Zusammenfassung Wie Gewalt im Kontext von Protesten wahrgenommen wird, was als Gewalt gilt und was als legitimer Protest, hängt wesentlich von der Berichterstattung in kommerziellen und öffentlich-rechtlichen Massenmedien ab. Am Beispiel von drei Ereignissen im Kontext der Proteste gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm vergleicht der Beitrag Deutungsmuster und Bildsprache in sechs deutschen Tageszeitungen. Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen liberalen und konservativen Blättern – in der Beurteilung der Ereignisse, in der Perspektivität der Berichterstattung und damit in dem Bild, das von Protest und Gewalt gezeichnet wird.
Abstract In paragraph 18 of "Toward the Critique of Violence," the terms life, living, and violence, and the relations among them, complicate Walter Benjamin's justification of divine violence—his text's main discovery. This article seeks to reconstruct Benjamin's uses of life and living in earlier texts and to consider the potential influence of various authors he was reading at the time (Heinrich Rickert, Erich Unger, Kurt Hiller, Gershom Scholem). Benjamin's distinction between life and living is crucial for his critique of pacifism and for his shift in perspective: he moves the focus from the victim to the one committing murder, but whose violent act just might bring justice.
Zusammenfassung Dieser Artikel differenziert zwischen unterschiedlichen Formen der Gewalt. Es wird herausgearbeitet, dass die Entscheidung darüber, was als Gewalt gilt, von den jeweiligen historischen und kulturellen Bedingungen abhängt. Phänomene des Tötens und der Gewalt können daher nur in ihrem jeweiligen Kontext angemessen begriffen und bewertet werden. Zu ihrem Verständnis und zu ihrer Erklärung bedarf es multidimensionaler Zugänge. Im Anschluss an René Girard wird von der Bedeutung mimetischer Phänomene für die Entstehung von Gewalt ausgegangen. Verbote und Rituale werden als Versuche begriffen, die Entstehung von Gewalthandlungen zu vermeiden. Es wird deutlich, dass viele Gewalthandlungen, die dazu führen, andere Menschen zu töten, spontan entstehen, selbst den Tätern unbegreiflich bleiben und sich häufig einer ausreichenden Erklärung entziehen.
Sitzblockaden der "Letzten Generation" bewerten deutsche Gerichte als Nötigung durch Gewalt. Ich halte dies für vereinbar mit dem Begriff "Gewalt", den § 240 Strafgesetzbuch enthält. Gewalt bedeutet nicht zwingend Aktivität – maßgeblich ist, ob körperlich wirkende Macht über eine andere Person ausgeübt wird. Damit wende ich mich gegen den kürzlich erschienenen Beitrag von Siegmar Lengauer, der aus österreichischer Perspektive ungläubig auf die deutsche Rechtsprechung zum Gewaltbegriff blickt und diese ablehnt.
Wer sich passiv verhält, übt keine Gewalt. In Österreich handelt es sich dabei um einen Leitsatz zur Nötigung, der sich in fast allen Kommentierungen und Lehrbüchern zu § 105 österreichisches Strafgesetzbuch (öStGB) findet. Der Autor wundert sich, dass deutsche Gerichte dies anders sehen und Aktivist*innen der Klimabewegung, die an Sitzblockaden teilnehmen, immer wieder wegen Nötigung bestrafen. Schon das allgemeine Sprachverständnis lege doch nahe: Wer bloß sitzt, der ist nicht gewaltätig.
Zusammenfassung Der Essay beginnt mit der Frage nach der Legalität militärischer Gewaltanwendung und endet mit dem Blick auf das komplexe Management und die Dosierung militärischer Gewaltsamkeiten. Militär als ein Gewaltdispositiv zu begreifen, das unterschiedliche kollektive Gewaltsamkeiten bündelt, organsiert und zur Anwendung bringen kann, verweist auf die Notwendigkeit eines breiten, integrativen Gewaltverständnisses, das Abstand von scharfen, aber einschränkenden Definitionen nimmt.
Sitzblockaden gelten gemeinhin als Form des friedlichen Protests. Die Strafgerichte sehen in der Störung der freien Fahrt der Autofahrer:innen jedoch eine Nötigung durch "Gewalt" nach § 240 StGB. Aus unserer Sicht setzt Gewalt dagegen eine Einwirkung auf den Körper des Opfers voraus. Der Gewaltbegriff der Zweite-Reihe-Rechtsprechung verstößt gegen Art. 103 Abs. 2 GG und führt auch strafrechtsintern zu gravierenden Unstimmigkeiten.
This article engages critically with sociological interpretations of constitutional law, which tend to view constitutions as an internal aspect of state sovereignty that serves the rational integration of citizens and promotes the civilization of national political cultures, separate from inter-state conflicts. Variants on this view run through much of modern sociology, including, in distinct form, the work of Norbert Elias. In contrast to such outlooks, the article argues that constitutions form complex links between the internal and the external domains of state action, and they are typically created by external military pressures, usually resulting from imperialism. It expands on this claim by first assessing how, in different examples, constitutions have been used to consolidate the means of military violence in settings defined by imperialism, typically establishing rights for citizens as instruments to mobilize outwardly directed military force. On this basis, this article continues by assessing how constitutions have also engendered forms of violence within national societies. Overall, it is claimed that constitutions often instilled a tendency towards the uncontrollable production of violence in the states that they framed. Through their foundation in the administration of military force, constitutionally designed states have typically internalized deep conflicts (ethnic and socio-economic) between groups of citizens, which their military emphasis has intensified. At different junctures, then, states have struggled to mollify such violence, and they usually relied on more violence - internal and external - to accomplish this. The article concludes with some reflections on the ways in which constitutions eventually managed to pacify national societies, stressing the role of international law in this process.