Der Beitrag bietet einen mit Daten für die Bundesrepublik Deutschland ausgestatteten Überblick über die Ausgabenentwicklung im Gesundheitswesen für den Zeitraum von 1960-1980. Hinzu kommt eine Aufschlüsselung der Finanzierung der Gesundheitsleistungen, untergliedert nach Aufgabenträgern sowie eine Skizze von Optionen für die zukünftige Entwicklung. (UH)
Die private Krankenversicherung (PKV) der Bundesrepublik nimmt nach Größe, Versicherungstechnik und Integration in das soziale Sicherungssystem eine Sonderstellung in Europa ein. Im Kontext des europäischen Binnenmarktes ist die PKV jedoch nicht dem Bereich der sozialen Sicherung zugeordnet. Es wird untersucht, wie die PKV mit dieser Situation fertig wird, wo die Gefahren liegen und welche Perspektiven es gibt. Struktur und Funktion der PKV in der Bundesrepublik werden beschrieben, um dann in einem internationalen Vergleich mit den übrigen europäischen Ländern deren Besonderheiten herauszuarbeiten. Für den europäischen Binnenmarkt wird festgestellt, daß die PKV, obwohl sie eng mit der sozialen Sicherung verflochten ist, im Rahmen der EG-Kommission nicht der sozialen Sicherung, sondern den Finanzdienstleistungen zugeordnet wird. Im Vordergrund der Harmonisierung steht dabei der freie Dienstleistungsverkehr. Die Überlegungen führen zu dem Ergebnis, daß sich für die PKV ernstzunehmende Bedrohungen ergeben könnten: Infolge des Verzichts auf Zugangskontrolle im Tätigkeitsland könnten auf dem deutschen Markt neben der traditionellen deutschen Krankenversicherung auch Risikoversicherungen angeboten werden, die vordergründig billiger sind, dem Verbraucher aber nicht die gleiche Sicherheit bieten. (ICA)
Nach einer auch auf die historische Entwicklung verweisenden Darstellung der Regionalität in der Gesetzlichen Krankenversicherung (AOK) untersucht der Autor die regionalen Risikounterschiede Mittels detaillierte Zahlen werden die Beitragsunterschiede, die Finanzkraftunterschiede sowie die Unterschiede in der Versichertenstruktur in den verschiedenen Regionen der Bundesrepublik dargestellt. Dabei ist es nicht möglich, im einzelnen eine durchgehende Linie der regional unterschiedlichen Risikostruktur auszumachen. Aber wenn man die Extrembereiche in den Beitragssätzen betrachtet, dann werden doch bestimmte Zusammenhänge deutlich: (1) das Nord-Süd-Gefälle: die günstigsten Beitragssätze liegen ausschließlich in Bayern und Baden-Württemberg, die ungünstigsten im Norden bis zur Mitte, nämlich in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz. (2) Bei hohen Beitragssätzen steht in den altindustrialisierten Ballungsgebieten des Ruhrgebiets das Ausgabenrisiko im Vordergrund, in den mehr ländlich strukturierten Gebieten oder solchen mit mittleren Verdichtungskernen, überwiegend die Finanzierungsschwäche. Die Ausführungen kommen zu dem Schluß, daß die Krankenversicherung ein erhebliches Potential zur Verstärkung oder zum Ausgleich räumlicher Disparitäten darstellen kann. Es wird aber auch deutlich, daß Konflikte zwischen den Zielen der Raumordnung und der sozialen Sicherung bestehen. (RW)
Ausgehend davon, daß im Zusammenhang mit der Einführung des EG-Binnenmarktes 1992 viele Probleme gerade im sozialen Bereich noch im Ungewissen liegen, werden in dem Beitrag die Folgen des Binnenmarktes für die gesetzliche Krankenversicherung betrachtet. Aufgrund der Tatsache, daß in den EG-Staaten verschiedene gesetzliche Krankenversicherungssysteme bestehen, die nicht aufeinander abgestimmt sind, kommt eine Harmonisierung vorläufig nicht in Frage. Langfristig erscheint es sinnvoll, eine schrittweise Konvergenz der nationalen Krankenversicherungssysteme anzustreben. Für eine sachgerechte Koordinierung ist es notwendig, sich Klarheit über die gegenwärtige Situation und die Probleme zu verschaffen. Dabei geht es vor allem um Leistungsansprüche und Kostenerstattung durch den zuständigen Träger für Leistungsaushilfe im anderen Staat sowie um Probleme an der Grenze. Es wird die Praxis diskutiert, die Sozialversicherung im Heimatstaat auch bei der Arbeit in einem anderen EG-Staat aufrecht zu erhalten. Die Entwicklung der Niederlassungsfreiheit und der freien Ausübung der medizinischen Berufe wird beschrieben. Probleme der Arzneimittelmärkte werden angesprochen. Die Ausführungen zeigen, daß sich der EG-Binnenmarkt in einer breiten Palette von Handlungsfeldern auch auf die deutsche Krankenversicherung auswirken wird. (ICA)
