommens zwischen der kolumbianischen Regierung und den FARC-Rebellen ist mit der Ankunft von ca. 6300 Kämpfern in den vereinbarten 26 Konzentrationszonen abgeschlossen. Dort wird nun der Prozess der Entwaffnung beginnen und die Vorbereitung auf die Eingliederung in das zivile Leben, ein Schritt, der der kolumbianischen Gesellschaft noch große Opfer abverlangen wird – sei es bezogen auf die Prozesse der justiziellen Aufarbeitung der Vergangenheit, sei es hinsichtlich der notwendigen Versöhnungsprozesse oder sei es bei der Suche nach neuen Formen des friedlichen Zusammenlebens. Sich in das zivile Leben einzufinden, dürfte insbesondere den ca. 7000 geschätzten Kindersoldaten Kolumbiens schwer fallen, die teilweise bereits im Alter von 12 Jahren von den illegalen bewaffneten Akteuren des Landes an Waffen ausgebildet wurden und ihre Kindheit bzw. Jugend in Guerilla-Verbänden verbracht haben. Die umfassende Betreuung der Kindersoldaten ist einer der zentralen Indikatoren für einen erfolgreichen Verlauf des Friedensprozesses in Kolumbien, wenn der Teufelskreis aus Gewalt, Vertreibung und Rekrutierung Minderjähriger durchbrochen werden soll. Sonst droht eine Verlängerung von Gewaltbiographien, die die Geschichte des Landes bereits in der Vergangenheit maßgeblich geprägt haben.
Am 4. Januar 2016 erklärte die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) in Den Haag den Prozess der Vernichtung syrischer Chemiewaffen für abgeschlossen. Entgegen dieser Erfolgsmeldung ist das Problem offensichtlich nicht gelöst. In mehr als 100 Fällen haben sich die Bürgerkriegsparteien seit April 2014 gegenseitig bezichtigt, chemische Kampfstoffe eingesetzt zu haben. In mehr als 20 Fällen hat die OVCW die Vorwürfe bestätigt. Die USA beschuldigen Syrien zudem, chemische Waffen zurückzuhalten. Die internationale Gemeinschaft versucht, mit Hilfe von drei institutionellen Mechanismen Licht ins Dunkel der Chemiewaffen-problematik zu bringen. Es ist indes ungewiss, ob es gelingt, unter Kriegsbedingungen zu klären, ob Syrien noch ein Chemiewaffenpotential hat, wo Chemiewaffen eingesetzt werden und wer für ihren Einsatz verantwortlich ist. Trotz der geringen Erfolgsaussichten sind diese Untersuchungen aber wichtig, um das Risiko weiterer Chemiewaffeneinsätze zu verringern. Internationale Bemühungen um die Chemiewaffenkontrolle sollten daher unabhängig vom Fortgang des Friedensprozesses mit Nachdruck und langem Atem vorangetrieben werden. Die in diesem Zusammenhang entwickelten Fähigkeiten sollten, soweit möglich, verstetigt werden. (SWP-Aktuell)
Ein halbes Jahr nach der Amtsübernahme von Bashar al-Asad, der im Juli 2000 als Nachfolger seines im Vormonat verstorbenen Vaters Präsidenten Syriens gewählt wurde, zeigt sich, daß der Generationswechsel an der Staatsspitze von einiger Bedeutung ist: Das neue Regime hat zumindest teilweise einen anderen Charakter, es setzt andere Prioritäten und ist in einem bestimmten Maß auf neues Personal angewiesen. Die neuen Machthaber konzentrieren sich auf das innenpolitische Geschehen und verleihen der Wirtschaftspolitik eine höhere Priorität. Der Stillstand im Friedensprozeß unterstützt diese Tendenz, da keinerlei Dringlichkeit besteht, zuviel Zeit auf dieses weiterhin vordringlichste außenpolitische Problem zu verwenden. Allerdings sagt die Festsetzung einer höheren Priorität für wirtschaftspolitische Fragen noch wenig über die Art der zu erwartenden politischen Zielsetzungen und Reformen aus. Kurz- bis mittelfristig sollte man keine revolutionären Änderungen in Syrien erwarten, insbesondere was den Umbau des politischen Systems angeht. Rückschläge und Konflikte zwischen der alten Garde, den Reformisten um dem neuen Präsidenten und liberalen Kräften, die schnelleren und tiefgehenden Wandel wünschen, sind unvermeidlich. (SWP-Studie / SWP)
