Sammelwerksbeitrag(gedruckt)1982

Die Einführung der Kartoffel in Österreich: sozialgeschichtliche und volkskundliche Interpretation

In: Sozialer und kultureller Wandel in der ländlichen Welt des 18. Jahrhunderts, S. 163-194

Abstract

"Kartoffeln haben also im 19. Jahrhundert zwei sehr extreme Positionen im Mahlzeitensystem: Einerseits zeigen sie bürgerlichen Einfluß und belegen eine fortschrittlichere und gehobenere Eßkultur, andererseits sind sie Zeichen extremer Not als Kleinhäuslernahrung, Armennahrung und Arbeiternahrung. Zweifellos sind es von Hausindustrie durchsetzte Räume, wo die Kartoffel zuerst zum Massennahrungsmittel geworden war: Vorarlberg, das Oberinntal, das Mühl- und Waldviertel, das Viertel unter dem Wienerwald. Und wenn von den Industrieräumen der stärkste Impuls zur Annahme dieses neuen Nahrungsmittels ausging, so mußte dies nicht notwendig mit dem Druck auf den Magen identisch sein. Nicht so sehr und nicht nur, weil diese Regionen entsprechend pauperisiert worden wären, wurde die Kartoffel rezipiert, sondern weil sich neue Formen der Arbeitsorganisationen herausbildeten, zu deren Effektivität die Kartoffel entscheidend beitragen konnte. In die Wirtschaft der Protoindustrialisierung paßte die Kartoffel wie kaum eine andere Frucht: Ihre Kultur erforderte kein teueres Gerät, kein Zugvieh, sie konnte im Nebenerwerb auf kleinen Flächen auch von Frauen und Kindern betrieben werden, erbrachte hohe Erträge und garantierte somit die erfolgreiche Hausstandsgründung: Der wirtschaftliche Erfolg gepaart mit Modernität der Wirtschaftsführung, in der Kartoffeln zwar einen wichtigen Platz einnahmen, sehr wohl aber vereint mit Brot, Frischfleisch, Kaffee und Zuckerwerk. Das würde auch erklären, warum der Erfolg der Kartoffel in altstrukturierten Industrieräumen weit nicht so durchschlagend war wie in typischen Protoindustrialisierungsräumen." (Autorenreferat)

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