"Der Schrumpfungsprozess der Bevölkerung wird auf die private und die Gesetzliche Krankenversicherung unterschiedliche Auswirkungen haben. In der Gesetzlichen Krankenversicherung mit ihrem Umlageverfahren werden die Beiträge allein aus dem Schrumpfungsprozess bis 2030 um ca. 30 v.H. steigen müssen. Bei der Berechnung dieser Zahlen wurde unterstellt, daß keine gravierenden Änderungen in der Gesetzeslage, im Erwerbsverhalten, der Einkommensentwicklung usw. eintreten. In der privaten Krankenversicherung dagegen berücksichtigt die Kalkulation von Anfang an die Lebenserwartung und bildet einen über die ganze Vertragsdauer gleichbleibenden Monatsbeitrag. Dabei werden die in jungen Jahren zuviel gezahlten Beiträge über eine Altersrückstellung für die Zeit angespart, wenn die gezahlten Beiträge nicht mehr ausreichen. Die unterschiedliche Beitragsentwicklung in beiden Kassenarten kann in der Bevölkerung zu einer Wanderungsbewegung zwischen den Systemen führen, hin zur privaten Krankenversicherung. Ob ein Wechsel zwischen den Systemen sinnvoll und möglich ist, richtet sich nach Alter, Familienstand und Einkommen." (Autorenreferat)
Der Verfasser setzt sich zunächst auf definitorischer Ebene mit dem Problem des Finanzausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung auseinander, um vor diesem Hintergrund einen Überblick über die möglichen Ziele eines Finanzausgleichs und die zu deren Erreichen einzusetzenden Instrumente zu geben (horizontale Verteilungsgerechtigkeit, Wettbewerbsentzerrung, Vermeidung von Risikoselektionsstrategien, Rückversicherung). Im folgenden werden Kriterien zur Bewertung von Finanzausgleichen skizziert. Es schließt sich eine Darstellung und Bewertung der gegenwärtig in der gesetzlichen Krankenversicherung der Bundesrepublik durchgeführten Finanzausgleiche an. Hierzu zählen kasseninterne interregionale Finanzausgleiche, kassenarteninterne Finanzausgleiche sowie der kassenartenübergreifende Finanzausgleich in der Krankenversicherung der Rentner. Abschließend wird der Vorschlag der Einführung eines Risikostrukturausgleichs diskutiert. (ICE)
Der Teil der Bevölkerung, der mit einer Privatversicherung eine volle Krankenkostenversicherung abgeschlossen hat, nimmt mit wachsenden Steigerungsraten zu. Inzwischen ist jeder zehnte Krankenversicherte privat vollversichert, eine Steigerung gegenüber 1976 um 43 Prozent. In seinem Beitrag diskutiert der Autor die gesundheitspolitischen Folgen des Trends zur kommerziellen Krankenversicherung, d.h. "die mit zunehmend differenziertem Krankenversicherungsschutz einhergehende soziale Differenzierung der Krankenversorgung." Es besteht dabei die Gefahr, daß die "Verteilungsstruktur der Gesellschaft, die sich bislang weitgehend nur in unterschiedlichen Versicherungen ausdrückt, auch auf die Teilhabechancen an der medizinischen Versorgung durchschlägt". Neben diesem allgemeinen Trend werden folgende Themenkomplexe diskutiert: Kommerzielle Versicherung versus Solidarausgleich; soziale Kosten der Privatversicherung; Nutzen-Kosten-Analysen der Privatversicherungen. (pmb)
"Die gegenwärtige Debatte um die Weiterentwicklung von Institutionen und Anreizen für die Krankenkassen, die Akteure der Krankenversorgung und die Versicherten ('dritte Stufe der Gesundheitsreform') weist im Hinblick sowohl auf die Themen als auch auf die Instrumente spezifische Ausblendungen und Fokussierungen auf. Diese sind nicht mit empirischer gesundheitspolitischer Erfahrung zu begründen, sondern folgen der dominanten Ideologie vom Eigenwert der Deregulierung und von der Produktivität ökonomischer Marktkonkurrenz. Ausgehend von sieben als essentiell angesehenen Elementen des deutschen Grundmodells der Regulierung der Krankenversicherung und