Die Zahl der Kindersoldaten weltweit wird auf 250 000 geschätzt. Diese Kinder tragen häufig eine besonders schwere Last. Sie sind zugleich Täter und Opfer unvorstellbarer Grausamkeiten. Für den Wiederaufbau der von Krieg und Gewalt zerstörten Gesellschaften kommt aber gerade Kindersoldaten eine besondere Bedeutung zu. Besinnen sie sich auf das, was sie während des Krieges gelernt haben, so kann dies einen Friedensprozess entscheidend behindern. Um eine Rehabilitierung und Reintegrierung der ehemaligen Kindersoldaten zu gewährleisten, ist es wichtig, zu verstehen, wie sich die erlebten traumatischen Erlebnisse auf die Psyche der Kinder auswirken und welchen Einfluss eine psychische Traumatisierung auf ihre Versöhnungsfähigkeit hat. Ziel der Studie war es daher, den Zusammenhang zwischen traumatischen Erlebnissen, der Symptomausprägung von PTSD und komorbiden Depressionen und der Versöhnungsfähigkeit bei ehemaligen Kindersoldaten zu erfassen. Im Frühjahr und Sommer 2005 wurden 169 ehemalige Kindersoldaten in Rehabilitations- und Übergangszentren in Uganda und der D.R. Kongo im Rahmen der Querschnittsstudie untersucht. Soziodemografische Variablen und erlebte potenziell traumatisierende Ereignisse wurden mit auf die Stichprobe angepassten Fragebögen erfasst. PTSD- und Depressionssymptome wurde mit dem Child Posttraumatic Stress Disorder Reaction Index (CPTSD-RI) und der Birleson Depression Self-Rating Scale (DSRS) gemessen. Darüber hinaus wurden die Versöhnungsbereitschaft und der Wunsch nach Rache anhand von strukturierten Fragebögen festgestellt. Die an dieser Studie teilnehmenden Kindersoldaten waren im Mittel 15,3 Jahre alt. Sie wurden in einem Durchschnittsalter von etwa 12 Jahren rekrutiert und verbrachten im Schnitt mehr als drei Jahre bei den bewaffneten Gruppen. Die Kinder waren zum Zeitpunkt der Datenerhebung seit durchschnittlich 2,3 Monaten demobilisiert. Die Kinder berichteten vielen potenziell traumatischen Situationen ausgesetzt gewesen zu sein. Am häufigsten berichtetet wurde das Zeuge-Werden von Schüssen oder Bombardierungen aus nächster Nähe (92,9%). Insgesamt 54,4% gaben an, selbst jemanden getötet zu haben, und 27,8% berichteten, zu sexuellem Kontakt gezwungen worden zu sein. Ein Drittel der untersuchten ehemaligen Kindersoldaten litt unter posttraumatischen Belastungsstörungen und ein weiteres Drittel unter Depressionen, so dass etwa jedes zweite Kind unter PTSD und/oder Depressionen litt. Ehemalige Kindersoldaten, die mehr PTSD-Symptome zeigten, hatten eine signifikant geringere Versöhnungsbereitschaft (r= -0,34, p < 0,001) und signifikant mehr Rachegefühle (r= 0,29, p < 0,001). Diese Studie konnte zeigen, dass die untersuchten ehemalige Kindersoldaten häufig unter PTSD und Depressionen litten. Je ausgeprägter die PTSD-Symptome waren desto geringer war die Versöhnungsbereitschaft und desto größer war der Rachewunsch der Kinder. Dieser Zusammenhang unterstreicht die Notwendigkeit der Umsetzung der Verpflichtung aus der UN-Kinderrechtskonvention, von Krieg betroffenen Kindern eine psychische Rehabilitierung zu gewähren, und belegt zugleich die Bedeutung psychischer Traumatisierung für Friedensprozesse in von Krieg und Gewalt geprägten Gesellschaften.