Open Access BASE2020

Nicht-ideale Gesellschaftstheorie und intellektuelle Praxis ; Umrisse eines emanzipatorischen Philosophieverständnisses im Anschluss an Gramsci und Mills ; Non-Ideal Social Theory and Intellectual Practice. Outlines of an Emancipatory Understandig of Philosophy with Gramsci and Mills

Abstract

Wie muss eine Gesellschaftstheorie operieren, die zur Überwindung von Herrschaftsverhältnissen beitragen soll? Eine methodische Entscheidung, die bei dieser Frage eine große Rolle spielt, ist die zwischen idealer und nicht-idealer Theorie. Ideale Theorien tendieren aufgrund ihrer Methodik dazu, ideologische Auffassungen der gesellschaftlichen Verhältnisse zu unterstellen, die Herrschaftsverhältnisse theoretisch reproduzieren und meliorative politische Theorie und Praxis daher nicht informieren können. Ich plädiere demgegenüber für eine Form nicht-idealer Theorie, die ihren theoretischen Ausgangspunkt im Standpunkt Beherrschter sucht, d.h. – letztendlich – an die in praktischer Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit entwickelten intellektuellen Traditionen beherrschter Gruppen anknüpft und diese kritisch fortführt. Hierfür wird zunächst mit Charles Mills eine Ideologiekritik von John Rawls' idealer Theorie, v.a. in A Theory of Justice, entwickelt. Konkret wird gezeigt, dass Rawls' "farbenblinder" Rassismusbegriff von einer historisch situierten, Weißen, Perspektive ausgeht, wodurch sich das, was er als Vorstellung einer vollkommen gerechten Gesellschaft ausgibt, als Projektion eines Weiß-strukturierten Denkens herausstellt. Ideale Theorie erscheint damit inhaltlich wie programmatisch als Theorie vom ideologischen Standpunkt Herrschender. Eine emanzipatorisch orientierte Sozialphilosophie ist, um der Gefahr zu entgehen, ideologisch zu werden, mit dem Anspruch konfrontiert, sich bewusst auf nicht-idealem theoretischem Boden zu verorten und den Standpunkt kenntlich zu machen, von dem aus Theorie betrieben wird. Nicht-ideale Theorie wird mit Charles Mills als Theorie interpretiert, die vom Standpunkt Beherrschter ausgehen muss, weil dieser eine objektivere Sicht auf die gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnisse verspricht. Um den Prozess der Formulierung des Standpunkts Beherrschter näher zu bestimmen, werden einerseits Ansätze der feministischen Standpunkttheorie (v.a. Nancy Hartsock und Sandra ...

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