Krankenversorgung und empirisch vielfach bestätigten Stärken und Schwächen dieses Modells werden in der Präsentation wesentlicher Implikationen solcher Reformvorschläge in Form von absehbaren Folgen ihrer Umsetzung auf Institutionenbildung und Akteurverhalten im Lichte historischer und internationaler Erfahrung skizziert. Es zeigt sich, daß die Umsetzung derzeit dominanter Reformvorschläge zentrale Funktionsdefizite des Gesundheitssystems (sozial bedingte Ungleichheit vor Krankheit und Tod; Unternutzung von Prävention und Gesundheitsförderung; Untergewichtung von Effektivitätskriterien und Effizienzkriterien bei Zulassung und Anwendung medizinischer Waren und Dienstleistungen; institutionell und professionell ausbleibende Anpassung der Krankenversorgung an den von chronisch-degenerativen Krankheiten geprägten Bedarf etc.) unberührt lassen würde, wesentliche Vorteile der gegenwärtigen Regulierung (materielle Egalität bei Zugang und Inanspruchnahme; relative Übersichtlichkeit; politische und finanzielle Steuerbarkeit etc.) beschädigen und neue Probleme (individuelle Verhaltenskontrolle; Unterversicherung; Rationalisierung etc.) schaffen würde. Neben der ideologischen Komponente werden als Ursache für diese Fehlentwicklungen der Debatte Versuche der Selbstentlastung des Staates und der Verantwortungsüberwälzung auf Krankenkassen und Versicherte sowie Druckwirkungen und Sogwirkungen anlagesuchenden Geldkapitals gesehen. Sozialwissenschaftlicher Expertise kommt in dieser Situation v.a. die Aufgabe zu, auf die Ungeeignetheit von Mitteln bei gegebenen Zwecken hinzuweisen sowie auf bestehende Regulierungsalternativen hinzuweisen und diese weiterzuentwickeln." (Autorenreferat)
"Ausgangspunkt ist die methodische Frage, was überhaupt demographisch bedingte Auswirkungen auf die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) sind (und wie sie isoliert werden könnten), angesichts der vielfältigen, zum Teil wechselseitigen Beziehungen zwischen Bevölkerungsentwicklung, Arbeitsmarkt, gesamtwirtschaftlicher Entwicklung und sozialer Sicherung. Anschließend werden Auswirkungen auf die Ausgabenentwicklung und den Finanzbedarf der GKV untersucht. Hier zeigt sich, daß demographisch bedingte Effekte im Vergleich zu anderen ausgabedeterminierenden Faktoren in der GKV und im Vergleich zu den Konsequenzen der Altersstrukturveränderung für die gesetzliche Rentenversicherung vergleichsweise gering sind. Zweiter Schwerpunkt ist die Analyse der zur Finanzierung von Ausgaben der GKV geeigneten Finanzierungsarten, also Fragen der Einnahmestruktur. Nach einem Überblick über Ansatzpunkte zu ihrer Gestaltung wird vor allem auf die Finanzierung der Krankenversicherung der Rentner eingegangen, auf Fragen im Zusammenhang mit einer Differenzierung von Beitragssätzen in der GKV oder zweckgebundenen Verbrauchssteuerzuschlägen. Schließlich wird die Frage behandelt, ob lohnbezogene Beiträge zur Finanzierung aller GKV-Ausgaben geeignet sind. Dies wird vor allem erörtert anhand der Ausgaben des Familienlastenausgleichs, die in der GKV insbesondere durch die beitragsfreie Mitversicherung von Familienangehörigen enstehen." (Autorenreferat)
"Mit der Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung wird eine wesentliche Weiterentwicklung des Sozialversicherungsprinzips markiert: die Umstellung vom Bedarfs- auf das Budgetprinzip. Nach dem 'Bedarfsprinzip', das als konstitutiv für den Idealtypus 'Gesetzliche Krankenversicherung' gelten kann, hat jeder Versicherte Anspruch auf alle zweckmäßigen und notwendigen Leistungen - unabhängig von den dadurch hervorgerufenen Kosten und von der Höhe der zuvor gezahlten Beiträge. Dem Budgetprinzip zufolge wird die Leistungsgewährung dagegen durch die Höhe der bereitgestellten Mittel limitiert. Während im Gesundheitsreformgesetz und im Gesundheitsstrukturgesetz bereits Tendenzen in Richtung auf das Budgetprinzip erkennbar sind (Einführung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität, 'Deckelung' für Einzelbudgets), wird der endgültige Schritt vom 'Bedarfs-' zum 'Budgetprinzip' im Pflege-Versicherungsgesetz vollzogen. Die neu eingeführte gesetzliche Pflegeversicherung ist von Anfang an nicht als umfassendes Versorgungssystem, sondern lediglich als Grundsicherung konzipiert. Neben der globalen Deckelung durch den Grundsatz der Beitragssatzstabilität, dessen Geltung gegenüber der Krankenversicherung noch verstärkt wird, sieht das Gesetz zudem für jeden individuellen Pflegebedürftigen nur begrenzte Leistungen vor - unabhängig vom tatsächlichen Bedarf. Mit dem Übergang vom Bedarfs- zum Budgetprinzip ist zwar eine Begrenzung der Ausgaben der gesetzlichen Pflegeversicherung gewährleistet, die Entwicklung der Gesamtkosten für Pflegebedürftigkeit wird aber kaum beeinflußt, da wesentliche kostentreibende Momente (steigende Fallzahlen aufgrund demographischer Entwicklungen, stärkere Inanspruchnahme der (teureren) professionellen Pflege wegen des Rückgangs des familialen Pflegepotentials, geringe Rationalisierbarkeit der Pflege und zu erwartende überproportionale Lohnsteigerungen für Pflegekräfte als Mittel zur Bekämpfung des 'Pflegenotstandes') außerhalb der Regelungen der Pflegeversicherung angesiedelt sind. Wenn die Preissteigerungen für Pflegeleistungen aber oberhalb der Zunahme der Gesamtsumme des versicherungspflichtigen Einkommens liegen, dann müssen stabile Beitragssätze mit einem sinkenden Realwert der Leistungen der Pflegeversicherung erkauft werden. Damit ergeben sich für die Pflegeversicherung erhebliche Legitimationsprobleme: Durch Einführung der Pflegeversicherung steigt das Volumen öffentlicher Leistungen bei Pflegebedürftigkeit und somit auch die von jedem einzelnen aufzubringenden Finanzierungsbeiträge. Die Einrichtung einer eigenen Sozialversicherung führt zudem zu einer wesentlich höheren Sichtbarkeit dieser Finanzierungslasten. Damit wird eine Erwartungs- und Anspruchshaltung der Pflegebedürftigen geschaffen, die enttäuscht wird, wenn die Leistungen der Pflegeversicherung nicht bedarfsdeckend sind und der Realwert dieser Leistungen im Zeitablauf sogar noch sinkt. Der Übergang vom Bedarfs- zum Budgetprinzip wirkt somit zwar einer Delegitimation der Sozialversicherung durch Beitragssatzsteigerungen entgegen. Gleichzeitig werden durch die Enttäuschung von Erwartungen, die teils erst durch die Diskussion um die Einführung der Pflegeversicherung geschaffen wurden, aber neue Akzeptanzprobleme erzeugt, die es fraglich erscheinen lassen, ob der Übergang vom Bedarfs- zum Budgetprinzip mittel- und langfristig politisch durchgehalten werden kann." (Autorenreferat)
Ende Februar 1990 hat die Enquete-Kommission des Bundestages nach zweieinhalbjähriger Arbeit ihren Endbericht vorgelegt. In dem Beitrag werden folgende Themen diskutiert: Gesundheitspolitische Perspektiven des Berichtes; Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung in der gesundheitlichen Versorgung; Aufgaben der GKV in der Prävention; Rehabilitation; Kassenärztliche Versorgung; Stationäre Versorgung; Arzneimittelversorgung; Optionen zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Autor faßt den Bericht mit zwei "gar nicht hoch genug zu bewertenden Einsichten" der Enquete-Kommission wie folgt zusammen: "Erstmalig macht ein von einem so hochrangigen politischen Organ der BRD wie dem Bundestag herausgegebener Bericht den Begriff 'Gesundheit' zum Paradigma der Gesundheitspolitik. Bislang wurde Gesundheitspolitik implizit als Bewältigung von Gesundheitsschädigungen, d.h. als 'Krankheitspolitik' verstanden. Man konzentrierte sich auf das Medizinsystem; der soziale Zusammenhang von Gesundheit und Krankheit war weitgehend ausgeblendet... Die gesetzliche Krankenversicherung mit den Prinzipien der solidarischen Finanzierung und der selbstverwalteten Organisation ist sowohl gesundheitspolitisch wie volkswirtschaftlich ohne tragfähige ordnungspolitische Alternative. Die noch vor einigen Jahren auch von Mitgliedern der GKV-Enquete favorisierte weitgehend marktwirtschaftlich, d.h. auf Basis privater Risikoabsicherung funktionierende Steuerung der medizinischen Versorgung kann nicht als ernstzunehmende Lösung angesehen werden." (pmb)